Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Jänner 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Müller, Dr.Felzmann, Dr.Brustbauer (Berichterstatter) und Dr.Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Aumann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Helmut Ernst M*** wegen des Vergehens nach § 16 SuchtgiftG. a.F. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengerichts vom 19.August 1986, GZ. 29 Vr 810/86-71, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr.Scheibenpflug, und des Verteidigers Dr.Broesigke, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Helmut Ernst M*** wurde des Vergehens nach § 16 Abs. 1 Z. 1 und 2 und Abs. 2 SuchtgiftG. a.F. schuldig erkannt. Darnach hat er vom Oktober 1984 bis Mitte August 1985 Paracod(e)in und Scottopect nicht nur unberechtigt zum Eigenverbrauch erworben und besessen, sondern auch mit gewerbsmäßiger Absicht diese Medikamente und zwar Paracodin in Flaschen zu je 30 Gramm und Scottopect in Flaschen zu je 20 Gramm zahlreichen unbekannt gebliebenen Suchtgiftabhängigen überlassen. Ferner hat M*** im März 1986 ein Gramm Heroin ebenfalls nicht nur zum Eigenverbrauch erworben und besessen, sondern auch davon insgesamt 5 Briefchen an zwei namentlich bekannte Frauen zu je 500 S verkauft.
Den Schuldspruch betreffend Paracodin und Scottopect (1.1.1 und 1.2.1) ficht der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs. 1 Z. 5, 9 lit. b und 10 StPO. an.
Nicht einen Begründungs- (Z. 5), sondern einen Feststellungsmangel (Z. 9 lit. a) macht der Beschwerdeführer geltend, wenn er für nicht ausreichend begründet erachtet, daß die Medikamente Paracodin und Scottopect (als Zubereitungen, die Codein bzw. Dihydrocodein enthalten) dem SuchtgiftG. unterfallen, weil deren Zusammensetzung in bezug auf Anhang III Punkt 1 zur Suchtgiftverordnung nicht ausgewiesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Suchtgifte im Sinn des § 1 Abs. 1 SuchtgiftG. sind alle Stoffe und Zubereitungen, die durch die Einzige Suchtgiftkonvention (BGBl. Nr. 531/1978) Beschränkungen in der Erzeugung (Gewinnung und Herstellung), im Besitz oder Verkehr, ferner in der Ein-, Aus- und Durchfuhr, in der Gebarung oder in der Anwendung unterworfen sind. Diese Voraussetzung trifft sowohl auf Codein und Dihydrocodein (Anhang II der ESK) als auch auf Zubereitungen, wenngleich von geringer Konzentration, mit diesen Stoffen (Anhang III der ESK) zu. Daß der Anhang III keine Ausnahmen von der Behandlung der dort aufgezählten Substanzen als Suchtgifte normiert, ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 lit. u, 2 Abs. 4, 3 Abs. 4 und 6, 20 Abs. 1 lit. b und 31 Abs. 16 ESK. Darnach besteht die "Ausnahme", die der Anhang III gegenüber den anderen Anhängen schafft, nur in den besonderen Regelungen, welche die vorangeführten Artikel (1, 2, 3, 20 und 31) für die laut Anhang III zusammengesetzten Zubereitungen vorsehen. Auch nach § 1 der Suchtgiftverordnung 1979 (BGBl. Nr. 390) unterliegen unter anderem sowohl Codein und Dihydrocodein (Anhang II der SuchtgiftV.) als auch pharmazeutische Zubereitungen von Codein und Dihydrocodein, welche je Einzeldosis nicht mehr als 100 Milligramm Suchtgift oder 2,5 % in unaufgeteilten Dosen enthalten (Anhang III der SuchtgiftV.), den Bestimmungen der Einzigen Suchtgiftkonvention, des Suchtgiftgesetzes und dieser Verordnung "als Suchtgifte im Sinne des § 1 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes". Daß die Konzentration von Dihydrocodein bzw. Codein in den urteilsgegenständlichen Medikamenten höher als erwähnt gewesen sei, wird vom Angeklagten nicht behauptet und es wäre dies auch nicht zu seinem Vorteil, denn eine höhere Konzentration würde ungeachtet des Anhangs III Punkt 1 der SuchtgiftV. schon zufolge Anhang II als Suchtgift gelten. In Hinsicht auf Anhang III zur SuchtgiftV. gilt das gleiche wie rücksichtlich Anhang III zur Einzigen Suchtgiftkonvention: Die im Anhang III der SuchtgiftV. bezeichneten, geringer konzentrierten Zusammensetzungen sind von den undifferenzierten Aufzählungen der anderen Anhänge nur insofern "ausgenommen", als für sie eigene Gebarungs- und Verschreibungsregeln gelten (siehe §§ 2 Abs. 4, 5 Abs. 1 und 2, 14 Abs. 1 Z. 4 und 8, 15 Abs. 2 und Abs. 5 Z. 4, 19 Abs. 2 SuchtgiftV.). Das Erstgericht konnte daher auf eine Feststellung des Ausmaßes der Suchtgiftanteile in den angeführten Heilmitteln verzichten und beide Medikamente als Suchtgifte beurteilen. Soweit der Beschwerdeführer eine Nichtigkeit (Z. 5) darin erblickt, daß die Suchtgiftqualifikation der gegenständlichen Medikamente auf ein in einer anderen Strafsache eingeholtes Amtsgutachten des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz gestützt wurde, ohne daß dieses Gutachten in der Hauptverhandlung verlesen worden sei, ist ihm zu entgegnen, daß dies ohnehin geschah (S. 484 f.).
