TE OGH 1986/12/18 6Ob690/86

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Veröffentlicht am 18.12.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Schlosser und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*** S***, reg. Genossenschaft mbH, 9920 Sillian, vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Peter O***, geb. 1929, Kaufmann, 9920 Sillian 82, vertreten durch Dr. Albert Heiss, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 823.598,-- s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 27. Mai 1986, GZ. 1 R 67/86-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 28. November 1985, GZ. 18 Cg 263/85-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird, soweit sie den Anspruch der klagenden Partei auf Grund der Darlehens- und Pfandbestellungsurkunde vom 25.10.1979 (S 604.244,-- s.A.) betrifft, nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die darauf entfallenden, mit S 12.172,68 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.106,61 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

2. den Beschluß

gefaßt:

a) Soweit sich die Revision gegen den berufungsgerichtlichen Ausspruch über den Anspruch der klagenden Partei auf Grund des Abstattungskreditvertrages vom 28.12.1979 (S 22.565,-- s.A.) richtet, wird sie zurückgewiesen.

In diesem Umfang haben die Streitteile die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

b. In Bezug auf den Anspruch der klagenden Partei auf Grund des Abstattungskreditvertrages vom 20.5.1980 (S 196.789,-- s.A.) wird der Akt dem Berufungsgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, seine Entscheidung durch einen Ausspruch im Sinne des § 500 Abs.3 ZPO zu ergänzen (berichtigen) und der beklagten Partei gegebenenfalls Gelegenheit zur Verbesserung des Revisionsschriftsatzes zu gewähren.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Darlehens- und Pfandbestellungsurkunde vom 25.10.1979 hat die klagende Partei dem Beklagten zwecks Umbaues des Geschäftslokales ein Darlehen von 1 Mill.S zugezählt. Mit Vertrag vom 28.12.1979 gewährte sie ihm einen Abstattungskredit von S 450.000 zur Fertigstellung des Geschäftshauses und mit Abstattungskreditvertrag vom 20.5.1981 einen weiteren Kredit von S 1,550.000,--. Die klagende Partei begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Betrages von insgesamt S 823.598,-- samt Anhang und brachte hiezu vor, zum 15.3.1985 hafteten Kreditsaldi von S 1,490.106,--, S 480.037,-- und S 1,532.148,-- aus, fällig seien jeweils zum 10.3.1985 an Annuitäten, Zinsen und Verzugszinsen Beträgen von S 604.244,--, S 22.565,-- und S 196.789,--. Die aushaftenden Beträge seien mit dem jeweils gültigen Jahreszinssatz zu verzinsen, bei Verzug mit der Zurückzahlung seien den vereinbarten Kreditzinsen 10 % Verzugszinsen hinzuzuschlagen, was zusammen 12,5 % p.A. ausmache.

Der Beklagte wendete vor allem ein, die klagende Partei habe zu Unrecht überhöhte Zinsen und außerdem Mahnspesen verrechnet, weshalb er den in der Klage begehrten Betrag nicht schuldig sei. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf - neben der wortgetreuen Wiedergabe der Vertragsurkunden - noch nachstehende Feststellungen:

Nachdem für das Unternehmen des Beklagten jahrelang keine Bilanz erstellt worden war, betraute dieser für das Wirtschaftsjahr 1983 einen Steuerberater mit dieser Aufgabe. In der Bilanz wurden sämtliche von der klagenden Partei dem Beklagten gewährte Kredite als "Fremdkapital - Langfristige Verbindlichkeiten" eingestellt; dabei wurden die jeweils von der klagenden Partei in den Kontoabschlüssen zum 31.12.1983 ermittelten Debetsalden der im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Kredite unbeanstandet übernommen. Die Unterlagen waren dem Steuerberater vom Sohn des Beklagten, Peter O*** jun., zur Verfügung gestellt worden. Eine Abschrift dieser Bilanz überließ der Beklagte der klagenden Partei zu deren weiteren Verwendung. Zum 20.11.1985 haftete auf allen drei Konten zusammen ein Debetsaldo von S 2,458.597,-- aus, der Zinsendebetsaldo betrug zum 10.3.1985 insgesamt S 823.598,--. Seit der Klagseinbringung hat der Beklagte auf die Kredite keinerlei Zahlungen geleistet. Bei einer Besprechung in den Räumen der klagenden Partei, an der unter anderen auch der Beklagte und der Geschäftsführer der klagenden Partei, Erich T***, teilnahmen, wurden zwar Möglichkeiten einer Sanierung des Unternehmens des Beklagten erörtert, eine Zinsenreduktion hat ihm indessen die klagende Partei nicht zugesagt. In die zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Kreditverträge wurden jeweils einvernehmlich die "Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Österreichischen Kreditunternehmungen" (im folgenden kurz AGBKr) einbezogen. Die Punkte 9 Abs.1 und 10 AGBKr (in der maßgeblichen Fassung) haben nachstehenden Wortlaut:

"Die Kreditunternehmung schließt die Kunden mindestens einmal jährlich ab und erteilt Rechnungsabschlüsse, und zwar in der Regel zum Jahresende; sie behält sich vor, Konten auch in anderen Zeitabständen abzuschließen. Die Kreditunternehmung übermittelt Depotaufstellungen in der Regel einmal jährlich, und zwar nach dem Stande zum Jahresende.

