TE OGH 1986/12/11 7Ob699/86

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Veröffentlicht am 11.12.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann H***, Restaurateur, Seewalchen am Attersee, Hauptstraße 20-22, vertreten durch Dr. Hermann Gaigg und Dr. Karl E. Leitinger, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei M***

S*** AM A***, vertreten durch Dr. Walther Mörth, Rechtsanwalt in Linz, wegen Vertragszuhaltung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 26.Juni 1986, GZ 3 R 121/86-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 3.Februar 1986, GZ 2 Cg 365/85-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 19.587,15 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.780,65 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Vertrag vom 25./27.7.1957 überließen die Eltern des Klägers ihr Badehaus im Attersee der beklagten Partei gegen Bezahlung von S 9.000 und Einräumung des unentgeltlichen Rechts zur Benützung des von der beklagten Partei am Ufer des Attersees errichteten Strandbades in der Weise, daß für die Pensionsgäste des von den Eltern des Klägers betriebenen Gasthofes an jedem Badetag durch die beklagte Partei unentgeltlich 60 Halbtageskarten zur Verfügung gestellt werden, welche zur Benützung des Strandbades in gleicher Weise berechtigen, wie dies allen übrigen zahlenden Besuchern des Strandbades eingeräumt wird. Weiters übernahm die beklagte Partei die Verpflichtung zur Reservierung von 6 Kabinen des sogenannten kleinen Kabinenhauses. Die Pflicht der beklagten Partei zu der nicht in Geld bestehenden Gegenleistung sollte nur dann erlöschen, wenn infolge Auflösung des Pachtvertrages zwischen der Republik Österreich und der beklagten Partei oder aus welchen Gründen auch immer das Strandbad abgebrochen werden muß, spätestens jedoch am letzten Tag der Badesaison 2056. Der Kläger ist Gesamtrechtsnachfolger nach seinen Eltern und erhielt bis zur Sommersaison 1984 die vertraglich vereinbarten 60 Halbtageskarten, die er seinen Gästen zur Verfügung stellte. Mit Gemeinderatsbeschluß vom 11.3.1985 führte die beklagte Partei für das Strandbad in der Sommersaison 1985 probeweise den Nulltarif ein. Der Kläger behauptet, daß hiedurch eine wesentliche Änderung eingetreten sei:

Das Bad werde durch eine wesentlich größere Anzahl von Personen besucht, durch keinen Bademeister betreut und verschmutze. Sowohl die Gäste des Klägers als auch andere angestammte Badebenützer hätten darüber bereits Beschwerde geführt. Nach dem Standpunkt des Klägers sei durch die Einführung des Nulltarifes die Äquivalenz der beiderseitigen Leistungen erheblich gestört. Wäre die Einführung des Nulltarifes und seine Folgen von den Vertragsparteien bei Abschluß des Vertrages bedacht worden, wäre der Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt abgeschlossen worden. Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, den Vertrag zuzuhalten und ihm im Rahmen des Betriebes eines Strandbades in Seewalchen wie bisher, zu dem nur jenen Personen kontrolliert Zutritt gewährt wird, die hiefür ein Entgelt entrichten, unentgeltlich 60 Halbtageskarten für seine Pensionsgäste zur Verfügung zu stellen.

