Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Kuderna, Dr. Gamerith und Dr. Maier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*** Gesellschaft zur Übernahme und Wahrnehmung von Filmaufführungsrechten mbH, D-4000 Düsseldorf 1, Scheidtstraße 2, vertreten durch Dr. Michel Walter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Helmut P***, Kaufmann, 1120 Wien, Meidlinger Hauptstr. 27, vertreten durch Dr. Hanns F. Hügel, Rechtsanwalt in Mödling, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung, Rechnungslegung und einstweiliger Verfügung (Streitwert im Provisorialverfahren S 301.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 11.September 1986, GZ 2 R 145/86-8, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 1. Juli 1986, GZ 38 Cg 374/86-3, teilweise abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig, die klagende Partei die Kosten der Beantwortung dieses Rechtsmittels vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die klagende Partei ist eine mit dem Sitz in der Bundesrepublik Deutschland nach deutschem Recht errichtete Verwertungsgesellschaft zur treuhändigen Wahrnehmung der den Filmherstellern an Filmwerken und/oder Laufbildern zustehenden Rechte. Sie nimmt u.a. das Recht der öffentlichen Vorführung von Schmalfilmen jedes Formates und von Videogrammen (Videokassetten, Bildplatten, "Video-Clips") wahr. Die klagende Partei vertritt ein umfangreiches Repertoire von Sex- und Unterhaltsfilmen; zu ihrem Werkbestand gehört insbes. der Film mit dem Titel "Anal" (Label "Dino's Blue Movie" der Firma D.B.M. Video/Wesel). Mit "Berechtigungsvertrag" vom 11.Juni 1985 hat der Filmhersteller die ihm daran zustehenden ausschließlichen "Urheber-, Leistungsschutz-, Nutzungsrechte und Vergütungsansprüche" auch für das Gebiet der Republik Österreich der klagenden Partei zur treuhändigen Wahrnehmung übertragen. Gemäß § 11 des Berechtigungsvertrages untersteht dieser Vertrag deutschem Recht. In Österreich besteht zur Wahrnehmung u.a. solcher Ansprüche, deren Sicherung die klagende Partei mit dem vorliegenden Antrag begehrt, die "Verwertungsgesellschaft für audiovisuelle Medien, Verband österreichischer Film- und Fernsehfilmproduzenten (VAM)". Diesem Unternehmen wurde mit Bescheid des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 29.April 1982 gemäß Art. II Abs 1 der UrhG-Novelle 1980 die Genehmigung zur Geltendmachung von Vergütungsansprüchen der Filmhersteller nach § 42 Abs 5-7 UrhG ("Leerkassettenvergütung") und nach § 59 a UrhG ("Kabelvergütung"), ausgenommen soweit ein Rundfunkunternehmer Berechtigter ist, erteilt. Der Beklagte betreibt im Standort Wien 12., Meidlinger Hauptstr. 27, einen "Sexshop", in dem in 20 geschlossenen Videokabinen die Möglichkeit besteht, sich einen Film zuspielen zu lassen. Die 20 Kabinen sind mit je einem Monitor und einem Stuhl ausgestattet, wobei jeder einzelne Monitor mit einem eigenen Videorecorder verkabelt ist und nur von diesem gespeist wird. Der den Film betrachtende Kunde befindet sich während der Filmvorführung allein in seiner Kabine. Das Entgelt für die Vorführung eines Film beträgt zwischen S 120,- und S 300,- (im Beschluß des Erstgerichtes offenbar irrtümlich mit S 120,- bis S 130,- angegeben; vgl. Beilage D), wobei der Preis von der Filmlänge und dem Genre abhängig ist. Der Zutritt ist jedem Interessenten gegen Zahlung des Entgelts möglich. Bei einem Besuch im Lokal des Beklagten am 7.Mai 1986 wurde dem Manfred C*** auf dessen Verlangen der Film mit dem Titel "Anal" zugespielt.
Auf Grund dieses Sachverhaltes beantragte die klagende Partei zur Sicherung eines gleichlautenden Unterlassungsanspruches, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, Schmalfilme jedes Formats und Videogramme (Bildschallträger), wie Videokassetten, Bildplatten und "Videoclips", auf denen Werke der Filmkunst und/oder Laufbilder festgehalten sind, die durch die Zugehörigkeit des Produzenten (Herstellers) zur klagenden Partei zu deren Rechtebestand gehören, öffentlich aufzuführen (vorzuführen) bzw. zu senden; diese Unterlassungsverpflichtung erstrecke sich insbes. auf Filme der Firma DBM. Die klagende Partei vertrat die Auffassung, es handle sich bei den Vorführungen der Filme um öffentliche Aufführungen urheberrechtlich geschützter Filmwerke oder (zumindest) Laufbilder.
