TE OGH 1986/12/16 5Ob336/86

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Veröffentlicht am 16.12.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler, Dr. Hofmann, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als weitere Richter in der Konkurseröffnungssache betreffend das Vermögen der A*** L*** Gesellschaft m.b.H., Ludlgasse 8, 4070 Eferding, infolge Revisionsrekurses der selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführerin Renate L***, Ludlgasse 8, 4070 Eferding, vertreten durch Dr. Hans Hochleitner, Dr. Josef Broinger und Dr. Johannes Hochleitner, Rechtsanwälte in Eferding, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 15. Oktober 1986, GZ 4 R 283/86-7, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 23. September 1986, GZ S 52/86-4, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Am 17. September 1986 beantragte Erwin Z*** als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der A***-L***

Gesellschaft mbH die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gesellschaft. Die Gesellschaft sei überschuldet; die Überschuldung könne auch nicht durch eine Erhöhung des Stammkapitals auf 500.000 S wettgemacht werden.

Die vom Erstgericht zur Äußerung aufgeforderte zweite selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführerin der Gesellschaft, Renate L***, widersprach dem Konkurseröffnungsantrag. Die Gesellschaft sei weder überschuldet noch zahlungsunfähig; es habe niemals Liquidationsschwierigkeiten, Klagen oder Exekutionen gegeben. Das Erstgericht wies den Konkurseröffnungsantrag ab. Der Konkurs über eine Gesellschaft mbH könne nach § 69 Abs 4 KO nur bei evidenter Zahlungsunfähigkeit eröffnet werden, wenn der Antrag nur von einem selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer der Gesellschaft mbH ausgehe und der zweite Geschäftsführer sich gegen den Antrag ausspreche.

Das Gericht zweiter Instanz hob infolge Rekurses Erwin Z*** den erstgerichtlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die neue Entscheidung über den Konkurseröffnungsantrag nach Verfahrensergänzung auf; es sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 300.000 S übersteigt. Das Rekursgericht ließ sich von folgenden Überlegungen leiten:

Gemäß § 67 Abs 1 KO finde die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen juristischer Personen auch bei Überschuldung statt. Die Vorschrift des § 69 Abs 4 KO, die die Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit verlange, wenn der Konkursantrag nicht von allen organschaftlichen Vertretern der betroffenen Gesellschaft mbH ausgehe, stehe dazu nur in scheinbarem Widerspruch. Gemäß § 67 Abs 2 KO gälten nämlich jene Vorschriften der KO, die sich auf die Zahlungsunfähigkeit der in § 67 Abs 1 KO angeführten Handelsgesellschaften, juristische Personen und Verlassenschaften beziehen, sinngemäß auch für die Überschuldung. Folgerichtig werde in der Literatur die Konkurseröffnung in den Fällen des § 69 Abs 4 KO an die Bescheinigung des "Vermögensverfalls" (Petschek-Reimer-Schiemer, Das Österreichische Insolvenzrecht, 52) bzw an die Glaubhaftmachung der "Zahlungsunfähigkeit (Überschuldung)" (Pollak, KO, 349; Bartsch-Heil, Grundriß des Insolvenzrechts 4 , Rz 88) geknüpft.

Gegen den unter Rechtskraftvorbehalt gefaßten Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der zweiten Geschäftsführerin, Renate L***, mit dem Antrag, die Entscheidung des Rekursgerichtes im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt, Die Revisionsrekurswerberin vertritt die Ansicht, bei Betrachtung und richtiger Auslegung der Bestimmungen der §§ 67 Abs 1 und 2 sowie 69 Abs 4 KO ergäbe sich, daß der Gesetzgeber bewußt auf die Zahlungsunfähigkeit und deren Glaubhaftmachung abgestellt habe. Dem kann nicht gefolgt werden.

