Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Kuderna, Dr. Gamerith und Dr. Maier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hedwig L***, Private, Wien 7., Siebensterngasse 28, vertreten durch Dr. Herbert Poinstingl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Lothar F***-F***, Gastwirt, Reidling, Sitzenberg 10, vertreten durch Dr. Friedrich Grohs, Dr. Michael Goriany, Dr. Andreas Grohs und Dr. Wolfgang Hofer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 24. Juli 1986, GZ. 48 R 118/86-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 5. Dezember 1985, GZ. 45 C 788/84-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Revisionswerberin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Der Antrag des Beklagten auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin vermietete dem Beklagten mit schriftlichem Mietvertrag vom 7.3.1975 ab 1.4.1975 die Wohnung top.Nr.7 ihres Hauses Wien 4., Schaumburgergasse 18, auf unbestimmte Zeit. Sie kündigt dem Beklagten diese Wohnung aus den Kündigungsgründen des § 30 Abs 2 Z 4 und 6 MRG - der außerdem geltend gemachte Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG ist nicht mehr Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens - gerichtlich auf und brachte vor, der Beklagte habe die aufgekündigte Wohnung gegen eine im Vergleich zu dem von ihm zu entrichtenden Mietzins unverhältnismäßig hohe Gegenleistung zur Gänze weitergegeben und benötige sie für sich selbst nicht mehr.
Der Beklagte erhob rechtzeitig Einwendungen und brachte vor, daß ihm die Untervermietung vertraglich gestattet worden sei. Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:
Gemäß § 11 Z 1 des schriftlichen Mietvertrages vom 7.3.1975 ist der Mieter zur Untervermietung berechtigt. Diese Klausel wurde auf Verlangen des Rechtsanwaltes des Beklagten in den Vertrag aufgenommen. Der Klagevertreter und Verwalter des Hauses der Klägerin, Rechtsanwalt Dr. Herbert P***, war der Ansicht, daß der Beklagte die Wohnung selbst benötige und daher nur an eine teilweise Untervermietung gedacht sei, doch wurde darüber zwischen den Parteien (oder ihren Vertretern) nie gesprochen. Der im Mietvertrag vereinbarte monatliche Hauptmietzins beträgt S 1.250,-- zuzüglich 11,77 % Betriebskosten und Umsatzsteuer. Im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung belief sich der Mietzins insgesamt auf S 3.731,22 und zwar S 1.350,-- Hauptmietzins, S 1.042,02 Erhaltungsbeitrag, S 1.000,-- Betriebskosten und S 339,20 Umsatzsteuer.
Der Beklagte gab die Wohnung ab 1977 auf 10 Jahre zur Gänze an Dkfm. Rudolf K*** und dessen Unternehmen, die Ö***
F*** KG, in Untermiete. Die Wohnung wird von den Untermietern zur Gänze für Bürozwecke benützt. Eine Verlängerung dieses schriftlich abgeschlossenen Untermietvertrages ist "möglich" (lt. Untermietvertrag Beilage 2 verlängert sich das Untermietverhältnis ab 1.12.1987 jeweils stillschweigend auf ein weiteres Jahr, falls nicht einer der Vertragsteile spätestens zwei Monate vorher eine Verlängerung ausdrücklich ausschließt).
