TE OGH 1986/12/16 1Ob40/86

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Veröffentlicht am 16.12.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1.) Dr. Alois L***, Pensionist, 2.) Mathilde L***, Hausfrau, beide Wien 21., Rußbergstraße 24-32/7/9, beide vertreten durch Dr. Ernst Schilcher, Rechtsanwalt in Wr. Neustadt, wider den Antragsgegner Gerhard W***-S***, Student, Parndorf, Neusiedlerstraße 8, vertreten durch Dr. Wilhelm Schuster, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einräumung eines Notweges, infolge Revisionsrekurse der Antragsteller und des Antragsgegners gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgerichtes vom 4. Juli 1986, GZ R 96/86-34, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Kirchschlag vom 22.Jänner 1986, GZ Nc 14/84-29, teils abgeändert und teils aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs des Antragsgegners wird nicht Folge gegeben.

Dem Revisionsrekurs der Antragsteller wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes zur Gänze aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen wird, nach Verfahrensergänzung neuerlich zu entscheiden. Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung:

Die Antragsteller sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 178 KG Hollenthon, Stübel Nr.10 in Spratzau, zu deren Gutsbestand unter anderem die Grundstücke 160/2 Bauarea, Stübel Nr.10, 576/4 Wiese, 577 Acker, 291/3 Wiese und 315/3 Weide gehören. Der Antragsgegner ist Eigentümer des Grundstückes 1855/1 Bach, EZ 495 KG Hollenthon. Dieser Bach, der in östlicher Richtung fließt, teilt die Grundstücke der Antragsteller: Nördlich des Baches liegen die Grundstücke 291/3 und 315/3, südlich davon die Grundstücke 576/4, 160/2 und 577. Nördlich des Grundstückes 315/3 befindet sich ein öffentlicher Weg. Der Zugang und die Zufahrt zu den südlich des Baches gelegenen Grundstücken und zum Haus Nr.10 kann nur über einen über die Grundstücke der Antragsteller 315/3 und 291/3 zum Bach verlaufenden Weg erfolgen. Über den Bach führt für Fußgänger ein ca. 40 bis 50 cm breiter hölzerner Steg, der auf einer Seite mit einem Geländer versehen ist. Zweispurige Fahrzeuge und Vieh, das nicht über den Steg befördert werden kann, erreichen die südlich des Baches gelegenen Grundstücke der Antragsteller durch eine Furt. Das Bachbett weist eine durchschnittliche Breite von 3,2 m auf. Der Wasserstand beträgt im Jahresdurchschnitt 15 cm, bei Hochwasser 50 bis 70 cm; denkbar wäre auch ein Katastrophenhochwasser in der Höhe von 1,1 m. Das Bachbett liegt 1 bis 1,1 m unter dem Niveau der angrenzenden Wiesen. Es besteht aus lockerem Geröll und Sand mit Ablagerung von Steinen bis zu einem Durchmesser von 20 bis 25 cm. Die ausgefahrene Fahrspur liegt 15 bis 20 cm tiefer als das restliche Bachbett. Die Uferböschungen sind mit Gras bewachsen und bestehen aus sandigen Lehmböden. Die 8,5 m langen Böschungsrampen weisen eine Neigung von 12 bis 13 Grad auf. Führt der Bach kein Hochwasser und herrschen keine winterlichen Fahrverhältnisse, kann die Furt mit Kraftfahrzeugen, die mindestens eine Bodenfreiheit von 40 cm, einen kurzen Radstand und Allradantrieb haben, befahren werden. Die Antragsteller bewohnen das südlich des Baches gelegene Haus. Seit der Pensionierung des Erstantragstellers verlegten sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen nach Spratzau. Sie halten sich hier die meiste Zeit des Jahres auf. Die Rechtsvorgänger des Erstantragstellers betrieben auf der Liegenschaft seit Generationen eine Landwirtschaft. Der Erstantragsteller hat die Wiesengrundstücke verpachtet, den Wald nutzt er selbst.

