TE OGH 1986/12/4 8Ob50/86

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Veröffentlicht am 04.12.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Redzep N***, Lagerist, Wesenbergerstraße 4, D 7833 Endingen, BRD, vertreten durch Dr. Gottfried Eisenberger, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Z*** K*** V*** AG, Schwarzenbergplatz 15, 1015 Wien, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 329.101,14 s.A. (Revisionsstreitwert S 312.733,39), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 5. Mai 1986, GZ. 3 R 51/86-97, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 7. Februar 1986, GZ. 15 Cg 160/80-92, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 12.686,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von S 1.920,- und Umsatzsteuer von S 978,75) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde am 15.12.1977 bei einem Verkehrsunfall auf der Bundesstraße 67 im Gemeindegebiet von Gabersdorf, Bezirks Leibnitz, verletzt. Die Schadenersatzpflicht der Beklagten ist dem Grunde nach nicht strittig.

Im vorliegenden Rechtsstreit (die Klage wurde am 12.12.1978 eingebracht) begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall zuletzt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 329.101,14 s.A. an Verdienstentgang für die Zeit vom 1.1.1979 bis 30.6.1982 im wesentlichen mit der Begründung, daß er bis zum Unfall als gelernter Maurer in der BRD gearbeitet habe und infolge der bei dem Unfall erlittenen Verletzungen nicht mehr in der Lage sei, diesen Beruf auszuüben. Die Beklagte wendete im wesentlichen ein, daß der Kläger nach der Beendigung seines unfallsbedingten Krankenstandes mit 13.6.1979 wieder arbeitsfähig und, wenn auch nicht mehr als Maurer, dann jedenfalls durch die mögliche und zumutbare Ausübung eines Verweisungsberufes in der Lage gewesen sei, ein mindestens gleich hohes Einkommen wie bei Weiterausübung des Maurerberufes zu erzielen. Nachdem zur Frage der Arbeitsfähigkeit des Klägers mehrere Gutachten eingeholt worden waren, beantragte die Beklagte die Beischaffung des Aktes S 4 J 799/80 des Sozialgerichtes Freiburg (ON 76). Das Erstgericht richtete ein diesbezügliches Ersuchen an das Sozialgericht Freiburg (ON 77), das von diesem mit der Begründung abgelehnt wurde, daß der Kläger damit nicht einverstanden sei. Der Kläger wurde dazu vernommen und erklärte, mit dieser Aktenübersendung nicht einverstanden zu sein, weil der Rechtsstreit dadurch verzögert werde und überdies alle erforderlichen Unterlagen ohnehin beim Erstgericht vorlägen (ON 83). Daraufhin stellte die Beklagte den Antrag, 1) das Erstgericht möge das Sozialgericht Freiburg um die Mitteilung ersuchen, auf welche gesetzliche Grundlage sich die Weigerung des Klägers gründe; falls kein gesetzliches Hindernis gegen die Aktenübersendung bestehe, möge das Sozialgericht Freiburg (neuerlich) um die Aktenübersendung ersucht werden; 2) für den Fall, daß es nicht gelingen sollte, den Akt des Sozialgerichtes Freiburg beizuschaffen, möge dem Kläger der Auftrag erteilt werden, sämtliche in der Rechtssache S 4 J 799/80 des Sozialgerichtes Freiburg ergangene Entscheidungen, ausgefertigte Protokolle und erstellte Gutachten, die dem Kläger ja zugestellt worden sein müßten, dem Gericht in Ur- oder Abschrift vorzulegen;

