TE OGH 1986/12/11 13Os158/86

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Veröffentlicht am 11.12.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Dezember 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Horak, Dr. Schneider (Berichterstatter), Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bittmann als Schriftführers in der Strafsache gegen Leopoldine Maria S*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 2 und § 15 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengerichts vom 29.September 1986, GZ. 20 Vr 1079/86-20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Rzeszut, und des Verteidigers Dr. Boran, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und es werden der Ausspruch über die bedingte Strafnachsicht sowie demgemäß auch die nach §§ 50, 51 StGB. erteilte Weisung aufgehoben.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen der Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Die am 30.September 1954 geborene Hausfrau Leopoldine Maria S*** wurde (abweichend von dem auch die Qualifikation gewerbsmäßiger Tatbegehung nach § 130, erster Fall, StGB umfassenden Anklagevorwurf) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 2 und § 15 StGB. schuldig erkannt. Darnach hat sie von (einschließlich) 1982 bis (einschließlich) 30.Juli 1986 in Salzburg in einer Vielzahl von Einzelangriffen - das Urteil gliedert sie in 58 Fallgruppen bzw. Fälle - Verfügungsberechtigten von mehr als 30 Warenhäusern und Geschäften Kinder- und Damenbekleidung, Kosmetik-, Haushalts- und Büroartikel, Spiel- und Süßwaren, Bücher, Musikkassetten und andere Gebrauchsgegenstände im Gesamtwert von 763.149 S gestohlen (A) und in zwei weiteren Angriffen Verfügungsberechtigten des Kaufhauses T*** U Bekleidungsartikel im Wert von 617 S bzw. 598 S durch Passieren der Kassa ohne Warendeklarierung zu stehlen getrachtet (B). Diese Schuldsprüche bekämpft die Staatsanwaltschaft zum Nachteil der Angeklagten mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und 10 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die sich ausschließlich gegen das Unterbleiben der Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung nach § 130, erster Fall, StGB. richtet.

Das Erstgericht vertritt hiezu die Auffassung, eine Absicht der Angeklagten, sich durch wiederkehrende Begehung der Diebstähle eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, sei zuverlässig nicht erweisbar. Es stützt sich dabei primär auf das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Univ.Prof. Dr. H***, wonach die Angeklagte - gleichsam auf Grund einer "Art 'Eichhörnchenkomplex'" (I. Bd., S. 405) - im Zug der Tathandlungen "zwar insgesamt stets von dem Gedanken einer 'Vorsorge' für die Kinder geleitet war", ihren (vom Sachverständigen als glaubhaft bezeichneten - I. Bd., S. 365) Angaben zufolge jedoch nach jedem ihrer diebischen Zugriffe das Gefühl endgültig ausreichender materieller Sicherheit empfunden und sich nur deshalb immer wieder zu Folgetaten entschlossen habe, weil dieses Gefühl jeweils spontan der Befürchtung zukünftiger wirtschaftlicher Überforderung gewichen sei (I. Bd., S. 235 in Verbindung mit S. 364 und S. 367; 365, 366). Die Wiederholung der Diebstähle hat der Schöffensenat im konkreten Fall insbesondere mit der Begründung, daß das auf "bloße Bevorratung und zum Teil sinnlose Anhäufung von Waren aller Art" ausgerichtete Vorgehen der Angeklagten nicht den von gewinnorientierten Verwertungstendenzen gekennzeichneten Gepflogenheiten des einschlägigen Berufsverbrechertums entsprochen habe (I. Bd., S. 411), nicht als stichhältiges Indiz für eine Gewerbsmäßigkeit der Diebstähle gewertet.

In der Mängelrüge (Z. 5) erhebt die beschwerdeführende Staatsanwaltschaft den Vorwurf, der Ausspruch des Schöffengerichts zur Frage der Gewerbsmäßigkeit enthalte nur undeutliche, unvollständige und offenbar unzureichende Gründe.

Die Rüge versagt:

Rechtliche Beurteilung

Der Meinung der Rechtsmittelwerberin zuwider berücksichtigte nämlich das Erstgericht alle (in der Nichtigkeitsbeschwerde angeführten) Verfahrensergebnisse, die zur Verneinung der Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit führten. In den Urteilsgründen (I. Bd., S. 397 ff.) setzte sich das Landesgericht nicht nur mit dem Gutachten des Sachverständigen Univ.Prof. Dr. H*** auseinander, sondern auch mit der (eine Gewerbsmäßigkeit leugnenden) Verantwortung der Angeklagten, der oftmaligen Tatwiederholung (auch noch nach rechtskräftiger Versetzung in den Anklagestand), der beträchtlichen Schadenssumme und den sieben auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Vorstrafen und gelangte auf der Basis der erhobenen Beweise in deren freier Würdigung (§ 258 Abs. 2 StPO.) ohne Verstoß gegen die Denkgesetze zu dem schon wiedergegebenen Resultat, daß eine Absicht der Angeklagten, sich durch die wiederkehrende Tatbegehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, nicht erweisbar sei.

