Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Ing. Gerald W***, geboren am 4. Jänner 1941, technischer Angestellter, Albrechtsstraße 58, 3400 Klosterneuburg, vertreten durch Dr. Helmut Winkler und Dr. Otto Reich-Rohrwig, Rechtsanwälte in Wien, wider die verpflichtete Partei Verlassenschaft nach dem am 19. September 1985 tot aufgefundenen zuletzt in 3400 Klosterneuburg, Kierlingerstraße 25, wohnhaft gewesenen Arzt Dr. Gunter Wolfram W***, geboren am 18. Feber 1944, vertreten durch den erbserklärten Erben mj. Michael O***, geboren am 11. Jänner 1972, Schüler, Stegleiten 90, 3400 Klosterneuburg, dieser vertreten durch die Vormünderin Maria-Anna Oman, Kindergärtnerin, Stegleiten 90, 3400 Klosterneuburg, diese vertreten durch Dr. Helmut Pfalz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einverleibung des Eigentumsrechtes nach § 350 EO (Wert des Streitgegenstandes S 393.500,-), infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 24. Juli 1986, GZ 11 R 137/86-7, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 21. März 1986, GZ 3 Cg 152/85-3, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die betreibende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Am 13. Juni 1985 erhob Ing. Gerald W*** gegen Dr. Gunter W*** beim Erstgericht zu 3 Cg 152/85 die Klage mit dem Begehren, der Beklagte sei schuldig, über seinen Drittelanteil an der Liegenschaft EZ 513 KG Klosterneuburg mit dem Kläger einen Kaufvertrag mit dem im einzelnen bezeichneten Inhalt abzuschließen, weil er sich in einem Vergleich verpflichtet habe, seinen Anteil an den Kläger um S 393.500,- zu verkaufen, der Aufforderung zur Unterfertigung des vorbereiteten Kaufvertrages aber nicht nachgekommen sei. Die Sendung mit der Gleichschrift der Klage und der Ladung zur ersten Tagsatzung für den 31. Juli 1985 wurde dem Beklagten nach § 21 Abs.2 und § 17 ZustG zu eigenen Handen durch die Hinterlegung beim Postamt 3400 Klosterneuburg zugestellt. Die Sendung galt mit dem 22. Juli 1985 als zugestellt (§ 17 Abs.3 ZustG). Auf Antrag der zur ersten Tagsatzung allein erschienenen klagenden Partei erkannte das Erstgericht durch Versäumungsurteil und gab dem Klagebegehren statt (§ 396 ZPO). Eine Ausfertigung dieses Versäumungsurteiles wurde nach § 17 ZustG dem Beklagten durch Hinterlegung beim Postamt 3400 Klosterneuburg zugestellt. Die Abholfrist begann am 23. August 1985. Die hinterlegte Sendung galt nach § 17 Abs.3 ZustG mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wurde, als zugestellt.
Die beiden Sendungen, die durch Hinterlegung zugestellt aber nicht abgeholt wurden, sind von der Post an das Gericht zurückgestellt worden (§ 19 ZustG).
Das Erstgericht, dem offenbar unbekannt geblieben war, daß der Beklagte Dr. Gunter Wolfram W*** am 19. September 1985 in seiner Wohnung Kierlinger-Straße 25 in Klosterneuburg tot aufgefunden worden war (Sterbebucheintrag Nr. 608/1985 des Standesamtes Klosterneuburg, A 743/85-1 des Bezirksgerichtes Klosterneuburg), bestätigte am 25. September 1985 in seinen Akten, daß das Versäumungsurteil vom 31. Juli 1985, 3 Cg 152/85-2, rechtskräftig und vollstreckbar sei.