Der Beklagte wendete mangelnde aktive Klagelegitimation ein, weil der VAM für ihren gesamten Tätigkeitsbereich und damit auch für die hier strittigen Rechte Monopolstellung zukomme. Die klagende Partei könne somit gemäß § 2 Satz 3 VerwGesG gegen Rechtsverletzungen nicht vorgehen, sondern müsse die ihr für das Gebiet der Republik Österreich eingeräumten Rechte durch die VAM wahrnehmen lassen. Auch liege weder eine Drahtfunksendung noch eine öffentliche Aufführung vor.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es vertrat die Auffassung, die klagende Partei sei zwar aktiv legitimiert; da aber die Vorführung des Films jeweils nur von einem Kunden in seiner Privatsphäre konsumiert werde, liege weder eine Drahtfunksendung im Sinne des § 17 UrhG noch eine öffentliche Aufführung im Sinne des § 18 UrhG vor.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei teilweise Folge. Es verbot dem Beklagten, Videogramme (Bildschallträger), wie Videokassetten, Bildplatten oder "Videoclips", auf denen Laufbilder festgehalten sind, die durch die Zugehörigkeit des Herstellers zur klagenden Partei zu deren Rechtsbestand gehören, insbes. solche der Firma DBM, öffentlich vorzuführen; das auf ein Verbot der Sendung von Schmalfilmen jedes Formats und von Videogrammen sowie der öffentlichen Aufführung (Vorführung) von Schmalfilmen jedes Formats und von Videogrammen, auf denen Werke der Filmkunst festgehalten sind, gerichtete Mehrbegehren blieb abgewiesen. Das Rekursgericht sprach ferner aus, daß der Wert des von der Abänderung betroffenen Beschwerdegegenstandes, über den es entschieden habe, S 300.000 übersteige. Rechtlich teilte das Rekursgericht die Auffassung des Erstgerichtes, daß die klagende Partei aktiv legitimiert sei: Nach den Bestimmungen des Verwertungsgesellschaftengesetzes sei der Geltungsbereich dieses Gesetzes und damit einerseits die Genehmigungsbedürftigkeit und andererseits die mit der besonderen Genehmigung insbes. verbundene Monopolstellung nur auf Verwertungsgesellschaften zur Nutzbarmachung von
Vortrags- Aufführungs- oder Senderechten an Sprachwerken und an Werken der Tonkunst beschränkt. Dieser Anwendungsbereich sei allerdings mit Art. II Abs 1 UrhG-Novelle 1980 auf solche Unternehmen ausgedehnt worden, die auf die Geltendmachung von Ansprüchen aus § 42 Abs 5-7 oder aus § 59 a UrhG gerichtet seien. Sie umfasse allerdings hinsichtlich der Geltendmachung dieser Ansprüche, soweit für das betreffende Unternehmen das Verwertungsgesellschaftengesetz nicht schon bisher anzuwenden gewesen sei, den "gesamten Tätigkeitsbereich". Das bedeute jedoch nicht, daß Art. II Abs 1 UrhG-Novelle 1980 den gesamten Tätigkeitsbereich eines Unternehmens, das darauf gerichtet ist, die beiden erwähnten Vergütungsansprüche geltend zu machen, genehmigungsbedürftig gestellt hätte; vielmehr sollten die Worte "bezüglich ihres gesamten Tätigkeitsbereiches" nur sicherstellen, daß der Befehl des Gesetzgebers, das Verwertungsgesellschaftengesetz entsprechend anzuwenden, nicht dahin mißverstanden werde, daß sich die Genehmigungspflicht im Sinne des Art. II Abs 1
UrhG-Novelle 1980 etwa nur auf den Bereich der in § 1 Abs 1 und 2 VerwGesG genannten Werke und Verwertungsrechte erstrecke. Verwertungsgesellschaften bedürften daher nicht nur dann keiner besonderen Genehmigung, wenn sie weder auf die Nutzbarmachung von Vortrags- Aufführungs- oder Senderechten an Sprachwerken oder an Werken der Tonkunst gemäß § 1 VerwGesG noch auf die Geltendmachung von Ansprüchen aus §§ 42 Abs 5-7 oder 59 a UrhG gerichtet seien, sondern auch insoweit, als sie andere Ansprüche als jene, die in § 42 Abs 5-7 und 59 a UrhG geregelt seien, geltend machten. Auch das Bestehen der VAM ändere daran nichts. Die Monopolstellung dieser Verwertungsgesellschaft beschränke sich nämlich schon im Hinblick auf den Umfang der ihr entsprechend der Genehmigungsbedürftigkeit nur in beschränktem Umfang erteilten besonderen Genehmigung bloß auf die Geltendmachung der Vergütungsansprüche gemäß § 42 Abs 5-7 UrhG und der Kabelvergütung gemäß § 59 a UrhG.