Die Untermieter nahmen in der Wohnung zu Beginn des Untermietverhältnisses umfangreiche Investitionen (Aufwendungen zur Erhaltung und Verbesserung) in der Höhe von S 450.000,-- vor (Elektro- und Wasserinstallationen, Einbau einer Zentralheizung, Erneuerung der Fußböden, Renovierung der Türen und Fenster). Im Hinblick auf diese Aufwendungen vereinbarten die Parteien des Untermietvertrages, "daß bis zur Amortisierung einer Investitionsleistung von S 200.000,-- nur der jeweilige Hauptmietzins als Untermietzins an den Beklagten zu bezahlen ist". Seit Februar 1982 zahlen die Untermieter als Untermietzins den vom Hauptmieter zu leistenden Zins samt einem Zuschlag von S 1.253,--. Das Erstgericht war der Ansicht, daß infolge gänzlicher Untervermietung der Wohnung nur der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG, nicht aber § 30 Abs 2 Z 6 MRG in Betracht komme. Der Kündigungsgrund der Vermietung gegen eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung sei aber nicht gegeben, weil der Untermietzins den vom Hauptmieter zu entrichtenden Mietzins von insgesamt S 3.731,22 nur um S 1.253,--, also um 33,58 % übersteige. Den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4, erster Fall, MRG (gänzliche Weitergabe des Mietgegenstandes) könne die Klägerin nicht erfolgreich geltend machen, weil sie dem Beklagten die Untervermietung der Wohnung nach dem keinen Zweifel offenlassenden Vertragstext ohne jede Einschränkung gestattet habe. Im übrigen gingen diesbezügliche Unklarheiten zu Lasten der Klägerin, deren Vertreter den Vertrag formuliert habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, daß der von der Bestätigung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 60.000,-- nicht aber S 300.000,-- übersteige und die Revision nicht zulässig sei.
Die zweite Instanz war der Ansicht, daß sich aus der Fassung des § 11 Z 1 des Mietvertrages vom 7.3.1975 keine Beschränkung der Gestattung der Untervermietung ergebe. Diese Gestattung der Untervermietung schließe die Berufung auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4, erster Fall, MRG aus, berechtige aber den Mieter noch nicht zur Untervermietung gegen eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung. Bei der Beurteilung, ob der Mietgegenstand gegen eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung vermietet worden sei, sei der Wert der vom Untermieter vorgenommenen Aufwendungen nicht dem Untermietzins zuzurechnen; diese Investitionen kämen dem Untervermieter vorläufig nicht zugute. Wohl seien bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Untermietzinses neben dem vom Untervermieter als Hauptmieter zu entrichtenden Mietzins auch sonstige Leistungen des Untervermieters (Beistellung von Einrichtungsgegenständen, Aufwendungen) zu berücksichtigen. Allfällige, vom Untermieter auf den Mietgegenstand gemachte Aufwendungen seien aber keine mietzinsgleiche Gegenleistung. Es sei nicht absehbar, welche Aufwendungen des Untermieters bei der künftigen Beendigung des Untermietverhältnisses noch vorhanden sein würden und welchen Wert sie dann hätten. Überdies sehe Punkt VII. des Untermietvertrages eine teilweise Erstattung der Investitionskosten an den Untermieter vor. Seien aber diese Aufwendungen in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit nach § 30 Abs 2 Z 4, zweiter Fall, MRG nicht einzubeziehen, so sei der Untermietzins, der den vom Hauptmieter zu entrichtenden Mietzins nur um 33 % übersteige, keine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung. Die Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 Z 4 und 6 MRG könnten nicht gleichzeitig geltend gemacht werden.
Die von der Klägerin gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene außerordentliche Revision ist gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig, weil den Fragen
a) ob eine nicht näher begrenzte Gestattung der Untervermietung dazu berechtigt, den Mietgegenstand zur Gänze unterzuvermieten, sowie
b) ob Aufwendungen des Untermieters auf den Mietgegenstand in die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 30 Abs 2 Z 4, zweiter Fall, MRG einzubeziehen sind,
zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt und dazu eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, soweit ersichtlich, fehlt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.
Nach dem zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Mietvertrag ist der Mieter "zur Untervermietung berechtigt". Eine tatsächliche Parteiabsicht, wonach dem Mieter nur die teilweise Untervermietung der Wohnung gestattet sein sollte, wurde von den Vorinstanzen nicht festgestellt. Ist aber die Untervermietung weder nach dem Wortlaut des Vertrages noch nach der Absicht der Parteien auf eine teilweise Vermietung beschränkt worden, so bezieht sie sich im Zweifel auf das ganze Bestandobjekt (so zutreffend LG für ZRS Wien in MietSlg 28.320 und 30.388).
