TE OGH 1986/12/17 3Ob510/86

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Veröffentlicht am 17.12.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Mag.Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*** DER A***, 1020 Wien,

Friedrich Hillegeiststraße 1, vertreten durch Dr.Wilhelm Huber, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. prot. Firma U*** FÜR S*** UND H*** A*** Karl J***,

2. J*** & B*** Gesellschaft mbH, beide 1060 Wien, Liniengasse 4, beide vertreten durch Dr.Wilhelm Schlesinger, Rechtsanwalt in Wien,

3. O*** Gesellschaft mbH, 6020 Innsbruck, Dr. Stumpfstraße 2, vertreten durch Dr.Walter Schuppich und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen 3,424.746,13 S s.A. (Rekursinteresse 3,291.742,40 S s. A.), infolge der Rekurse der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 4.November 1985, GZ 4 R 186/85-14, womit das Teilurteil des Handelsgerichtes Wien vom 13.Mai 1985, GZ 16 Cg 9/85-8, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben. Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

In der am 8. November 1984 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin von den Beklagten als Gesamtschuldnern 3,557.749,86 S samt 7,25 % Zinsen aus 133.003,73 S seit 16. August 1984 und aus 3,424.746,13 S seit 26. Oktober 1984. Die erstbeklagte Kommanditgesellschaft, deren einzige persönlich haftende Gesellschafterin die zweitbeklagte Gesellschaft sei, und die drittbeklagte Gesellschaft hätten als Biet- und Arbeitsgemeinschaft "A*** PVAng.Abwasser" von der Klägerin am 23.Februar 1979 den Auftrag erhalten, bei der Neuerrichtung ihres Anstaltsgebäudes in 1020 Wien die Lieferungen und Werkleistungen der Bereiche Abwasserbeseitigung und Oberflächenentwässerung zu erbringen. Darüber liege ein schriftlicher Werkvertrag vom 23.April bzw. 11.Mai 1979 vor, in dem u.a. alle von der A*** einzuhaltenden Leistungstermine genau fixiert gewesen seien. Nach den zum Werkvertrag gehörenden Vertragsbedingungen hafte der Auftragnehmer für die durch seine Schuld oder die durch seine allfälligen Subunternehmer, Lieferanten usw. verursachten Verzögerungen oder Nichteinhaltung der vereinbarten Durchführungstermine vollumfänglich. Als entschuldbare Gründe für eine Verzögerung oder Nichteinhaltung der vereinbarten Durchführungstermine würden nur Streit und höhere Gewalt gelten. Bei Überschreitung der vereinbarten Durchführungstermine sollte der Auftragnehmer außerdem pro Kalendertag in eine Konventionalstrafe von 0,8 %o der Schlußabrechnungssumme verfallen. Er sei auch innerhalb der vereinbarten Durchführungstermine verpflichtet, den Arbeitsfortschritt so einzuteilen, daß keine Behinderungen oder Verzögerungen anderer Professionistenleistungen eintreten. Sonst verfalle er ebenfalls in die vorerwähnte Konventionalstrafe, die nicht dem richterlichen Mäßigungsrecht unterliege. Obwohl die von der A*** einzuhaltenden Arbeits- und Fertigstellungstermine wegen einer allgemeinen Verschiebung der Bauarbeiten verschoben worden und die letztlich für die A*** geltenden Termine einvernehmlich festgelegt worden seien, habe die A*** eine Reihe von Terminen nicht eingehalten, so daß sie letztlich Verspätungen von 205 Tagen aufzuweisen gehabt hätte. Da die der A*** zustehende Schlußabrechnungssumme letztlich, nämlich nach dem am 24.Juli 1984 vorliegenden Ergebnis der Rechnungsprüfung 20,071.604,44 S zuzüglich Umsatzsteuer ausgemacht habe, betrage die Konventionalstrafe pro Tag 16.057,28 S, für 205 Tage daher "3,424.746,13 S" (rechnerisch richtig wären 3,291.742,40 S, also 133.003,73 S weniger). Dieser Abschluß der Überprüfung der Schlußabrechnung habe auch eine Überzahlung von 133.003,73 S zutage gebracht, deren Rückführung die Klägerin ebenso wie die Konventionalstrafe bis 15.August 1984 begehrt habe. Hinsichtlich der Konventionalstrafe sei eine letzte Nachfrist bis 25.Oktober 1984 gesetzt worden.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Dabei wendeten sie vor allem Verjährung der eingeklagten Konventionalstrafe ein.

