Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuderna und Dr.Gamerith sowie die Beisitzer Dr.Stefan Seper und Dr.Willibald Aistleitner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Isolde M***, Angestellte, Guntramsdorf, Thymiangasse 2, vertreten durch Dr.Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Friedrich M***, Tischlermeister, Wien 11., Rappachgasse 24, vertreten durch Dr.Alfons Adam, Rechtsanwalt in Neulengbach, wegen 206.064,60 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 16.Jänner 1986, GZ 44 Cg 159/85-31, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 13.Juni 1985, GZ 1 Cr 2021/84-14, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 9.848,25 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind 1.920 S Barauslagen und 720,75 S Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war mit dem Beklagten vom 16.Oktober 1965 bis 12. April 1984 verheiratet. Nach der Scheidung dieser Ehe heiratete sie Manfred M***. Die Klägerin war vom 1.März 1978 bis zu ihrem mit Schreiben vom 19.Oktober 1983 erfolgten vorzeitigen Austritt im Tischlereibetrieb des Beklagten angestellt. Sie begehrt vom Beklagten die Bezahlung einer Abfertigung von neun Monatsentgelten in der Höhe von insgesamt 206.064,60 S netto (nach Abzug der darauf entfallenden Lohnsteuer von 4.205,40 S). Zur Begründung brachte sie vor, der Beklagte habe ihre Vordienstzeiten vom 1.September 1962 bis 28. Februar 1978 angerechnet. Sie sei vorzeitig ausgetreten, weil sie der Beklagte am 18.Oktober 1983 beschimpft, mißhandelt und bedroht habe. Schon am Vortag sei sie vom Beklagten im Auto und anschließend in den Büroräumlichkeiten mißhandelt worden.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er bestritt eine Anrechnung von Vordienstzeiten der Klägerin sowie die behaupteten Mißhandlungen, Beschimpfungen und Bedrohungen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:
Der Beklagte beabsichtigte am 18.Oktober 1983 früh, die Klägerin, von der er damals bereits getrennt lebte, mit dem Auto abzuholen. Als er beim Wohnhaus eintraf, entdeckte er in der Garage ein fremdes Auto und stellte anschließend fest, daß sich Manfred M*** in der ehelichen Wohnung aufhielt. Da er bereits früher die Klägerin ehestörender Kontakte zum Gemeindearzt verdächtigt hatte, reagierte er nunmehr scharf, und es kam zwischen den Parteien zu Auseinandersetzungen. Es kann "durchaus möglich sein, daß der Beklagte die Klägerin im Auto geschlagen hat". Nicht richtig ist, daß der Arbeitnehmer Peter V*** beim Verlassen des Autos Spuren von Mißhandlungen der Klägerin festgestellt hätte. Ein in diesem Zusammenhang gegen den Beklagten eingeleitetes Strafverfahren endete teils mit Einstelung und teils mit Freispruch. Manfred M*** hatte nicht nur in der Nacht vom 17. auf den 18.Oktober 1983, sondern schon mehrmals zuvor im Haus der Klägerin übernachtet. Er ist seit September 1983 in diesem Haus polizeilich gemeldet. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die ehelichen Streitigkeiten auf das Eheleben beschränkt geblieben und im Betrieb nicht bekannt geworden seien. Im übrigen habe die Klägerin den Beklagten zu dessen Verhalten provoziert. Der vorzeitige Austritt sei daher nicht gerechtfertigt.
Im Berufungsverfahren brachte die Klägerin vor, sie stütze den vorzeitigen Austritt auch auf eine am 18.Oktober 1983 erfolgte Mißhandlung und Verletzung der ehelichen Tochter Claudia durch den Beklagten.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung in der Hauptsache. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht.
Ergänzend stellte es noch fest:
Im Oktober 1983 kam es zwischen den Parteien fast täglich zu Diskussionen oder Auftritten. Die Klägerin wurde vom Beklagten am 18. Oktober 1983 nicht geschlagen. Es kam damals zu einem Auftritt zwischen den Parteien, wobei die eheliche Tochter Claudia bemüht war zu verhindern, daß der Beklagte erfährt, daß Manfred M*** im Ehebett der Parteien genächtigt hatte. Zu diesem Zweck beschimpfte die minderjährige Tochter ihren Vater gröblichst, und dieser gab ihr hierauf eine Ohrfeige. Manfred M*** hatte inzwischen das Haus verlassen. Die Parteien begaben sich schließlich zur Garage. Dort kam es zwischen ihnen "insofern zu Berührungen bzw. Tätlichkeiten, als sich ein Gerangel um eine (vom Beklagten) aus dem Auto des Manfred M*** entnommene Aktentasche entwickelte". Die Klägerin wurde vom Beklagten aber nicht geschlagen.