Im Verfahren C 24/84 des Erstgerichtes beantragten die Antragsteller als Kläger gegenüber Gertrude K*** als Rechtsvorgängerin des Antragsgegners die Feststellung, daß zugunsten der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft EZ 178 KG Hollenthon mit den Grundstücken 160/2 Bauarea Stübel Nr.10, 576/4 Wiese, 577 Acker, 291/3 Wiese und 315/3 Weide das Geh- und Fahrrecht über das Grundstück 1855/1 Bach, eingetragen im Gutsbestand der EZ 495 KG Hollenthon, in der Form bestehe, daß der Steg, soweit er dazu geeignet sei, zum Gehen und Fahren mit Fahrzeugen und Geräten, diene, sonst aber mit mehrspurigen Fahrzeugen durch das Bachbett gefahren oder sie durch das Bachbett gezogen werden dürfen. Die Beklagte sei schuldig, in die Einverleibung dieser Dienstbarkeit einzuwilligen. Mit Teilanerkenntnisurteil vom 20.6.1986, ON 9, wurde festgestellt, daß die Antragsteller als Eigentümer der Grundstücke 160/2, 576/4, 577 je KG Hollenthon über das Grundstück 1855/1 KG Hollenthon über den Steg und die Furt die Dienstbarkeit des Gehweges sowie über die Furt zum Zwecke des Betriebes einer Kleinlandwirtschaft, beschränkt auf Wirtschaftsfuhren unter Ausschluß der Verwendung von Kraftfahrzeugen zur Personenbeförderung, die Grunddienstbarkeit des Fahrweges ersessen haben; die beklagte Partei sei schuldig, in die Einverleibung dieser Grunddienstbarkeiten einzuwilligen. Das Verfahren über das offen gebliebene Begehren wurde bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens auf Einräumung eines Notweges unterbrochen. Die Antragsteller beantragten aufgrund des Notwegegesetzes, ihnen als Eigentümern der Liegenschaft EZ 178 KG Hollenthon für sich und alle künftigen Eigentümer die Dienstbarkeit des Fahrrechtes über das Grundstück 1855/1 Bach, inneliegend in der EZ 495 KG Hollenthon, in der Weise einzuräumen, daß sie berechtigt seien, auf ihre Kosten eine 3,5 m breite für zweispurige Kraftfahrzeuge bis zu einem Höchstgewicht von 12 Tonnen geeignete Brücke in Verlängerung des vorhandenen Weges zu errichten. Nach Rechtskraft des Beschlusses sei diese Dienstbarkeit des Fahrrechtes einzuverleiben. Eine andere Zufahrtsmöglichkeit vom öffentlichen Wegenetz zum Hause Nr.10 bestehe nicht. Die Antragsteller hätten zwar ein Geh- und Fahrtrecht durch die Furt ersessen; das Durchfahren der Furt sei trotz Abflachung der beiderseitigen Ufer jedoch äußerst schwierig, weil immer die Gefahr bestehe, daß das Fahrzeug, insbesondere wenn es beladen sei, zum Aufliegen komme. Die Benützung des Steges sei bei Nässe und Schnee für Personen gefährlich. Wirtschaftsfuhren mit Traktoren seien bei hohem Wasserstand nicht möglich. LKWs benötigten zur Querung der Furt Schneeketten. Eine Zufahrt für Rettung, Feuerwehr und andere Hilfsdienste sei nicht unter allen Umständen möglich. Die Furt könne nicht in einen Zustand versetzt werden, der es erlaube, zu jeder Zeit den Bach zu queren. Die Wegeverbindung durch die Furt sei daher unzulänglich im Sinn des § 1 Abs.1 NWG. Da gemäß § 3 NWG die Einräumung eines Notweges auch in der Erweiterung eines bereits bestehenden Wegerechtes, insbesondere in der Herstellung einer Wegeanlage, wozu auch eine Brücke gehöre, bestehen könne, seien die Voraussetzungen zur Einräumung einer Dienstbarkeit des Fahrrechtes in Form der Errichtung einer Brücke gegeben; die beiden Brückenwiderlager würden ausschließlich auf dem den Antragstellern gehörenden Ufern errichtet werden.

