Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuderna und Dr.Gamerith sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Robert Müller und Dr.Walter Geppert als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Franz G***, Kraftfahrer, St.Michael 63, vertreten durch Dr.Wolfgang Steflitsch, Rechtsanwalt in Oberwart, wider die beklagte Partei Alexander F***, Kaufmann, Großpetersdorf, Burgerstraße 3-5, vertreten durch Dr.Ernst Pathy, Rechtsanwalt in Oberwart, wegen S 133.160,-- s.A. und Feststellung (Gesamtstreitwert S 283.160,--), infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 28.August 1986, GZ. 13 Cg 22/86-42, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Oberwart vom 16.April 1986, GZ. Cr 54/84-38, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
1.) Die Revisionsbeantwortung der klagenden Partei wird zurückgewiesen;
2.) Keiner der beiden Revisionen wird Folge gegeben. Beide Parteien haben die Kosten ihrer Rechtsmittel selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrt vom Beklagten, seinem ehemaligen Arbeitgeber, die Zahlung eines Betrages von insgesamt S 133.160,-- teils als Überstundenentgelt für die Jahre 1981 (S 52.745,--) und 1982 (S 26.115,--) und ferner an Kündigungsentschädigung für vier Wochen (S 5.994,--), Urlaubsentschädigung (S 7.946,--), Sonderzahlungen für das Jahr 1982 (S 8.650,--) und Abfertigung (S 31.710,--). Er begehrt ferner die Feststellung, das Arbeitsverhältnis sei "nicht durch fristlose Entlassung beendet worden". Zur Begründung führt er aus, er sei am 15.Mai 1982 ungerechtfertigt entlassen worden. Der Beklagte habe an diesem Tag, einem Samstag, von ihm verlangt, am Nichtmittag zu arbeiten, obwohl der Kläger in dieser Woche das zulässige Ausmaß an Überstunden bereits überschritten hatte und persönliche Verrichtungen an diesem Nachmittag hätte vornehmen müssen. Das Überstundenentgelt habe er vom Beklagten trotz Geltendmachung nicht erhalten. Er habe im Durchschnitt 23 Überstunden pro Woche verrichtet.
Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Der als Kraftfahrer beschäftigte Kläger habe trotz wiederholter Aufforderung weder sein Tacho-Blatt noch Fahrtenbücher beim Beklagten abgeliefert. Am 15.Mai 1982 hätte er zwei Fahrten durchführen müssen, habe jedoch die zweite Fahrt grundlos abgelehnt. Er sei hierauf vom Beklagten gekündigt (AS 39: entlassen) worden. Das dem Kläger zustehende Überstundenentgelt habe er erhalten. Überdies werde insoweit "Verjährung" eingewendet, weil der Kläger Überstundenforderungen binnen drei Monaten hätte geltend machen müssen. Der Beklagte wendete ferner eine Gegenforderung in der Höhe von S 57.000,-- compensando ein. Der Kläger habe grobfahrlässig einen Schaden an einem LKW des Beklagten dadurch verschuldet, daß er ohne Motoröl gefahren sei. Das Feststellungsbegehren sei unzulässig, weil der Kläger ein Zahlungsbegehren stellen könne.
Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit dem Betrag von S 133.160,-- s.A. als zu Recht sowie die Gegenforderung von S 57.000,-
- als nicht zu Recht bestehend und sprach dem Kläger den erstgenannten Betrag zu. Es gab ferner dem Feststellungsbegehren statt.
Das Erstgericht traf folgende wesentliche Feststellungen: Der Kläger war vom 1.April 1975 bis 15.Mai 1982 beim Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt. Der Beginn und das Ende seiner täglichen Arbeitszeit hingen von den jeweiligen Fahrtaufträgen ab. Der Kläger führte über die einzelnen Fahrten und deren Dauer ein ihm vom Beklagten übergebenes Fahrtenbuch. Er begann nach diesen Aufzeichnungen in den Jahren 1981 und 1982 in der Regel um 4 Uhr zu arbeiten und kehrte für gewöhnlich gegen 19 Uhr zum Beklagten zurück. Dieser kontrollierte weder die Fahrtenbücher des Klägers noch dessen Tachographenblätter. Der Kläger verbrauchte in den Jahren 1981 und 1982 keinen Urlaub, weil ihm dies vom Beklagten untersagt worden war.
