TE OGH 1986/12/4 8Ob44/86

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Veröffentlicht am 04.12.1986
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Kropfitsch und Dr.Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Vigilius K***, ÖBB-Pensionist, Riccabonastraße 3, 6060 Absam, vertreten durch Dr.Hansjörg Schweinester, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1.) Kurt S***, Maschinenschlosser, Dörferstraße 34, 6064 Rum, und 2.) W*** A*** V***-AG, Meranerstraße 1, 6020 Innsbruck, beide vertreten durch Dr.Gert Kastner und Dr.Hermann Tscharre, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 353.665,91 S s.A. und Feststellung (100.000 S), Revisionsstreitwert 204.555,30 S hinsichtlich der klagenden Partei und 199.110,61 S hinsichtlich der beklagten Parteien, infolge Revision der klagenden Partei und der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 10.März 1986, GZ 6 R 362/85-33, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 20.September 1985, GZ 7 Cg 477/83-28, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Aus Anlaß der Revision der beklagten Parteien werden die Urteile der Vorinstanzen im Umfang der Verurteilung der erstbeklagten Partei zur Zahlung eines Betrages von 5.000 S an die klagende Partei als nichtig aufgehoben. In diesem Umfang wird das gegen die erstbeklagte Partei gerichtete Klagebegehren zurückgewiesen.

Die Kosten des für nichtig erklärten Verfahrens werden gegenseitig aufgehoben.

Im übrigen wird der Revision der klagenden Partei nicht, der Revision der beklagten Parteien hingegen teilweise Folge gegeben. Das angefochtene Urteil, das im übrigen bestätigt wird, wird in seinem Ausspruch über das Zinsenbegehren der klagenden Partei dahin abgeändert, daß die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig erkannt werden, der klagenden Partei 4 % Zinsen aus 78.666,67 S vom 20. Juni 1983 bis 9.Februar 1984, aus 82.443,94 S vom 10.Februar 1984 bis 5.Juli 1985 und aus 182.443,94 S seit 6.Juli 1985 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen und das Mehrbegehren der klagenden Partei auf Zahlung von 4 % Zinsen aus 79.733,33 S vom 20.Juni 1983 bis 9.Februar 1984, aus 80.488,79 S vom 10.Februar 1984 bis 5.Juli 1985 und aus 71.221,97 S seit 6.Juli 1985 abgewiesen wird.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 27. August 1982 ereignete sich gegen 16,20 Uhr in Absam auf der Kreuzung Salzbergstraße - Riccabonastraße - Schloßweg ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Fußgänger und der Erstbeklagte als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen T 642.266 beteiligt waren. Die Zweitbeklagte ist der Haftpflichtversicherer dieses Kraftfahrzeuges. Der im Bereich dieser Kreuzung die Fahrbahn der Salzbergstraße in westlicher Richtung überquerende Kläger wurde von dem auf der Salzbergstraße in südlicher Richtung fahrenden PKW niedergestoßen und schwer verletzt. Wegen dieses Verkehrsunfalles wurde der Erstbeklagte mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Hall vom 6.Dezember 1982, U 1847/82-7, des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 4 erster Fall StGB schuldig erkannt. Dem Erstbeklagten wurde zur Last gelegt, daß er nicht genügend auf den Verkehr geachtet und deswegen den Kläger niedergestoßen habe. Mit diesem Urteil wurde dem Kläger gemäß § 369 StPO ein Teilschmerzengeld in der Höhe von 5.000 S zugesprochen.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall zuletzt (ON 23 S 115 f) die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 353.665,91 S s.A.; überdies stellte er ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für alle künftigen Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren, wobei die Haftung der Zweitbeklagten auf die Versicherungssumme des den PKW mit dem Kennzeichen T 642.266 betreffenden Haftpflichtversicherungsvertrages beschränkt sei.

Das Leistungsbegehren des Klägers setzt sich zusammen wie folgt:

Schmerzengeld                           500.000,-- S Fahrtkosten,

Besuchskosten, Heilbehelfe und sonstige Spesen (der Höhe nach außer

Streit)                       13.665,91 S

513.665,91 S abzüglich geleisteter Akontozahlungen   160.000,-- S

353.665,91 S Dem Grunde nach stützte der Kläger ein Begehren im wesentlichen auf die Behauptung, daß das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall den Erstbeklagten treffe, der mit überhöhter Geschwindigkeit in die Kreuzung eingefahren sei und auf die Überquerung der Fahrbahn durch den Kläger viel zu spät und falsch reagiert habe. Bei entsprechender Aufmerksamkeit hätte der Erstbeklagte den PKW leicht vor dem die Fahrbahn überquerenden Kläger zum Stillstand bringen können. Die dem Kläger bei dem Unfall zugefügten Verletzungen rechtfertigten die Bemessung seines Schmerzengeldanspruches mit insgesamt 500.000 S.