Der Antragsgegner wendete ein, die Zufahrt mit LKWs sei auch ohne Brücke möglich. Eine Zufahrt mit PKWs sei selbst nach heutigem Standard zur ordentlichen Benützung nicht erforderlich, da ein Abstellplatz jenseits des Baches nur 20 m vom Wohnhaus entfernt vorhanden sei und es den Antragstellern zumutbar wäre, die restliche Wegstrecke zu Fuß zurückzulegen. Die Antragsteller hätten seit nunmehr fünf Jahren die Furt verwahrlosen lassen und die Böschungen nicht abgeflacht. Es werde daher der Einwand der auffallenden Sorglosigkeit erhoben.

Das Erstgericht gab dem Antrag in der Form statt, daß die Brücke nach Bauart und Ausführung der Konstruktionszeichnung des Sachverständigen Dipl.Ing. Josef K*** (AS 107) und allfälligen Auflagen der zur Entscheidung berufenen Verwaltungsbehörden zu entsprechen habe. Die Antragsteller verfügten über keine von Witterung und Wasserstand unabhängige Zufahrt zu ihrem Haus. Zur Benützung und Bewirtschaftung der Liegenschaft sei aber eine solche Zufahrtsmöglichkeit auch für Schwerfuhrwerke erforderlich. Für Fußgänger stehe zur Überquerung des Bachbettes zwar ein Holzsteg zur Verfügung, für ältere oder gebrechliche Menschen sei dessen Überquerung aber bei widrigen Witterungsverhältnissen gefährlich. Ein Vergleich mit dem eingeschränkten Parkmöglichkeiten in der Großstadt sei nicht zielführend; hier seien nur die Interessen der Liegenschaftsnachbarn gegeneinander abzuwägen. Es stehe außer Frage, daß die Antragsteller ihre Liegenschaft auch zur Abstellung von PKWs benützen dürfen. Dann erscheine es aber unbillig, ihnen Beschränkungen der Nutzung ihrer Liegenschaft als Abstellfläche aufzuerlegen. Soweit der Antragsgegner darauf verweise, die Antragsteller behaupteten, eine Dienstbarkeit ersessen zu haben, sodaß das Notwegegesetz nicht anwendbar sei, gehe sein Vorbringen ins Leere, da gemäß § 3 NWG der Notweg in der Servitut des Fußsteiges, Viehtriebes oder Fahrweges oder in der Erweiterung solcher bereits bestehender Wegerechte bestehe. Ohne auf das vom Antragsgegner aufgeworfene Problem eingehen zu müssen, sei daher der notleidenden Liegenschaft der Notweg zuzusprechen, was in Anbetracht seiner Verbücherungsfähigkeit im Falle der Behauptung einer bestehenden Dienstbarkeit im ordentlichen Rechtsweg Berücksichtigung finden müsse. Daß die Antragsteller an einer anderen Stelle als der im Spruch bezeichneten ein Geh- oder Fahrrecht ersessen hätten, behaupte nicht einmal der Antragsgegner. Dem Vorbringen der Antragsteller sei eindeutig zu entnehmen, daß sich die allenfalls ersessene Servitut an der Stelle befinde, an der die Einräumung eines Notweges beantragt werde. Der Einwand der auffallenden Sorglosigkeit sei schon deshalb unberechtigt, weil der Antragsgegner behaupte, die Antragsteller benützten die Furt titellos. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners Folge. Soweit der erstgerichtliche Beschluß den Antragstellern und allen späteren Eigentümern die Dienstbarkeit des Fahrrechtes über das Grundstück 1855/1 Bach einräume und die Verbücherung dieses Rechtes angeordnet werde, werde er dahin abgeändert, daß dieser Antrag und die Bewilligung zum Bau einer Brücke zwecks Benützung mit Fahrzeugen aller Art abgewiesen werde. Insoweit den Antragstellern aber gestattet werde, über die genannte Bachparzelle eine Brücke zu errichten und diese mit Wirtschaftsfuhren zu befahren, werde der Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht nach Verfahrensergänzung aufgetragen, neuerlich zu entscheiden. Ein Anspruch auf Einräumung eines Notweges bestehe nicht, wenn eine Wegeservitut behauptet werde und darüber entweder ein Verfahren anhängig sei oder der Antragsteller einem solchen nur ausweichen wolle. Daraus ergebe sich, daß den Antragstellern in diesem Notwegeverfahren insofern ein Fahrrecht über die Bachparzelle nicht eingeräumt werden könne, als mit Urteil vom 18.9.1984 das Geh- und Fahrrecht zuerkannt worden sei und soweit über den begehren (allfälligen) weiterreichenden Umfang des Geh- und