Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Kurt T***, Inhaber eines technischen Büros für Maschinenbau, Graz, Jakob Redtenbachergasse 22, vertreten durch Dr. Franz M. Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei S*** I*** O*** L***, Direktion für
Österreich, Wien 1., Dr. Karl Lueger-Ring 10, vertreten durch Dr. Wolfgang Taussig, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 10. September 1986, GZ 6 R 143/86-13, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 23. Mai 1986, GZ 19 Cg 357/85-9, aufgehoben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache zu Recht erkannt:
Die beklagte Partei hat der klagenden Partei auf Grund des Haftpflichtversicherungsvertrages Polizze-Nr. 03 L 000043 für die aus der Ausführung des Auftrages Bestellnummer 4-1937/340 von der Firma W*** W*** & Co GesmbH, Wies, Altenmarkt 143, abgeleiteten Schadenersatzansprüche Versicherungsschutz zu gewähren. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 47.290,65 bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen (darin enthalten S 13.200,- Barauslagen und S 3.099,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Unstrittig ist, daß der Kläger für die Firma W*** W*** & Co GmbH (im folgenden nur Firma W***) die Konstruktionspläne für Stream-Splitter machte. Die Firma W*** verkaufte die auf Grund der Konstruktionspläne des Klägers hergestellten Maschinen an die Firma S***-W***, die sie nach Schweden exportierte. Die Firma W*** behauptet, daß infolge eines Fehlers in den Konstruktionsplänen Mängel an den Maschinen in Schweden aufgetreten sind. Die Firma W*** leitete daraus Schadenersatzansprüche gegen den Kläger ab. Der Kläger hat mit der beklagten Partei eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen, der die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung von befugten technischen Büros (AHTB) zugrundeliegen. Er begehrt die Feststellung der Deckungspflicht der beklagten Partei.
Nach dem Standpunkt der beklagten Partei handle es sich um Gewährleistungsansprüche, die nicht unter das versicherte Risiko fielen. Die beklagte Partei beruft sich überdies auf die Ausschlußtatbestände nach Art. 6 Punkt 1.3.1 und Art. 6 Punkt 4.2 der AHTB und auf Leistungsfreiheit nach § 61 VersVG, weil der Kläger den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe. Nach Art. 1 Punkt 1.1 AHTB übernimmt es der Versicherer, die Folgen von Schadenersatzverpflichtungen aus Personenschäden und sonstigen Schäden zu tragen, die dem Versicherungsnehmer aus der in der Polizze bezeichneten beruflichen Tätigkeit (dem versicherten Risiko) auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes erwachsen. In diesem Rahmen übernimmt der Versicherer auch die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Abwehr einer von einem Dritten ungerechtfertigterweise behaupteten Schadenersatzverpflichtung.
Nach Art. 1 Punkt 2 AHTB umfaßt die Versicherung nach Maßgabe dieser Bedingungen alle jene Tätigkeiten, zu denen der Versicherungsnehmer auf Grund der für seinen Beruf bestehenden Gesetze, Verordnungen und behördlichen Vorschriften berechtigt ist, und erstreckt sich auch auf Schadenersatzverpflichtungen aus Schäden, die an dem Produkt bzw. Werk oder einem Teil eines solchen selbst entstehen, das von einem Dritten auf Grund der das versicherte Risiko bildenden Tätigkeit des Versicherungsnehmers ausgeführt oder bearbeitet wird. Ausgenommen sind Schäden am Produkt bzw. Werk und durch das Produkt bzw. Werk, das vom Versicherungsnehmer oder einer von ihm wirtschaftlich abhängigen Firma bzw. von einer Firma, von der der Versicherungsnehmer wirtschaftlich abhängig ist, hergestellt, geliefert oder montiert wurde. Nach Art. 6 der AHTB erstreckt sich die Versicherung unter anderem nicht auf Schadenersatzverpflichtungen aus sich im Ausland auswirkenden Verstößen (Art. 6 Punkt 1.3.1) und wegen Nichterfüllung oder nicht rechtzeitiger Erfüllung von Verträgen (Art. 6 Punkt 4.2). Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach den AHTB seien Schäden von der Versicherung ausgenommen, die durch die von der klagenden Partei hergestellten bzw. gelieferten Konstruktionspläne entstünden; gerade solche Schäden seien Gegenstand des erhobenen Begehrens.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Nach Auffassung des Berufungsgerichtes falle unter die Begriffe "Produkt und Werk" im Sinne des Art. 1 Punkt 2 der AHTB, nicht auch die geistige Leistung des Versicherungsnehmers als die das versicherte Risiko bildende Tätigkeit. Im übrigen habe sich die beklagte Partei auf den Ausschluß nach Art. 1 Punkt 2 der AHTB nicht berufen. Die übrigen von der beklagten Partei geltend gemachten Ausschlußtatbestände seien mit den Parteien aber noch zu erörtern und zu prüfen. Dem Ausschlußtatbestand des Art. 6 Punkt 1.3.1 könne der Versicherungsfall aber nicht schon deshalb unterstellt werden, weil die Maschinen nach Schweden exportiert worden seien. Der Verstoß des Klägers habe sich bereits im Inland durch die Herstellung der fehlerhaften Maschinen ausgewirkt. Auf Leistungsfreiheit nach § 61 VersVG wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles könne sich die beklagte Partei nicht stützen, weil diese Bestimmung im Bereich der Haftpflichtversicherung durch § 152 VersVG eingeschränkt worden sei. Die von der beklagten Partei als zu weit und zu unbestimmt bemängelte Fassung des Klagebegehrens werde allenfalls zu präzisieren sein.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen den Aufhebungsbeschluß gerichtete Rekurs der beklagten Partei ist nur im Sinne des Eventualantrages auf Sachentscheidung gerechtfertigt.
Richtig ist, daß die Klage ein bestimmtes Begehren enthalten muß, an das das Gericht gebunden ist. Mängel des vom Kläger vorformulierten Urteilsantrages sind jedoch dann unschädlich, wenn sich aus dem Sachvorbringen die begehrte Leistung oder Feststellung einwandfrei ableiten läßt. In diesem Falle kann das Gericht dem Sachantrag eine klarere und deutlichere Fassung geben und den Urteilsspruch mit den zur Bestimmtheit erforderlichen Angaben ergänzen, selbst wenn es damit vom Wortlaut des nur unrichtig formulierten Begehrens abweicht. Dies gilt nicht nur in erster Instanz, sondern auch in höherer Instanz (Fasching III 646; SZ 37/28 uva). Im vorliegenden Fall behauptet der Kläger den Eintritt eines ganz bestimmt bezeichneten Versicherungsfalles im Rahmen einer Haftpflichtversicherung und daß der geschädigte Dritte bereits Ansprüche gegen ihn geltend macht, die beklagte Partei jedoch ihre Deckungspflicht bestreitet. Mit einem richtig als Feststellungsbegehren formulierten Antrag strebt der Kläger ersichtlich nichts anderes an, als die Feststellung der Deckungspflicht der beklagten Partei, welches Begehren eine eindeutige Grundlage im Sachvorbringen hat. Der Versicherungsfall ist durch die Bestimmung des Dritten und die Bestellnummer hinreichend präzisiert. Einer genauen Bezeichnung der Konstruktionspläne bedarf es nicht. Aus der Benennung des Dritten und der der Leistung des Klägers zugrundeliegenden Bestellnummer läßt sich einwandfrei die Handlung des Klägers bestimmen, die Grundlage der vom Dritten erhobenen Schadenersatzansprüche ist, die die beklagte Partei allenfalls zu befriedigen oder abzuwehren hat. Hinsichtlich der Art der gegen den Kläger erhobenen Ansprüche beruft sich die beklagte Partei