Im Verlassenschaftsverfahren nach Dr. Gunter Wolfram W*** gab sein unehelicher Sohn mj. Michael O*** auf Grund des Testamentes vom 14. September 1980 zum gesamten Nachlaß die bedingte Erbserklärung ab. Das Abhandlungsgericht nahm die Erbserklärung an und überließ dem durch die Mutter als Vormünderin vertretenen minderjährigen Erben die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses (Beschluß des Bezirksgerichtes Klosterneuburg GZ A 743/85-18).
Am 20. März 1986 beantragte Ing. Gerald W*** beim Prozeßgericht, ihm gegen die verpflichtete Verlassenschaft nach dem am 19. September 1985 tot aufgefundenen Dr. Gunter W*** auf Grund des vollstreckbaren Versäumungsurteiles vom 31. Juli 1985, GZ 3 Cg 152/85-2, des Staatsbürgerschaftsnachweises, der Baulandbescheinigung, des Beschlusses des Abhandlungsgerichtes vom 27. November 1985 und der Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes vom 14. März 1986 die Exekution nach § 350 EO durch Einverleibung des Eigentumsrechtes auf dem Drittelanteil der Liegenschaft EZ 513 KG Klosterneuburg mit dem Haus in der Albrechtsstraße 58 und den Grundstücken 727/1 Garten und 727/2 Baufläche für den betreibenden Ing. Gerald W*** zu
bewilligen.
Das Erstgericht bewilligte als nach § 4 Abs.1 Z 1 EO dafür zuständiges Titelgericht die beantragte Exekution und ersuchte das Bezirksgericht Klosterneuburg als Grundbuchs- und Exekutionsgericht um den Vollzug und die Verständigung der Beteiligten. Dieses Gericht ordnete am 7. April 1986 an, daß die grundbücherliche Eintragung zu vollziehen sei.
Gegen den an die gesetzliche Vertreterin des mit der Verwaltung und Besorgung der Verlassenschaft nach Dr. Gunter W*** betrauten minderjährigen erbserklärten Erben am 14. April 1986 zugestellten Exekutionsbewilligungsbeschluß gab die Verlassenschaft am 21. April 1986 den Rekurs zur Post, in welchem unter anderem geltend gemacht wurde, das Erstgericht sei zur "Prüfung des hypothetischen Parteiwillens zur Lösung der anstehenden, im Exekutionstitel nicht geregelten Frage, wie vorzugehen sei, wenn der Verkäufer wegen seines vermutlich schon vor dem 19. September 1985 eingetretenen Ablebens den Kaufvertrag nicht mehr unterfertigen könne", verpflichtet gewesen; es habe zu Unrecht die Exekution bewilligt, obwohl die Zug-um-Zug vorgesehene Erbringung der Gegenleistung in der Form des Treuhanderlages des Kaufpreises von S 393.500,- beim Gerichtskommissär nicht nachgewiesen sei. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der verpflichteten Partei Folge, änderte den erstrichterlichen Beschluß dahin ab, daß der Exekutionsantrag abgewiesen wird, und sprach aus, daß der Wert des "Beschwerdegegenstandes" (= Wert des Streitgegenstandes, über den das Rekursgericht entschieden hat) S 300.000,- übersteigt. Das Rekursgericht verstand Punkt II des nach dem urteilsmäßigen Leistungsauftrag abzuschließenden und daher mit Rechtskraft des Urteils abgeschlossenen (§ 367 Abs.1 EO) Kaufvertrages dahin, daß der Kaufpreis jedenfalls vor der Einverleibung des Eigentums des Käufers auf dem Liegenschaftsanteil zu zahlen sei, weil dort vorgesehen sei, daß der Kaufpreis nach Unterfertigung und Übergabe der Kaufvertragsurkunde an den Käufer aber gleichzeitig mit der Übergabe des Beschlusses über die Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung zur Zahlung fällig werde. Dem Grundbuchsgesuch müsse der Rangordnungsanmerkungsbeschluß beigelegt werden. Die betreibende Partei habe die Erfüllung der ihr obliegenden Vorleistung nicht mittels öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde nachgewiesen (§ 7 Abs.2 EO). Deshalb sei ihr Exekutionsantrag abzuweisen, auch wenn die Vorschrift des § 367 Abs.2 EO nicht zur Anwendung komme, weil die Verpflichtung zum Abschluß des Kaufvertrages im Titel nicht von der Kaufpreiszahlung als Gegenleistung abhängig sei sondern der Kaufpreis nach Unterfertigung des Kaufvertrages fällig geworden sei. Der Kaufvertrag sei nach § 367 Abs.1 EO abgeschlossen, sobald das Urteil die Rechtskraft erlangt habe.