Fahrtrechtes der Servitutsprozeß nach wie vor anhängig sei. Über das Notwegebegehren in Erweiterung einer Servitut, eine Brücke errichten zu dürfen, könne nur insofern entschieden werden, als bereits der Umfang der Wegedienstbarkeit feststehe. In jedem anderen Falle könne nämlich das unpraktikable Ergebnis eintreten, daß dem Antragsteller das inhaltsleere Recht eingeräumt werde, eine Brücke für allgemeine Geh- und Fahrzwecke zu bauen, ohne diese dann in diesem weiten Umfang benützen zu dürfen, weil er in dem von ihm angestrebten Dienstbarkeitsprozeß über das Bestehen einer allgemeinen Wegeservitut unterlegen sei. Bei Anhängigsein eines Servitutsprozesses könne aber das Außerstreitgericht im Rahmen eines Notwegeverfahrens nicht über die Einräumung eines Wegerechtes als solches entscheiden. Inhalt dieses Notwegeverfahrens könne es daher nur noch sein, zu prüfen, ob und inwieweit das zugunsten der Grundstücke 160/2, 576/4 und 577 bestehende Recht auf Fahren mit Wirtschaftsfuhren ausgenommen von Kraftfahrzeugen zur Personenbeförderung, eine Erweiterung durch das Recht, eine Brücke über den Bach bauen zu dürfen, um diese dann mit den Wirtschaftsfuhren benützen zu können, erfahren könne. Die Querung eines Baches über eine auch allenfalls ausgebaute und befestigte Furt stelle nach heutigem technischem Standard keine zeitgemäße Möglichkeit dar. Die allgemein fortschreitende Motorisierung lasse das Erfordernis, die den Antragstellern gehörenden Grundstücke mit entsprechenden gängigen Motorfahrzeugen jederzeit befahren zu können, nicht als einen bloß den derzeitigen Eigentümern zufälligen Bedarf erscheinen. Dieser werde vielmehr nach den Erfahrungen des Lebens aller Wahrscheinlichkeit nach auch bei jedem späteren Eigentümer und Benützer der Liegenschaft bestehen. Die Einräumung eines Notweges in Form der Berechtigung zur Errichtung einer Brücke sei daher im Interesse der Grundstücke gelegen. Das Grundstück 1855/1 zeige sich in der Natur als Bachbett. Seine Nutzung erschöpfe sich im wesentlichen in der Ausübung der Fischerei. Die Belastung des Grundstückes im Falle der Bewilligung des aufrecht beantragten Notweges bestünde demgegenüber nur darin, daß das Bachgrundstück von einer ca. 3,5 m breiten Brücke im Bereich einer bestehenden, wenn auch nur eingeschränkt benützbaren Furt überspannt werde; die Brückenwiderlager würden ohnehin auf den den Antragstellern gehörenden Grundstücken errichtet werden. Stelle man nun die Nutzungsmöglichkeiten des zu belastenden Grundstückes der durch die Einräumung des Notweges tatsächlich eingetretenen Belastung gegenüber, so zeige sich, daß die Interessen des Antragsgegners durch den Bau einer Brücke nicht beeinträchtigt werden. Der Einräumung eines Notweges durch die Ermächtigung, eine Brücke zu bauen, stünden daher keine Bedenken entgegen, zumal der Vorteil der Brücke bei weitem die Nachteile überwiege, die der belasteten Liegenschaft durch den Bestand der Brücke insgesamt erwachsen könnten. Die Notwendigkeit zur Errichtung einer Brücke sei auch nicht auf eine auffallende Sorglosigkeit der Antragsteller zurückzuführen. Das Notwegeverfahren sei nicht deshalb eingeleitet worden, weil es unmöglich wäre, die Furt befahrbar zu machen, sondern deshalb, weil es im Interesse der begünstigten Liegenschaften und deren jeweiligen Eigentümer liege, eine zeitgemäße, ständig und sohin auch bei höherem Wasserstand benutzbare Zufahrtsmöglichkeit, die auch nicht mit besonderen Erhaltungsarbeiten verbunden sein werde, zu erlangen. Erfordernis der gerichtlichen Entscheidung sei jedoch deren Bestimmtheit und Vollstreckbarkeit nach § 19 AußStrG. Dies bedeute, daß dem Spruch der Entscheidung eindeutig entnommen werden könne, wo und wie die Brücke errichtet werden dürfe. Es könne nicht als ausreichend angesehen werden, daß die tatsächliche Gestaltung des Notweges durch Entscheidungen anderer Behörden festgelegt werde. Das Erstgericht werde daher auch über die genaue Position, Ausdehnung und Lage der Brücke zu entscheiden haben.

