Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Dezember 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Horak, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bittmann als Schriftführers in der Strafsache gegen Eckhard Bruno S*** und Walter Jürgen H*** wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft sowie über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengerichts vom 11. August 1986, GZ. 18 a Vr 1462/85-101, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Hauptmann, des Angeklagten Walter Jürgen H*** und der Verteidiger Dr. Füreder und Dr. Hesz, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Eckhard Bruno S***, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Freispruch des Angeklagten Walter Jürgen H*** vom Vergehen der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht nach § 215 StGB (B 2) und vom Vergehen der Zuhälterei nach § 216 Abs 2 StGB (C) sowie in dem denselben Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird im übrigen und die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten werden zur Gänze verworfen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Walter Jürgen H*** auf diese Entscheidung verwiesen.
Der Berufung des Angeklagten Eckhard Bruno S*** wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Eckhard Bruno S*** und Walter Jürgen H*** wurden des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach haben sie am 13.April 1985 in Dornbirn als Mittäter die Österreicherin Cornelia H*** (die geschiedene Gattin des Zweitverurteilten) der gewerbsmäßigen Unzucht in Italien zugeführt, indem sie diese von ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort in Dornbirn in einem Personenauto nach Genua brachten, dort in einem Hotelzimmer einquartierten, mit ihr die Entlohnung besprachen, die sie für einen Geschlechtsverkehr verlangen sollte, sie sodann mit dem Kraftwagen in die benachbarte Siedlung Seravalle brachten und ihr den Weg zu dem ihr für die Ausübung ihres Gewerbes zugedachten Standplatz zeigten.
Hingegen erging ein Freispruch (§ 259 Z. 3 StPO ) der beiden Angeklagten unter anderem vom Anklagevorwurf des Vergehens der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht nach § 215 Abs 1 StGB , wonach Eckhard Bruno S*** am 5. und 6.November 1985 in Hard und Bregenz Regina R*** in seine Unterkunft aufnahm, sie aufforderte, sich herzurichten, zu baden und zu schminken, ihr Präservative ausfolgte, sie dann anwies, auf den Straßenstrich zu gehen, ihr die Tarife für den Geschlechtsverkehr nannte, sie auf die Standplätze brachte und ihr ein Quartier für den Verkehr mit den Freiern zur Verfügung stellte (Freispruch B 1), und Walter Jürgen H*** im Februar 1984 in Dornbirn Cornelia H*** dazu überredete, der Prostitution nachzugehen, um für sie beide den Unterhalt zu verdienen, ihr Anweisungen hinsichtlich ihres Verhaltens und hinsichtlich des Schandlohns gab, ihr Präservative verschaffte und ihr die Standplätze für die Prostitution bekanntgab (Freispruch B 2). Walter Jürgen H*** wurde des weiteren freigesprochen, das Verbrechen des Menschenhandels nach § 217 Abs 1 StGB im Jahr 1985 auch dadurch begangen zu haben, daß er an etwa zehn Wochenenden Cornelia H*** im Personenkraftwagen von Dornbirn nach Zürich brachte, wo sie auf sein Geheiß an einem von ihm angewiesenen Standplatz in der Nähe des Bahnhofs auf den Straßenstrich ging (Freispruch A 2 = A 3 der Anklage), desgleichen von der Anklage, das Vergehen der Zuhälterei nach § 216 Abs 2 StGB (n.F.) begangen zu haben, indem er von Februar 1984 bis Jänner 1986 in Dornbirn mit dem Vorsatz, sich aus der gewerbsmäßigen Unzucht seiner Frau Cornelia H*** eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, diese ausbeutete, indem er sich von ihr zur Gänze aushalten ließ, ihr den Gewinn aus der gewerbsmäßigen Unzucht bis auf Kleinigkeiten abnahm und sie zeitweilig unter Einsatz von Gewalt und Drohungen auch gegen ihren Willen auf die Straße schickte (Freispruch C).
Gegen den Schuldspruch haben die beiden Angeklagten Nichtigkeitsbeschwerden erhoben, welche Rechtsmittel von S*** auf die Gründe der Z. 5 und 9 lit a, von H*** auf jene der Z. 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützt werden. Von der Staatsanwaltschaft werden in ihrer gegen die oberwähnten Freisprüche gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde die Gründe des § 281 Abs 1 Z. 5 und 9 lit a StPO geltend gemacht.