Gegen den abändernden Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz wendet sich der betreibende Gläubiger mit seinem nach § 78 EO, § 528 Abs.2 und § 502 Abs.4 Z 2 ZPO zulässigen Revisionsrekurs.
Rechtliche Beurteilung
Das Rechtsmittel ist im Ergebnis nicht berechtigt.
Es nützt der betreibenden Partei nichts, daß hier weder die Abgabe der Willenserklärung von einer Gegenleistung abhängig ist, so daß die geschuldete Willenserklärung schon als abgegeben gilt, wenn der Exekutionstitel die Rechtskraft erlangt hat, und nicht nach § 367 Abs.2 EO erst mit der Bewirkung der Gegenleistung seitens des betreibenden Gläubigers (Heller-Berger-Stix 2616) und daß auch der Kaufvertrag keine Zug-um-Zug-Verknüpfung zwischen der Leistung oder Sicherstellung des Kaufpreises und der bücherlichen Einverleibung des Eigentumsrechtes des Käufers enthält, weil die vorgesehene "Übergabe einer Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung" nur den den Kaufpreis leistenden Käufer vor ihm nachteiligen bücherlichen Eintragungen schützen soll. Der von der betreibenden Partei angestrebten Abänderung in die Wiederherstellung des erstrichterlichen Exekutionsbewilligungsbeschlusses steht nämlich ein Umstand entgegen, den die Vorinstanzen ebenso übersehen haben wie die betreibende Partei:
Geht man nach der Aktenlage davon aus, daß die Zustellung der Ausfertigung des Versäumungsurteiles vom 31. Juli 1985, GZ 3 Cg 152/85-2, an den Beklagten Dr. Gunter W*** durch Hinterlegung beim Postamt 3400 Klosterneuburg dem Gesetz entsprach, so hat die Berufungsfrist von vier Wochen mit der an ihn erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Urteils begonnen (§ 464 Abs.2 ZPO). Die hinterlegte Sendung gilt mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt. Die Frist von vier Wochen begann daher am 23. August 1985 zu laufen und hätte, weil auf den Ablauf der Notfristen im Rechtsmittelverfahren gegen Versäumungsurteile die Gerichtsferien keinen Einfluß haben (§ 225 Abs.2 ZPO), mit Ablauf des Freitags der letzten Woche der vierwöchigen Berufungsfrist geendet, also mit dem Ablauf des 20. September 1985, weil die Frist am Freitag, den 23. August 1985 begonnen hat (§ 125 Abs.2 ZPO). Noch vor Ablauf der Berufungsfrist ist der Beklagte, der in diesem Rechtsstreit nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war, verstorben. Sein spätestens am 19. September 1985 eingetretener Tod hatte daher nach § 155 Abs.1 ZPO die Unterbrechung des Verfahrens im Rechtsstreit zur Folge, die bis zur Aufnahme durch den Rechtsnachfolger der verstorbenen Partei andauert (§ 155 Abs.2 ZPO). Die Unterbrechung des Verfahrens hat die Wirkung, daß der Lauf einer jeden Frist zur Vornahme einer Prozeßhandlung aufhört. Mit Aufnahme des Verfahrens beginnt die Frist von neuem zu laufen (§ 163 Abs.1 ZPO). Diese Unterbrechung kraft Gesetzes dient der Sicherung des Parteiwechsels durch Gesamtrechtsnachfolge (Fasching ZPR Rz 603) und dauert jedenfalls bis zur Aufnahme des unterbrochenen Prozesses an (Fasching ZPR Rz 384). Da der Beklagte nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war