Unter diesen Gesichtspunkten läuft die auf eine denkmögliche andere Wertung und Würdigung der Verfahrensergebnisse abzielende Mängelrüge (Z. 5) auf eine unzulässige und daher unbeachtliche Bekämpfung der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung hinaus.

Aber auch die Rechtsrüge (Z. 10) schlägt nicht durch:

Auf der Grundlage des - wie vorstehend dargelegt,

mängelfrei - festgestellten Sachverhalts, insbesondere der den Diebstahl zugrundeliegenden, (auch) psychiatrisch erklärten (Bevorratungs-)Intention, verneinte das Landesgericht ohne Rechtsirrtum die gewerbsmäßige Begehung der inkriminierten Diebstähle. Die beschwerdeführende Anklagebehörde vermag einen hiebei unterlaufenen Rechtsfehler im Zusammenhang mit der Auslegung der §§ 5 Abs. 2, 70 und 130 StGB. nicht aufzuzeigen. Insoweit aber die Rechtsmittelausführungen nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgehen, sondern (abermals) von anderen denkmöglichen, vom Schöffengericht nach Lage des Falls jedoch in Ausübung freier Beweiswürdigung nicht angenommenen Tatumständen, die insbesondere die subjektive Tatseite betreffen, begibt sich die Beschwerdeführerin erneut auf das ihr verwehrte Gebiet einer Anfechtung der Beweiswürdigung, statt, wie es eine Rechtsrüge verlangt, von den Urteilskonstatierungen auszugehen. Das Landesgericht verhängte über die Angeklagte nach § 128 Abs. 2 StGB. eine Freiheitsstrafe von 20 Monaten, deren Vollziehung es unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachsah (§ 43 Abs. 2 StGB.). Rechtlich verfehlt, weil gegen die Vorschriften des § 494 StPO. und § 51 Abs. 3 StGB. verstoßend, wurde der Angeklagten - nicht beschlußmäßig (sondern in Urteilsform) und ohne deren Zustimmung - gemäß §§ 50, 51 StGB. die Weisung erteilt, sich einer psychiatrischen Behandlung zu unterziehen.

Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht die relativ hohe Schadenssumme, die zahlreichen Wiederholungen der Diebstähle durch geraume Zeit und die Fortsetzung der Straftaten trotz Anhängigkeit des Strafverfahrens sowie die einschlägigen Vorstrafen als erschwerend, als mildernd hingegen das zur Wahrheitsfindung wesentlich beitragende Geständnis, die weitgehende Schadensgutmachung durch Sicherstellung der gesamten Diebsbeute, den Umstand, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist, und die eingeschränkte Dispositionsfähigkeit der Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft strebt mit ihrer Berufung sowohl die Erhöhung der Freiheitsstrafe als auch die Aufhebung der bedingten Strafnachsicht an.

Mit dem letzteren Begehren ist sie im Recht:

Mit Rücksicht auf die Deliktshäufigkeit innerhalb eines Zeitraums von rund viereinhalb Jahren und die Wirkungslosigkeit vorangegangener - wenn auch jeweils milder - Abstrafungen lassen die von § 43 Abs. 2 StGB verlangten qualifizierten Erwartungen künftigen Wohlverhaltens im Fall der Gewährung einer bedingten Strafnachsicht trotz der übrigen, vom Erstgericht berücksichtigten, vor allem psychiatrischen Besonderheiten, nicht zu. Sowohl spezial- als auch generalpräventive Umstände sprechen gegen die Gewährung der bedingten Strafnachsicht. Diese war daher aufzuheben. Damit ist aber auch der schon angeführten Weisung der Boden entzogen, die ebenso zu kassieren war.

Hingegen bedarf es nicht einer des weiteren begehrten Erhöhung der vom Erstgericht ausgemessenen Freiheitsstrafe: Auch wenn man, worauf die Rechtsmittelwerberin zutreffend hinweist, die sieben auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Vorstrafen als zusätzlichen Erschwerungsumstand wertet, erweist sich die 20-monatige Freiheitsstrafe vor allem mit Rücksicht darauf, daß bisher nur geringfügige Strafen über die Angeklagte verhängt worden waren, sowie bei entsprechender Würdigung der vom psychiatrischen Sachverständigen beleuchteten Persönlichkeit der Angeklagten in Verbindung mit den übrigen Milderungsumständen als ausreichend. Im Gegensatz zur Meinung der Staatsanwaltschaft vermag die vom Sachverständigen Univ.Prof. Dr. H*** attestierte und vom Landesgericht festgestellte eingeschränkte Dispositionsfähigkeit der Angeklagten sehr wohl einen Milderungsumstand, nämlich jenen nach § 34 Z. 1, zweiter Fall, StGB., zu begründen. Insofern war daher der Berufung ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E10267

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0130OS00158.86.1211.000

Dokumentnummer

JJT_19861211_OGH0002_0130OS00158_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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