Im vorbereitenden Schriftsatz ON 4 schränkte die Klägerin das Begehren wegen der schon erwähnten irrtümlichen Doppelverrechnung von 133.003,73 S auf 3,424.746,13 S samt 7,25 % Zinsen aus 133.033,73 S ab 16.August 1984 und aus 3,291.742,40 S ab 26.Oktober 1984 ein. Gleichzeitig legte sie dar, für welche 205 Tage sie die Konventionalstrafe verlange. Weiters replizierte sie auf die Verjährungseinrede.

In der Tagsatzung vom 30.Jänner 1985 wurde außer Streit gestellt, daß die "gegenständlichen Leistungen" zwischen 22. September und 20.Oktober 1981 übergeben wurden. Die Klägerin behauptete, daß bis 1984 über die Pönaleforderungen Vergleichsgespräche zwischen den Parteien geführt worden seien und berief sich diesbezüglich auf die Zeugen Roland P*** und Ing. Stefan S***. In der Tagsatzung vom 8.März 1985 ergänzte die Klägerin dieses Beweisanbot noch durch die Zeugen Architekt Herbert K*** und Direktionsrat Adolf P***. In der Tagsatzung vom 9.April 1985 beantragte die Drittbeklagte zum Beweis dafür, daß von der Bietgemeinschaft keine Vergleichsgespräche geführt und solche abgelehnt worden seien, den Zeugen Dr. (Heinz) M***. Das Erstgericht wies mit Teilurteil vom 13.Mai 1985 das Klagebegehren hinsichtlich eines Teilbetrages von 3,291.742,40 S "samt Nebengebühren" ab.

Es ging dabei von folgenden Feststellungen aus:

Die Beklagten wurden aufgrund ihres Anbots mit einer Anbotssumme von 17,959.248,68 S ausschließlich Umsatzsteuer von der Klägerin mit Werkleistungen beauftragt. Die Beklagten hatten sich an präzise angegebene Fertigstellungstermine zu halten. Im Punkt 1.3.4. der besonderen Vertragsbedingungen verpflichteten sie sich, bei Überschreitung der vereinbarten Durchführungstermine pro Kalendertag eine nicht dem richterlichen Mäßigungsrecht unterliegende Konventionalstrafe von 0,8 %o der Schlußrechnungssumme zu zahlen. Ergänzend zu diesen vertraglichen Haftungsbestimmungen verpflichteten sich die Beklagten im Punkt 9.0., vom Zeitpunkt des Entstehens einer Pönaleverpflichtung an bis zur endgültigen Baufertigstellung zusätzlich zum normalen Deckungsrücklaß bzw. diesbezüglichen Bankgarantiebrief am Ersten eines jeden Monats einen Bankgarantiebrief in der Höhe des im kommenden Monat entstehenden Pönalebetrages vorzulegen. "Der vorläufige Pönalebetrag wird die im Einvernehmen mit der Bauoberleitung geschätzte Schlußabrechnungssumme zugrundegelegt". "Ein Barabzug allfälliger Pönalebeträge von den laufenden Teilleistungsrechnungen erfolgt daher nicht". Gemäß Punkt 9.1. der Ö-Norm B 2110 ist eine Vertragsstrafe fällig, sobald der Auftragnehmer in Verzug gerät und nicht nachweisen kann, daß er den Verzug nicht zu vertreten hat. Der Nachweis eines Schadens ist nicht erforderlich. Während des Baus, der in mehrere Baulose unterteilt war, traten wiederholt Terminverschiebungen und Verzögerungen auf. Bei den durchschnittlich 14tägigen Baubesprechungen zwischen der Bauoberleitung, den Professionisten, darunter den Beklagten, und den Architekten wurden diese Überschreitungen zur Kenntnis genommen und registriert, doch erfolgte weder eine Fälligstellung einer Konventionalstrafe noch die vereinbarte Bestellung von Sicherheiten für die Konventionalstrafe. Aufgrund der von den Beklagten gelegten Teilrechnungen wurden Zahlungen geleistet. Die beiden Schlußrechnungen der Beklagten vom

