TE OGH 1986/12/11 6Ob685/86

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Veröffentlicht am 11.12.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Jensik, Dr. Schobel und Dr. Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Hans W***, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Opernring 23, als Masseverwalter im Konkurs der Firma A*** R***, S***, G*** MBH, S 54/82 des Handelsgerichtes Wien, wider die beklagte Partei F*** K*** A***, F*** G*** M.B.H., 5021 Salzburg, Peter-Pfenninger-Straße 26, vertreten durch Dr. Franz Kreibich, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 558.899,85 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 11. September 1986, GZ. 3 R 41/86-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 19. Dezember 1985, GZ. 16 Cg 54/85-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.220,42 (darin Barauslagen S 1.200,-, Umsatzsteuer S 1.456,40) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde im Konkurs über das Vermögen der A*** R*** S*** G*** MBH zum Masseverwalter bestellt. Er

begehrte von der Beklagten die Bezahlung des Betrages von S 558.899,85 als restlichen Werklohn für erbrachte Bauleistungen. Der Betrag setze sich aus einem angeblich ungerechtfertigt in Anspruch genommenen Haftrücklaß im Betrag von S 385.000,- und einer nicht bezahlten Rechnung in der Höhe von S 173.899,85 zusammen. Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Sie behauptete, die Gemeinschuldnerin habe von ihr den Auftrag zur Errichtung einer Werkshalle in Wiener Neudorf erhalten. Für den Keller sei eine Dichtbetonwanne bedungen gewesen. Nach Beendigung der Bauarbeiten im Jahre 1979 sei festgestellt worden, daß in die Kellerräumlichkeiten des Gebäudes Wasser eindringe und diese für den vorgesehenen Verwendungszweck unbrauchbar mache. Bei mehreren Begehungen sei festgestellt worden, daß an verschiedenen Stellen der Bodenplatte des Kellers "artesisch" Wasser austrete und der Beton in den Fugen extrem porös sei. Die Gemeinschuldnerin habe zugesagt, Sanierungsmaßnahmen durch ein Fachunternehmen durchführen zu lassen. Die Sanierung sei zwar teilweise versucht, aber nicht abgeschlossen worden. Noch immer trete im Keller Feuchtigkeit auf, so daß eine zweckentsprechende Verwendung der Kellerräume nicht möglich sei. Die Beklagte habe daher den vereinbarten Haftrücklaß im Betrag von S 385.000,- in Anspruch genommen. Die von der Gemeinschuldnerin der Beklagten übermittelte Rechnung über S 173.199,85 betreffe die Sanierungsarbeiten, die nicht über Auftrag der Beklagten, sondern über Auftrag der Gemeinschuldnerin durchgeführt worden seien. Die Beklagte wendete auch mangelnde Fälligkeit des Klagsbetrages ein und verlangte eine entsprechende Sanierung der Mängel durch den Kläger. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen folgendes fest: Die F*** A*** R*** S*** G*** MBH (im folgenden F*** R***) erhielt von der Beklagten den Auftrag zur Errichtung einer Werkshalle in Wiener Neudorf. Wände und Sohle des Kellers sollten in "Sperrbeton 300" hergestellt werden, so daß eine Wanne aus Dichtbeton entstehen sollte. Die Bauarbeiten wurden im Jahre 1979 beendet. Nach Fertigstellung rügte die Beklagte Wassereinbrüche im Keller. Die von der F*** R*** gelegten Rechnungen wurden von der Beklagten mit Ausnahme des vereinbarten Haftrücklasses in Höhe von S 385.000,-

