TE OGH 1987/1/15 7Ob728/86

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Veröffentlicht am 15.01.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Hule, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Mag. Margareta S***, Apothekenleiterin, Wien 10, Laaerbergstraße 32/1/48, vertreten durch Dr. Adolf Lientscher, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die Antragsgegner 1.) Norbert S***, Hauptschuloberlehrer, Böheimkirchen, Stockhofstraße 15, vertreten durch Dr. Herbert Gradl, Rechtsanwalt in St. Pölten, und

2.) Erhard S***, Lehrer, Böheimkirchen, Stockhofstraße 15, wegen Benützungsregelung infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgerichtes vom 15. Oktober 1986, GZ. R 559/86-37, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 29. Juli 1986, GZ. 3 Nc 87/83-30, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin begehrt die Vornahme einer gerichtlichen Regelung der Benützung der Liegenschaft EZ 390, KG Böheimkirchen, die zu 15/32 Anteilen in ihrem Eigentum, zu 9/32 Anteilen im Eigentum des Norbert S*** und zu 8/32 Anteilen im Eigentum des Erhard S*** steht. Norbert und Erhard S*** sind die Brüder der Antragstellerin. Die Liegenschaft besteht aus den Grundstücken 443/3 (675 m 2 ), 456/13 (701 m 2 ) und 173 mit dem Haus Stockhofstraße 15 (460 m 2 ). Die Grundstücke grenzen aneinander und werden als Garten benützt; außer dem Wohnhaus befinden sich auf den Grundstücken 4 Schuppen und mehrere Obstbäume.

Das Erstgericht regelte die Benützung in der Weise, daß es bestimmte näher bezeichnete Räume im Wohnhaus sowie die Schuppen den Miteigentümern zu ihrer alleinigen Benützung, bestimmte Räume (Keller, Vorzimmer, Küche, Waschküche, WC, Vorraum im 1. Stock des Gebäudes und Dachboden) sowie die Gartengrundstücke aber allen Miteigentümern zur gemeinsamen Benützung zuwies. Es traf detaillierte Feststellungen über Lage und Beschaffenheit der Liegenschaft, insbesondere der im Wohnhaus vorhandenen Räume, sowie über die persönlichen und die Wohnverhältnisse der Parteien, von denen nur Norbert S*** - und zwar seit jeher - in dem auf der Liegenschaft befindlichen Haus wohnt. Das Erstgericht stellte auch fest, daß in Schenkungsverträgen, mit denen der Vater der Parteien dem Erstantragsgegner drei seiner 6/16 Anteile an der Liegenschaft, dem Zweitantragsgegner einen von den danach noch verbliebenen 3/16 Anteilen übertrug, Bestimmungen enthalten sind, wonach die Geschenknehmer das Recht aller Miteigentümer anerkennen, die Liegenschaft EZ 390 Grundbuch Böheimkirchen unbehindert zu betreten, die gemeinsame Küche und das Klosett zu benützen, sowie das Recht der Antragstellerin und des Erhard S*** an der Benützung je eines bestimmten Zimmers (die Benützung dieser Räume beließ das Erstgericht bei der von ihm vorgenommenen Regelung den genannten Parteien). In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, daß jeder Miteigentümer Anspruch auf eine seinem Miteigentumsanteil entsprechende Sachbenützung habe, wobei aber die Umstände des Einzelfalles nicht außer Acht gelassen werden dürften. Dazu gehöre unter anderem die Berücksichtigung des persönlichen Bedarfs. Bestehe auf "beiden" Seiten Bedarf, sei eine Interessenabwägung zwischen den einander gegenüberstehenden Parteien vorzunehmen. Die Aufteilung sei nach Billigkeit vorzunehmen. Die Benützungsregelung sei im Außerstreitverfahren zu treffen. Das Erstgericht begründete im einzelnen die von ihm vorgenommenen Zuweisungen und führte zur Belassung der Gartengrundstücke in der gemeinsamen Benützung der Parteien aus, daß ein besonderer Bedarf einer der Parteien auf alleinige Benützung eines Grundstückes nicht bestehe, einer der Miteigentümer durch die alleinige Benützung eines Grundstückes bevorzugt würde und überdies in jedem Fall eine Beeinträchtigung des Benützungsrechtes durch die Notwendigkeit, das Wohnhaus und die Schuppen zu erreichen, entstünde.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und schloß sich der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes an.

Die Antragstellerin bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, ihn aufzuheben und die Rechtssache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Rekursgericht zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Zu prüfen ist die Zulässigkeit des Rechtsmittels. Diese ist im Verfahren Außerstreitsachen bei einer bestätigenden Entscheidung der zweiten Instanz gemäß § 16 Abs. 1 AußStrG nur im Fall einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder einer begangenen Nullität gegeben.