Hat aber die Klägerin die Untervermietung des Mietgegenstandes zur Gänze gestattet, so schließt diese Zustimmung die Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 4, erster Fall, MRG aus (Würth in Rummel, ABGB, Rdz 22 zu § 30 MRG mwN; MietSlg 9.068; auch JBl. 1985, 363). Die Gestattung der Untervermietung allein gibt allerdings dem Mieter (ohne weitergehende Abmachungen wie zB MietSlg 4661) nicht das Recht, aus dieser Untervermietung einen unverhältnismäßig hohen Vorteil zu ziehen (Würth in Rummel aaO; MietSlg 30.387 ua; ausführlich MietSlg 37.418). Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4, zweiter Fall, MRG bleibt also dem Vermieter trotz Zustimmung zur Untervermietung in der Regel gewahrt. Dieser Kündigungsgrund liegt vor, wenn der Mieter den Mietgegenstand durch Überlassung an einen Dritten gegen eine im Vergleich zu dem von ihm zu entrichtenden Mietzins und etwaigen eigenen Leistungen an den Dritten unverhältnismäßig hohe Gegenleistung verwertet. Der Gesetzgeber stellt also auf den Vergleich zwischen dem vom Mieter bezogenen und dem von ihm dem Hauseigentümer gezahlten Mietzins ab, bezieht aber auch die zusätzlichen Leistungen, die der Mieter an den Untermieter im Rahmen der Überlassung des Mietobjektes erbringt, ausdrücklich in die zitierte Verhältnismäßigkeitsprüfung ein.
Nach ständiger Rechtsprechung (MietSlg 4.667, 6.601; EvBl. 1958/202; MietSlg 8.975, 16.393, 17.455, 21.496; zuletzt ausführlich EvBl 1985/105) sind daher bei der Prüfung der Frage, ob der Mieter den Mietgegenstand gegen eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung verwertet hat, die Aufwendungen, die der Mieter auf den Mietgegenstand machte, zu berücksichtigen, soweit ihr Nutzungswert dem Untermieter während des Vertragsverhältnisses noch zugute kommt. Der Zweck des Gesetzes ist darauf gerichtet, daß der Hauptmieter durch den ihm zufließenden Untermietzins keinen unbilligen Vorteil ziehen soll (EvBl 1985/105 mwN). Die gesamte oben zitierte Judikatur, insbesondere auch die von der Revisionswerberin zitierte Entscheidung EvBl 1985/105, bezieht sich auf Leistungen des Mieters an den Untermieter, die er neben den an den Hauseigentümer zu entrichtenden Zins erbringt. Entscheidungen darüber, ob auch Aufwendungen des Untermieters auf den Mietgegenstand in die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG einzubeziehen sind, liegen, soweit ersichtlich, nicht vor.
Der erkennende Senat hat zu dieser Frage erwogen: Daß § 30 Abs 2 Z 4 MRG nur die eigenen Leistungen des Mieters an den Dritten (Untermieter) ausdrücklich erwähnt, schließt die Einbeziehung von Aufwendungen des Untermieters auf den Bestandgegenstand bei der vom Gesetz angeordneten Verhältnismäßigkeitsprüfung nach deren Zweck zwar nicht grundsätzlich aus, doch ist die Interessenlage bei Leistungen des Untermieters in der Regel anders, weil seine Aufwendungen dem Mieter vorläufig nicht zugutekommen und vor Beendigung des Vertrages auch nicht gesagt werden, wie weit sie dann noch für den Mieter von Nutzen sein werden. Zudem steht dem Untermieter gegen den Mieter selbst ohne Vereinbarung ein Anspruch auf Ersatz des notwendigen und nützlichen Aufwandes nach § 1097 ABGB zu. In vielen Fällen ist der Untermieter zur Vornahme bestimmter Aufwendungen auf den Mietgegenstand auch nur berechtigt oder nicht verpflichtet.