Unter Z. 9 lit. b rügt der Angeklagte, daß ihm nicht der Entschuldigungsgrund des Rechtsirrtums (§ 9 StGB.) zugebilligt wurde.
Abgesehen davon, daß das Erstgericht auf das Einbekenntnis des Angeklagten in der Hauptverhandlung hingewiesen hat, die Unrechtmäßigkeit der Abgabe der Medikamente an ihn sei ihm klar gewesen (S. 499, 468 f.), woraus ohne Verstoß gegen die Denkgesetze das Wissen um das Unrecht seines gesamten Verhaltens abgeleitet werden kann, hat es auch zutreffend den Standpunkt vertreten, daß selbst bei Vorliegen eines Rechtsirrtums dieser gemäß § 9 Abs. 2 StGB. vorwerfbar und infolgedessen unbeachtlich wäre. Dem Angeklagten, der seit vielen Jahren drogensüchtig ist, unter dessen Vorstrafen sich vier nach dem Suchtgiftgesetz finden und der sich über die Unrechtmäßigkeit der Abgabe der suchtgifthältigen Medikamente im klaren war, mußten angesichts des Bezugs von mindestens 520 Fläschchen Paracodin und Scottopect innerhalb von zehn Monaten, die er teils zugegebenermaßen zur Befriedigung seiner Sucht verbrauchte und zum anderen Teil zum gleichen Zweck an andere Suchtgiftabhängige weitergab, wenigstens Zweifel daran entstehen, ob sein Verhalten rechtmäßig ist. Daran knüpfte sich seine Erkundigungspflicht, welcher er nicht nachgekommen ist. Schon ein solcher - vom Täter nicht aufgeklärter - Zweifel, umso mehr aber ein Wissen um das Unrecht des eigenen Verhaltens verweist die Behauptung eines Rechtsirrtums (§ 9 StGB.) ins Leere.
Soweit der Beschwerdeführer schließlich die Annahme gewerbsmäßigen Handelns (Z. 10) zu bekämpfen trachtet, bringt er den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung, weil er nicht von den getroffenen Feststellungen tatsächlicher Art ausgeht, welche den Voraussetzungen des § 70 StGB. entsprechen (S. 494, 498), sondern von urteilsfremden Prämissen. Der Angeklagte wurde nach dem zweiten Strafsatz des § 16 Abs. 2 SuchtgiftG. unter Anwendung des § 28 StGB. zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Als erschwerend wurden die mehrfachen, rückfallbegründenden Vorstrafen, die Deliktskonkurrenz (gleichartige Realkonkurrenz: siehe LSK. 1977/169, 1979/351) sowie die Fortsetzung der Suchtgiftdelikte unmittelbar nach der letzten einschlägigen Verurteilung gewertet, mildernd fiel das teilweise Geständnis ins Gewicht.
Der Angeklagte vermag keine Umstände zu nennen, die seine Taten in einem milderen Licht erscheinen ließen. Sein Hinweis, daß er selbst süchtig ist und die Taten vorwiegend zur Befriedigung der eigenen Sucht begangen habe, scheitert als Milderungsgrund an der festgestellten gewerbsmäßigen Absicht.
Die Strafe erweist sich nicht als überhöht.
Anmerkung
E09919European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0130OS00171.86.0108.000Dokumentnummer
JJT_19870108_OGH0002_0130OS00171_8600000_000