und deshalb durch seinen Tod während des Laufes der Berufungsfrist gegen das Versäumungsurteil vom 31. Juli 1985 kraft Gesetzes deren Unterbrechung eintrat (Fasching ZPR Rz 598) und eine Aufnahme des unterbrochenen Prozesses bisher nicht erfolgte, steht die erst mit Fortsetzung des Rechtsstreits in voller Länge neu zu laufen beginnende Berufungsfrist noch immer zur Verfügung. Das Versäumungsurteil vom 31. Juli 1985 ist daher weder rechtskräftig (§ 411 ZPO; Fasching ZPR Rz 1494) noch vollstreckbar (§ 1 Z 1 EO). Es bildet daher keinen Exekutionstitel für die beantragte Vollstreckung des Anspruches auf Einräumung eines bücherlichen Rechtes nach § 350 Abs.1 EO, ja es sind noch nicht einmal die Wirkungen nach § 367 Abs.1 EO, die Rechtskraft des auf Abgabe einer Willenserklärung lautenden Urteiles voraussetzt, eingetreten.
Diesen Abweisungsgrund hätte schon das Erstgericht wahrnehmen müssen, weil mit dem Exekutionsantrag aktenkundig wurde, daß der nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten vertretene Beklagte vor Ablauf der Berufungsfrist und damit dem Eintritt der Rechtskraft des Versäumungsurteiles verstorben war. Der Vermerk, daß das Urteil rechtskräftig und vollstreckbar sei, stand der Prüfung der Voraussetzung, daß der Exekutionstitel keinem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtsmittel unterliegt, nicht entgegen, weil das Titelgericht die Berechtigung des Exekutionsantrages auf Grund des Aktes überprüft und daher an Hand der Aktenlage - nicht aber einer erteilten Bestätigung der Vollstreckbarkeit - festzustellen hat, ob die zu vollstreckende Entscheidung rechtskräftig ist (Heller-Berger-Stix 205). Das Titelgericht hat jedenfalls bei der Entscheidung über einen Exekutionsantrag die Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit auch dann erneut zu prüfen, wenn es schon eine Bestätigung der Vollstreckbarkeit erteilt hat. Es ist an diese, wenn sich ergibt, daß sie zu Unrecht erteilt wurde, ebensowenig gebunden wie das Rechtsmittelgericht (Heller-Berger-Stix 207; SZ 17/29 ua.). Der mit einem zulässigen Rechtsmittel angerufene Oberste Gerichtshof hatte daher bei der allseitigen rechtlichen Überprüfung das Fehlen der Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels aufzugreifen. Schon deshalb ist der Exekutionsantrag abzuweisen und die dahin wenn auch aus anderen rechtlichen Erwägungen lautende Entscheidung des Rekursgerichtes zu bestätigen.
Die Kosten des Exekutionsverfahrens hat, weil sie zur Rechtsverwirklichung nicht notwendig und dienlich waren, nach § 74 Abs.1 EO sowie nach den §§ 78 EO und den §§ 40, 41 und 50 ZPO die betreibende Partei zu tragen, ohne daß auf die Frage einzugehen ist, inwieweit der betreibende Gläubiger Kostenersatz ansprechen kann, wenn er nicht beim Grundbuchsgericht um die Bewilligung der Eintragung ansucht sondern seinen Anspruch im Wege der Exekution nach § 350 EO durchsetzt (Heller-Berger-Stix 2520 f; SZ 25/255).
Anmerkung
E09803European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00101.86.1217.000Dokumentnummer
JJT_19861217_OGH0002_0030OB00101_8600000_000