....." "Reklamationen gegen Auszüge über Verrechnungsperioden und gegen Rechnungsabschlüsse und die darin festgestellten Salden sowie gegen Wertpapierausstellungen müssen der Kreditunternehmung schriftlich zugehen. Sie müssen binnen vier Wochen nach Zugang des betreffenden Schriftstückes (Punkt 14) an die Kreditunternehmung abgesandt werden. Reklamationen gegen sonstige Abrechnungen und Anzeigen müssen unverzüglich erhoben werden. Durch Unterlassung rechtzeitiger Reklamation erklärt der Kunde seine Zustimmung." Die klagende Partei hat dem Beklagten die Rechnungsabschlüsse zu den vereinbarten Terminen übermittelt. Der Beklagte hat die Abschlüsse nicht beanstandet.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß der Beklagte die Salden im Sinne der Punkte 9 und 10 AGBKr rechtsgeschäftlich anerkannt habe. Dieses Anerkenntnis sei ein echter konstitutiver Feststellungsvertrag und nicht bloß ein Tatsachengeständnis. Damit sei es dem Beklagten verwehrt, einzelne in die laufende Rechnung eingestellte Posten aus früheren Rechnungsperioden als unrichtig anzufechten. Es bedürfe daher des von ihm begehrten Beweises durch Vernehmung eines banktechnischen Sachverständigen nicht. Daß der Beklagte möglicherweise die Schuldurkunden vor Unterfertigung nicht gelesen habe, könne am Ergebnis nichts ändern, weil die Unterfertigung des Vertragstextes als Einverständnis im Sinne einer rechtsverbindlichen Willenserklärung umso mehr dann gelte, wenn der Unterfertigende - wie der Beklagte - als Kaufmann zu besonderer Sorgfalt verpflichtet sei.

Der lediglich eine Mängelrüge ausführenden Berufung gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Es führte aus, der Beklagte wende sich lediglich gegen die Unterlassung der Einholung des wiederholt begehrten Sachverständigengutachtens und die Zurückweisung des darauf abzielenden Beweisantrages wegen Spruchreife bzw. aus Gründen der Prozeßverschleppung (§ 275 Abs.1 und 2 ZPO). Dem sei entgegenzuhalten, daß die unterlassene Beweisaufnahme dann nicht notwendig gewesen wäre, wenn ein Saldoanerkenntnis durch den Beklagten angenommen werden könne, wie dies das Erstgericht getan habe. Diese Ansicht sei zu billigen. Durch das Stillschweigen des Bankkunden komme ein rechtsgeschäftliches Anerkenntnis als Feststellungsvertrag zustande, der konstitutiven Charakter habe. Gehe man von den Feststellungen des Erstgerichtes aus, so habe der Beklagte diese Rechtswirkung zumindest für die Zeit bis 31.12.1983 nicht nur durch sein Stillschweigen, sondern auch dadurch schlüssig herbeigeführt, daß er die jeweils in den Kontoabschlüssen ausgewiesenen Debetsalden zum 31.12.1983 seinem Steuerberater zur Einarbeitung in die Bilanz für das Wirtschaftsjahr 1983 übergeben habe. Der begehrte Sachverständigenbeweis hätte deshalb am Verfahrensergebnis nichts ändern können, weshalb die Zurückweisung dieses Beweisantrages schon aus diesem Grunde berechtigt gewesen sei, ohne daß auf die Frage der Prozeßverschleppung eingegangen werden müsse.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten gegen das berufungsgerichtliche Urteil erhobene Revision ist teils nicht berechtigt, teils nicht zulässig und zum Teil kann über sie derzeit noch nicht befunden werden. Ebenso wie für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Revision überhaupt mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche nur dann zusammenzurechnen sind, wenn sie in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang stehen und das Berufungsgericht über sie entschieden hat, ist auch die Zulässigkeit der Revision gegen ein Urteil, womit das Berufungsgericht über mehrere Ansprüche, die weder in einem rechtlichen noch tatsächlichen Zusammenhang stehen, entschieden hat, je nach Art und Streitwert der einzelnen Ansprüche gesondert zu prüfen. Werden demnach Ansprüche aus mehreren miteinander nicht zusammenhängenden Verträgen - so wie hier aus einem Darlehen und aus Abstattungskreditverträgen, die nicht bloß zu verschiedenen Zeitpunkten zustandegekommen sind, sondern für die auch verschiedene Konten geführt werden (AS 63 ff.), sodaß sie jeweils getrenntem rechtlichen Schicksal unterworfen sind - geltend gemacht, ist ein rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang zu verneinen (Fasching Komm.I 344). Jeder dieser drei Verträge ist vielmehr, soweit es um die Zulässigkeit der Revision geht, gesondert zu beurteilen (vgl. JBl. 1982, 380; SZ 43/185 u.a.).