Gegen diesen Beschluß richten sich die Revisionsrekurse beider Streitteile. Die Antragsteller bekämpfen den Beschluß insoweit, als ein Teil ihres Antrages abgewiesen wurde, und beantragen in diesem Umfang die Aufhebung des Beschlusses des Rekursgerichtes. Der Antragsgegner strebt die gänzliche Abweisung des Antrages an. Nur der Revisionsrekurs der Antragsteller ist berechtigt. Nach § 1 Abs.1 NWG entbehrt eine Liegenschaft einer Wegeverbindung mit dem öffentlichen Wegenetz nicht nur dann, wenn es an einer solchen gänzlich mangelt, sondern auch, wenn sie bloß unzulänglich erscheint. Auch in diesem Fall kann der Eigentümer, der für die Zwecke einer ordentlichen Bewirtschaftung und Benützung eine solche Wegeverbindung benötigt, die gerichtliche Einräumung eines Notweges über fremde Liegenschaften nach Maßgabe des Notwegegesetzes begehren. Nach § 3 NWG besteht der Notweg in der Servitut des Fußsteiges, Viehtriebes oder Fahrweges oder in der Erweiterung solcher bereits bestehender Wegerechte. Ein Notweg kann auch zur Herstellung einer Weganlage über fremden Grund und Boden bewilligt werden.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend weisen die Antragsteller darauf hin, sie begehrten im Notwegeverfahren nicht die Einräumung der Dienstbarkeit des Fahrrechtes, sondern nur die Erweiterung einer bereits bestehenden (und durch das Teilanerkenntnisurteil vom 20.6.1986 zum Teil rechtskräftig festgestellten) Dienstbarkeit des Fahrrechtes in der Form, daß sie als Weganlage eine näher bezeichnete Brücke auf ihre Kosten errichten dürfen. Es liegt aber auch keine Identität der im Streitverfahren begehrten Feststellung des Bestehens der Dienstbarkeit mit dem in diesem Verfahren beantragten Notweg vor. Nur bei Identität des festzustellenden oder einzuräumenden Rechtes bestünde regelmäßig (es sei denn, die Erledigung des Rechtsstreites wäre nicht in zumutbarer Frist zu erwarten; vgl. Säcker in Münchener Kommentar Rz 8 zu § 917 BGB), keine Notwendigkeit zur Einräumung eines Notweges, sodaß der Antragsteller auf die Mittel zur Durchsetzung seines behaupteten Wegerechtes zu verweisen ist (6 Ob 804/77; 8 Ob 202/63; Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz 5 zu § 480). Im streitigen Verfahren begehren die Antragsteller aber die Feststellung, sie hätten ein Fahrrecht, die Furt mit PKWs und anderen als Wirtschaftsfuhren zu benützen, ersessen; hier wollen sie aber eine Wegeanlage errichten dürfen, die nicht nur von LKWs, sondern auch von PKWs benützt werden darf. Das noch zum Teil anhängige, aber unterbrochene streitige Verfahren hindert nicht die Entscheidung über die Einräumung eines Notweges durch Erweiterung einer bestehenden Servitut und Errichtung einer Weganlage. Die Frage, ob der Umfang der Wegedienstbarkeit über das Teilanerkenntnisurteil vom 20.6.1986 hinausgeht, könnte für das Notwegeverfahren nur für die Bemessung einer Entschädigung des Antragsgegners gemäß § 5 Abs.1 NWG beachtlich sein. Entgegen den Ausführungen in der Rekursbeantwortung wäre zur Klärung dieser Frage eine Verweisung auf den Zivilrechtsweg gemäß § 2 Abs.2 Z 7 AußStrG aber unzulässig (GlUNF 4026; Klang 2 II 160; Gögl in ÖJZ 1956, 595). Da der Schaden aber schon durch die Errichtung der Brücke und die Benützung des Luftraumes des Antragsgegners, nicht aber dadurch entstehen würde, daß diese Brücke auch von PKWs und anderen LKWs als Wirtschaftsfuhren benützt wird, kommt dem Umfang des ersessenen Wegerechtes in diesem Verfahren keine entscheidende Bedeutung zu. Im übrigen gehen die Antragsteller (und selbst der Antragsgegner in seiner Äußerung zum Revisionsrekurs der Antragsteller) ersichtlich davon aus, daß die Brücke über der bestehenden Furt errichtet werden soll, was aber zur Folge hätte, daß das Fahrtrecht nur mehr über die zu errichtende Brücke ausgeübt werden könnte bzw. durch den Notweg überflüssig geworden wäre.

