Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei "K***" B*** M.B.H., Liftweg 7, 9971 Matrei in Osttirol (lt. Handelsregister), vertreten durch Dr. Hartmut Ramsauer, Dr. Karl Ludwig Vavrovsky und Dr. Rudolf Wöran, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei protokollierte Firma Peter M*** B*** Inhaber Baumeister Ing. Peter F***, Tristacherstraße 28, 9900 Lienz, vertreten durch Dr. Philipp Gruber und Dr. Bruno Pedevilla, Rechtsanwälte in Lienz und des Nebenintervenienten auf ihrer Seite Josef B***, Transport- und Steinbruchunternehmer, 9972 Virgen, Osttirol 129, vertreten durch Dr. Wilfried Seirer, Rechtsanwalt in Lienz, wegen S 30.000,- samt Anhang, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 31. Jänner 1986, GZ. 2 a R 13/86-15, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Lienz vom 31. Oktober 1985, GZ. 2 C 229/85-11, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekurses sind weitere Prozeßkosten.
Text
Begründung:
Die Klägerin begann 1981 mit der zweiten Baustufe ihres Hotelprojektes in Matrei in Osttirol und vereinbarte mit der beklagten Bauunternehmung am 31.7.1981, daß die Rohbauarbeiten am 31.10.1981 beendet werden. Zur Ausführung der erforderlichen Sprengungen zog die Beklagte den Nebenintervenienten bei. Vor den Sprengungen war die Haftung für Schäden erörtert worden. Die Klägerin erklärte sich gegenüber der Beklagten bereit, für ein Versiegen von Quellen einzustehen. Weder die Beklagte noch der Nebenintervenient sicherten sich gegen bei den Sprengungen verursachte Gebäudeschäden durch eine Haftpflichtversicherung ab. Der Sprengmeister des Nebenintervenienten führte in der Zeit vom 17.8.1981 bis 21.8.1981 eine zu stark dimensionierte und dadurch fehlerhafte Sprengung durch, die Schäden an nahe gelegenen Gebäuden so auch des Johann P*** bewirkte. Die mit der Planung, Bauleitung und statischer Berechnung betraute G***
B*** G*** M.B.H., die für die Klägerin und auf deren Rechnung der Beklagten den Bauauftrag erteilt hatte, erfuhr vom Schadenseintritt. Auch die Beklagte wurde einige Tage später vom Eintritt der Gebäudeschäden unterrichtet. Der Geschäftsführer der Klägerin Helmut P*** wurde einige Wochen später vom Geschädigten über das Schadensbild und die Ursache informiert. Er verständigte den Geschäftsführer der Klägerin Goran F***, daß Johann P*** Ansprüche stelle. Am 1.5.1984 beschaffte sich der Geschädigte ein Sachverständigengutachten, das ergab, daß an seinem Gebäude ein Schaden von rund S 30.000,- eingetreten war. Am 2.7.1984 erhob er zu C 116/84 beim Bezirksgericht Matrei in Osttirol gegen die Klägerin, die sich am 23.6.1981 verpflichtet habe, alle durch die Bauarbeiten an ihrem Hotelgebäude am Wohnhaus des Johann P*** entstehenden Schäden auf ihre Kosten beheben zu lassen, die Klage auf Zahlung von S 30.000,-. Die dort beklagte Klägerin beantragte, das Klagebegehren abzuweisen, weil am Wohnhaus des Klägers Schäden nicht entstanden seien. Am 11.4.1984 brachte Johann P*** gegen die Klägerin eine weitere Klage zu 8 Cg 230/84 beim Landesgericht Innsbruck ein. Wider stützte er sich auf die Vereinbarung vom 23.6.1981, wonach die Klägerin es auch übernommen habe, alle Behebungskosten zu tragen, falls durch die Bauarbeiten an dem Hotel die Wasserversorgung des Nachbarn beeinträchtigt werde. Durch die Bauarbeiten sei seine Quelle verschüttet worden. Er begehrte Zahlung der Kosten des Anschlusses an die öffentliche Wasserversorgung von S 30.173,49 samt Zinsen und die Feststellung der Haftung für alle künftigen Schäden. In diesem Rechtsstreit haben die dort beklagte Klägerin und Johann P*** am 12.2.1985 einen gerichtlichen Vergleich geschlossen. Die Klägerin hat sich unter anderem verpflichtet, dem Geschädigten zur Abgeltung der Schäden an seinem Wohnhaus, die er zu C 116/84 des Bezirksgerichtes Matrei in Osttirol eingeklagt hatte, S 30.000,- zu bezahlen.