bezahlt. Mit der Sanierung der aufgetretenen Mängel beauftragte die F*** R*** die FIRMEN S*** und M*** und stellte die Kosten der Beklagten am 22.2.1982 in Rechnung. Diese lehnte die Bezahlung unter Hinweis darauf, daß sie keinen Auftrag erteilt habe, ab. Die Sanierungsversuche waren nicht erfolgreich. Es kommt weiterhin zu deutlichen Feuchtstellen in verschiedenen Räumen. Teilweise, so im Maschinenraum und im Aufzugschacht, stehen auch Wasserlacken. Der Sanierungsversuch im großen Lagerraum war "völlig wirkungslos", das Sanierungsmaterial kann mühelos und ohne Werkzeug abgehoben werden. Da die festgestellten wesentlichen Mängel auf Fehler im Zuge des Einbauvorganges zurückzuführen sind, hat somit die F*** R*** ihre Leistungen hinsichtlich des Bauwerksbereiches "Keller" nicht sach- und fachgerecht und entsprechend den Regeln der Technik erbracht. Die aufgetretenen Mängel sind teilweise unbehebbar und zur Gänze wesentlich. Eine hundertprozentige Behebung der Mängel ist nicht möglich. Die Kosten einer Sanierung, die die Kellerräumlichkeiten wenigstens einigermaßen benützbar macht, liegen im wirtschaftlich günstigsten Fall bei ca. S 485.000,-. Infolge des Restrisikos ergibt sich weiters eine Wertminderung des Bauwerkes in der Höhe von etwa S 75.000,-. Die in der Rechnung vom 22.2.1982 verzeichneten Leistungen stellen keine Nachtragsarbeiten dar, sondern einen von der F*** R*** in Auftrag gegebenen Sanierungsversuch.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, die Gemeinschuldnerin habe ihre Leistungen aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Werkvertrag nicht gehörig erbracht. Die Beklagte habe daher zu Recht von ihrem Rückbehaltungsrecht des Haftrücklasses Gebrauch gemacht. Dem stehe auch nicht die teilweise Unbehebbarkeit der Mängel entgegen, sei doch eine Verbesserung jedenfalls nötig, um den Kellerbereich überhaupt benützbar zu machen. Das dann noch verbleibende Restrisiko lasse sich nicht beseitigen, so daß eine angemessene Minderung des Entgeltes gerechtfertigt sei. Der in Anspruch genommene Haftrücklaß sei seiner Höhe nach jedenfalls gerechtfertigt, vor allem unter Bedachtnahme auf die voraussichtlichen Kosten der Mängelbehebung, die den zurückbehaltenen Betrag bei weitem überstiegen. Außerdem sei die Beklagte berechtigt, die Bezahlung des gesamten Werklohnes bis zur Verbesserung des mangelhaften Werkes zu verweigern. Die mit Rechnung vom 22.2.1982 verrechneten Leistungen stellten keine Nachtragsarbeiten, sondern untaugliche Sanierungsversuche dar, die von der Gemeinschuldnerin in Auftrag gegeben worden seien und daher von dieser und nicht von der Beklagten zu bezahlen wären. Der gegen die Entscheidung des Erstgerichtes erhobenen Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht nicht Folge. Es übernahm die auf unbedenklicher Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen des Erstgerichtes und legte sie seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde. Es folgerte in rechtlicher Hinsicht, daß der Werklohn erst nach Behebung festgestellter Mängel fällig werde und das Zurückbehaltungsrecht des Bestellers seine Grenze in schikanöser Rechtsausübung oder wegen ganz unwesentlicher Mängel fände, wovon im vorliegenden Fall keine Rede sein könne. Gemäß § 1167 ABGB könne der Besteller Verbesserung nur verlangen, wenn diese nicht einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde. Dies sei nicht der Fall, weil der Wert des gesamten Werkes - gemeint des Kellers - rund S 615.000,- betrage. Da die Beklagte Verbesserung verlangt habe, sei sie nicht bloß auf die Geltendmachung der Preisminderung beschränkt. Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil des Berufungsgerichtes im klagsstattgebenden Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision des Klägers keine Folge zu geben.

Der Revision des Klägers kommt Berechtigung nicht zu. Der Revisionswerber macht geltend, daß sich der Werkbesteller auf das Zurückbehaltungsrecht am Werklohn nicht berufen könne, wenn die Mängel am Werk unbehebbar seien. Könne nämlich eine vollständige Mängelbehebung nicht erfolgen und verblieben auch nach Durchführung weiterer Sanierung Mängelrisken, verstieße die Inanspruchnahme eines Verbesserungsaufwandes gegen die guten Sitten und liege in Wahrheit nur eine Scheinrechtsausübung vor. Die Beklagte habe seit dem Jahre 1979 das Objekt benützt, was als Verzicht auf eine Verbesserung gewertet werden könne. Die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß von der Beklagten ohnehin nur der Haftrücklaß zurückgehalten würde und sich daraus schon ergäbe, daß die Kosten der Mängelbehebung den Wert des Werkes nicht überstiegen, sei unzutreffend. Der Beklagten stehe lediglich ein Preisminderungsanspruch zu, der sich aus dem Wertverhältnis des fehlerlosen zum fehlerhaften Werk ergebe. Die Beklagte könne für sich keinen kombinierten Verbesserungs- und Preisminderungsanspruch geltend machen, es stehe ihr lediglich entweder Verbesserung oder angemessene Preisminderung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nur teilweise dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil nach den Feststellungen die aufgetretenen Mängel entgegen den Revisionsausführungen nur teilweise unbehebbar und zur Gänze wesentlich sind, der nötige Behebungsaufwand den Haftrücklaß übersteigt und die Mängel nur einen Teil des Gesamtwerkes betreffen. Die Behauptung, daß die Beklagte seit dem Jahre 1979 das Objekt benütze, was der Revisionswerber als Verzicht auf eine Verbesserung gewertet wissen möchte, war nicht Gegenstand des erstgerichtlichen Verfahrens.