Das Notwegegesetz bezweckt die Ermöglichung oder die Erleichterung der Benützung von Grund und Boden ohne Einschränkung auf die Erfordernisse landwirtschaftlicher Betriebe (JBl.1967, 529; SZ 33/4; Petrasch aaO Rdz 6). Dient das Haus der Befriedigung der Wohnbedürfnisse der Antragsteller, steht die für Wohnzwecke erforderliche Zubringung von Lebensmitteln, Haushaltsgegenständen und Brennmaterial sowie die Ermöglichung der Zufahrt für Feuerwehr und Rettung im Zusammenhang mit der ordentlichen Benützung der Liegenschaft (5 Ob 634/76). Der Bedarf, das Wohnhaus für private Zwecke mit Kraftfahrzeugen zu diesen Zwecken erreichen zu können, kann dann aber auch die Einräumung eines Notweges für Zwecke der Zufahrt mit PKWs rechtfertigen, weil die Errichtung der Brücke ohnedies schon aus anderen Gründen berechtigt wäre und die Mehrbenützung der Brücke durch die Antragsteller für den Antragsgegner mit keinem fühlbaren Nachteil verbunden wäre (JBl.1967, 529). Dieser Bedarf der Antragsteller ist kein bloß bei ihnen zutreffender zufälliger, er wird auch für jeden späteren Benützer des Hauses bestehen (JBl.1967, 529; 5 Ob 634/76). Zur Klärung der vom Rekursgericht aufgeworfenen, von den Antragstellern nicht weiter bekämpften Fragen ist daher der erstinstanzliche Beschluß zur Gänze aufzuheben. Nur dem Revisionsrekurs der Antragsteller ist daher Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 25 NWG im Zusammenhang mit § 52 ZPO.

Anmerkung

E09945

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00040.86.1216.000

Dokumentnummer

JJT_19861216_OGH0002_0010OB00040_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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