Die Beklagten wendeten dem Grunde nach im wesentlichen ein, daß den Kläger ein mit 50 % zu bewertendes Mitverschulden treffe, weil er gravierend gegen § 76 StVO verstoßen habe. Als der Kläger die Fahrbahn betreten habe, sei das Fahrzeug des Erstbeklagten für ihn bereits sichtbar gewesen, weshalb er von der Überquerung der Salzbergstraße Abstand hätte nehmen müssen. Das Betreten der Fahrbahn durch den Kläger sei für den Erstbeklagten überraschend erfolgt. Auch in der Folge habe der Kläger offensichtlich den sich von Norden nähernden Verkehr nicht beobachtet und daher den PKW des Erstbeklagten gänzlich übersehen, obwohl die Fahrbahn im Unfallsbereich völlig gerade und übersichtlich sei. Der Schmerzengeldanspruch des Klägers sei nur mit 250.000 S (ungekürzt) zu bemessen. Das Feststellungsinteresse des Klägers ist nicht strittig.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren vollinhaltlich statt.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der Unfall ereignete sich am 27. August 1982 um ca. 16,20 Uhr im Ortsgebiet von Absam im Kreuzungsbereich Salzbergstraße - Riccabonastraße - Schloßweg. Die Salzbergstraße verläuft im Unfallsbereich übersichtlich und gerade mit einem Gefälle von 4 Grad von Norden nach Süden. Auf Höhe der Zusammenstoßstelle mündet - in Fahrtrichtung Süden gesehen - von links der 3,8 m breite Schloßweg rechtwinklig in die Salzbergstraße ein. Mit einer geringen Versetzung in südlicher Richtung mündet von rechts die Riccabonastraße derart in die 8,6 m breite Salzbergstraße ein, daß der südliche Fahrbahnrand des Schloßweges etwa auf Höhe des nördlichen Fahrbahnrandes der Riccabonastraße gelegen ist. Riccabonastraße und Schloßweg sind durch das Verkehrszeichen "Stop" gegenüber der Salzbergstraße abgewertet.

Auf der Salzbergstraße herrscht in Fahrtrichtung Süden einwandfreie Sicht. Die Sicht vom Schloßweg in die Salzbergstraße ist hingegen insbesondere nach Norden durch das sich unmittelbar am Kreuzungseck befindliche Haus Nr. 1 behindert. Im Unfallsbereich besteht eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h. Die Fahrbahnen der angeführten Straßen sind asphaltiert. Zur Unfallszeit war die Fahrbahn trocken und die Sicht witterungsbedingt nicht behindert. Der Erstbeklagte lenkte seinen PKW mit einer Geschwindigkeit von etwa 50 km/h auf der Salzbergstraße in Richtung Süden und wollte die Kreuzung mit der Riccabonastraße und dem Schloßweg richtungsbeibehaltend überqueren. In einer Entfernung von etwa 150 bis 200 m vor der Kreuzung sah er den Mopedfahrer Franz U*** von rechts aus der Riccabonastraße in die Salzbergstraße in Richtung Norden einbiegen. Er erachtete sich durch dieses Einbiegemanöver jedoch nicht gezwungen, seine Geschwindigkeit zu vermindern. Als sich U*** vor dem Einfahren in die Salzbergstraße vergewisserte, daß das Fahrzeug des Erstbeklagten noch weit genug entfernt war, stand der Kläger ihm gegenüber auf der anderen Straßenseite, etwa am südlichen Eck der Kreuzung Schloßweg - Salzbergstraße. Nachdem U*** in die Salzbergstraße eingefahren war, begann der Kläger, der zwei etwa 80 cm lange Bretter unter seinem Arm trug, die Kreuzung zur Riccabonastraße hin zu übersetzen, wobei er sich etwa in Richtung zum Kreuzungsmittelpunkt hin bewegte.

Für den Erstbeklagten bedeutete das einbiegende Moped zwar eine leichte Sichtbehinderung, keinesfalls aber eine Sichtverdeckung. Der mit unverminderter Geschwindigkeit auf die Unfallstelle zufahrende Erstbeklagte hat den die Kreuzung überquerenden Kläger zunächst überhaupt nicht wahrgenommen. Als er den Kläger erblickte, hatte dieser auf der Salzbergstraße bereits eine Bewegungsstrecke von etwa 5,5 m zurückgelegt. Trotz eines eingeleiteten Ausweichmanövers nach links konnte der Erstbeklagte eine Kollision mit dem Kläger nicht mehr verhindern. Mit der nahezu unverminderten Geschwindigkeit von etwa 50 km/h wurde der Kläger von der rechten Vorderseite des PKW erfaßt, mitgerissen und auf die Straße geschleudert. Schließlich kam er hinter dem ca. 31 m nach dem Kollisionspunkt zum Stillstand gekommenen PKW zum Liegen.