Rechtliche Beurteilung
Zur Beschwerde des Angeklagten
Eckhard Bruno S***:
Der Mängelrüge des Angeklagten S*** zuwider findet seine Verantwortung, nur zum Zweck der Abholung von Gepäck nach Genua gefahren zu sein, in den Angaben der Zeugin Maria L*** keine Bestätigung. Ihrer Schilderung zufolge hat der Angeklagte S*** zwar behauptet, seine Fahrt nach Italien habe geschäftliche Gründe (Bd. II S. 121), er lade sie zu dieser Reise ein, weil er nicht allein fahren wolle (Bd. II S. 121 f.) Die Zeugin L*** hat diese Darstellung des Angeklagten S*** jedoch nicht einmal andeutungsweise bestätigt.
Auch die leugnende Verantwortung des Mitangeklagten H*** Im Vorverfahren, wonach er der Ansicht gewesen sein soll, nur einen Ausflug nach Genua zu unternehmen, hat den Beschwerdeführer keineswegs zu entlasten vermocht; hat doch der Angeklagte H*** vor dem Untersuchungsrichter (ON. 36) seine Angaben bei der Gendarmerie bekräftigt, wo er zwar die eigene Unschuld beteuert, Eckhard Bruno S*** aber eines Vorhabens bezichtigt hatte, welches von Anfang an darauf gerichtet war, Cornelia H*** nach Italien zu bringen, wo sie die Prostitution ausüben sollte (Bd. I S. 271). Diese Darstellung des Angeklagten H*** ist vom Erstgericht ohnehin berücksichtigt worden, allerdings als Belastungsbeweis gegen den Angeklagten S***. Soweit der letztere in seiner Nichtigkeitsbeschwerde lediglich an seiner eigenen leugnenden Verantwortung festhält und den von ihm angegebenen harmlosen Zweck der Reise nach Genua als "ganz offensichtlich" bezeichnet, läßt er sich in eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffengerichts ein.
Ein näheres Eingehen auf die von der Zeugin Cornelia H*** mehrfach (Bd. I S. 207, 218, 220 c) aufgestellte Behauptung, die Fahrt nach Genua mit anderen Prostituierten unternommen zu haben, erübrigte sich schon im Hinblick darauf, daß diese Version von der Zeugin in der Hauptverhandlung nicht mehr mit Sicherheit aufrechterhalten wurde (Bd. II S. 60 f.). Das Erstgericht ist insoweit den Angaben der Zeuginnen G*** (Bd. II S. 56 ff.) und R*** (Bd. II S. 51 f.) über deren Ankunft in Genua lange vor dem 13.April 1985 gefolgt. Da es ungeachtet auch dieser ihm nicht verborgen gebliebenen Divergenz die Aussage der Zeugin Cornelia H*** dennoch im wesentlichen - die beiden Angeklagten (in Ansehung dieser Tat) belastenden - Kern mit der Begründung als glaubwürdig erachtete, diese Deposition finde insoweit eine Stütze in den Angaben der Zeuginnen G*** und R***, teilweise aber auch in der Verantwortung der einander gegenseitig belastenden Angeklagten (Bd. II S. 153 ff.), hatte das Gericht keine Veranlassung, auf Einzelheiten der als unrichtig angesehenen, von Cornelia H*** selbst nicht aufrecht erhaltenen Angaben hinsichtlich nicht entscheidungswesentlicher Umstände noch näher einzugehen.
Die vom Beschwerdeführer S*** als "aktenwidrig" bezeichnete Urteilsfeststellung, wonach er der Cornelia H*** den Standplatz für die Ausübung der Prostitution in Seravalle (zunächst nur) zeigte (Bd. II S. 152 f.), steht keineswegs in einem erörterungsbedürftigen Widerspruch zu dem Umstand, daß die Zeugin H*** in der Folge von Viktoria G*** und Ursula R*** zur Ausübung der Prostitution mit dem Zug von Genua nach Seravalle mitgenommen wurde, mag dies auch - laut Angaben der beiden letztgenannten Zeuginnen - über ausdrückliches Ersuchen der Cornelia H*** geschehen sein.