1. und 7.Juni 1982 wurden von den von der Klägerin beauftragten Architekten bis 17.Juli 1984 überprüft und der Klägerin am 25.Juli 1984 vorgelegt.

Seit Jahresbeginn 1983 entwickelte sich zwischen den Beklagten, in erster Linie zwischen dem Beauftragten der Bietgemeinschaft Karl J***, einerseits und der von der Klägerin beauftragten Architektengruppe andererseits eine umfangreiche Korrespondenz, nachdem den Beklagten am 28.Jänner 1983 eine Konventionalstrafe von 1,751.275,40 S auferlegt worden war. Die Beklagten bestritten ein Verschulden an den tatsächlichen Terminüberschreitungen. Wegen des wirtschaftlichen und politischen Einflusses der Klägerin sah sich Karl J*** veranlaßt, über den Komplex Pönaleforderung und eine noch im Raum stehende Abrechnungsdifferenz Vergleichsgespräche zu führen, die am 2.Juli 1984 stattfanden. Dabei bot Karl J*** ohne Präjudiz und ohne Anerkenntnis zur Bereinigung der Pönaleforderung 100.000 S zur Zahlung an, die die durch Direktionsrat Adolf P*** vertretene Klägerin ablehnte. Inzwischen hatte die Klägerin nämlich ihre Pönaleforderung auf den nunmehr eingeklagten Betrag erhöht, wovon sie vergleichsweise etwa 50 % nachgelassen hätte. Karl J*** versprach, diese Forderung bei seinen Mitbietern zu diskutieren, und Rückantwort. Mit Schreiben vom 8.August 1984 lehnte die Bietgemeinschaft ein Vergleichsangebot endgültig ab. Nach Einbringung der Klage bot Karl J*** neuerlich einen Vergleich an und fragte, ob das ursprüngliche Anbot aufrecht erhalten werde, was von der Klägerin abgelehnt wurde.

Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, daß das zwischen den Parteien vereinbarte Pönale wie eine Konventionalstrafe zu beurteilen sei. Diese Vertragsstrafe sei eine Schadenspauschalierung und daher nach schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Nach § 1489 ABGB seien jedoch Entschädigungsklagen in drei Jahren von der Zeit an verjährt, zu welcher der Schade und die Person des Beschädigers dem Beschädigten bekannt wurden. Hiebei sei die Kenntnis der Schadenshöhe nicht immer erforderlich. Mangels entsprechender Kenntnis könne der Eintritt der Verjährung durch Feststellungsklage verhindert werden. Der Klägerin bzw. ihren Vertretern seien die von den Beklagten verursachten Verzögerungen der Fertigstellung spätestens am 20.Oktober 1981 bekannt geworden. Auch die zwischen den Streitteilen vereinbarte Ö-Norm B 2110 gebe im Punkt 9.1. die Fälligkeit klar mit dem tatsächlichen Verzug und nicht mit der Rechnungsprüfung an. Die Verjährungsfrist sei weder gehemmt noch unterbrochen worden, "wenn die Beklagten ihre Bereitschaft zum Vergleichsabschluß bekanntgegeben hätten". Der Klägerin hätte nämlich bei diesen Vergleichsgesprächen bewußt sein müssen und sei dies auch gewesen, "daß sich die Beklagten durch diese Bereitschaft, über die Pönaleforderung zu verhandeln, niemals so verhalten haben, daß der Klägerin gegenüber der Anschein erweckt wurde, sie seien grundsätzlich zur Zahlung eines Pönalebetrages bereit". Die eingeklagte Pönaleforderung sei daher verjährt. Die Klägerin bekämpfte dieses Teilurteil mit Berufung wegen Aktenwidrigkeit, unrichtiger Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit den Anträgen, es dahin abzuändern, daß der eingeklagte Anspruch auf eine Konventionalstrafe von 3,291.742,40 S dem Grunde nach zu Recht bestehe, hilfsweise das Teilurteil aufzuheben.