Für die Aktivlegitimation der klagenden Partei sei einzig und allein maßgebend, ob der von ihr geltend gemachte Anspruch durch den von ihr mit dem Filmhersteller geschlossenen Vertrag gedeckt sei. Verträge über Immaterialgüterrechte seien im vorliegenden Fall gemäß § 43 Abs 1 IPRG nach deutschem Recht zu beurteilen. Im Hinblick auf die in § 11 des Berechtigungsvertrages vom 11.Juni 1985 enthaltene Klausel "Dieser Vertrag untersteht deutschem Recht" und die damit getroffene Rechtswahl sei die Aktivlegitimation der klagenden Partei nach materiellem deutschem Recht zu beurteilen. Der Filmhersteller habe mit diesem Vertrag die ihm zustehenden ausschließlichen Nutzungsrechte auch für das Gebiet der Republik Österreich ebenso der klagenden Partei zur treuhändigen Wahrnehmung übertragen wie die Leistungsschutzrechte gemäß §§ 94 f dUrhG. Nach der Terminologie des österr. Urheberrechtsgesetzes seien daher der klagenden Partei entsprechende Werknutzungsrechte gemäß § 24 Abs 1 UrhG übertragen worden. Damit habe sie aber das ausschließliche Recht zur Benützung von Schmalfilmen und Videogrammen im vereinbarten zeitlichen, räumlichen und inhaltlichen Umfang im eigenen Namen, also jedenfalls auch das ausschließliche Recht zu deren öffentlicher Aufführung als Filmwerk bzw. zu deren öffentlicher Vorführung als Laufbilder im Gebiet der Republik Österreich erworben.
Da die 20 im Geschäftslokal des Beklagten befindlichen Videokabinen mit je einem Monitor ausgestattet seien, wobei jeder einzelne Monitor mit einem eigenen Videorecorder verkabelt sei und nur von diesem gespeist werde, könne von einem Zuleiten von Filmen in die einzelnen Kabinen keine Rede sein. Der Film werde damit weder gesendet noch - was einer Rundfunksendung gemäß § 17 Abs 2 UrhG gleichstünde - mit Hilfe von Leitungen wahrnehmbar gemacht. Der erstgerichtliche Beschluß sei daher hinsichtlich der Abweisung des Unterlassungsbegehrens betreffend das Senden von Schmalfilmen jedes Formats und von Videogrammen zu bestätigen. Der Sicherungsantrag sei auch nicht berechtigt, soweit das Verbot auch in bezug auf Schmalfilme jedes Formats sowie hinsichtlich der öffentlichen Aufführung von Werken der Filmkunst begehrt werde. Die klagende Partei habe kein Tatsachenvorbringen erstattet geschweige denn bescheinigt, das den von ihr gezogenen rechtlichen Beschluß bestätigte, bei den im Geschäft des Beklagten gezeigten Filmen handle es sich um "eigentümliche geistige Schöfungen" im Sinn des § 4 UrhG. Was das Aufführen (Vorführen) bzw. Senden von Schmalfilmen jedes Formats betreffe, fehle es ebenfalls an einem Vorbringen. Für das Vorliegen einer öffentlichen Aufführung im Sinne des § 18 UrhG sei dagegen nicht die räumliche Gemeinsamkeit der Personen, denen ein Werk vermittelt werde, sondern vielmehr die Werkvermittlung an einen nicht bestimmt abgegrenzten und nicht durch gegenseitige persönliche Beziehungen verbundenen Personenkreis entscheidend. Gleiches müsse auch für die öffentliche Vorführung von Laufbildern gemäß § 74 Abs 1 UrhG gelten. Auch die sukzessive Vorführung eines Videofilms an eine Mehrheit nicht mit dem Veranstalter oder untereinander verbundener Personen sei vom Begriff der Öffentlichkeit umfaßt. Die für jeden Besucher gegen Entrichtung eines Entgelts zugänglichen und nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränkten Vorführungen der vorliegenden Laufbilder seien somit als öffentlich zu qualifizieren. Der Beklagte habe demnach in das der klagenden Partei für Österreich ausschließlich zustehende Leistungsschutzrecht durch die öffentliche Vorführung des zu ihrem Werkbestand gehörigen Films eingegriffen.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes zur Gänze wiederherzustellen.