Keiner Erörterung bedurfte ferner die Behauptung der Zeugin Maria L***, derzufolge Karin L*** von Cornelia H*** mit dem Hinweis auf die Möglichkeit einer Vervielfachung ihrer Einkünfte zur Mitfahrt nach Italien aufgefordert worden sein soll: Soweit der Beschwerdeführer darin ein Indiz für die Bereitschaft der Zeugin H*** sieht, in Italien der Prostitution nachzugehen, bezieht er sich auf keinen entscheidungswesentlichen Umstand; denn selbst die Entschlossenheit des Opfers, außerhalb des Heimat- oder Aufenthaltsstaats der Prostitution nachzugehen, steht der Verwirklichung des Verbrechens nach § 217 Abs 1 StGB in der Begehungsform des Zuführens nicht entgegen. Außerdem übergeht der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang, daß die Zeugin L*** behauptet, ihre Nichte Cornelia H*** sei zum Zeitpunkt dieser Äußerung "unter Druck" gestanden (Bd. II S. 122).
Der Rechtsrüge ist darin beizupflichten, daß Zuführen im Sinn des § 217 Abs 1 StGB die Entfaltung einer Tätigkeit erfordert, durch welche die gesamte Lebensführung der betreffenden Person auf die Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht in einem anderen Land als ihrem Heimat- oder Aufenthaltsstaat ausgerichtet wird. Ein bloßer Ratschlag in dieser Richtung oder untergeordnete Hilfsdienste für die bereits zur Aufnahme der Tätigkeit als Prostituierte in einem anderen Staat entschlossene Person erfüllt daher noch nicht den Begriff des Zuführens. Der Täter muß vielmehr mit Rat und Tat dahin wirken, daß das Opfer im Ausland der gewerbsmäßigen Unzucht nachgeht (Pallin in WrK., RZ. 5, Leukauf-Steininger 2 , RN. 5 jeweils zu § 217 StGB ).
Nach den erstgerichtlichen Feststellungen bestand die Einwirkung des Angeklagten S*** auf Cornelia H*** keineswegs nur im Hinweis auf die guten Verdienstmöglichkeiten für Prostituierte in Italien und auf den Umstand, daß sie dort nicht von der Polizei "belästigt" würde; ebensowenig nur im Vorschlag, Cornelia H***
nach Italien zu bringen und sie in den Straßenstrich im Raum Genua einzuführen; S*** Aktivitäten umfaßten vielmehr insbesondere auch die Beförderung der Genannten nach Genua, die Beschaffung einer Unterkunft, die Vorführung eines Standplatzes für den Straßenstrich sowie die Erklärung, welchen Schandlohn sie verlangen sollte (Bd. II S. 152 f.). Durch diese weit über einen bloßen Rat oder über einen untergeordneten Hilfsdienst hinausgehende Einwirkung hat der Angeklagte S*** sich in umfassender Weise mit Rat und Tat dafür eingesetzt, daß Cornelia H*** der gewerbsmäßigen Unzucht in Italien nachging. Soweit er demgegenüber in seiner Beschwerde von einem nur geringeren Umfang seiner Tätigkeit ausgeht, negiert er einen wesentlichen Teil der oben wiedergegebenen Urteilsfeststellungen und bringt solcherart den angerufenen materiellen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.
Seine Ausführungen, wonach angesichts der bereits erwähnten Aussage der Zeugin L*** über die Äußerungen der Cornelia H*** gegenüber Karin L*** sowie angesichts des Mangels eines von ihm aus der (nur kurzzeitigen) Prostitution der Cornelia H*** in Italien gezogenen finanziellen Vorteils seine gezielte Einflußnahme auf deren Lebensführung unwahrscheinlich sei, laufen vollends auf einen im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen Angriff auf die erstgerichtliche Beweiswürdigung hinaus.
Zur Beschwerde des Angeklagten
Walter Jürgen H***:
Einen seine Verteidigungsrechte verletzenden Verfahrensmangel erblickt der Angeklagte H*** in der Abweisung seines Antrags (Bd. II S. 141) auf Einvernahme der Zeugin Karin L*** über die von Cornelia H*** am Tag der Abfahrt nach Italien am 13.April 1985 an sie unter Hinweis auf die besseren Verdienstmöglichkeiten in Italien gerichtete Aufforderung zur Mitfahrt; dies zum Beweis dafür, daß Cornelia H*** aus freien Stücken und gewollt nach Italien gefahren sei und schon bei der Wegfahrt insgeheim die Absicht gehabt habe, dort als Prostituierte tätig zu sein. Der Ansicht des Beschwerdeführers zuwider wäre aber auch diese Beweisführung nicht geeignet gewesen, zu seiner Entlastung beizutragen: Wie bereits in Erledigung der Mängelrüge des Mitangeklagten S*** ausgeführt, setzt das Tatbild des § 217 Abs 1 StGB in der Begehungsform des Zuführens keineswegs voraus, daß das Opfer zur Zeit der Einwirkung des Täters noch nicht zur Ausübung der Prostitution außerhalb seines Heimat- oder Aufenthaltsstaats entschlossen war. Soweit der Beschwerdeführer H*** vermeint, mit der Anführung der schon bei der Wegfahrt in dieser Richtung insgeheim gehegten Absicht seiner Gattin im Beweisantrag auch zum Ausdruck gebracht zu haben, daß er selbst zu diesem Zeitpunkt auf Cornelia H*** weder Einfluß nahm noch nehmen konnte, unterlegt er seinem Antrag nachträglich ein Beweisziel, das so weder aus dessen Wortlaut, noch aus dem Sinnzusammenhang hervorgeht.
