Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*** E*** Industriebedarf-Gesellschaft mbH, Wien 4., Große Neugasse 8, vertreten durch Dr. Peter Pewny, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei K*** Aktiengesellschaft für Werkzeug- und Metallindustrie, Hirtenberg, vertreten durch Dr. Ferdinand Graf, Rechtsanwalt in Wien, sowie des Nebenintervenienten M*** Gesellschaft mbH Sondermaschinen KG, Frankfurt/Main, Bonameserstraße 44, vertreten durch Dr. Norbert Schöner, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,412.014,71 s.A. und Feststellung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 8. Juli 1986, GZ. 1 R 107/86-101, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 25. März 1986, GZ. 14 Cg 157/81-93, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 18.379,35 (hievon S 1.670,85 Ust.) und dem auf seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten die mit S 18.379,35 (hievon S 1.670,85 Ust.) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei richtete am 17.6.1977 an die beklagte Partei das Ersuchen um Erstellung eines Anbots für die Lieferung einer Müllzerkleinerungsmaschine in die Sowjetunion "gemäß beiliegenden Spezifikationen und den beiliegenden Allgemeinen Richtlinien für die Lieferung im Rahmen P 50.844 - Müllverbrennungsanlage UdSSR". Im angeschlossenen Spezifikationsblatt war das Medium für die Müllzerkleinerung mit "Industriemüll, Abfälle aus Kunstledererzeugung, Fasern, Papiersäcke mit Resten von Granulat und Pulver, Pappe, Stadtmüll etc." und die Leistung mit ca. 10 m 3 /h = 2 t/h angegeben. Mit Schreiben vom 6.7.1977 bot die beklagte Partei der klagenden Partei einen von der Nebenintervenientin hergestellten M***-Müllzerkleinerer Type ZM IV (mit näher umschriebener Spezifikation) zum Stückpreis von S 493.000,-- zuzüglich S 5.600,-- für Einfülltrichter und S 4.400,-- für Untergestell an. Im Anbot wird unter dem Punkt Garantie ausgeführt: "Auf Messer und Schneidwellen als Verschleißartikeln können wir keine Garantie geben. Die Garantie für alle anderen Teile beträgt ausnahmsweise 12 Monate bei Einhaltung der Beschickungsangaben und Gebrauchsanweisung." In der Folge tätigte die klagende Partei eine Optionsbestellung bis 15.2.1978 über den angebotenen Müllzerkleinerer. In den angeschlossenen "Allgemeinen Richtlinien für Lieferungen im Rahmen 50.844 Industrieabfallverbrennungsanlage UdSSR" wurde u.a. festgehalten: "5.) Wir behalten uns vor, eine Abnahme selbst oder durch unseren Kunden bzw. durch dessen Beauftragten durchzuführen. 10.) Garantie. Material- und Funktionsgarantie leisten Sie für die Dauer von 15 Monaten ab Inbetriebsetzung der Anlage, längstens jedoch über 27 Monate nach Auslieferung, in der Weise, daß Sie sich verpflichten, alle innerhalb der angegebenen Garantiefrist auftretenden Mängel oder Schäden für uns vollkommen kostenlos zu beheben bzw. Ersatz zu liefern. 13.) Die vorangeführten Punkte 1 bis 12 stellen einen integrierenden Bestandteil unseres Auftrages dar." Das Medium wurde in einem beigefügten Spezifikationsblatt wie in der Einladung zur Anbotstellung vom 17.6.1977 angegeben.