Das Berufungsgericht teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichts, daß der vorzeitige Austritt der Klägerin ungerechtfertigt sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Klägerin mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Der vorzeitige Austritt der Klägerin wurde von dieser auf Mißhandlungen, Beschimpfungen und Bedrohungen am 17. und 18.Oktober 1983 sowie auf Mißhandlungen der Tochter Claudia gestützt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist es am 18.Oktober 1983 zwar zu Auseinandersetzungen und zu einem Gerangel gekommen (der Beklagte versuchte, aus dem in der Garage befindlichen PKW des Manfred M*** eine Aktentasche an sich zu bringen, die Klägerin versuchte dies zu verhindern), doch wurden weder Beschimpfungen noch Bedrohungen noch Mißhandlungen bewiesen. Das Berufungsgericht stellte vielmehr fest, daß der Beklagte die Klägerin nicht geschlagen habe. Soweit die Klägerin in der Rechtsrüge von Beschimpfungen und einer "Hausdurchsuchung" durch den Beklagten ausgeht, weicht sie von den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ab. Das festgestellte Gerangel kann unter Bedachtnahme auf die oben erwähnten näheren Umstände einer Tätlichkeit im Sinne des § 26 Z 4 AngG nicht gleichgesetzt werden. Es erübrigt sich daher darauf einzugehen, ob das Verhalten des Beklagten infolge des Antreffens eines Mannes, der in der ehelichen Wohnung bei der Klägerin übernachtet hatte, den Umständen nach entschuldbar war und ob dieses Verhalten zwischen Ehegatten einen sofortigen Abbruch der arbeitsvertraglichen Beziehungen rechtfertigte. Alle von der Klägerin vermißten Feststellungen in der Richtung von Eheverfehlungen sind mangels Feststellung einer erheblichen Ehrverletzung oder einer Tätlichkeit im Sinne des § 26 Z 4 AngG entbehrlich. Die Revisionswerberin übersieht, daß Gegenstand dieses Rechtsstreites ihr vorzeitiger Austritt und nicht etwa eine Scheidungsklage ist.
Entgegen der Meinung der Klägerin liegen Feststellungen des Berufungsgerichts über den 17.Oktober 1983 vor. Das Berufungsgericht übernahm nämlich alle Feststellungen des Erstgerichtes, insbesondere auch jene über die am 17.Oktober 1983 im Auto stattgefundenen Vorfälle. Dazu hatte das Erstgericht festgestellt, es könne "durchaus auch möglich sein, daß der Beklagte die Klägerin im Auto geschlagen habe". Diese Feststellung läßt in Verbindung mit den Ausführungen zur Beweiswürdigung erkennen, daß das Erstgericht eine derartige Mißhandlung zwar für möglich hielt, aber doch nicht als erwiesen annahm. Der vorzeitige Austritt kann daher auch auf Vorfälle, die sich am 17.Oktober 1983 angeblich ereignet haben, nicht gestützt werden. Nur am Rande sei erwähnt, daß die Klägerin in ihrer bereits am 18.Oktober 1983 erfolgten Vernehmung vor der Gendarmerie eine Mißhandlung durch den Kläger nicht behauptet hat (Akt 6 U 1710/83 des Bezirksgerichtes Mödling).
Ein vorzeitiger Austritt kann nach dem § 26 Z 4 AngG auch dann berechtigt sein, wenn der Arbeitgeber eine Tätlichkeit oder eine erhebliche Ehrverletzung gegen einen Angehörigen eines Arbeitnehmers gerichtet hat. Nach den Feststellungen gab zwar der Beklagte der ehelichen Tochter Claudia eine Ohrfeige, doch wurde er durch die festgestellten vorangegangenen gröblichen Beschimpfungen von seiner minderjährigen Tochter dazu provoziert. Er hat daher nur in einer nach den Umständen entschuldbaren Entrüstung gehandelt. Der vorzeitige Austritt ist somit auch unter diesem Gesichtspunkt nicht gerechtfertigt. Da ein tatbestandsmäßiger Austrittsgrund nicht vorliegt, fehlt es entgegen der Meinung der Revisionswerberin an den Voraussetzungen eines Mitverschuldens des Beklagten an ihrem (ungerechtfertigten) vorzeitigen Austritt (§ 32 AngG). Im übrigen richtet sich der größte Teil der weitwendigen Revisionsausführungen gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts und weicht von dessen Feststellungen ab, sodaß auf diese Ausführungen nicht weiter einzugehen ist.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
Anmerkung
E10004European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0140OB00201.86.1216.000Dokumentnummer
JJT_19861216_OGH0002_0140OB00201_8600000_000