Gesetzmäßig wird in der Revision die Zurückbehaltung des Haftrücklasses bekämpft. Keinen Gegenstand der Revision bildet die Abweisung des mit Rechnung vom 22.2.1982 geltend gemachten erfolglosen Sanierungsaufwandes.

Der Haftrücklaß stellt in der Regel einen zur Sicherung von Gewährleistungsansprüchen zurückbehaltenen Teil des Werklohnes dar. Der Unternehmer kann ihn, wenn Verbesserung verlangt wurde, erst dann fordern, wenn er den Mnagel behoben hat (JBl 1984, 204). Nach ständiger Rechtsprechung ist der Besteller eines Werkes auch dann, wenn er die unvollständige Erfüllung angenommen hat und deren Verbesserung verlangt, berechtigt, die ganze Gegenleistung bis zur Verbesserung des mangelhaften Werkes zu verweigern. Diese Einrede soll nicht nur den Leistungsberechtigten sichern, sondern auch auf den Willen des Gegners Druck ausüben. Sie ist ein geeignetes Mittel, den Werkunternehmer zu einer umgehenden Verbesserung zu veranlassen und den Besteller der undankbaren Aufgabe zu entheben, die Beseitigung der Mängel durch einen Dritten zu erreichen. Das Recht der Leistungsverweigerung steht grundsätzlich auch bei Vorliegen geringer Mängel zu und findet seine Grenze in dem im § 1295 Abs 2 ABGB normierten, nicht nur für den Bereich des Schadenersatzrechtes geltenden, Grundsatz, daß die Ausübung eines Rechtes nicht zur Schikane ausarten darf (Koziol-Welser Grundriß 7 I 208, Aicher in Rummel ABGB Rdz 7 zu § 1052; SZ 53/63, SZ 52/23 mwN). Nach § 1167 ABGB darf Verbesserung nur dann gefordert werden, wenn sie nicht einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. Unverhältnismäßig ist der Verbesserungsaufwand, wenn er in keinem Verhältnis zu dem durch die Verbesserung für den Besteller zu erzielenden Vorteil, also auch zu dem Nachteil, den für ihn der Mangel bedeutet, steht (Adler - Höller in Klang 2 V 396 FN 31; SZ 53/7 mwN). Wenn der Unternehmer die notwendige Verbesserung ablehnt oder verzögert, kann der Besteller den Mangel selbst beseitigen oder durch einen Dritten beseitigen lassen (SZ 11/270). In diesem Fall kann er wenigstens das zur Verbesserung nötige Deckungskapital zurückhalten (SZ 53/107, SZ 25/277 ua). Entgegen der Ansicht des Klägers liegen wesentliche, den ordentlichen Gebrauch erheblich erschwerende aber großteils verbesserbare Mängel des von der F*** R*** errichteten Werkes vor. Nach den in die erstgerichtlichen Feststellungen eingeflossenen Ausführungen des Sachverständigengutachtens ist zwar eine hundertprozentige Behebung der Mängel nicht möglich, doch können die Kellerräumlichkeiten wenigstens einigermaßen benutzbar gemacht werden, wobei die Kosten im wirtschaftlich günstigsten Fall bei ca. S 485.000,- liegen. Bei dieser Sachlage kann der Beklagten das Recht, Verbesserung zu verlangen, nicht abgesprochen werden. Wenn auch nach erfolgter Verbesserung noch ein gewisses Restrisiko besteht, ist die Verbesserung doch wirtschaftlich vernünftig und der erforderliche Aufwand ist in Anbetracht des Wertes des gesamten Werkes durchaus vertretbar. Schikane liegt daher nicht vor. Da der für die Verbesserung erforderliche Aufwand den zurückbehaltenen Haftrücklaß übersteigt, ist nicht zu prüfen, ob die Beklagte wegen des nach erfolgter Verbesserung noch bestehenden Restrisikos einen Minderungsanspruch hätte.

Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E09841

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0060OB00685.86.1211.000

Dokumentnummer

JJT_19861211_OGH0002_0060OB00685_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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