Die exakte Gehzeit des Klägers bis zur Kollisionsstelle konnte nicht rekonstruiert werden; insbesondere blieb eine theoretisch mögliche Stillstandszeit von 0 bis 5 Sekunden während der Übersetzung der Kreuzung ungeklärt. Jedenfalls steht aber fest, daß sich für den Erstbeklagten ein erheblicher Reaktionsverzug von mehreren Sekunden ergibt. Bei gehöriger Aufmerksamkeit und sofortiger Reaktion hätte der Erstbeklagte den Unfall ohne weiteres verhindern können. Der Kläger erlitt bei diesem Unfall lebensgefährliche Verletzungen. Er kam mit einem Schädelhirntrauma mit Mittelhirnsyndrom der Phase III, einem Oberschenkelbruch rechts, Unterschenkelbruch rechts, einer Schulterblattfraktur rechts, einer Großzehenfraktur links, mit Prellungen und Abschürfungen sowie oberflächlichen Rißquetschwunden zur stationären Behandlung an die unfallchirurgische Klinik und mußte in der Intensivstation stationär aufgenommen werden. Aus dem schweren Schädelhirntrauma resultierte eine spastische Halbseitenlähmung rechts, eine Lähmung der rechten Gesichtsnerven und des Occulomotorius. Bei der am 23.September 1982 erfolgten Transferierung an die neurologische Intensivstation zeigte sich eine vorübergehende Krampfneigung der linksseitigen Extremitäten. Das Mittelhirnsyndrom der Phase III ging in ein apallisches Syndrom und in der Folge in ein organisches Psychosyndrom über. Trotz der pflegerisch aufwendigen Intensivbehandlung kam es zum Auftreten einer Teillähmung des Ulnaris beiderseits sowie zum Auftreten von Druckgeschwüren an beiden Fersen, im Bereich des Kreuzbeines und am Hinterkopf. Erst 6 Wochen nach dem Unfall kam es zu einer Aufhellung der Bewußtseinslage des Klägers, so daß eine kurzfristige Beurlaubung aus der stationären Behandlung zu Weihnachten und im März 1983 erfolgen konnte. Schließlich erfolgte am 7.April 1983 die Transferierung zur weiteren Therapie an das Rehabilitationszentrum Bad Häring mit insgesamt 5 Aufenthalten. Der Kläger befindet sich weiterhin in ärztlicher Behandlung, nimmt eine Reihe von Medikamenten und muß sich einer regelmäßigen Psysikotherapie unterziehen. Weitere Aufenthalte im Rehabilitationszentrum Bad Häring sind vorgesehen.

Während sich aus unfallchirurgischer Sicht eine Ausheilung der erlittenen Frakturen ergeben hat, ist hinsichtlich der ausgeprägten Hirnstammschädigung eine Defektheilung eingetreten, wobei immer noch höhergradige neurologische Ausfälle bestehen. Diesbezüglich ist eine wesentliche Befundänderung trotz vorgesehener Rehabilitationsbehandlung nicht zu erwarten und ist dieser Zustand als Dauerzustand zu betrachten. Der Kläger ist auf Grund seiner schweren neurologischen Ausfälle voll invalid und auf ständige Wartung und Pflege durch seine Gattin angewiesen, sohin als hilflos anzusehen. Er kann lediglich eine einfache Körperwäsche selbst durchführen und das Essen zu sich nehmen, alle anderen Verrichtungen des täglichen Lebens kann er nicht selbst durchführen. Weitergehende Spätschäden können bei einem Schädelhirntrauma dieses Schweregrades nicht ausgeschlossen werden.

Der Kläger hatte auf Grund des Unfalls 8 Wochen lang starke Schmerzen, 24 Wochen lang mittelstarke Schmerzen und 30 Wochen lang leichtgradige Schmerzen zu erleiden.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß den Erstbeklagten das Alleinverschulden am Unfall treffe. Er sei der Verpflichtung, während der Fahrt die vor ihm liegende Fahrbahn in ihrer gesamten Breite ständig im Auge zu behalten, offenbar nicht nachgekommen. Bei Anwendung der erforderlichen Aufmerksamkeit hätte er den Kläger rechtzeitig wahrnehmen und sein Fahrverhalten entsprechend einrichten müssen. Dem Kläger könne kein Mitverschulden angelastet werden. Er habe die Salzbergstraße beim Überqueren der Kreuzung keineswegs überraschend betreten, wenn man berücksichtige, daß er zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes bereits eine Wegstrecke von mehreren Metern zurückgelegt gehabt habe.

Der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil teilweise Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es dem Kläger einen Betrag von 182.443,94 S s.A. zusprach und seinem Feststellungsbegehren in Ansehung von zwei Dritteln seiner künftigen Schäden aus diesem Verkehrsunfall stattgab, sein auf Zahlung eines weiteren Betrages von 171.221,97 S s.A. gerichtetes Leistungsmehrbegehren aber ebenso wie sein Feststellungsmehrbegehren abwies.