zu Unrecht auf die Bezeichnung durch den Kläger (AS 4), weil es für die Beurteilung des Anspruches auf dessen Inhalt und nicht auf die von den Parteien gewählte Bezeichnung ankommt. Nach dem von der beklagten Partei überdies unbestrittenen Vorbringen (AS 3) macht die Firma W*** aber keinen der im § 932 Abs. 1 Satz 1 ABGB bezeichneten Ansprüche geltend, sondern einen Mängelfolgeschaden. Richtig hat das Berufungsgericht erkannt, daß ein Ausschluß nach Art. 1 Punkt 2 Satz 2 AHTB von der beklagten Partei nicht geltend gemacht wurde und daher auch nicht zu erörtern ist. Zu prüfen sind lediglich die Ausschlußtatbestände nach Art. 6 Punkt 1.3.1 und Art. 6 Punkt 4.2. der AHTB. Nach Art. 6 Punkt 1.3.1 erstreckt sich die Versicherung nicht auf Schadenersatzverpflichtungen aus sich im Ausland auswirkenden Verstößen. Eine Auslandsklausel enthalten auch die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (Art. 3 Z 1 AHVB 1978 und AHVB 1986) und die deutschen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (§ 4 I Z 3 AHB). Zweck dieser Klauseln ist es, das Risiko wegen der Schwierigkeit der Aufklärung des Versicherungsfalles im Ausland überschaubar zu machen. Die Wirksamkeit des Versicherungsschutzes bei einer solchen Klausel richtet sich nach der Ereignistheorie. Es kommt nicht darauf an, wo die Ursache (der Verstoß) gesetzt wurde, sondern darauf, wo das Schadenereignis eingetreten ist (Achatz ua, Erläuterungen zu den Allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen 1978, 61 und 1986, 67; Wussow, AHB 6 311 f; Bruck-Möller-Johannsen, VVG 8 IV 397 f.). Die Ähnlichkeit des Regelungszweckes dieser Auslandsklauseln mit der Ausschlußbestimmung des Art. 6 Punkt 1.3.1 AHTB rechtfertigt es, auch letztere nach der Ereignistheorie auszulegen. Der Wortlaut zwingt nicht zu einem anderen Verständnis, weil bei einem Auseinanderfallen zwischen Verstoß und Schadenereignis unter dem Ort, an dem sich der Verstoß auswirkt, nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der Ort zu verstehen ist, an dem das Schadensereignis eintritt. Nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichtes ist im vorliegenden Fall das Schadenereignis im Inland eingetreten, weil hier auf Grund der fehlerhaften Konstruktionspläne des Klägers von seinem Besteller, der Firma W***, ein mangelhaftes Produkt hergestellt wurde. Der anspruchsbegründende Sachverhalt, der die Deckungspflicht der beklagten Partei auslöst, wurde im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Drittem zur Gänze im Inland verwirklicht. Darauf, daß der Mangel erst beim Betrieb der Maschine im Ausland entdeckt wurde, kommt es nicht an.
Abzulehnen ist schließlich auch der Standpunkt der beklagten Partei, daß ein Ausschluß nach Art. 6 Punkt 4.2 der AHTB vorliege. Nach dem klaren Wortlaut betrifft diese Bestimmung nur Schadenersatzansprüche wegen Nichterfüllung. Der geschädigte Dritte macht im vorliegenden Fall jedoch keine Schadenersatzansprüche wegen Nichterfüllung geltend, er begehrt vielmehr den Ersatz eines Mangelfolgeschadens.
Da die Inanspruchnahme des Klägers durch den Dritten und die Art der erhobenen Ansprüche nicht strittig sind, die von der beklagten Partei geltend gemachten Ausschlußgründe schon nach dem unstrittigen Sachvorbringen nicht vorliegen, ist die Streitsache zur Entscheidung reif, sodaß der Oberste Gerichtshof durch Urteil in der Sache selbst, auch zum Nachteil des Rekurswerbers, erkennen kann (§ 519 Abs. 2 ZPO; Fasching LB Rdz 1823).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E10784European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00054.86.1218.000Dokumentnummer
JJT_19861218_OGH0002_0070OB00054_8600000_000