Die Beklagten beantragten, der Berufung nicht Folge zu geben. In der Berufungsverhandlung stellten die Parteien außer Streit, daß gemäß Punkt 3.0. des Werkvertrages vom 23.April 1979, Beilage A, folgende Unterlagen in der Reihenfolge der Aufzählung als Bestandteile des Werkvertrages zu gelten haben: 1. Der Wortlaut des Werkvertrages, 2. das Anbot der Bietergemeinschaft J***-O*** von 1978-07-24 mit den dem Anbot beigeschlossenen rechtlichen, technischen sowie zusätzlichen Vertragsbedingungen, und 3. der gemäß Punkt 8.0. dieses Werkvertrages zu erstellende Gesamtterminplan. Weiters wurde außer Streit gestellt, daß gemäß Punkt 1.1.1. der Vertragsbedingungen vom 24.Juli 1978, Beilage B, die zum Zeitpunkt des vom Auftraggeber für das Anbot genannten Abgabetermins jeweils gültigen Ö-Normen für Bauwesen zu gelten hätten, sofern in den gegenständlichen Vertragsbedingungen nichts anderes bestimmt ist. Das Berufungsgericht gab der Berufung Folge, hob das angefochtene Teilurteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Es verneinte eine Aktenwidrigkeit und übernahm die Feststellungen als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung, fand aber die Rechtsrüge berechtigt.