Die klagende Partei beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Ob die in Art. II Abs 1 Satz 1 UrhG-Nov. 1980 enthaltenen Worte "bezüglich ihres gesamten Tätigkeitsbereiches" im Sinne der Rechtsauffassung des Beklagten dahin zu verstehen sind, daß sich die hier vorgesehene "entsprechende Anwendung" des Verwertungsgesellschaftengesetzes auch auf den über die Wahrnehmung der Vergütungsansprüche nach § 42 Abs 5 bis 7, § 59 a UrhG hinausgehenden weiteren Tätigkeitsbereich des betreffenden Unternehmens erstrecken soll (so offensichtlich Buchner in ÖBl 1981, 57 ff insbes. 65 f und in seiner Entscheidungsglosse in RfR 1983, 63), oder ob in dieser Frage der gegenteiligen Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes (RfR 1983, 55 ff insbes. 60 f) und des Oberlandesgerichtes Wien (MuR Int 1986/3, 19) zu folgen ist, kann im vorliegenden Fall bei der Beurteilung der Aktivlegitimation der klagenden Partei auf sich beruhen: Die Absicht des Gesetzgebers, den einzelnen Verwertungsgesellschaften für ihren jeweiligen Tätigkeitsbereich eine Monopolstellung zu sichern, hatte zunächst nur in den Erläuternden Bemerkungen zum Entwurf des Verwertungsgesellschaftengesetzes (abgedruckt bei Dittrich, Österreichisches und internationales Urheberrecht 609 ff, insbesondere 614 f) ihren Ausdruck gefunden (im Gesetz selbst ist ja ein solches Warnehmungsmonopol nicht ausdrücklich verankert); für Gesellschaften, welche die neuen Vergütungsansprüche (§§ 42, 59 a UrhG) wahrnehmen, ist sie jetzt (mittelbar) aus der Konkurrenzregel des Art. II Abs 3 UrhG-Nov. 1980 abzuleiten (siehe dazu Buchner aaO 64). In beiden Fällen wird dieser Wille des Gesetzgebers dadurch verwirklicht, daß die nach dem Gesetz für den Betrieb eines solchen Unternehmens geforderte besondere Genehmigung jeweils nur einem einzigen Unternehmen erteilt wird oder erteilt werden darf (Art. II Abs 3 UrhG-Nov. 1980; dazu auch M. Walter in JBl. 1970, 601). Daraus folgt aber, daß auch Inhalt und Umfang des Wahrnehmungsmonopols einer bestimmten Verwertungsgesellschaft allein durch die ihr erteilte Betriebsgenehmigung bestimmt werden. Nur wenn und soweit sie sich auf eine "besondere Genehmigung" im Sinne des § 1 Abs 1 Satz 1 des Verwertungsgesellschaftengesetzes berufen kann, ist sie gegen eine Konkurrenzierung durch andere Unternehmen geschützt; ein darüber hinausgehender Monopolschutz auch für einen weiteren, von der Betriebsgenehmigung nicht erfaßten Tätigkeitsbereich kann entgegen der Meinung des Beklagten weder aus dem Gesetz noch aus den Materialien abgeleitet.
Im vorliegenden Fall hat der Bundesminister für Unterricht (im Einvernehmen mit den Bundesministern für Handel, Gewerbe und Industrie und für Justiz), mit Bescheid vom 29.April 1982 dem "Verband österreichischer Film- und Fernsehfilmproduzenten" (jetzt:
"Verwertungsgesellschaft für audiovisuelle Medien, Verband österreichischer Film- und Fernsehfilmproduzenten, VAM") auf dessen - ursprünglich weitergehenden - Antrag die Betriebsgenehmigung (nur) zur Geltendmachung von Vergütungsansprüchen der Filmhersteller nach § 42 Abs 5 bis 7 und § 59 a UrhG, soweit nicht ein Rundfunkunternehmer berechtigt ist, erteilt. Die dieser Entscheidung (u.a.) zugrunde liegende Rechtsansicht, daß Verwertungsgesellschaften zur Wahrnehmung der in Art. II Abs 1 UrhG-Nov. 1980 angeführten Vergütungsansprüche nur für diesen Tätigkeitsbereich einer Betriebsgenehmigung bedürfen, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.Dezember 1982 RfR 1983, 55 gebilligt. Daraus folgt aber, daß der VAM nur für den von ihrer Betriebsgenehmigung erfaßten Bereich der Wahrnehmung von Vergütungsansprüchen nach § 42 Abs 5 bis 7, § 59 a UrhG Monopolschutz zukommt, nicht aber für ihre darüber hinausgehende, im vorliegenden Fall allein relevante Wahrnehmungstätigkeit. Mit dem Hinweis auf eine (vermeintliche) Monopolstellung der VAM kann daher der Einwand der mangelnden Aktivlegitimation der klagenden Partei nicht begründet werden. Auf die klagende Partei selbst, deren satzungsmäßiger Tätigkeitsbereich die Wahrnehmung von Vergütungsansprüchen nach Art. II Abs 1 UrhG-Nov. 1980 nicht umfaßt, finden aber die Bestimmungen des Verwertungsgesellschaftengesetzes keine Anwendung (so auch Buchner aaO 66). Ihre Aktivlegitimation ist daher gegeben.