Das Berufungsgericht führte, ausgehend von den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes, rechtlich im wesentlichen aus, es möge zwar sein, daß der Kläger nicht "überraschend" im Sinne des § 76 Abs. 1 StVO die Fahrbahn betreten habe. Er habe im Zeitpunkt des Unfalles schon ca. 5,5 m auf der Fahrbahn zurückgelegt gehabt und es sei daher - auch wenn die genaue Gehgeschwindigkeit des Klägers nicht feststellbar gewesen sei - naheliegend, daß der PKW des Erstbeklagten im Zeitpunkt des Betretens der Fahrbahn durch den Kläger noch so weit entfernt gewesen sei, daß der Erstbeklagte bei entsprechender Aufmerksamkeit und sofortiger Reaktion ohne weiteres in der Lage gewesen wäre, sein eigenes Verhalten danach einzurichten. Sei nämlich der Kläger mit einer mittleren Geschwindigkeit von 5 km/h gegangen, dann habe er für die Strecke von 5,5 m ca. 4 Sekunden benötigt, was bedeuten würde, daß der mit 50 km/h fahrende PKW im Zeitpunkt des Betretens der Fahrbahn durch den Kläger noch ca. 55 m entfernt gewesen sei. Auf einer solchen Strecke hätte der PKW aber auch ohne Vollbremsung ohne weiteres angehalten werden können (bei einer Bremsverzögerung von 3 m/sec 2 betrage etwa der Anhalteweg aus 50 km/h 46,1 m). Selbst wenn aber der Kläger der Bestimmung des § 76 Abs. 1 StVO nicht zuwidergehandelt habe, sei damit noch nicht gesagt, daß er sich beim Überqueren der Fahrbahn vorschriftsmäßig verhalten habe. Es habe zwar vom Erstgericht die exakte Gehzeit des Klägers bis zur Kollisionsstelle nicht festgestellt werden können und es sei insbesondere die theoretische Möglichkeit offen geblieben, daß der Kläger während des Überquerens der Fahrbahn auf dieser bis zu 5 Sekunden gestanden sei. Fest stehe lediglich, daß der Kläger bis zum Unfall auf der 8,6 m breiten Fahrbahn bereits eine Strecke von etwa 5,5 m zurückgelegt gehabt und daß sich der PKW des Erstbeklagten auf der geraden und übersichtlichen Salzbergstraße mit einer Geschwindigkeit von ca. 50 km/h der Unfallstelle genähert habe. Im Hinblick auf die vom Erstgericht getroffene Negativfeststellung hinsichtlich der Gehzeit des Klägers müsse für die Beurteilung der Frage, ob diesen ein Mitverschulden treffe, von der für ihn günstigsten Variante ausgegangen werden. Auf der Grundlage der erstgerichtlichen Feststellungen sei aber eine Variante, bei der den Kläger überhaupt kein Verschulden treffe, nicht denkbar. Sei der Kläger schneller als mit einer mittleren Gehgeschwindigkeit von 5 km/h gegangen und habe er damit weniger als 4 Sekunden für die von ihm auf der Fahrbahn zurückgelegte Strecke von 5,5 m benötigt, so sei auch der PKW des Erstbeklagten im Zeitpunkt des Betretens der Fahrbahn weniger als 55 m entfernt gewesen und es wäre ein rechtzeitiges Anhalten je nach der Geschwindigkeit des Klägers nur mehr durch eine mittelstarke bis starke Bremsung möglich gewesen, sodaß dem Kläger ein Verstoß gegen § 76 Abs. 4 lit.b StVO zur Last liegen würde. Wäre der Kläger hingegen erheblich langsamer als mit 5 km/h über die Fahrbahn gegangen, so wäre zwar der PKW des Erstbeklagten im Zeitpunkt des Betretens der Fahrbahn noch weiter als 55 m entfernt gewesen, dem Kläger müßte aber der Vorwurf gemacht werden, daß er die Fahrbahn nicht in angemessener Eile (§ 76 Abs. 5 StVO) überquert habe. Angemessene Eile im Sinne des § 76 Abs. 5 StVO bedeute, daß der Fußgänger die Fahrbahn ohne vermeidbare Verzögerung mit der individuell zumutbaren Eile zu überqueren habe. Selbst wenn aber der Kläger der genannten Bestimmung durch Einhalten einer entsprechenden Geschwindigkeit beim Überqueren der 8,6 m breiten Fahrbahn entsprochen hätte und das Betreten der Fahrbahn noch nicht gegen die Bestimmungen des § 76 Abs. 1 und Abs. 4 lit. b StVO verstoßen hätte, weil der PKW des Erstbeklagten in diesem Zeitpunkt noch so weit entfernt gewesen wäre, daß dadurch eine Behinderung oder Gefährdung des Erstbeklagten noch nicht erfolgt wäre - eine Behinderung im Sinne des § 76 Abs. 5 StVO sei noch nicht anzunehmen, wenn das Verhalten eines Fußgängers auf der Fahrbahn lediglich zu einer geringfügigen Geschwindigkeitsherabsetzung nötige -, so müßte dem Kläger immer noch seine mangelnde Aufmerksamkeit während des Überquerens der Fahrbahn angelastet werden. Jeder Fußgänger sei verpflichtet, sich beim Überqueren einer Fahrbahn in der Fahrbahnmitte nochmals zu vergewissern, ob der Weg gefahrlos fortgesetzt werden könne, ob sich also insbesondere von rechts ein Fahrzeug nähere. Im Zweifel habe ein Fußgänger mit dem Überqueren der Fahrbahn innezuhalten und das Vorbeifahren eines sich rasch nähernden Kraftfahrzeuges abzuwarten.