Das Erstgericht sei zwar zutreffend davon ausgegangen, daß die zwischen den Parteien vereinbarten Pönalezahlungen wie eine Konventionalstrafe und als Schadenspauschalierungen nach schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen seien. Richtig sei auch, daß nach herrschender Rechtsprechung und überwiegender Lehre die Kenntnis der Schadenshöhe nicht Voraussetzung des Verjährungsbeginns sei. Vorliegendenfalls sei jedoch davon auszugehen, daß zwischen den Streitteilen Vereinbarungen getroffen wurden, die auch die Fälligkeit allfälliger Pönaleforderungen der Klägerin regeln und daher auch für die Frage des Verjährungsbeginnes relevant sind. Da die Streitteile nicht einen von den schriftlichen Vertragsbedingungen abweichenden Parteiwillen behauptet hätten, seien die schriftlichen Pönalevereinbarungen aufgrund ihres Wortlautes sowie aufgrund ihres aus den Urkunden selbst ersichtlichen Geschäftszweckes so auszulegen, wie es der Übung des redlichen Verkehres entspreche. Gemäß Punkt 3.0. des zwischen den Parteien geschlossenen schriftlichen Werkvertrages vom 23.April 1979 würden die schon erwähnten Unterlagen in der schon erwähnten Reihenfolge der Aufzählung als Bestandteile dieses Werkvertrages gelten. Damit hätten die vertragschließenden Teile klar zum Ausdruck gebracht, daß die Vereinbarungen des Werkvertrages vom 23.April 1979 Vorrang gegenüber den in der Folge aufgezählten "Unterlagen" haben sollen. In diesem Werkvertrag sei zu Punkt 9.0. festgehalten, daß sich die Auftragnehmer ergänzend zu den Haftungsbestimmungen Punkt 1.3.4. der rechtlichen und technischen Vertragsbedingungen verpflichten, vom Zeitpunkt des Entstehens einer Pönaleverpflichtung an bis zur endgültigen Baufertigstellung zusätzlich zu dem normgemäßen Deckungsrücklaß bzw. diesbezüglichen Bankgarantiebrief am Ersten eines jeden Monats einen Bankgarantiebrief in der Höhe des im kommenden Monat entstehenden Pönalebetrages vorzulegen. Der vorläufigen Pönaleberechnung werde die im Einvernehmen mit der Bauoberleitung geschätzte Schlußabrechnungssumme zugrunde gelegt. Ein Barabzug allfälliger Pönalebeträge von den laufenden Teilleistungsrechnungen erfolge aber nicht. Der Berufung sei darin beizupflichten, daß aufgrund dieses Vertragspunktes die Klägerin im Fall einer Terminüberschreitung berechtigt gewesen sei, von den Beklagten eine Sicherstellung ihrer Pönaleforderung durch Vorlage eines Bankgarantiebriefes zu verlangen, nicht jedoch die Zahlung der entsprechenden Pönalebeträge. Dies werde auch dadurch klargestellt, daß ein Barabzug allfälliger Pönalebeträge von den laufenden Teilleistungsrechnungen nicht zu erfolgen habe. Diese Vertragsbestimmung stehe im Gegensatz zu Punkt 9.1. der Ö-Norm B 2110, die im übrigen laut Punkt 1.1.1. der Vertragsbedingungen nur subsidiär zu gelten habe, wonach eine vereinbarte Vertragsstrafe fällig wird, sobald der Auftragnehmer in Verzug gerät und nicht nachweisen kann, daß er den Verzug nicht zu vertreten hat. Da nach den Vereinbarungen der Parteien die Vertragsbedingungen laut Werkvertrag vom 23.April 1979 Vorrang gegenüber dem Anbot der Bietergemeinschaft J***-O*** vom 24.Juli 1978 und demnach auch gegenüber den in diesem Anbot angeführten Ö-Normen haben sollten, sei davon auszugehen, daß die Klägerin als Auftraggeberin berechtigt war, im Falle einer Terminüberschreitung zwar die Sicherstellung ihrer Pönaleforderung durch Vorlage eines Bankgarantiebriefes, nicht jedoch sofort Zahlung zu begehren. Berücksichtige man die weiteren Vertragsbedingungen über die Pönaleforderungen der Klägerin in ihrer Gesamtheit, so ergebe die Auslegung des erkennbaren Geschäftszweckes nach der Übung des rechtlichen Verkehrs, daß die Fälligkeit allfälliger Pönaleforderungen nach Legung der Schlußrechnung eintreten sollte. Dies gehe aus der Erwägung hervor, daß die Höhe der Pönalebeträge mit 0,8 %o der Schlußrechnungssumme pro Kalendertag festgesetzt wurde. Während die zu sichernde Pönaleforderung laut Punkt 9.0. des Werkvertrages vom 23.April 1979 nach der im Einvernehmen mit der Bauoberleitung geschätzten Schlußrechnungssumme zu berechnen gewesen sei, sei Voraussetzung für die Berechnung des tatsächlich zu leistenden Pönalebetrages die Legung der Schlußrechnung. Diese Vertragsbedingungen könnten daher nach Treu und Glauben nur dahin ausgelegt werden, daß die Fälligkeit der Pönaleforderungen der Klägerin frühestens mit Legung dieser Schlußrechnung durch die Beklagten eintreten sollte. Da dies nach den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes im Juli 1982 der Fall gewesen sei, sei die Pönaleforderung der Klägerin zum Zeitpunkt der Klageeinbringung nicht verjährt gewesen. Da das Erstgericht über die weiteren Einwendungen der Beklagten kein Beweisverfahren abgewickelt habe und auch keine Feststellungen zur Höhe des Klagebegehrens getroffen worden seien, sei das angefochtene Teilurteil aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen gewesen. Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes richten sich die wegen des nach § 519 Abs. 2 ZPO wegen der Voraussetzung des § 502 Abs. 4 Z 2 ZPO zutreffenden Rechtskraftvorbehaltes zulässigen, von der Klägerin beantworteten Rekurse der Erst- und Zweitbeklagten (ON 16) und der Drittbeklagten (ON 15).

