Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Dezember 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Sulzbacher als Schriftführer in der Strafsache gegen Werner D*** und einen anderen wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Werner D*** gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 22.Oktober 1986, GZ 5 a Vr 992/86-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde sowie die (angemeldete) Berufung "wegen Schuld" werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung (wegen des Ausspruchs über die Strafe) werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 3.Jänner 1971 geborene jugendliche Angeklagte Werner D*** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er am 4.Mai 1986 in Wien in Gesellschaft gleichfalls jugendlicher Beteiligter (§ 12 StGB), nämlich des im selben Verfahren rechtskräftig abgeurteilten Lajos K*** (nicht K***) sowie des abgesondert verfolgten Damir P*** dem Andreas S*** mit Gewalt gegen dessen Person eine fremde bewegliche Sache und zwar 500 S Bargeld mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er sich gemeinsam mit den genannten Mittätern auf Andreas S*** warf, auf ihn einschlug und ihm eine Geldbörse mit 500 S Bargeld wegnahm.
Dazu stellte das Jugendschöffengericht sinngemäß fest, daß die drei Jugendlichen während eines Praterbesuches auf Initiative des Damir P*** einvernehmlich beschlossen hatten, den in ihrer Begleitung befindlichen Andreas S*** in ein "Spaß-Catcherl" (Rauferei aus Spaß) zu verwickeln, ihm dabei die Brieftasche wegzunehmen und sodann davonzulaufen. In Ausführung dieses Tatplanes warfen sich alle drei auf S***, der dadurch auf den Boden zu liegen kam, und schlugen auf ihr Opfer ein, das noch immer der Auffassung war, es handle sich um eine "lustige Rangelei". Dem solcherart in eine wehrlose Lage Gebrachten zog Lajos K*** vereinbarungsgemäß aus der hinteren Hosentasche die Geldbörse, deren Inhalt er in der Folge mit Damir P*** teilte, wobei allerdings der Angeklagte - trotz seiner an Lajos K*** gerichteten Bitte um Überlassung eines Beuteanteils - leer ausging (US 4, 5 und 8). Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die jedoch nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt ist.
Rechtliche Beurteilung
Indem nämlich der Beschwerdeführer in Ausführung des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes einerseits - damit seine Verantwortung in erster Instanz wiederholend - behauptet, er hätte nur mit seinen Freunden im Spaß raufen und keinesfalls gegen Andreas S*** Gewalt anwenden wollen, um ihm Geld wegzunehmen; und andererseits einwendet, daß Feststellungen über sein Einverständnis mit der gewaltsamen Wegnahme der Brieftasche überhaupt nicht getroffen worden seien, geht er nicht - wie dies für die prozeßordnungsgemäße Darstellung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes Voraussetzung wäre - von den tatsächlichen, oben in extenso wiedergegebenen Konstatierungen des Jugendschöffengerichtes zum Bereicherungs- und Nötigungsvorsatz aus. Aus dem selben Grund ist auch sein weiterer Einwand (Z 9 lit. a) unbeachtlich, mangels "ernsthafter Gewaltanwendung" bei einer "lustigen Rangelei" im Rahmen eines "Räuber und Gendarm-Spiels" der kindlich wirkenden Beteiligten sei der "objektive Tatbestand" nicht erfüllt. Denn damit setzt sich der Beschwerdeführer über die Urteilsannahme hinweg, daß er und seine Komplizen die auf die Sachwegnahme abzielende Gewaltanwendung insoweit durchaus "ernst" genommen haben und nur dem Opfer gegenüber zum Schein den Eindruck einer bloß harmlosen Rauferei erwecken wollten.
Sofern aber der Beschwerdeführer die Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens deshalb in Zweifel zieht, weil das Opfer der Meinung gewesen ist, es handle sich nur um eine "lustige Rangelei", ist zur Klarstellung zu vermerken, daß es darauf, ob das Tatopfer das wirkliche Angriffsziel des Täters kennt, nicht ankommt (Leukauf-Steininger, Kommentar 2 § 142 RN 7; Kienapfel BT II § 142 RN 19); genug daran, daß der Täter mit der nach § 142 StGB tatbestandsspezifischen (Zipf im WK § 142 Rz. 13) Gewalt nicht etwa ausschließlich eine - der Annahme eines zur Deliktsverwirklichung notwendigen finalen Zusammenhangs zwischen dem Einsatz des Raubmittels und der Erzielung der Sachbemächtigung entgegenstehende (Kienapfel aaO RN 56; vgl. Zipf aaO Rz. 17) - bloße Ablenkung des Gewahrsamsinhabers von dessen Bereitschaft anstrebt, den Sachgewahrsam zu verteidigen, sondern zudem für den Fall des Mißlingens seines Vorhabens den Widerstandswillen des Opfers beugen oder brechen will (Leukauf-Steininger aaO RN 6 f.; Kienapfel aaO RN 30 und 40; Zipf aaO Rz. 14).
Gerade das aber hat das Erstgericht als erwiesen angenommen, indem es feststellte, daß der Angeklagte und seine Komplizen den Andreas S*** letztlich wehrlos machen wollten, um ihm dann seine Geldbörse wegzunehmen, und daß sie dieses Vorhaben sodann auch tatplanmäßig realisierten (US 5, 8). Indem der Beschwerdeführer jedoch diese Urteilsfeststellungen (in ihrer Gesamtheit) negiert und dementgegen das Sachverhaltssubstrat reduziert, wobei er bloß darauf abstellt, es habe sich nur "um eine lustige Rangelei" gehandelt, eine "ernsthafte Gewaltanwendung" sei "somit" nicht vorgelegen, bringt er diese Rechtsrüge erneut nicht prozeßordnungsgemäß zur Darstellung.
Wenn der Beschwerdeführer schließlich auch im Rahmen der Subsumtionsrüge (Z 10) die Konstatierung seines - im obigen Sinn "ernst" gemeinten - Nötigungsvorsatzes wie auch seines von Anbeginn bestehenden Bereicherungsvorsatzes mißachtet und vermeint, das Ziehen der Brieftasche im Zuge einer "spaßigen Rauferei" sei (bloß) unter den Tatbestand des § 127 (eventuell in Verbindung mit §§ 12, 15) StGB zu subsumieren, allenfalls wäre - weil er sich "von der Tat distanzieren wollte" und sein Bereicherungsvorsatz angeblich erst später (nämlich anläßlich seines erfolglosen Begehrens um Überlassung eines Beuteanteils) hinzugekommen sei - sein Verhalten als versuchte Hehlerei zu beurteilen, verfehlt er abermals schon die formalen Voraussetzungen prozeßordnungsgemäßer Darlegung materiellrechtlicher Einreden.
Seine Nichtigkeitsbeschwerde war daher nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung gemäß §§ 285 d Abs. 1 Z 1, 285 a Z 2 StPO, ebenso wie die angemeldete, im Rechtsmittelverfahren gegen Urteile von Kollegialgerichten aber nicht vorgesehene Berufung "wegen Schuld", sofort zurückzuweisen. Demnach sind die Akten zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe (§ 283 Abs. 1 StPO) in sinngemäßer Anwendung des § 285 b Abs. 6 StPO dem (hiefür an sich zuständigen) Oberlandesgericht Wien zuzuleiten.
Anmerkung
E09899European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0100OS00173.86.1215.000Dokumentnummer
JJT_19861215_OGH0002_0100OS00173_8600000_000