Dies gelte jedenfalls dann, wenn ein Fahrzeug schon so nahe sei, daß eine gefahrlose Fahrbahnüberquerung vor diesem nicht mit Sicherheit möglich sei. Beim Überqueren einer 8,6 m breiten Fahrbahn, das doch längere Zeit in Anspruch nehme, sei ein Blick nach rechts bei Erreichen der Fahrbahnmitte unerläßlich. Hätte sich der Kläger im Bereich der Fahrbahnmitte noch einmal vergewissert, ob sich von rechts ein Fahrzeug nähert, so hätte er den mit unverminderter Geschwindigkeit von ca. 50 km/h herankommenden PKW des Erstbeklagten schon in nächster Nähe wahrnehmen können und daher mit dem Überqueren der Fahrbahn innehalten müssen. Bei entsprechender Vorsicht und Aufmerksamkeit hätte der Kläger den Unfall verhindern können. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, daß der Kläger möglicherweise bis zu 5 Sekunden auf der Fahrbahn stehen geblieben sei. Der Kläger hätte auch in diesem Fall dem Fahrzeugverkehr besondere Aufmerksamkeit schenken müssen und das Überqueren der Fahrbahn ab deren Mitte nicht fortsetzen dürfen, ohne sich zu vergewissern, ob dies gefahrlos möglich gewesen sei. Die Fahrbahn sei primär für den Fahrzeugverkehr bestimmt; Fußgänger müßten bei Benützung der Fahrbahn in erster Linie selbst auf den Fahrzeugverkehr achten und sich gegen dessen Gefahren schützen. Die Tatsache des Unfalles beweise im Zusammenhalt mit den Feststellungen des Erstgerichtes, daß der Kläger jedenfalls beim Überqueren der Fahrbahn nicht die erforderliche und ihm zumutbare Vorsicht und Aufmerksamkeit angewendet habe, die ihm angesichts des für ihn wahrnehmbaren Herannahens des PKW des Erstbeklagten eine Abwendung des Unfalles ermöglicht hätte. Der Kläger habe daher ein Verschulden an dem Unfall zu vertreten, das auch gegenüber dem erheblichen Verschulden des Erstbeklagten nicht vernachlässigt werden könne. Berücksichtige man allerdings, daß der Erstbeklagte bis zur Kollision seine Geschwindigkeit von ca. 50 km/h überhaupt nicht verringert habe, obwohl er im Hinblick auf den vom Kläger auf der Fahrbahn zurückgelegten Weg von ca. 5,5 m bei gehöriger Aufmerksamkeit und sofortiger Reaktion den Unfall ohne weiteres vermeiden hätte können und daß dem Erstbeklagten somit ein erheblicher Reaktionsverzug von mehreren Sekunden zur Last liege, so überwiege doch das Verschulden des Erstbeklagten erheblich jenes des Klägers, sodaß eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 2 : 1 zu Gunsten des Klägers gerechtfertigt erscheine.

Die Bemessung des Schmerzengeldes des Klägers durch das Erstgericht mit (ungekürzt) 500.000 S sei zutreffend.

Der dem Kläger zuzusprechende Schadenersatz errechne sich somit im Hinblick auf die Verschuldensteilung von 2 : 1 wie folgt:

Schmerzengeld                         500.000,-- S Fahrtkosten,

Spesen, Heilbehelfe und Heilbehandlungskosten (der Höhe nach außer

Streit)                     13.665,91 S

Schaden insgesamt                     513.665,91 S davon zwei

Drittel                    342.443,94 S abzüglich Akontozahlungen

160.000,-- S restlicher Schadenersatzanspruch      182.443,94 S Dazu

komme die Feststellung der Haftung der Beklagten für zwei Drittel der künftigen Schäden des Klägers. In diesem Sinne sei das Urteil des Erstgerichtes abzuändern.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richten sich die Revisionen beider Streitteile. Der Kläger bekämpft es in seinem klagsabweisenden Teil aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern. Die Beklagten bekämpfen die Entscheidung des Berufungsgerichtes insoweit, als dem Leistungsbegehren des Klägers und seinem Feststellungsbegehren in Ansehung von mehr als der Hälfte seiner künftigen Schäden stattgegeben wurde, aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag. Beide Streitteile haben Revisionsbeantwortungen mit dem Antrag erstattet, der Revision des Gegners nicht Folge zu geben. Beide Revisionen sind im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs. 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig. Sachlich ist die Revision des Klägers nicht, die der Beklagten nur insoweit berechtigt, als sie sich gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes über das Zinsenbegehren des Klägers richtet.

Rechtliche Beurteilung

Der in der Revision der Beklagten geltend gemachte Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs. 3 ZPO).