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittel sind nicht gerechtfertigt.

Nach § 1336 Abs. 1 ABGB können die vertragschließenden Teile eine besondere Übereinkunft treffen, daß auf den Fall des entweder gar nicht oder nicht auf gehörige Art oder zu spät erfüllten Versprechens anstatt des zu vergütenden Nachteiles ein bestimmter Geld- oder anderer Betrag entrichtet werden solle ... Wurde die Konventionalstrafe für die Nichteinhaltung der Erfüllungszeit oder des Erfüllungsortes versprochen, so kann sie neben der Erfüllung gefordert werden.

Die Konventionalstrafe ist Schadenspauschalierung (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 1336 und die dort zitierte Judikatur). Für die Verjährung des Anspruchs auf Konventionalstrafe gilt daher § 1489 ABGB (Reischauer aaO Rz 10; Schubert in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1489 und die jeweils zitierte Rechtsprechung), d.h., daß auch diesbezüglich die Entschädigungsklagen in drei Jahren von der Zeit an verjährt sind, zu welcher der durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursachte Schade und die Person des Beschädigers (= Ersatzpflichtigen) dem Beschädigten (soweit) bekannt wurde, (daß eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann). Dies gilt nicht nur für Leistungs-, sondern auch für Feststellungsbegehren. Die Kenntnis des Schadens ist ohne Zweifel dann gegeben, wenn der Schade auch der Höhe nach bekannt ist, doch ist dies nicht erforderlich, weil mangels Kenntnis der Schadenshöhe der Eintritt der Verjährung durch Feststellungsklage verhindert werden kann (Schubert aaO Rz 3; Koziol, Haftpflichtrecht 2 I 315 f., jeweils mit weiteren Literaturhinweisen und Judikaturangaben).

Vergleichsverhandlungen bis zum Ablauf der Verjährungsfrist rechtfertigten nach der älteren Rechtsprechung, der sich das Erstgericht angeschlossen haben dürfte, gegenüber der Verjährungseinrede die Replik der Arglist. Nach der neueren Rechtsprechung liegt ein Hemmungsgrund eigener Art, nämlich eine Ablaufhemmung vor. Werden Vergleichsverhandlungen bis zum Ende der Verjährungszeit oder darüber hinaus geführt, wird der Ablauf der Verjährungsfrist hinausgeschoben. Die Verjährung tritt nicht ein, wenn nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen unverzüglich, d.h. in angemessener Frist, die Klage eingebracht wird (Schubert in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1501; Koziol-Welser, Grundriß 7 I 171; Bydlinski, Vergleichsverhandlungen und Verjährung, JBl. 1967, 130 f., insbes. 134; SZ 38/72; EvBl. 1974/158; SZ 48/33; ZVR 1979/287 u.a.). Eine solche Ablaufhemmung ist im vorliegenden Fall bei Berücksichtigung der vom Erstgericht festgestellten umfangreichen Korrespondenz zwischen den Parteien und deren festgestellten sonstigen Verhaltens anzunehmen.