3) für den Fall, daß das Erstgericht auch dann nicht in den Besitz des Aktes S 4 J 799/80 des Sozialgerichtes Freiburg kommen sollte, möge der Kläger vor dem erkennenden Gericht ergänzend zu jenem Beweisthema vernommen werden, zu dem die Beklagte bisher den Akt des Sozialgerichtes Freiburg geführt habe, insbesondere auch zum Inhalt jenes Aktes (ON 86). In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 22.11.1985 (ON 91) brachte die Beklagte dazu noch vor, daß der Akt S 4 J 799/80 des Sozialgerichtes Freiburg wesentliche Befundgrundlagen enthalte, sowohl in Bezug auf den Heilungsverlauf des Klägers als auch dessen Arbeitsfähigkeit, die den vom Erstgericht beigezogenen Gutachtern nicht zur Verfügung gestanden seien und auf Grund deren sie zu wesentlich anderen, dem Kläger nachteiligeren Erkenntnissen hinsichtlich der Einschränkung seiner Arbeits- und Erwerbsfähigkeit gekommen wären. Das Erstgericht lehnte die Aufnahme dieser von der Beklagten beantragten Beweise ab und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von

S 320.619,24 s.A.; ein auf Zahlung eines Betrages von

S 1.551,90 s.A. gerichtetes Mehrbegehren wies es ab. Das Erstgericht stellte auf Grund der von ihm eingeholten Gutachten fest, daß der Kläger infolge der bei dem Unfall erlittenen Verletzungen nicht mehr in der Lage ist, den Beruf eines Maurers auszuüben. Es traf Feststellungen über die vom Kläger seit dem Unfall tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeiten und die ihm zugekommenen Leistungen, deren Wiedergabe im einzelnen unterbleiben kann. Es beurteilte den festgestellten Sachverhalt rechtlich im wesentlichen dahin, daß der Kläger unfallsbedingt seine Stellung als Maurer verloren habe und daß ihm der dadurch entstandene Verdienstentgang gemäß § 1325 ABGB von der Beklagten zu ersetzen sei. Für die behauptete Verringerung des Verdienstentganges durch die Aufnahme einer anderen zumutbaren Beschäftigung sei die Beklagte beweispflichtig. Daß der Kläger unbegründet andere zumutbare Erwerbsgelegenheiten ausgeschlagen hätte, sei nicht bewiesen. Unter Berücksichtigung vom Kläger tatsächlich bezogener Einkünfte und Leistungen errechnete das Erstgericht für den in Frage stehenden Zeitraum einen Verdienstentgang des Klägers von S 320.619,24. Dieses Urteil wurde von der Beklagten mit Berufung bekämpft, mit der sie unter anderem die Ablehnung ihrer oben wiedergegebenen Beweisanträge durch das Erstgericht als Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend machte.

Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil diesem Rechtsmittel der Beklagten teilweise Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es dem Kläger einen Betrag von S 312.733,39 s.A. zusprach und sein auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 16.367,75 s.A. gerichtetes Mehrbegehren abwies.

Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen des von der Beklagten behaupteten Verfahrensmangels mit der Begründung, ein solcher liege schon deshalb nicht vor, weil das Erstgericht ohnehin versucht habe, die Übermittlung des Aktes des Sozialgerichtes Freiburg zu erreichen. Daß dem entsprechenden Ersuchen kein Erfolg beschieden gewesen sei, beruhe nicht auf einem Versagen des Erstgerichtes. Ein Auftrag an den Kläger, diesen Akt eines Gerichtes "in Urschrift" vorzulegen, wäre ebenso gesetzwidrig gewesen wie jener, vom Kläger die Vorlage einer vollständigen Aktenabschrift zu verlangen. Daß es dem Kläger unmöglich gewesen wäre, einen Gerichtsakt ausgehändigt zu erhalten, bedürfe ebensowenig einer weiteren Erörterung wie die Tatsache, daß bei irgendwelchen aus einem den Kläger allein betreffenden Gerichtsakt erst anzufertigenden Abschriften von Urkunden im Sinne des § 304 ZPO, zu deren Vorlage er etwa verpflichtet wäre, keine Rede sein könne. Die Beklagte habe gegen die im vorliegenden Verfahren erstatteten Gutachten nicht remonstriert und erst in einem weit fortgeschrittenen Verfahrensstadium versucht, auf dem Weg über de Erlangung ausländischer Akten, deren Beischaffung sie ohne konkrete Tatsachenbehauptungen verlangt habe, das durch Gutachten bereits geklärte Thema der eingeschränkten Arbeitsfähigkeit des Klägers und ihrer Folgen neuerlich aufzurollen. Auf Grund eines derart unsubstantiierten Antrage hätte richtigerweise für das Erstgericht nicht einmal ein Anlaß zum Versuch der Aktenbeischaffung bestanden. Im übrigen übernahm das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, ergänzte sie und gelangte aus rechtlichen Gründen zu einer von der des Erstgerichtes etwas abweichenden Berechnung des Verdienstentganges des Klägers. Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten. Sie bekämpft sie in ihrem klagsstattgebenden Teil ausschließlich aus dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Kläger hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision der Beklagten keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Beklagte führt in ihrem Rechtsmittel im wesentlichen aus, daß das Verfahren deswegen mangelhaft geblieben sei, weil das Berufungsgericht das Vorliegen der in der Berufung behaupteten Verfahrensmängel zu Unrecht verneint habe. Wären die von der Beklagten beantragten Beweise durchgeführt worden, hätte sich daraus ergeben, daß der Kläger als Maurer nicht berufsunfähig sei. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß die Beklagte im Verfahren erster Instanz gar nicht behauptet hat, daß der Kläger trotz der Unfallsfolgen weiter als Maurer arbeitsfähig gewesen sei. Im übrigen können nach ständiger Rechtsprechung angebliche Mängel des Verfahrens in erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche erkannt worden sein, nicht auch noch in dritter Instanz geltend gemacht werden (SZ 22/106 uva.; zuletzt etwa 3 Ob 575/85; 3 Ob 569/85; 1 Ob 538/86). Hat allerdings das Berufungsgericht die auf die Unterlassung der Aufnahme beantragter Beweise gestützte Mängelrüge der Berufung mit der Begründung für unberechtigt erachtet, daß in erster Instanz ein taugliches Beweisthema nicht angegeben worden sei und widerspricht diese Begründung den Prozeßakten, weil tatsächlich ein erhebliches Beweisthema ausreichend bezeichnet worden war, dann ist der Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 2 ZPO gegeben (SZ 38/120 ua.). Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein. Wie sich aus § 226 Abs 1 und § 243 Abs 2 ZPO ergibt, hat ein von einer Partei gestellter Beweisantrag die Tatsache, die bewiesen werden soll, also das Beweisthema, im einzelnen genau zu bezeichnen (Fasching, Zivilprozeßrecht Rz. 904). Ein Erkundungsbeweis ist jedenfalls dann unzulässig, wenn ein dem Beweisführer zuzurechnendes Tatbestandsmerkmal (eine klage- oder einwendungsbegründende Tatsache) gar nicht behauptet wurde, aber durch den Beweisantrag erwiesen werden soll (Fasching aaO Rz. 898). In dem eingangs wiedergegebenen Vorbringen der Beklagten in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 22.11.1985 - sonst hat sie nirgend ausgeführt, was sie mit ihren Anträgen unter Beweis stellen wollte - ist keine in diesem Sinne hinreichende Bekanntgabe eines bestimmten Beweisthemas zu erblicken; es ist diesem Vorbringen nicht zu entnehmen, welche bestimmte Tatsache durch die beantragte Beweisaufnahme bewiesen werden sollte. Mit Recht ist daher das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Beklagte ihre hier in Frage stehenden Beweisanträge nicht durch die Anführung eines konkreten Beweisthemas substantiierte. Es hat daher den von der Beklagten in ihrer Berufung behaupteten Verfahrensmangel mit Recht verneint, ohne damit seinerseits gegen Verfahrensvorschriften zu verstoßen.

Der nur auf den Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 2 ZPO gestützten Revision der Beklagten mußte schon aus diesem Grund ein Erfolg versagt bleiben, ohne daß auf die Frage der Zulässigkeit der von der Beklagten beantragten Beweismittel im einzelnen einzugehen wäre.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E10085

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00050.86.1204.000

Dokumentnummer

JJT_19861204_OGH0002_0080OB00050_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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