Der Kläger versucht in seiner Rechtsrüge darzutun, daß ihm, ausgehend von den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen, ein Verschulden an diesem Verkehrsunfall nicht angelastet werden könne; dem gegenüber stellen sich die Beklagten in ihrer Rechtsrüge auf den Standpunkt, daß den Kläger sehr wohl ein Mitverschulden treffe, das gleich schwer wie das Fehlverhalten des Erstbeklagten wiege und eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 1 rechtfertige.

Beidem kann nicht gefolgt werden.

Wegen des engen sachlichen Zusammenhanges kann in diesem Umfang zu beiden Rechtsmitteln gleichzeitig Stellung genommen werden.

Was zunächst das Verhalten des Klägers anlangt, ergibt sich aus den

Feststellungen der Vorinstanzen, daß er mit der Überquerung der

Fahrbahn der Salzbergstraße begann, als sich der PKW des

Erstbeklagten der Kreuzung mit einer Geschwindigkeit von etwa 50

km/h bis auf eine unter 150 bis 200 m liegende Entfernung genähert

hatte. Dies ergibt sich daraus, daß sich der Erstbeklagte mit seinem

PKW 150 bis 200 m vor der Kreuzung befand, als U*** mit seinem Moped

aus der Riccabonastraße in die Salzbergstraße einbog, der Kläger mit

dem Übersetzen der Fahrbahn aber erst begann, nachdem U*** in die

Salzbergstraße eingefahren war. Der Kläger, der schon im Zeitpunkt

des Betretens der Fahrbahn jedenfalls ungehinderte Sicht auf das

herankommende Fahrzeug des Erstbeklagten hatte, legte auf der

Fahrbahn der Salzbergstraße bis zur Unfallstelle eine Gehstrecke von

5,5 m zurück, wobei nicht festgestellt werden kann, welche Zeit der

Kläger für die Zurücklegung dieser Strecke benötigte und

insbesondere die Möglichkeit offen bleibt, daß der Kläge auf der

Fahrbahn der Salzbergstraße bis zu 5 Sekunden stehen blieb.

Wenn diese Tatsachenfeststellungen auch eine exakte Zeit-Weg-

Rechnung über den Unfallsablauf nicht ermöglichen, so hat doch das Berufungsgericht zutreffend erkannt, daß sie jedenfalls hinreichen, um dem Kläger einen Verstoß gegen § 76 StVO anzulasten, weil unter ihrer Zugrundelegung bei jeder möglichen Variante dem Kläger die Übertretung in dieser Gesetzesstelle enthaltener Bestimmungen vorzuwerfen ist. Dies reicht, wie das Berufungsgericht durchaus zutreffend ausführte, von der Möglichkeit eines Verstoßes gegen § 76 Abs. 1 StVO (überraschendes Betreten der Fahrbahn) bis zu der eines Verstoßes gegen § 76 Abs. 5 StVO (Überquerung der Fahrbahn ohne angemessene Eile; ein diesbezüglicher Verschuldensvorwurf ist dem Vorbringen der Beklagten, die dem Kläger Übertretungen der Vorschriften des § 76 StVO schlechthin zur Last legten, durchaus zu entnehmen). Vor allem aber entspricht es ständiger Rechtsprechung, daß sich ein Fußgänger bei Überqueren einer breiten Fahrbahn bei Erreichung ihrer Mitte nötigenfalls neuerlich zu vergewissern hat, ob sich nicht inzwischen ein Fahrzeug genähert hat und daß er in dieser Position stehen bleiben muß, wenn ein Fahrzeug schon so nahe ist, daß er die Fahrbahn vor diesem nicht mehr gefahrlos Überschreiten kann (ZVR 1985/107 mwN uva). Die Einhaltung dieser Vorschrift war im vorliegenden Fall vom Kläger, der mit dem Überqueren der 8,6 m breiten Fahrbahn der Salzbergstraße begann, als sich der herankommende PKW des Erstbeklagten bereits in der Nähe in seinem Sichtbereich befand, jedenfalls zu verlangen. Da die Unfallstelle nach den Feststellungen der Vorinstanzen nur 1,2 m jenseits der vom Kläger überschrittenen Fahrbahnmitte liegt, muß der Kläger entweder seine Verpflichtung zur neuerlichen Beobachtung des herankommenden Verkehrs bei Erreichen der Fahrbahnmitte vernachlässigt oder die Überquerung der Fahrbahn fortgesetzt haben, obwohl das Fahrzeug des Erstbeklagten bereits so nahe war, daß die gefahrlose weitere Überschreitung der Fahrbahn nicht mehr möglich war. Auch hier bliebe sonst nur die gleichfalls ein Mitverschulden des Klägers begründende Möglichkeit offen, daß er die Überquerung der Fahrbahn ohne angemessene Eile fortgesetzt hätte. Das Berufungsgericht hat somit durchaus zutreffend erkannt, daß, ausgehend von den getroffenen Feststellungen, dem Kläger jedenfalls ein Verstoß gegen § 76 StVO und damit ein Mitverschulden an diesem Verkehrsunfall angelastet werden muß.