Der Mängelrüge des Angeklagten H*** zuwider kommt in den Urteilsgründen (Bd. II S. 152 f.) unmißverständlich zum Ausdruck, daß der Schöffensenat der Verantwortung der beiden Angeklagten in Ansehung der ihnen vorgeworfenen Tat nur insoweit gefolgt ist, als sie einander gegenseitig belasten und eine grundsätzliche Übereinstimmung ihrer Angaben mit den Aussagen der Zeuginnen H***, G*** und R*** besteht. Daraus ergibt sich auch, daß der Hinweis des Erstgerichts auf die Stetigkeit der Angaben der Zeugin H*** über die Fahrt nach Genua und deren Zweck auf keiner Vernachlässigung der ursprünglichen, den (geschiedenen) Ehegatten teilweise entlastenden Angaben dieser Zeugin beruht, sondern sich darauf bezieht, daß sie bei ihrer insoweit erstmals am 28.Februar 1986 vor der Gendarmerie in Dornbirn gegen Walter Jürgen H*** erhobenen Anschuldigung blieb. Wie bereits zur Mängelrüge des Mitangeklagten S***
ausgeführt, ist vom Erstgericht weder die Widersprüchlichkeit der Aussage der Zeugin H*** hinsichtlich anderer Urteilstaten, insbesondere hinsichtlich des gegen ihren Gatten erhobenen Vorwurfs der Körperverletzung (unangefochtener Freispruch: E), noch die Unvereinbarkeit ihrer Behauptung, mit Viktoria G*** und Ursula R*** gemeinsam nach Genua gefahren zu sein, mit den Depositionen dieser beiden Zeuginnen übergangen worden. Die Urteilsgründe, wonach das Gericht den belastenden Angaben der Zeugin H*** zu der den Gegenstand des Schuldspruchs bildenden Tat deswegen zu folgen vermochte, weil sie insoweit in Aussagen der Zeuginnen G*** und R*** sowie in den Angaben der beiden einander belastenden Angeklagten (teilweise) Deckung finden (Bd. III S. 155), steht sowohl mit den zum Rechtsmittel des Mitangeklagten S***
angeführten Aktenteilen als auch mit den Denkgesetzen im Einklang. Wie gleichfalls bereits angeführt sind die Urteilsfeststellung, wonach zunächst die beiden Angeklagten der Cornelia H*** den Standplatz für die Ausübung der Prostitution in Seravalle bei Genua zeigten, und die Aussagen der Zeuginnen G*** und R***, Cornelia H*** (auf deren Ersuchen) nach Seravalle zur nächtlichen Ausübung der Prostitution mitgenommen zu haben, miteinander durchaus vereinbar und bedurften mithin keiner erörternden Gegenüberstellung. Schließlich war auch eine besondere Auseinandersetzung mit der Behauptung der Zeugin Ursula R***, der Angeklagte H*** habe den Wunsch geäußert, daß seine Frau nach drei Tagen wieder zurückkomme, und habe demnach gewußt, daß sie auf den Strich gehe, entbehrlich. Denn der Sinngehalt dieser Aussage, in welcher zum Teil nur einer Vermutung Ausdruck verliehen wird, ist keineswegs einer Bekundung der Zeugin gleichzuhalten, die eine mit Rat und Tat geschehene Einwirkung des Angeklagten H*** auf seine Gattin zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht in Italien ausschließen ließe. Der Rechtsrüge des Angeklagten H***, in welcher die Erfüllung des Tatbildmerkmals des Zuführens zur gewerbsmäßigen Unzucht in einem fremden Staat bestritten wird, ist unter Hinweis auf die Erledigung der Rechtsrüge des Mitangeklagten S*** zu entgegnen, daß auch Walter Jürgen H*** es weder bei einer ausschließlich intellektuellen Einwirkung in Form einer Beratung, noch bei einer bloß faktischen Unterstützung untergeordneter Bedeutung bewenden ließ. Nach den Urteilsfeststellungen, welche vom Erstgericht durch den Hinweis auf die in dieser Hinsicht als glaubwürdig angesehene Aussage der Zeugin H*** noch ergänzt wurden, hat Walter Jürgen H*** auf seine damalige Gattin nicht nur vor Fahrtantritt massiv Einfluß genommen, um Überlegungen, ob sie sich zur Ausübung der Prostitution ins Ausland begeben solle, bei ihr erst gar nicht aufkommen zu lassen, sondern er hat überdies gemeinsam mit S***
ihre Unterbringung in Italien und die Höhe des zu verlangenden Schandlohns geregelt sowie den Standplatz für die Ausübung des Straßenstrichs festgelegt. Auch er hat sohin nachhaltig und in umfassender Weise mit Rat und Tat auf die Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht durch seine Gattin außerhalb ihres Heimat- und Aufenthaltsstaats hingewirkt.