Die Eröffnung eines Konkurses setzt im allgemeinen voraus, daß der Schuldner zahlungsunfähig ist (§ 66 Abs 1 KO). In Ausnahmsfällen - wie etwa hier, bei Eröffnung des Konkurses über das Vermögen einer Gesellschaft mbH - genügt die Überschuldung (§ 67 Abs 1 KO); die auf die Zahlungsunfähigkeit sich beziehenden Vorschriften der KO gelten dann sinngemäß auch für die Überschuldung (§ 67 Abs 2 KO). Auf Antrag eines Schuldners ist der Konkurs sofort zu eröffnen, wobei die vom Schuldner an das Gericht erstattete Anzeige von der Zahlungseinstellung als Antrag gilt (§ 69 Abs 1 KO). Da im allgemeinen davon ausgegangen werden kann, kein Schuldner werde grundlos die Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen beantragen (vgl. Holzhammer, Österreichisches Insolvenzrecht 2 , 75; Mentzel-Kuhn-Uhlenbruck, dKO 9 , Anm 1 zu § 104; 5 Ob 324/85), braucht der Schuldner, der die Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen beantragt, die Zahlungsunfähigkeit und in den Fällen des § 67 Abs 1 KO die Überschuldung nicht glaubhaft zu machen (5 Ob 324/85). Sobald die Voraussetzungen für die Konkurseröffnung vorliegen, muß der Schuldner Konkurseröffnungsantrag stellen (§ 69 Abs 2 KO). Wen die Antragspflicht persönlich trifft, regelt § 69 Abs 3 KO. Das sind - je nach der Person des Schuldners - bei natürlichen Personen diese selbst, bei Handelsgesellschaften deren persönlich haftende Gesellschafter und Liquidatoren und bei juristischen Personen deren organschaftliche Vertreter. Ist ein zur Vertretung Berufener seinerseits Handelsgesellschaft oder juristische Person oder setzt sich die Verbindung in dieser Art fort, so gilt diese Regelung entsprechend. Der Eröffnungsanspruch des Schuldners steht bei anderen als physischen Personen grundsätzlich jeder vertretungsbefugten Person zu. Gelingt bei einer Mehrheit vertretungsbefugter physischer Personen die Bildung einer einheitlichen Meinung über die Frage der Stellung des Konkurseröffnungsantrages nicht und wird der Antrag nur von einem der Antragsberechtigten gestellt, so sieht § 69 Abs 4 KO idF des IRÄG (der Regelung des § 70 Abs 2 und 3 KO idF vor dem IRÄG entsprechend) vor, daß die übrigen natürlichen Personen über den Antrag zu vernehmen und die Herstellung des Einvernehmens über den Antrag zu versuchen ist. Gelingt dies nicht (oder ist die rechtzeitige Vernehmung nicht möglich), so ist der Konkurs nach dem Wortlaut des Abs 4 leg.cit nur dann zu eröffnen, wenn die Zahlungsunfähigkeit glaubhaft gemacht wird. Die hier strittig gebliebene Frage, ob diese Gesetzesbestimmung wörtlich oder iS der Anordnung des § 67 Abs 2 KO sinngemäß dahin auszulegen ist, daß bei einer Mehrheit von uneinig bleibenden physischen Personen, denen das Antragsrecht hinsichtlich der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Schuldners, bei dem Überschuldung als Konkurseröffnungsvoraussetzung genügt (§ 67 Abs 1 KO), zusteht, vom Antragsteller bloß die Überschuldung glaubhaft zu machen ist, um die Abweisung seines Konkurseröffnungsantrages zu vermeiden, war - so weit ersichtlich - bisher noch nicht (ausdrücklich) Gegenstand einer höchstgerichtlichen Entscheidung. Der Oberste Gerichtshof billigt aber die vom Rekursgericht dazu vertretene, durch die angeführten Ausführungen der Lehre (vgl dazu auch Gellis, Kommentar zum GmbHG, 448) unterstützte Rechtsmeinung, daß in einem solchen Fall dem Antragsteller bei sonstiger Abweisung seines Konkurseröffnungsantrages die Bescheinigung eines der beiden Konkurseröffnungsgründe, also der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung des Schuldners obliegt. Diese Auslegung entspricht auch den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum IRÄG - mit dem die Handelsgesellschaften, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, den juristischen Personen gleichgestellt wurden - (3 BlgNR XV GP, 29 zu Art I Z 2, und 50 zu Art II, Z 23, in Verbindung mit dem Bericht des Justizausschusses, 1147 BlgNR XV GP, 4 zu Art I Z 2, und 22, zu Art II, Z 26), in welchen bei der Darstellung des - mangels eines Einverständnisses normierten - Erfordernisses der Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit in Klammern das Wort "Überschuldung" beigefügt ist. Dazu kommt noch, daß den Materialien zum IRÄG auch nicht die Absicht des Gesetzgebers zu entnehmen ist, er habe bei der Änderung der Bestimmung des § 1 AO und Schaffung der Bestimmungen des § 69 Abs 3 und 4 KO (3 BlgNR XV GP, 29 f zu Art I Z 2, und 50 zu Art II Z 23) die Absicht gehabt, in der hier bedeutsamen Frage des Erfordernisses der Bescheinigung des Vorliegens des vorerst bloß behaupteten Konkurseröffnungsgrundes eine Änderung in der Gesetzeslage