Am 15.Mai 1982, einem Samstag, kehrte der Kläger von einer Fahrt gegen Mittag in das Unternehmen des Beklagten zurück. Als ihm dieser eine weitere Fahrt nach Rechnitz auftrug, weigerte sich der Kläger, diese Fahrt durchzuführen, unter Hinweis auf seine durch die vielen Überstunden bedingte Übermüdung. Er wurde hierauf vom Beklagten entlassen.
Der Kläger hatte pro Woche 23 (nicht bezahlte) Überstunden geleistet. Sein Monatsbruttolohn betrug im Jahr 1981 S 8.720,-- und im Jahre 1982 S 9.245,--. Für das Jahr 1981 steht ihm ein Überstundenentgelt von S 52.745,-- und für das Jahr 1982 ein solches von S 26.115,-- zu. Über die Gegenforderung konnte keine Feststellung getroffen werden.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, die Entlassung sei ungerechtfertigt, so daß dem Kläger die gesamten geltend gemachten Ansprüche zustehen. Da der Beklagte den Bestand der Gegenforderung nicht bewiesen habe, bestehe die Gegenforderung nicht zu Recht. Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung teilweise dahin ab, daß es das Feststellungsbegehren abwies; im übrigen bestätigte es das erstgerichtliche Urteil in der Hauptsache. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs.1 Z 3 ArbGG neu durch und traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht. Die Überstundenentgeltforderung sei weder verfallen noch verjährt. Da dem Kläger die Einbringung einer Leistungsklage hinsichtlich aller ihm aus dem Arbeitsverhältnis zustehenden Ansprüchen möglich sei, fehle aber für das Feststellungsbegehren das rechtliche Interesse. Gegen dieses Urteil richten sich die aus den Gründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen Revisionen beider Parteien. Der Kläger ficht die Abweisung des Feststellungsbegehrens an und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß auch dem Feststellungsbegehren stattgegeben werde. Der Beklagte ficht den das Zahlungsbegehren betreffenden bestätigenden Teil des Berufungsurteils an und beantragt, dieses dahin abzuändern, daß das Zahlungsbegehren abgewiesen werde. Hilfsweise stellen beide Parteien Aufhebungsanträge.
Der Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet. Der Kläger brachte am 7.Jänner 1987 eine Revisionsbeantwortung beim Bezirksgericht Oberwart (das als Erstgericht eingeschrittene Arbeitsgericht Oberwart bestand im Hinblick auf das gemäß dem § 99 Z 1 ASGG mit 1.Jänner 1987 erfolgte Außerkrafttreten des Arbeitsgerichtsgesetzes nicht mehr) ein, das den Schriftsatz an das nunmehrige Erstgericht, das Landesgericht Eisenstadt, weiterleitete, wo er am 9.Jänner 1987 einlangte. Mit Rücksicht auf die am 3. Dezember 1986 erfolgte Zustellung der Revision an den Kläger fiel der letzte Tag der vierwöchigen Frist für die Einbringung der Revisionsbeantwortung (§ 507 Abs.2 ZPO iVm dem im folgenden genannten Zeitpunkt noch in Kraft stehenden § 23 ArbGG) auf den 31. Dezember 1986. Die Bestimmungen über die Gerichtsferien galten auch nach der alten, hier noch maßgeblichen Rechtslage nicht für das Verfahren vor den Arbeitsgerichten (§ 223 Abs.2 ZPO), sodaß eine Verlängerung der Frist nicht eintrat. Die somit verspätet eingebrachte Revisionsbeantwortung war daher zurückzuweisen. Keine der beiden Revisionen ist berechtigt.