Am 13.2.1978 wandelte die klagende Partei die Optionsbestellung in eine definitive Bestellung um, was von der beklagten Partei am 23.2.1978 bestätigt wurde. Die Lieferung war für die 3.Lohnwoche 1978 vorgesehen. Die Maschine wurde von der Nebenintervenientin geliefert, im Werk der beklagten Partei in Hirtenberg aufgestellt und dort von der beklagten Partei zusammengebaut. Zwischen dem 5. und dem 7.7.1978 fand ein Probelauf statt, bei dem neben Vertretern der Streitteile und der Nebenintervenientin auch ein Vertreter der sowjetischen Handelsvertretung in Wien anwesend waren. Bei diesem Probelauf wurde Industriemüll, den die klagende Partei in der CSSR beschafft hatte, händisch in den Müllzerkleinerer eingegeben. Die Durchsetzleistung der Maschine wurde nicht geprüft. Es sollte die Funktion des Gerätes getestet werden, um eine Einfuhrbewilligung in die Sowjetunion zu erhalten. Alle Anwesenden waren mit dem Ergebnis der Funktionsprobe zufrieden, der Lieferschein der beklagten Partei wurde ohne Vorbehalt unterzeichnet und die Lieferfreigabe von der sowjetischen Handelsvertretung in Wien erklärt. In der Folge wurde die Maschine, versehen mit einer Bedienungsanleitung und Beschreibung der Einsatzmöglichkeiten, in die Sowjetunion geliefert und in Luck aufgestellt. Bei Inbetriebnahme der Maschine im Jahre 1980 kam hervor, daß das Gerät nicht zu gebrauchen war. Es wurden mit dem Greifer eines Krans etwa 20 m lange Kunststoffbahnen eingebracht, die von der Maschine mangels Kraft nicht geschnitten werden konnten; die Maschine reversierte, brachte das Gut wieder hervor und zog es wieder ein, bis sie sich festgefahren hatte. In Luck wurden fast ausschließlich Kunstlederbahnen ohne beigemischten Hausmüll zugeführt, die Eingabe erfolgte nicht dosiert oder händisch, sondern mit einem Kran. Die klagende Partei reklamierte den Mangel erstmals am 17.12.1980. Nachdem sich die Maschine für den gewünschten Einsatz als unbrauchbar erwiesen hatte, wurde sie von der klagenden Partei dem Erzeuger zur Verfügung gestellt. Die klagende Partei begehrt den Betrag von S 1,412.014,71 s.A. sowie die Feststellung, daß die beklagte Partei für jeden Schaden hafte, der der klagenden Partei daraus entstehe, daß das von der beklagten Partei gelieferte Müllzerkleinerungsgerät Marke M*** nicht geeignet sei, Kunstlederabfall zu zerkleinern. Für den Abnehmer sei es unzumutbar, den anfallenden Müll händisch zu sortieren oder einzugeben. Die klagende Partei habe eine andere Maschine um einen erheblich höheren Betrag gekauft. Die beklagte Partei habe den Kaufpreis der gelieferten Maschine zu refundieren, die Kaufpreisdifferenz zwischen der gelieferten Maschine und der von der klagenden Partei angeschafften Ersatzmaschine zu tragen und die von ihr verschuldeten Aufwendungen für Personal, Reisekosten etc. zu ersetzen.
Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, die Gewährleistungsfrist habe spätestens am 7.7.1978 zu laufen begonnen und sei im Zeitpunkt der ersten Beanstandung am 17.12.1980 abgelaufen gewesen. Nach den von der klagenden Partei nicht beanstandeten Lieferbedingungen der beklagten Partei erlösche durch den Weiterverkauf jeglicher Gewährleistungsanspruch. Soweit der Anspruch der klagenden Partei auf Schadenersatz gegründet werde, sei er nicht berechtigt, weil der beklagten Partei ein Verschulden nicht zur Last falle.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte fest:
Die Materialeingabe in Luck habe nicht den in den "Einsatzmöglichkeiten" und der "Bedienungs- und Wartungsanleitung" angegebenen Vorschriften entsprochen, weil Müll nicht dosiert, sondern mit einem Greiferkran eingebracht worden sei. Es habe auch die Zusammensetzung des Mülls nicht dem im Vertrag näher spezifizierten Müll, zu dessen Zerkleinerung das Gerät geeignet sei, entsprochen. Der in Luck anfallende Müll habe sich auch von dem beim Probelauf in Hirtenberg eingesetzten Müll unterschieden. Für Abfälle eines kunststoffverarbeitenden Betriebes sei die Maschine weniger geeignet, es hätte gemischter Müll verwendet werden müssen, jedenfalls hätte die Eingabe portioniert und händisch erfolgen müssen.
In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, Grundlage des Kaufvertrages sei eine Spezifikation gewesen, in der die klagende Partei die geforderte Leistung und die Verwendungsanforderung beschrieben habe. Die Maschine hätte die in der Bestellung geforderte Leistung erbracht, wenn man sich an die beigegebene Bedienungsanleitung des Erzeugers gehalten hätte. Auch der erfolgreiche Probelauf der Maschine in Hirtenberg lasse keinen anderen Schluß als den zu, daß bestellungsgemäß geliefert worden und die gelieferte Maschine mängelfrei gewesen sei. Da der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft darstelle, hätte die klagende Partei eventuelle Mängel der Ware unverzüglich nach Ablieferung rügen müssen. Mangels rechtzeitiger Rüge sei nicht nur der Gewährleistungs- sondern auch der Schadenersatzanspruch der klagenden Partei verwirkt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Es billigte die Beweiswürdigung des Erstrichters, verneinte die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und führte in rechtlicher Hinsicht aus, die bestellte Maschine sei am 7.7.1978 nach einem Probebetrieb der klagenden Partei übergeben worden. Die 27-monatige Garantiefrist, die an diesem Tag zu laufen begonnen habe, sei im Zeitpunkt der Klagseinbringung am 8.7.1981 längst abgelaufen gewesen, selbst wenn man zu dieser Frist die sechsmonatige Gewährleistungsfrist hinzurechnen wollte. Ob die dreijährige Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche ebenfalls vom Tag der Übernahme der Maschine an zu laufen begonnen habe, könne ungeprüft bleiben, weil ein Verschulden der beklagten Partei nicht feststellbar sei. Die Maschine sei einem dreitägigen Probebetrieb unterzogen worden, bei dem Müll Verwendung gefunden habe, den die klagende Partei selbst beigestellt hatte. Daß beim Probebetrieb kein Orginalmüll aus Luck verwendet worden sei, falle der klagenden Partei allein zur Last. Da eine rechtzeitige Mängelanzeige nicht erfolgte, gelte die Ware als genehmigt, was den Verlust aller Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche zur Folge habe. Im übrigen sei aber die Feststellung des Erstgerichtes zu billigen, daß ein Mangel der Maschine gar nicht vorgelegen sei. Der Berücksichtigung des erstmals in der Berufung erstatteten Vorbringens, die beklagte Partei hafte, weil sie als Fachhändlerin gegen Aufklärungspflichten verstoßen habe, stehe das Neuerungsverbot entgegen. Darüber hinaus habe die klagende Partei selbst in der von ihr ausgearbeiteten Spezifikation die Art des Mülls, zu dessen Zerkleinerung die Maschine tauglich sein sollte, vorgegeben. Nach den getroffenen Feststellungen sei das Gerät auch in der Lage, diese Art von Müll zu bewältigen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revision der klagenden Partei kommt Berechtigung nicht zu. Die Ausführungen zu den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Aktenwidrigkeit erachtet der Oberste Gerichtshof nach Prüfung als nicht gegeben (§ 510 Abs.3 letzter Satz ZPO).
Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß die Ablieferung der Maschine im Sinne des § 377 HGB mangels einer vertraglichen Vereinbarung, daß erst die Inbetriebnahme in Luck als solche zu gelten hätte, am 7.7.1978 in Hirtenberg erfolgte. Gemäß § 377 HGB oblag es der klagenden Partei, die gelieferte Maschine zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigte, diesen sofort zu rügen; schon eine geringe Nachlässigkeit bei der Prüfung löst die Rechtsfolge des § 377 Abs.2 HGB aus (HS 10.867; SZ 47/41). War die klagende Partei der Ansicht, daß die Maschine vertragsgemäß auch zur Verarbeitung von Müll, wie er in Luck anfiel, geeignet sein mußte, hätte sie die Untersuchung der Gebrauchstauglichkeit unter Verwendung von entsprechend zusammengesetztem Müll vornehmen oder vereinbaren müssen, daß die Übernahme erst in Luck erfolgen solle. Das Unterlassen der Mängelanzeige gilt als Genehmigung, die den Entfall sämtlicher Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche zur Folge hat (HS 10.868, 10.866, 10.860; SZ 53/63).
Im übrigen wäre auch von der vom Erstgericht getroffenen und vom Berufungsgericht übernommenen Feststellung auszugehen, daß der in Luck angefallene Müll (ca. 20 m lange Kunstlederbahnen) nicht jenem Müll entsprach, dessen Zerkleinerung die bestellte Maschine vertragsgemäß zu dienen hatte. Es wurde auch in Luck der Müll nicht, wie es in der Bedienungs- und Wartungsanleitung vorgesehen war, dosiert, sondern mit einem Greiferkran eingebracht. Die Zusammensetzung des Mülls hatte die klagende Partei der beklagten Partei in der Einladung zur Abgabe eines Anbots vorgegeben. Es wurde Vertragsinhalt, daß die Müllzerkleinerungsanlage diesen Anforderungen zu entsprechen habe. Es liegt daher kein Mangel des gelieferten Geräts vor, wenn es zur Verarbeitung des in Luck anfallenden Mülls, der sich wesentlich von dem Müll unterschied, zu dessen Zerkleinerung die Maschine vertragsgemäß dienen sollte, nicht geeignet war.
Soweit die Revisionswerberin geltend macht, die beklagte Partei als Fachhändler hätte die klagende Partei warnen müssen, daß die angebotene Maschine dem von der klagenden Partei bekanntgegebenen Zweck nicht entsprechen werde, wird daran vorbeigegangen, daß die angebotene Maschine die vertraglich bedungenen Eigenschaften aufweist. Der Einsatz zur Zerkleinerung von ca. 20 m langen Kunstlederbahnen, die zudem mittels Greifers eingebracht werden, war vertraglich nicht ausbedungen und mußte von der beklagten Partei bei der von der klagenden Partei präzisierten Zweckbestimmung der Maschine auch nicht vorausgesetzt werden. Daß die beklagte Partei verpflichtet gewesen wäre, die klagende Partei darauf hinzuweisen, daß die angebotene Maschine für die Zerkleinerung von Müll, wie er in Luck anfiel, nicht geeignet ist, wurde nicht geltend gemacht. Es liegen auch keine Verfahrensergebnisse in der Richtung vor, daß der beklagten Partei bekannt gewesen wäre, welche Art von Müll in Luck anfällt.
Demzufolge ist der Revision der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E09939European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00694.86.1216.000Dokumentnummer
JJT_19861216_OGH0002_0010OB00694_8600000_000