Wenn auch die klagende Partei jeweils nur einen Teil der auf den drei Kreditkonten aushaftenden Salden eingeklagt hat, so daß für die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichtes jeweils der Gesamtbetrag der noch unberichtigten Kapitalsforderung maßgebend ist (§ 55 Abs.3 JN), so ist dennoch für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision (und zwar in Ansehung jedes einzelnen Anspruches der klagenden Partei) nur der Streitwert, über den das Berufungsgericht tatsächlich entschieden hat, und nicht der volle Forderungsbetrag bestimmend (JBl. 1975, 493; SZ 28/10; SZ 24/61 u.v.a.). An dieser ständigen Rechtsprechung ist auch nach der Zivilverfahrens-Novelle 1983 festzuhalten, weil durch dieses Gesetz die Rechtslage insoweit nicht geändert wurde; maßgebend ist nach wie vor der Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entscheidet. Daraus folgt, daß die Revision in Bezug auf die Forderung aus dem Abstattungskreditvertrag vom 28.12.1979 (S 22.565,--) gemäß § 502 Abs.3 ZPO unzulässig ist, weil der vom bestätigenden berufungsgerichtlichen Urteil betroffene Streitwert S 60.000,-- nicht übersteigt, und in Ansehung des Anspruches aus dem Abstattungskreditvertrag vom 20.5.1980 (S 196.789,--) über das Rechtsmittel noch nicht entschieden werden kann, weil es das Berufungsgericht trotz eines Streitwertes, der zwar S 60.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt, unterlassen hat, gemäß § 500 Abs.3 ZPO auszusprechen, ob die Revision nach § 502 Abs.4 Z 1 ZPO zulässig ist. Diesen Ausspruch wird das Berufungsgericht deshalb nachzuholen haben.

Soweit die Revision den Ausspruch des Berufungsgerichtes über den Klagsanspruch aus dem Darlehen vom 25.10.1979 (S 604.244,--) betrifft, ist vorab festzuhalten, daß der Beklagte seine Berufung auf die Rüge beschränkt hat, das Erstgericht habe zu Unrecht seinen Antrag auf Vernehmung eines banktechnischen Sachverständigen abgelehnt. Eine Rechtsrüge hat er dagegen weder ausgeführt, noch findet sich in seinen Ausführungen zur Mängelrüge ein Vorbringen, das als Bekämpfung der erstinstanzlichen Sachbeurteilung verstanden werden kann. Das Erstgericht hat - schon aus rechtlichen Erwägungen - den beantragten Sachverständigenbeweis als unerheblich und damit als entbehrlich abgetan, weil der Beklagte die in die Rechnungsabschlüsse einbezogenen Posten infolge stillschweigenden konstitutiven Anerkenntnisses gemäß Pkt.10 der in die Kreditverträge einbezogenen AGBKr nicht mehr anfechten könne (AS 97 f.). Das Gericht zweiter Instanz hat die Mängelrüge deshalb als nicht berechtigt erkannt, weil die unterlassene Beweisaufnahme lediglich der Feststellung der einzelnen in die Rechnungsabschlüsse eingestellten Posten dienen könne, diese Posten aber nach der schon dargestellten Rechtsauffassung des Erstgerichtes nicht mehr angefochten werden könnten; dem Berufungsgericht sei es daher mangels Ausführung einer Rechtsrüge verwehrt, diese - von ihm im übrigen in hilfsweiser Darlegung gebilligte - Rechtsansicht des Erstgerichtes zu überprüfen.

Soweit der Beklagte diese - in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre und Rechtsprechung (SZ 57/66 mwN) ausgesprochene - Rechtsauffassung des Erstgerichtes nunmehr erstmals in der Revision bekämpft, genügt der Hinweis auf die ständige Judikatur (SZ 50/152; zuletzt 1 Ob 506/86 u.v.a.), wonach die unterlegene Partei, die ihre Berufung nicht auch auf den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützt hat, die von ihr versäumte Rechtsrüge in der Revision nicht mehr nachtragen kann. Soweit hingegen der Beklagte seine schon in der Berufung ausgeführte Mängelrüge in der Revision wiederholt, ist er darauf zu verweisen, daß angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind, nicht nach § 503 Abs.1 Z 2 ZPO geltend gemacht werden können (SZ 22/106 u. v.a.).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 43 Abs.1 und 50 ZPO. Die von der beklagten Partei verzeichneten Kosten des Revisionsverfahrens waren auf die einzelnen Ansprüche aliquot aufzuteilen (daher rund 73 % im Umfang der Revisionsstattgebung). Da die klagende Partei auf die Unzulässigkeit der Revision in Ansehung des Anspruches von S 22.565,-- nicht hingewiesen hat, hat sie insoweit die Kosten selbst zu tragen.

Anmerkung

E10022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0060OB00690.86.1218.000

Dokumentnummer

JJT_19861218_OGH0002_0060OB00690_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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