Nach dem Standpunkt der beklagten Partei liege eine Störung der Äquivalenz der beiderseitigen Leistungen nicht vor. Es sei den Verkäufern nur darum gegangen, ihren Gästen kostenlos eine Bademöglichkeit zur Verfügung stellen zu können. Daran habe sich nichts geändert. Die Einführung des Nulltarifs sei erforderlich gewesen, weil der bisherige Badebetrieb Defizite verursacht habe, die die beklagte Partei nicht mehr zu decken gewillt sei. Es seien im übrigen lediglich die Lohnkosten für die Kassiererinnen eingespart worden, sonst habe sich am Badebetrieb insbesondere auch für die Gäste des Klägers nichts geändert.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf über den Inhalt des zwischen den Eltern des Klägers und der beklagten Partei im Jahre 1957 abgeschlossenen Vertrages hinaus noch folgende Feststellungen: Die Vertragsparteien gingen bei Vertragsabschluß davon aus, daß die Badegäste für den Eintritt in das Strandbad ein Entgelt zu entrichten haben. Die Eltern des Klägers betrieben damals neben einer Gastwirtschaft eine Pension. Der Kläger betreibt seit einiger Zeit ein 4-Sterne-Hotel, das in Fachzeitschriften zu den besten Österreichs gezählt wird. Die Einführung des Nulltarifs erfolgte, weil der Betrieb in den vergangenen Jahren ausschließlich defizitär war. Nach Einführung des Nulltarifs erließ der Gemeinderat eine Badeordnung, deren Inhalt das Erstgericht feststellte. Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß der Vertrag vom Jahre 1957 keine Verpflichtung der beklagten Partei enthalte, das Strandbad nur gegen Einhebung eines Eintrittsgeldes zu betreiben. Für den Fall der Einführung des Nulltarifes enthalte der Vertrag keine Regelung. Diese Vertragslücke könnte durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden. Redliche und vernünftige Parteien hätten aber keineswegs vereinbart, daß die beklagte Partei auch dann verpflichtet sei, ein Eintrittsgeld einzuheben, wenn dies im Ergebnis mit finanziellen Belastungen für sie verbunden sei. Auf eine Änderung der Geschäftsgrundlage könne sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen.Eine Änderung der Verhältnisse sei im vorliegenden Fall vornehmlich dadurch eingetreten, daß der Kläger nunmehr einen Hotelbetrieb der Spitzenklasse führe. Diese Tatsache gehöre aber zur Sphäre des Klägers, sodaß er die daraus allenfalls entstehenden Nachteile zu tragen habe. Der Nulltarif sei überdies nur für das Jahr 1985 eingeführt worden. Daß er weiterhin gelten soll, sei nicht einmal behauptet worden. Im Zeitpunkt der Entscheidung sei der Badebetrieb 1985 bereits eingestellt, für diese Saison könne die beklagte Partei auch kein Eintrittsgeld mehr verlangen. Demnach sei der Kläger im Zeitpunkt der Entscheidung "klaglos gestellt" worden. Soferne mit dem Klagebegehren gemeint sein solle, der Kläger wolle auch in Zukunft bei einem Nulltarif Freikarten, liege eine mißbräuchliche Rechtsausübung vor.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es ging davon aus, daß Rückforderungsansprüche wegen Wegfalls der Leistungsgrundlage oder Schadenersatzansprüche wegen Vertragsverletzung vom Kläger nicht erhoben worden seien. Nach dem Standpunkt des Klägers sei der zwischen seinen Eltern und der beklagten Partei abgeschlossene Vertrag insofern lückenhaft, als für den Fall der Einführung des Nulltarifes nichts vereinbart worden sei. Insoweit habe aber das Erstgericht zu Recht eine Vertragsergänzung im Sinne des Standpunktes des Klägers abgelehnt.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteigt.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Der behauptete Mangel des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Richtig ist zwar, daß bei unbestimmtem Klagebegehren ein Verbesserungsverfahren einzuleiten ist (Fasching LB Rdz 1049; derselbe in Kommentar III 24; MietSlg.33.626 ua). Ein unbestimmtes Klagebegehren liegt hier jedoch nicht vor. Die im Eingangssatz des Urteilsantrages ganz allgemein begehrte Vertragszuhaltung wird in der Folge näher präzisiert. Daraus ergibt sich im Zusammenhalt mit dem Sachvorbringen, daß der Kläger einen vertraglichen Anspruch auf den entgeltlichen Betrieb des Strandbades durch die beklagte Partei geltend machte. Daß das Klagebegehren darauf gerichtet ist, entspricht auch dem Standpunkt des Klägers in der Revision (AS 80 f). Enthält die Klage aber ein bestimmtes Begehren, hat das Gericht nicht die rechtsfreundlich vertretene Partei zur Erhebung eines allfälligen weiteren Begehrens, eines Eventualbegehrens oder, wenn es das erhobene Begehren als materiell nicht gerechtfertigt erachtet, zu einer Änderung des Klagebegehrens anzuleiten (vgl. JBl.1957, 419).

In der Sache selbst haben die Vorinstanzen richtig erkannt, daß sich aus dem schriftlichen Vertrag ein Anspruch des Klägers auf entgeltlichen Betrieb des Strandbades nicht ableiten läßt. Gegenstand des Leistungsaustausches war das Badehaus der Eltern des Klägers, das deren Pensionisgästen bisher unentgeltlich zur Verfügung stand. Durch die Verpflichtung der beklagten Partei, den Verkäufern nach Einbeziehung dieses Badehauses in das Strandbad eine bestimmte Anzahl von Halbtageskarten unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, verfolgten die Vertragsparteien ersichtlich nur das Ziel, den Pensionsgästen der Verkäufer weiterhin die unentgeltliche Strandbenützung zu erhalten. Unter diesen Umständen konnten die Verkäufer aber die Erklärung der beklagten Partei nicht so verstehen, daß sich diese den Käufern gegenüber zum entgeltlichen Betrieb des Strandbades verpflichten wollten. Umstände, aus denen sich ein anderer als der aus dem schriftlichen Vertrag erkennbare Parteiwille ergebe, liegen nicht vor und wurden von dem hiefür beweispflichtigen Kläger (vgl. Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 23 zu § 914) auch nicht behauptet. Beizupflichten ist dem Kläger allerdings darin, daß die unentgeltliche Überlassung einer bestimmten Anzahl von Halbtageskarten bei Entgeltlichkeit des Eintrittes in das Strandbad eine vermögenswerte Leistung darstellt, was die Schlußfolgerung des Klägers zuläßt,daß die Parteien bei unentgeltlichem Strandbadbetrieb den Vertrag jedenfalls nicht so abgeschlossen hätten. Das schließt aber, wie die Revision richtig erkannte, eine Vertragsergänzung aus. Die Grenze richterlicher Vertragsergänzung ist der Mangel der Einwilligung im Sinne des § 869 ABGB oder die Erkenntnis, daß die Parteien den Vertrag unter bestimmten Umständen nicht oder anders geschlossen hätten (ZAS 1976, 216). Welcher andere Anspruch dem Kläger allenfalls unter der zuletzt genannten Voraussetzung zustünde, ist nicht zu erörtern, weil ein solcher Anspruch mit der vorliegenden Klage nicht geltend gemacht wurde.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E10048

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00699.86.1211.000

Dokumentnummer

JJT_19861211_OGH0002_0070OB00699_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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