Die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten waren daher zu verwerfen.
Zur Beschwerde der Staatsanwaltschaft:
Die gegen die Freisprüche A 2 (= A 3 der Anklage), B 1 und 2 sowie C gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird inhaltlich ausschließlich aus dem Grund des § 281 Abs 1 Z. 5 StPO: erhoben. Denn mit dem Vorbringen, die Hauptverhandlung habe hinlänglich "Beweisergebnisse für Sachverhaltsdarstellungen" ergeben, wonach die den Freisprüchen B 1 und 2 zugrundeliegenden Taten dem § 215 StGB sowie die dem Freispruch C zugrundeliegende Tat dem § 216 Abs 2 StGB zu unterziehen gewesen wären, weshalb die Ausführungen zur Mängelrüge "hilfsweise auch unter dem Gesichtspunkt von Feststellungsmängeln im Sinne der Z. 9 lit a des § 281 Abs 1 StGB geltend gemacht" würden, wird nicht der Urteilssachverhalt mit dem Gesetz verglichen, sondern bloß die Mängelrüge wiederholt. Der Einwand, daß einem Zeugen nicht (allein) wegen seines ordnungswidrigen Benehmens in der Hauptverhandlung die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden könne, geht am Kern der Begründung des Freispruchs (B 1) des Angeklagten S*** vom Vergehen der Förderung der gewerbsmäßigen Unzucht der Regina R*** vorbei. Der Schöffensenat hat den Zweifel an der Aussage der Belastungszeugin R*** nämlich primär auf ihren anläßlich ihrer Vernehmung hinterlassenen schlechten Eindruck gegründet. Ein solcher Eindruck entzieht sich im allgemeinen zwar weitgehend einer objektiven Festlegung; ist doch der Zusammenhang mit den unmittelbar vorangehend angeführten Beweisergebnissen, welche für die Prostitution der Belastungszeugin zugunsten anderer Männer sprechen, und mit dem Hinweis der Urteilsgründe auf die Verweigerung der Beantwortung einer darauf gerichteten Frage unverkennbar. Von einer bloßen Scheinbegründung kann sohin nicht gesprochen werden, mag auch das Erstgericht außerdem noch illustrativ das den Gang der weiteren Hauptverhandlung nach ihrer Einvernahme störende Verhalten der Zeugin hervorgehoben haben, was für sich allein mangels eines inhaltlichen Bezugs zu ihrer Aussage die Zweifel an deren Glaubwürdigkeit wohl nicht hinreichend begründen ließe. Vermochte aber das Erstgericht aus den dargelegten Gründen der Belastungszeugin generell eine zur Überführung des leugnenden Angeklagten S*** hinreichende Glaubwürdigkeit nicht zuzuerkennen, dann war es gerade angesichts des in der Beschwerde hervorgehobenen Umstands, daß deren Aussage das einzige Beweismittel der Anklage darstellte, nicht erforderlich, sich noch mit Detailschilderungen der Zeugin auseinanderzusetzen. Mit dem abschließenden Hinweis, daß die geschilderte Vorgangsweise bei Zuhältern häufig vorkomme, läßt sich die Anklagebehörde in eine Abwägung des Beweiswerts der Aussage ein und bekämpft solcherart unzulässigerweise die Beweiswürdigung. Auf nichts anderes laufen aber auch die Beschwerdeausführungen der Staatsanwaltschaft zum Freispruch A 2 hinaus; denn mit dem Einwand, daß das Erstgericht hier den belastenden Angaben der Zeugin Cornelia H*** nicht gefolgt sei, obgleich es deren Aussage zur Grundlage eines Schuldspruchs wegen einer anderen Tat gemacht habe, wird kein logischer Fehler der Urteilsbegründung aufgezeigt, sondern die wesentliche Argumentation des erkennenden Gerichts übergangen:
Denn der Schöffensenat hat zu diesem Anklagevorwurf die nicht durch andere Beweismittel gestützte Aussage der Zeugin H*** nicht als geeignet angesehen, die gegenteilige Verantwortung des Angeklagten H*** zu widerlegen, ihr diese Eignung hingegen dort, wo diese Aussage durch andere Zeuginnen sowie durch die einander belastenden Angeklagten bestätigt wird, zugesprochen.