Am 28.3.1985 brachte nun die Klägerin gegen die Beklagte die auf Ersatz des von der Klägerin anerkannten Schadensbetrages von S 30.000,- gerichtete Klage ein. Die Beklagte habe die Haftung für alle aus der Bauführung entstandenen Schäden übernommen. Bei den von der Beklagten veranlaßten Sprengungen sei der Schade eingetreten. Der Einwand, der Anspruch der Klägerin sei verjährt, verkenne, daß erst auf Grund der Erhebung der Klage durch den Geschädigten feststand, daß die Klägerin den Schaden ersetzen müsse. Der Verzicht der Klägerin auf Schadenersatz habe sich nur auf das Versiegen der Quelle bezogen.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Schäden am Haus des Josef P*** seien schon im Sommer 1981
entstanden. Der Sprengmeister habe auch Schadenersatz geleistet. Schon vor Beginn der Sprengarbeiten habe die Klägerin die Beklagte aus jeder Haftung im Zusammenhang mit den Sprengungen entlassen und auf jeden Ersatz verzichtet. Der Anspruch sei auch bereits verjährt. Die Haftung der Beklagten sei auf zwei Jahre ab der Abnahme des Bauwerkes beschränkt gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es nahm Verjährung der Forderung der Klägerin gegen die Beklagte an, weil die Entschädigungsklage nach dem § 1489 ABGB in drei Jahren ab dem Zeitpunkt verjähre, zu dem der Schaden und die Person des Schädigers bekannt wurden. Der Geschäftsführer der Klägerin habe bereits im Jahr 1981 vom Eintritt des Schadens, der Person des Schädigers und der Mithaftung der Beklagten erfahren. Kenntnis der genauen Schadenshöhe sei nicht erforderlich, daß die Verjährungszeit zu laufen beginne. Sie gelte auch für die Regreßforderung der Klägerin gegen die Beklagte, die ohne eigenes Verschulden für die Tat eines anderen einzustehen gehabt hätte.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge. Es hob das Urteil des Erstgerichtes auf, trug diesem die neue Verhandlung und Entscheidung auf und sprach aus, daß es das Verfahren erst nach eingetretener Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen habe. Das Berufungsgericht übernahm zwar alle Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, so auch, daß die Klägerin, nachdem der Geschädigte den Geschäftsführer Helmut P*** der Klägerin schon 1981 von den Schäden an seinem Haus unterrichtete, "um den 3.2.1982" vom bauleitenden Unternehmen auf diese Sprengschäden hingewiesen wurde, daß die Klägerin gegenüber der Beklagten auf Regreßansprüche nicht verzichtete und der Nebenintervenient den Schaden nicht ersetzte. Das Berufungsgericht meinte aber, bei der Beurteilung, ob die kurze oder die lange Verjährungszeit gelte und wann die Frist zu laufen begann, könne nicht auf die Kenntnis des Schadens und der Person durch die Klägerin abgestellt werden. Sie sei ja nicht die Geschädigte. Es sei zu prüfen, aus welchem Rechtsgrund die Klägerin leistete. Sei die Klägerin auf Grund eines Vertrages neben die Beklagte als Leistungspflichtige getreten und habe die Beklagte durch ihre Zahlung von der Leistung befreit, sei in sinngemäßer Anwendung des § 1358 ABGB der Rückgriffsanspruch erst mit der Zahlung an den Geschädigten entstanden und nicht verjährt. Habe die Klägerin ohne Rechtsgrund bezahlt, hätte nach § 1042 ABGB für die Ersatzforderung eine 30-jährige Verjährungsfrist erst mit dem durch Zahlung an den Geschädigten getätigten Aufwand begonnen. Habe aber die Klägerin die Forderung des Geschädigten nach § 1422 ABGB eingelöst, so habe sich die ursprüngliche Verjährungsfrist der Schadenersatzforderung des Geschädigten (von drei Jahren) nicht geändert. Es werde daher der Feststellung des Rechtsverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Geschädigten aber auch der Bedeutung des zwischen den Streitteilen in dem erst nach Schadenseintritt schriftlich erteilten Auftrag vom 13.10.1981
vereinbarten Haftrücklasses von 2 % der Nettoabrechnungssumme mit der am 2.8.1984 beendeten Laufzeit bedürfen, ob nämlich der Haftrücklaß auch diese Regreßforderung erfassen sollte. Da zu den zu lösenden Fragen eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle, sei nach § 519 Abs 2 iVm § 502 Abs 4 Z 1 ZPO der Rechtskraftvorbehalt nach § 519 Abs 1 Z 3 ZPO auszusprechen.
Gegen den Aufhebungsbeschluß hat die Beklagte Rekurs an den Obersten Gerichtshof erhoben. Sie strebt die Wiederherstellung des das Zahlungsbegehren abweisenden Urteiles des Erstgerichtes an und meint, es hätten die Ergebnisse der Beweisaufnahme in erster Instanz ausgereicht, die erforderlichen Feststellungen zu treffen und die Rechtssache abschließend zu beurteilen. Die eingeklagte Forderung sei verjährt, weil die Klägerin vom Schaden des Johann P*** schon 1981 Kenntnis hatte und vor Ablauf der dreijährigen Verjährungszeit im Jahr 1984 gegen die Beklagte die Feststellungsklage hätte erheben müssen.