Was die Frage der Verschuldensteilung betrifft, ist sie weitgehend von den Umständen des vorliegenden Einzelfalles abhängig. Entscheidend dafür ist nicht eine ziffernmäßige Gegenüberstellung der von den Beteiligten verletzten Rechtsnormen, sondern vor allem der sich aus den Umständen des Einzelfalles ergebende Grad der Fahrlässigkeit der Beteiligten, die Wichtigkeit der verletzten Vorschriften für die Sicherheit des Verkehrs und die Größe und Wahrscheinlichkeit der durch das schuldhafte Fehlverhalten bewirkten Gefahr (8 Ob 53/83; 8 Ob 35/84; 8 Ob 27/85 uva). Eine rein schematische Verschuldensteilung ohne Berücksichtigung der näheren Umstände des vorliegenden Einzelfalles ist abzulehnen. Unter diesen Gesichtspunkten sind die in der Rechtsrüge der Beklagten angeführten oberstgerichtlichen Entscheidungen, in denen bei Verkehrsunfällen, an denen Fußgänger beteiligt waren, eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten des Fußgängers oder im Verhältnis von 1 : 1 vorgenommen wurde, keine geeignete Entscheidungshilfe für den vorliegenden Fall, weil sie anders gelagerte Sachverhalte betreffen. Hier steht das Verschulden des Erstbeklagten auf Grund seiner strafgerichtlichen Verurteilung fest; auf Grund der Bindungswirkung des Strafurteiles im Sinne des § 268 ZPO ist davon auszugehen, daß der Erstbeklagte nicht genügend auf den Verkehr achtete. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen kann aber nicht etwa davon ausgegangen werden, daß der Erstbeklagte in einer vom Kläger geschaffenen gefährlichen Verkehrssituation mit mehr oder weniger geringer Verspätung reagiert hätte. Nach diesen Feststellungen hat vielmehr der Erstbeklagte den Kläger, obwohl dieser die Fahrbahn (in der Fahrtrichtung des Erstbeklagten gesehen) von links nach rechts überquerte, überhaupt erst in einem Zeitpunkt auf der Fahrbahn gesehen und als Gefahr erkannt, als er trotz sofortiger Reaktion gar nicht mehr in der Lage war, den Unfall zu vermeiden. Daraus folgt, daß der Erstbeklagte in Wahrheit seiner aus § 20 Abs. 1 StVO abzuleitenden Verpflichtung, während seiner Fahrt die vor ihm liegende Fahrbahn in ihrer ganzen Breite im Auge zu behalten (siehe dazu Dittrich-Veit-Schuchlenz StVO 3 § 20 Anm. 20 und die dort angeführte Judikatur), überhaupt nicht nachkam und sich damit die Möglichkeit nahm, ein verkehrsordnungswidriges Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer rechtzeitig zu erkennen und darauf erfolgversprechend (etwa durch Abgabe von Warnzeichen im Sinne des § 22 StVO und durch rechtzeitige Herabsetzung der Fahrgeschwindigkeit im Sinne des § 20 Abs. 1 StVO) zu reagieren.

Diesem Fehlverhalten des Erstbeklagten kommt aber ein derartiges Gewicht zu, daß es den dem Kläger anzulastenden Verstoß gegen § 76 StVO jedenfalls überwiegt. Unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen ist die vom Berufungsgericht vorgenommenen Verschuldensteilung zu billigen (ähnlich 8 Ob 105/83). Die Beklagten wenden sich in ihrer Rechtsrüge auch gegen die Schmerzengeldbemessung der Vorinstanzen; sie versuchen hier darzutun, daß das dem Kläger gebührende Schmerzengeld insgesamt (ungekürzt) nur mit 306.334,09 S (!) zu bemessen sei. Auch dem kann nicht gefolgt werden.