Mit Recht weist allerdings die Staatsanwaltschaft darauf hin, daß die von Cornelia H*** gegen ihren geschiedenen Gatten erhobenen Bezichtigungen auch in Ansehung des Vorwurfs des Vergehens der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht nach § 215 StGB (Freispruch B 2) sehr wohl eine Bestätigung in anderen Beweisergebnissen finden, auf welche in den Urteilsgründen jedoch überhaupt nicht eingegangen worden ist: Das Erstgericht hat sich nämlich auf den Hinweis beschränkt, es habe auf Grund der diesbezüglich völlig widersprechenden Angaben der Eheleute H*** nicht als erwiesen anzusehen vermocht, daß der Zweitangeklagte H*** das Tatbild des § 215 StGB durch eine gezielte Einflußnahme auf seine Frau zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht, so zwar, daß deren gesamte Lebensführung in jene einer Prostituierten umgewandelt wurde, verwirklicht habe. In diesem Zusammenhang wäre jedoch auf jene Verfahrensergebnisse einzugehen gewesen, nach welchen der Angeklagte H*** selbst erklärt haben soll, seine damalige Gattin auf den Strich zu schicken (Aussage der Zeugin Maria L***: Bd. II S. 121; vgl. auch die gleichfalls in der Beschwerde zitierte Aussage des Zeugen Anton Z*** Bd. II S. 50), zumal es sich hiebei um das Eingeständnis einer im Sinn des § 215 StGB geradezu typischen Zuführungshandlung gehandelt hätte (vgl. Pallin in WrK., RZ. 4 zu § 215 StGB ). Schon wegen dieser Unvollständigkeit der Urteilsbegründung erweist sich eine Aufhebung des Freispruchs B 2
als unumgänglich.
Dies gilt auch für den von der Staatsanwaltschaft ebenfalls angefochtenen Freispruch C des Angeklagten H*** vom Vorwurf der Zuhälterei wegen dessen engen sachverhalts- und beweismäßigen Zusammenhangs mit der unter dem Freispruch B 2 bezeichneten Tat. Es bedarf dabei nicht mehr der Erörterung jener Einwände der Anklagebehörde, welche im besonderen die Begründung des Freispruchs C betreffen.
Zu den Berufungen:
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten S*** nach § 217 Abs 1 StGB zu einer achtzehnmonatigen Freiheitsstrafe. Es wertete dabei als erschwerend zwei (richtig: vier) einschlägige Vorstrafen, das Vorliegen der Rückfallsvoraussetzungen und den überaus raschen Rückfall; mildernd hingegen fiel ein sehr eingeschränktes Geständnis ins Gewicht.
Die Berufung des Angeklagten S***, der eine Strafreduktion anstrebt, nennt keine Gründe, welche seine Tat in einem günstigeren Licht erscheinen ließen. Denn die wiederholte Behauptung, dem Angeklagten habe der Tatvorsatz gefehlt, ist im Rahmen einer Berufungsausführung rechtlich verfehlt.
Daß der Angeklagte einen regelmäßigen Vorteil aus seiner Tat gezogen hätte, hat das Gericht nicht angenommen, weil es vom ersten Strafsatz des § 217 Abs 1 StGB ausgegangen ist. Die in diesem Rahmen geschöpfte Strafe ist tat- und tätergerecht. Der Angeklagte H*** war mit seiner Berufung auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E09923European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0130OS00144.86.1211.000Dokumentnummer
JJT_19861211_OGH0002_0130OS00144_8600000_000