Im vorliegenden Fall beeinflussen die Aufwendungen, die die Untermieter vorgenommen haben, das Verhältnis zwischen dem der Hauseigentümerin zu entrichtenden Zins und den Leistungen, die der Beklagte aus der Untervermietung erhält, nicht. Ein Teil der von den Untermietern getätigten Aufwendungen wurde ihnen bereits dadurch abgegolten, daß sie mehrere Jahre hindurch nur den vom Mieter zu entrichtenden Zins als Untermietzins zu zahlen hatten. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, sieht Punkt VII. des Untermietvertrages darüber hinaus weitere Aufwandersatzansprüche der Untermieter bei Auflösung des Untermietverhältnisses vor. Ob der Beklagte dann noch aus dem Restwert der von den Untermietern getätigten Aufwendungen irgendeinen Nutzen ziehen wird, den er ihnen nicht ohnehin vergüten muß, läßt sich derzeit nicht absehen. Das Berufungsgericht hat daher bei der Prüfung des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 4, zweiter Fall, MRG zutreffend die Aufwendungen der Untermieter auf das Bestandobjekt unberücksichtigt gelassen. Die Leistungen der Untermieter übersteigen jene, die der Mieter dem Hauseigentümer zu erbringen hat, nur um rund ein Drittel, so daß nach den in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (vgl dazu Würth in Rummel aaO Rdz 28) keine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung vorliegt.
Daß bei Weitergabe einer Wohnung nur der speziellere Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG, nicht aber des § 30 Abs 2 Z 6 MRG vorliegt, ist ständige Rechtsprechung (MietSlg 37.416 mwN). Insoweit liegt der Revisionsgrund des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht vor. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 40 und 50 ZPO. Dem Revisionsgegner gebühren für die Revisionsbeantwortung keine Kosten. Es stand ihm zwar frei, diesen Schriftsatz gemäß § 508 a Abs 2 ZPO schon vor der Zustellung einer die Revisionsbeantwortung freistellenden Mitteilung des Revisionsgerichtes (§ 507 Abs 2 ZPO) einzubringen. Hatte er sich aber dazu entschlossen, so war er auch verpflichtet, sein gesamtes Vorbringen zur Zulässigkeit und Begründetheit der Revision in einem Schriftsatz zu erstatten. Die Erklärung des Revisionsgegners, er behalte sich die Erstattung einer Revisionsbeantwortung vor, falls das Revisionsgericht die Revision der Kläger als "außerordentliche" qualifizieren sollte, war im vorliegenden Fall wirkungslos. Die Klägerin hat zwar ihre Revision im Rubrum nicht ausdrücklich als "außerordentliche" bezeichnet, doch geht aus ihren Ausführungen klar hervor, welchen Fragen sie erhebliche Bedeutung iS des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zumißt. Zu diesen Fragen hätte daher der Revisionsgegner in seinem Schriftsatz sofort Stellung nehmen können. Da er dies unterlassen, vielmehr - mit unzutreffender Begründung - die Zurückweisung der Revision als unzulässig beantragt hat und mit diesem Antrag erfolglos geblieben ist, gebühren ihm keine Kosten. Da das Recht des Beklagten zur Erstattung einer Revisionsbeantwortung bei Vorlage des Aktes an den Obersten Gerichtshof bereits erschöpft war, konnte der erkennende Senat nach Prüfung der Zulässigkeit ohne das in § 508 a Abs 2 ZPO vorgesehene Verfahren sofort die Entscheidung fällen.
Anmerkung
E10328European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00508.87.0127.000Dokumentnummer
JJT_19870127_OGH0002_0040OB00508_8700000_000