Verfahrensverstöße begründen eine Nichtigkeit nur dann, wenn sie von einschneidender Bedeutung sind (EFSlg. 47.262). Die Geltendmachung eines einfachen Verfahrensverstoßes, wie etwa einer mangelhaften Tatsachenfeststellung, wird durch § 16 Abs. 1 AußStrG ausgeschlossen (EFSlg. 44.639). Fehlende Feststellungen - wie von der Antragstellerin gerügt - über Verbindungen einzelner Räumlichkeiten, wie etwa darüber, daß das Norbert S***

zugewiesene Kabinett im Erdgeschoß keine Verbindung zur Küche aufweist (sondern vom Vorzimmer aus direkt betreten werden kann), daß dagegen aber das der Antragstellerin zugewiesene "Steinzimmer" nur von der Küche aus betreten werden kann, sowie darüber, daß die "Küche" nicht als Küche im eigentlichen Sinn anzusehen sei, da dieser Raum nur eine primitive Kochstelle aufweise, sind keinesfalls von solcher Schwere, daß sie einen Nichtigkeitsgrund zu bilden vermögen.

Eine Aktenwidrigkeit ist gegeben, wenn das Rekursgericht in seiner Entscheidung in einem wesentlichen Punkt den Akteninhalt unrichtig wiedergibt und solcherart ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen hat (EFSlg. 47.242). Der Umstand, daß die in den Schenkungsverträgen zwischen dem Vater der Parteien und den beiden Antragsgegnern enthaltenen Vereinbarungen über die Benützung bestimmter Räume - wie sie vom Erstgericht festgestellt wurden - rechtlich bedeutungslos seien (wie im Revisionsrekurs geltend gemacht wird) und nicht festgestellt worden sei, daß sich die Antragstellerin gegen diese Vertragsbestimmungen ausgesprochen habe, stellt daher keine Aktenwidrigkeit dar.

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit iS des § 16 Abs. 1 AußStrG liegt nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird. Nicht jede unrichtige rechtliche Beurteilung bildet daher eine offenbare Gesetzwidrigkeit. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit kann schon begrifflich nicht vorliegen, wenn es sich um eine Ermessensentscheidung handelt, außer die Entscheidung verstößt gegen eine klare Gesetzeslage oder gegen die Grundprinzipien des Rechtes oder sie ist ganz willkürlich und mißbräuchlich (EFSlg. 47.208, 47.209). Der Hinweis, daß nicht alle Umstände berücksichtigt worden seien, vermag eine offenbare Gesetzwidrigkeit nicht zu begründen (EFSlg. 44.643). Grundsätze, nach denen die Regelung der Benützung einer gemeinschaftlichen Sache erfolgen soll, werden im Gesetz nicht aufgestellt. Eine im Rahmen des billigen Ermessens getroffene Benützungsregelung kann deshalb mangels zwingender gesetzlicher Richtlinien, die verletzt worden sein könnten, nicht im Wege des ao. Rekurses gemäß § 16 Abs. 1 AußStrG bekämpft werden (MietSlg. 36.843, 34.799 ua.).

Daß und weshalb dem Erstantragsgegner Norbert S*** von der Wohnfläche des Hauses etwas mehr zugewiesen wurde, als seinem Miteigentumsanteil entspräche, wurde vom Erstgericht - mit Zustimmung des Rekursgerichtes - sorgfältig und unter Hinweis auf die Lage des Einzelfalls (da Norbert S*** der einzige von den Parteien ist, der das Haus tatsächlich bewohnt) begründet. Ein Rechtsmißbrauch oder eine Willkür kann daher in diesem Umstand nicht gefunden werden. Einen solchen wirft die Antragstellerin in ihrem Rechtsmittel den Vorinstanzen auch nicht vor. Sorgfältig begründet haben die Vorinstanzen auch die Zuweisung einzelner Räume sowie der Gartenflächen an die Miteigentümer zur gemeinsamen Benützung. Eine Rechtsverweigerung würde nur dann vorliegen, wenn die Vorinstanzen die Vornahme einer Benützungsregelung abgelehnt hätten. Wurde dagegen die gemeinsame Benützung einzelner Räume (wie insbesondere der Küche) und der zum gemeinsamen Objekt gehörigen Gartenflächen nach der Lage des Einzelfalles als zweckmäßigste Lösung erkannt, kann in der erfolgten Zuweisung zur gemeinsamen Benützung eine Rechtsverweigerung nicht gefunden werden. Der Umstand, daß auch eine andere Regelung möglich gewesen wäre, macht die getroffene Regelung noch nicht offenbar gesetzwidrig.

Ein Rekursgrund iS des § 16 Abs. 1 AußStrG ist sohin nicht gegeben. Das Rechtsmittel der Antragstellerin war deshalb als unzulässig zurückzuweisen.

Anmerkung

E10052

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00728.86.0115.000

Dokumentnummer

JJT_19870115_OGH0002_0070OB00728_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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