Die Klägerin hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist wegen der im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO bedeutsamen Frage der Verjährung des Regreßanspruches zulässig, aber nicht begründet. Daß alle Entschädigungsansprüche in drei Jahren von der Zeit an verjähren, zu welcher der Schade und die Person des Schädigers dem Beschädigten bekannt wurde (§ 1489 ABGB), gleich welchem Rechtsgrund die Schadenersatzforderung entspringt und die Frist des § 1489 ABGB erst in Gang gesetzt wird, wenn dem Geschädigten neben der Kenntnis des Schadens der gesamte seinen Anspruch begründende Sachverhalt soweit bekannt ist, daß er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erheben kann, entspricht der Lehre und der Rechtsprechung (Schubert in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 1489;
Ehrenzweig-Mayrhofer, Schuldrecht Allg. Teil 3 348; SZ 57/171;
SZ 56/36 uva.). Die Klägerin hat hier aber eindeutig nicht Schadenersatz begehrt sondern will Rückgriff gegen die ihr aus dem Werkvertrag nach § 1313 a ABGB auch für das Verschulden der Personen, deren sie sich zur Erfüllung ihrer Leistungspflicht bediente, haftungspflichtige Beklagte nehmen, weil sie von einem anderen Geschädigten in Anspruch genommen wurde. Diese Regreßforderung kann nicht mit der Schadenersatzforderung des durch die Sprengung im Zuge der Bauarbeiten in seinem Vermögen geschädigten Nachbarn Johann P*** gleichgesetzt werden, weil zunächst für die Klägerin nicht feststand, daß sie den Schaden ersetzen müsse. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Klägerin schon mehr als drei Jahre vor Erhebung der Regreßklage Kenntnis hatte, daß bei einer von dem durch die Beklagte zur Erfüllung ihrer Bauleistungen herangezogenen Sprengungsunternehmer vorgenommenen Sprengung Schäden am Haus des Nachbarn verursacht worden waren. Der Geschädigte hat vor Ablauf der für seinen Schadenersatzanspruch nach § 1489 ABGB geltenden Verjährungsfrist gegen die Klägerin Klage erhoben. Die Verjährungszeit für die als Entschädigungsklage im weiteren Sinn zu beurteilende Regreßklage beginnt nicht schon mit der Kenntnis von dem schädigenden Ereignis und vom haftungsbegründenden Sachverhalt sondern jedenfalls nicht früher, als unverrückbar die Ersatzpflicht feststeht. Die dreijährige Verjährungsfrist für die Regreßforderung der Klägerin begann auch dann, wenn man eine Solidarhaftung der Streitteile gegenüber dem Geschädigten nicht annimmt (Gamerith in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 896;
Wolff in Klang 2 VI 56; SZ 56/185), für die Klägerin frühestens mit dem Eintritt der Wirksamkeit des im Direktprozeß abgeschlossenen Vergleiches. Die Regreßklage wurde rund drei Wochen nach diesem Zeitpunkt erhoben. Der Regreßanspruch ist daher jedenfalls nicht deshalb verjährt, weil zu diesem Zeitpunkt der Direktanspruch des Geschädigten, hätte er ihn nicht längst gerichtlich geltend gemacht, verjährt gewesen wäre. Eine vorbeugende Feststellungsklage für den Fall, daß die Klägerin als Nachbar oder zufolge ihrer in der Bauverhandlung erklärten Zusicherung, für Schäden am Haus des Nachbarn aufzukommen, von diesem zu Recht in Anspruch genommen werde, ist nicht zu fordern. Es trifft nicht zu, daß die Klägerin nur einen auf sie übergegangenen Schadenersatzanspruch des Geschädigten geltend macht, der in der ursprünglichen Zeit verjähren würde. Stehen dem Geschädigten mehrere Ersatzpflichtige gegenüber oder bestehen wie hier Rückgriffsansprüche aus dem Werkvertrag, müßte diese Ansicht (Koziol, Haftpflichtrecht 2 I 302; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 9 zu § 1302) dazu führen, daß der am letzten Tag der Verjährungszeit geklagte Ersatzpflichtige seinen Regreßanspruch durch Verjährung verlieren könnte. Die Verjährung beginnt daher erst dann, wenn die Ersatzpflicht des Regreßberechtigten rechtskräftig feststeht oder er schon (früher) Zahlung geleistet hat. Damit hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum erkannt, daß es, weil die Abweisung der Klage wegen Verjährung des Regreßanspruches infolge der Überschreitung der Dreijahresfrist zwischen Schadenskenntnis und Erhebung der Regreßklage nicht in Betracht kommt, der weiteren Feststellungen über die vertragliche Haftungsregelung (Haftrücklaß) zwischen den Streitteilen und die Berechtigung der Regreßforderung bedarf.
Dem Rekurs der Beklagten kommt daher kein Erfolg zu. Die Kostenentscheidung beruht auf dem l 52 Abs 1 Satz 2 ZPO.
Anmerkung
E09974European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00558.86.1210.000Dokumentnummer
JJT_19861210_OGH0002_0030OB00558_8600000_000