Das Schmerzengeld ist die Genugtuung für alles Ungemach, das der Geschädigte infolge seiner Verletzungen und ihrer Folgen zu erdulden hat. Es soll den Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen unter Bedachtnahme auf die Dauer und Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzung und auf das Maß der physischen und psychischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes abgelten, die durch die Schmerzen entstandenen Unlustgefühle ausgleichen und den Verletzten in die Lage versetzen, sich als Ersatz für die Leiden und anstelle der ihm entzogenen Lebensfreude auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen (ZVR 1982/392; ZVR 1983/200; 8 Ob 69/85 uva). Hieraus folgt einerseits, daß bei der Bemessung des Schmerzengeldes auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, andererseits aber zur Vermeidung einer Ungleichmäßigkeit in der Rechtsprechung ein objektiver Maßstab anzulegen ist (vgl. Jarosch-Müller-Piegler, Das Schmerzengeld in medizinischer und juristischer Sicht 4 156 ff, insbesondere 160; ZVR 1982/392; 8 Ob 194/83; 8 Ob 69/85 ua). Im vorliegenden Fall schließt die gebotene Beachtung der hier gegebenen besonderen Umstände einen Vergleich mit der in der Revision der Beklagten angeführten Entscheidung, die völlig andere Verletzungsfolgen zum Gegenstand hatte, von vornherein aus. Im Vordergrund stehen - trotz ihrer Schwere - nicht so sehr die durch den Unfall unmittelbar hervorgerufenen Knochenverletzungen und die dadurch bedingten Schmerzen, sondern vor allem die Folgen des schweren Schädelhirntraumas, das der Kläger erlitten hat. Der Kläger ist infolge des bestehenden organischen Psychosyndroms für dauernd zum Invaliden geworden, als hilflos anzusehen und auf ständige Wartung und Pflege durch andere Personen angewiesen. Abgesehen von einfacher Körperwäsche und Essensaufnahme ist er nicht einmal in der Lage, die notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens selbst durchzuführen. Im Hinblick auf diese sehr weitreichenden gesundheitlichen Dauerfolgen und die dadurch bedingte erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen und seelischen Wohlbefindens des Klägers ist auch in der Schmerzengeldbemessung der Vorinstanzen, die unter Berücksichtigung aller derzeit überschaubaren Verletzungsfolgen ein Schmerzengeld von (ungekürzt) 500.000 S für angemessen erachteten, ein Rechtsirrtum nicht zu erkennen. Mit Recht wenden sich hingegen die Beklagten in ihrer Revision gegen die Zinsenzusprüche des Berufungsgerichtes für die Zeiträume vom 20. Juni 1983 bis 9.Februar 1984 (4 % Zinsen aus 79.131,32 S) und vom 10. Februar 1984 bis 5.Juli 1985 (4 % Zinsen aus 82.908,58 S). Maßgebend dafür kann nur die Höhe des jeweiligen berechtigten Begehrens des Klägers sein. Das Berufungsgericht hat offensichtlich übersehen, daß der Kläger mit seinem in der Klage gestellten Begehren auf Ersatz von Fahrtkosten, der Kosten für Heilbehelfe und sonstiger Spesen in der Höhe von 8.696,98 S der Höhe nach nicht voll durchdrang, sondern nur mit einem Betrag von 8.000 S. Berücksichtigt man dies, dann sind dem Kläger für den erstgenannten Zeitraum 4 % Zinsen aus 78.666,67 S (350.000 S Schmerzengeld und 8.000 S sonstige Spesen, zusammen 358.000 S; davon zwei Drittel = 238.666,67 S, abzüglich der Akontozahlung von 160.000 S verbleiben 78.666,67 S) und für den zweiten Zeitraum 4 % Zinsen aus 82.443,94 S (350.000 S Schmerzengeld und 13.665,91 S sonstige Spesen, zusammen 363.665,91 S; davon zwei Drittel = 242.443,94 S; abzüglich der Akontozahlung von 160.000 S verbleiben 82.443,94 S) zuzusprechen, während sein Zinsenmehrbegehren abzuweisen ist.

Nur in diesem geringen Umfang erweist sich die Revision der Beklagten als berechtigt, während der Revision des Klägers überhaupt keine Berechtigung zukommt.

Der Zinsenausspruch des Berufungsgerichtes war daher in teilweiser Stattgebung der Revision der Beklagten wie im Spruch ersichtlich abzuändern.

Aus Anlaß der Revision der Beklagten war eine (im Rechtsmittel nicht geltend gemachte) den Vorinstanzen unterlaufene Nichtigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Die Vorinstanzen haben nämlich übersehen, daß der Erstbeklagte im Adhäsionsverfahren zur Zahlung eines Betrages von 5.000 S aus dem Titel des Schmerzengeldes an den Kläger verurteilt wurde. Dieser Entscheidung des Strafgerichtes kommt Rechtskraftwirkung zu (SZ 24/281 ua), die im Sinne des § 411 Abs. 2 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen ist (SZ 30/48 ua). Diese gegen den Erstbeklagten im Adhäsionsverfahren ergangene Entscheidung begründet das Prozeßhindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache, sodaß im Umfang dieser Entscheidung die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben werden mußten und das gegen den Erstbeklagten gerichtete Klagebegehren zurückzuweisen war. Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kosten des für nichtig erklärten Verfahrens waren im Sinne des § 51 Abs. 2 ZPO gegenseitig aufzuheben. Die Kosten des Revisionsverfahrens waren auch im übrigen im Hinblick auf das annähernd gleich hohe Revisionsinteresse der Streitteile und den mangelnden Erfolg beider Revisionen gegenseitig aufzuheben. In der Abänderung des Zinsenausspruches des Berufungsgerichtes ist nur ein so geringfügiger Rechtsmittelerfolg der Beklagten zu erblicken, daß er keine Abänderung der Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes rechtfertigt und auch bei der Entscheidung über die Höhe des Revisionsverfahrens zu vernachlässigen ist.

Zu den Ausführungen in der Revision der Beklagten über die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes ist nicht Stellung zu nehmen; die Beklagten verweisen selbst zutreffend darauf, daß diese Kostenentscheidung keinem weiteren Rechtszug unterliegt.

Anmerkung

E10080

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00044.86.1204.000

Dokumentnummer

JJT_19861204_OGH0002_0080OB00044_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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