In diesem Sinn ist z.B. das Schreiben an die Klägerin vom 20. Juni 1984, Beilage P, bezeichnend, in dem sich die Erstbeklagte auf Telefonate vom 30.Mai und 7.Juni 1984 bezog, in denen Direktionsrat P*** eine Stellungnahme u.a. zum Brief vom 30.Mai 1984 zugesagt habe. In diesen Telefonaten sei auch die Pönaleforderung von etwa 1,7 Mio S erörtert und auf ein klageweises Vorgehen des Bauherrn hingewiesen worden. Karl J*** bat daher um einen Termin, "um die Sache ... persönlich besprechen zu können. Wir haben aus vielen Gründen, die Ihnen möglicherweise nicht bekannt sind, die Pönalforderung zurückgewiesen und wären an einer einvernehmlichen und außergerichtlichen Lösung dieser Angelegenheit interessiert".

Genau auf derselben Linie liegt das Schreiben der A*** vom 27. Juli 1984 (Beilage Q), in welchem sie der Klägerin u.a. mitteilte, bei der Besprechung zwischen Karl J*** und Direktionsrat P*** am 2.Juli 1984 - dem vom Erstgericht festgestellten Vergleichsgespräch - sei vereinbart worden, daß Ersterer bis 4.Juli 1984 die letztgültige Stellungnahme der A*** zur Pönaleforderung abgeben werde. Im Telefonat am 4.Juli 1984 sei die Pönaleforderung nochmals entschieden abgelehnt worden, sowie der Brief der A*** an die Klägerin vom 8.August 1984 (Beilage 7) in dem u.a. unter Bezugnahme auf die schon erwähnte Besprechung vom 2.Juli 1984 ausgeführt wird, Direktionsrat P*** habe dabei mitgeteilt, daß eine außergerichtliche Bereinigung der Sache mit einem Anerkenntnis des ursprünglich geforderten Pönales von 1,7 Mill. S in der Höhe von etwa 40-50 % gefunden werden könne; im späteren persönlichen Gespräch mit Ing. J*** sei zu erkennen gewesen, daß auch bei einem Anerkenntnis der Pönaleforderung von 500.000 S eine Einigung möglich wäre; die A*** sei jedoch überzeugt, daß sie in keinem Fall an einer Termin- oder Bauverzögerung schuld sei, weshalb sie auch die Übernahme eines 30%-igen Anteils der ursprünglichen Forderung ablehne.

Daß Karl J*** bei dem Vergleichsgespräch vom 2.Juli 1984 zur Bereinigung der Pönaleforderung 100.000 S anbot, die abgelehnt wurden und daß Karl J*** dann versprach, ein Vergleichsanbot der Klägerin mit seinen Mitbietern zu diskutieren und die Klägerin zu verständigen, wurde vom Erstgericht ebenso festgestellt wie, daß Karl J*** der Klägerin nach Einbringung der Klage neuerlich einen Vergleich anbot und fragte, ob das ursprüngliche Anbot aufrecht erhalten werde.

Daraus folgt, daß durch die dargelegten Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien der Ablauf der 3-jährigen Verjährungsfrist im Sinn der obigen rechtlichen Ausführungen hinausgeschoben wurde und nicht eintrat, weil die Klage in der angemessenen Frist von 3 Monaten nach dem im August 1984 erfolgten Abbruch der Vergleichsverhandlungen eingebracht wurde.

Die den Aufhebungsbeschluß tragende Begründung des Berufungsgerichtes, daß die Pönaleforderung der Klägerin noch nicht verjährt sei, erweist sich daher schon aus dem genannten Grund als richtig, so daß auf die in den Rekursen bekämpfte Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, nach der die Verjährung der Pönaleforderung aus einem anderen Grund zu verneinen sei, nicht eingegangen werden muß. Den Rekursen ist daher nicht Folge zu geben.

Der Vorbehalt der Entscheidung über die Kosten der Rekursschriften und der Rekursbeantwortung beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.

Anmerkung

E09532

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00510.86.1217.000

Dokumentnummer

JJT_19861217_OGH0002_0030OB00510_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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