herbeizuführen. Im Zusammenhang mit der Erhebung der Überschuldung zum Konkursgrund bei Handelsgesellschaften, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, sollte wegen der Vielgestaltigkeit der Fälle bloß eine Verkürzung und leichtere Lesbarkeit der Regelung des bei Auftreten von Meinungsverschiedenheiten zwischen vertretungsbefugten Organen durchzuführenden Verfahrens erreicht werden (vgl 3 BlgNR XV GP, 29 zu Art I Z 2, und 1147 BlgNr XV GP, 22 zu Art II Z 26). Die - vom Obersten Gerichtshof in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre bejahte (vgl SZ 51/88 ua) - Frage der bisherigen Weitergeltung des § 85 GmbHG wurde offen gelassen. Die letztgenannte Bestimmung sah in ihrem Abs 2 vor, daß die Konkurseröffnung bei Vorliegen eines nicht von allen Geschäftsführern oder Liquidatoren gestellten Antrages auf Konkurseröffnung oder einer solchen Anzeige der Zahlungseinstellung (iS des § 194 KO alt) dann auszusprechen ist, wenn die "Zahlungseinstellung oder Überschuldung" glaubhaft gemacht wird. War aber keine inhaltliche Änderung dieser bloß aus Gründen der Übersicht (vgl 1147 BlgNR XV GP, 31 zu Art. XI § 6) im ebenfalls mit 1. Jänner 1983 in Kraft getretenen GesRÄG 1982 aufgehobenen Bestimmung beabsichtigt, so bestehen keine Bedenken, die Nachfolgebestimmungen des § 69 Abs 3 und 4 KO im Hinblick auf die Gleichstellung der Einstellung der Zahlungen des Schuldners mit dessen Zahlungsunfähigkeit (§ 66 Abs 2 KO) iS des § 67 Abs 2 KO - der bisherigen Rechtslage entsprechend - dahin auszulegen, daß bei Unstimmigkeit vertretungsbefugter Personen einer der beiden Konkurseröffnungsgründe, nämlich die Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung glaubhaft zu machen ist. Dem entspricht auch die vergleichbare Regelung des deutschen Konkursrechtes (§ 208 Abs 2 dKO in Verbindung mit § 63 Abs 2 dGmbHG), nach der bei mangelnder Einmütigkeit in der Geschäftsführung der Antrag auf Konkurseröffnung nur dann zugelassen werden darf, wenn die Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung glaubhaft gemacht wird. Im übrigen ist auch nicht erkennbar, aus welchen Gründen die für die im Interesse der Gläubiger bestimmter Arten von Rechtssubjekten erfolgte Einführung der Überschuldung als Konkurseröffnungsgrund maßgeblichen Überlegungen nur für die einvernehmliche Antragstellung auf Konkurseröffnung gelten sollten, nicht aber auch dann, wenn die zur Vertretung berufenen physischen Personen (organschaftlichen Vertreter) des Schuldners sich über die Frage des Antrages auf Konkurseröffnung nicht einigen können. Denn auch die Zahlungsfähigkeit einer juristischen Person oder einer Handelsgesellschaft, bei der keine physische Person als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt ist, deren Verantwortliche verschiedene Vorstellungen vom weiteren Schicksal des Rechtssubjektes haben, kann nicht unmittelbar durch zusätzlichen, auf die persönliche Initiative und Leistungsfähigkeit einer natürlichen Person zurückzuführenden Erwerb von Geldmitteln erhöht werden (vgl. Bartsch-Heil, aaO, Rz 18), sodaß auch bei einem solchen Schuldner die Deckung für die Schulden ausschließlich im Aktivvermögen des Schuldners besteht (vgl. Petschek-Reimer-Schiemer, aaO, 37). Es muß daher auch bei mangelndem Einverständnis iS des § 69 Abs 4 KO im Interesse der Gläubiger zur Vermeidung der Abweisung des Konkurseröffnungsantrages genügen, wenn der Antragsteller - die im Schuldnerantrag vorerst nicht glaubhaft zu machende - Überschuldung bescheinigt. Die vom Erstgericht und vom Revisionsrekurswerber vertretene Ansicht wäre mit der auch vom Gesetzgeber des IRÄG als berechtigt erkannten Klage nicht in Einklang zu bringen, daß Insolvenzverfahren vielfach zu spät eröffnet werden und dann kein zur Fortführung oder Sanierung des Unternehmens zureichendes Vermögen zur Verfügung steht (vgl. 3 BlgNR XV GP, 27). Gerade diese als gefährlich erkannte Tendenz würde aber unterstützt, wollte man die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bei Uneinigkeit der zivilrechtlich dafür Verantwortlichen von der Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners abhängig machen.

Da das Erstgericht auf die Frage der Bescheinigung der behaupteten Überschuldung nicht eingegangen ist, entspricht der Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes der Sach- und Rechtslage. Dem Revisionsrekurs konnte somit kein Erfolg beschieden sein.

Anmerkung

E10019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0050OB00336.86.1216.000

Dokumentnummer

JJT_19861216_OGH0002_0050OB00336_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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