Zur Revision des Klägers:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß dem § 228 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechts, auf Anerkennung der Echtheit einer Urkunde oder Feststellung ihrer Unechtheit geklagt werden. Eine Rechtshandlung oder eine Tatsache ist hingegen nicht feststellungsfähig (Arb.9839, 9860, 9998 mwH). Das vorliegende Feststellungsbegehren ist jedoch auf die Feststellung des aufrechten Bestehens des Arbeitsverhältnisses gerichtet. In diesem Sinn liegt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 228 ZPO vor. Diesem Begehren fehlt jedoch die Berechtigung, weil die vom Beklagten abgegebene Entlassungserklärung das Arbeitsverhältnis des Klägers ohne Rücksicht darauf beendet hat, ob die Entlassung gerechtfertigt oder ungerechtfertigt war. Da dem Kläger - ein gegenteiliges Vorbringen wurde nicht erstattet - ein besonderer gesetzlicher oder vertraglicher Kündigungs- oder Entlassungsschutz nicht zustand, beendete die Entlassung sein Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung (Martinek - Schwarz AngG 6 , 547, 650 f; Kuderna, Das Entlassungsrecht, 21; Floretta in Arbeitsrecht 2 I 230; Schwarz - Löschnigg, Arbeitsrecht 2 , 360).
Zur Revision des Beklagten:
Der Beklagte vertritt die Rechtsauffassung, der Anspruch auf Überstundenentgelt sei nach den Bestimmungen des Art.XIII des Kollektivvertrages für die Handelsarbeiter (sowie auch nach dem Kollektivvertrag des Güterbeförderungsgewerbes) verfallen, weil er nicht jeweils innerhalb von drei Monaten nach der zum Monatsletzten eingetretenen Fälligkeit schriftlich geltend gemacht worden sei. Mit diesen Ausführungen verstößt der Beklagte gegen das Neuerungsverbot des § 504 Abs.2 ZPO. Der Beklagte hat vor den Untergerichten nur "Verjährung" eingewendet und dazu lediglich vorgebracht, die Überstundenentgeltforderungen hätten binnen drei Monaten geltend gemacht werden müssen. Er hat jedoch diesen Einwand weder allgemein noch auf einen bestimmten Kollektivvertrag gestützt, keinen Rechtsgrund für den Eintritt einer "Verjährung" angeführt und einen "Verfall" nicht erwähnt. Die Vorinstanzen waren daher nicht verpflichtet, einen möglichen Verfall nach einer allfälligen kollektivvertraglichen Bestimmung in Betracht zu ziehen und dessen allfälligen Eintritt zu prüfen (vgl zur neuen Rechtslage § 43 Abs.3 ASGG). Eine Verjährung im Sinne des § 1486 Z 5 ABGB hätte jedoch den Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist vorausgesetzt. Dieser Ablauf kommt hier nicht in Betracht (das Überstundenentgelt wird für die Jahre 1981 und 1982 begehrt; die Klage wurde am 16.Juli 1982 eingebracht) und wird auch in der Revision nicht behauptet. Zur Frage der Berechtigung der Entlassung führt der Beklagte lediglich aus, der Kläger sei auf Grund seiner Arbeitsverweigerung zu Recht entlassen worden. Er übersieht aber die Feststellung des Berufungsgerichts, daß der Kläger, als er am Samstag mittag von einer Fahrt zurückkam, den ihm nun erteilten Auftrag, eine weitere Fahrt sofort anzutreten, unter Hinweis auf die durch die vielen (in der vergangenen Woche) verrichteten Überstunden eingetretene Übermüdung abgelehnt hat. Da der Kläger nach den Feststellungen in der Woche durchschnittlich 23 Überstunden leistete, berechtigte die vorerwähnte Weigerung des Klägers den Beklagten nicht zur Entlassung, zumal weder ähnliche frühere Vorfälle noch eine besondere Dringlichkeit dieser Fahrt vom Beklagten behauptet wurden. Damit stehen dem Kläger auch die geltend gemachten Ansprüche auf Kündigungsentschädigung, Sonderzahlungen und Abfertigung zu. Da die Revision zur Urlaubsentschädigung nicht ausgeführt wird, erübrigt es sich, auf diesen Teilanspruch einzugehen.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40 und 50 ZPO begründet.
Anmerkung
E09991European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0140OB00222.86.0127.000Dokumentnummer
JJT_19870127_OGH0002_0140OB00222_8600000_000