Es liegt aber auch eine öffentliche Vorführung im Sinne des § 74 Abs 1 UrhG vor:
Gemäß § 34 Abs 1 IPRG sind das Entstehen, der Inhalt und das Erlöschen von Immaterialgüterrechten nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem eine Benützungs- oder Verletzungshandlung gesetzt wird. Da die behauptete Verletzung in Österreich stattgefunden hat, ist somit österreichisches Recht anzuwenden.
Da das Rekursgericht als bescheinigt angenommen hat, daß die hier vorgeführte Videokassette nur Laufbilder im Sinne des § 73 UrhG und nicht auch ein Werk der Filmkunst im Sinne des § 4 UrhG enthalten hat, ist zu prüfen, ob ein Verstoß gegen § 74 UrhG vorliegt. Dabei sind gemäß § 74 Abs 7 UrhG unter anderem auch die §§ 16, 17 und 18 Abs 3 UrhG sinngemäß anzuwenden.
Dem Rekursgericht ist zunächst beizupflichten, daß das Überspielen der Videokassetten vom Videorecorder auf den Monitor der einzelnen Kabine keine Drahtfunksendung im Sinne des § 17 Abs 2 UrhG ist. Diesbezüglich kann auf die grundlegende Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 17.Juni 1986, 4 Ob
309/86 - Hotel-Video - JBl. 1986, 655 = ÖBl 1986, 132 verwiesen werden, an der festgehalten wird.
Gemäß § 73 Abs 1 UrhG sind Lichtbilder im Sinne dieses Gesetzes "durch ein photographisches Verfahren hergestellte Abbildungen"; als photographisches Verfahren ist auch ein "der Photographie ähnliches Verfahren" anzusehen. Dazu gehören auch Videoaufnahmen, welche das Geschehen zwar nicht mit den Mitteln der Photographie festhalten, jedoch mit Hilfe anderer, inzwischen entwickelter Techniken dasselbe Ergebnis erzielen. Auch sie werden daher in einem "der Photographie ähnlichen Verfahren" hergestellt (Hodik, Rechtsfragen bei Musikvideos, ÖBl 1985, 1). Gemäß § 73 Abs 2 UrhG in Verbindung mit § 73 Abs 1 UrhG unterliegen durch ein photographisches Verfahren hergestellte Laufbilder (kinematographische Erzeugnisse), unbeschadet der urheberrechtlichen Vorschriften zum Schutze von Filmwerken, den für Lichtbilder geltenden Vorschriften. Gemäß § 74 Abs 1 UrhG hat, wer ein Lichtbild aufnimmt (Hersteller), mit den vom Gesetz bestimmten Beschränkungen unter anderem das ausschließliche Recht, das Lichtbild "durch optische Einrichtungen öffentlich vorzuführen". Darunter fällt aber auch die öffentliche Vorführung von auf Videobändern festgehaltenen Darstellungen; der Begriff der "optischen Einrichtungen" muß nämlich in Anpassung an die technische Entwicklung so ausgelegt werden, daß es lediglich auf das Ergebnis, nämlich die optische Wiedergabe, und nicht darauf ankommt, ob diese mit Hilfe eines Projektors oder auf elektromagnetischem Wege unter Verwendung eines Videorecorders und eines Monitors erfolgt.
Der Begriff der "Öffentlichkeit" kann aber bei der Vorführung von Lichtbildern (Laufbildern) im Sinne des § 74 Abs 1 UrhG nicht anders beurteilt werden als bei der Aufführung eines Filmwerks nach § 18 Abs 1 UrhG; hier wie dort kommt es immer nur auf den Personenkreis an, dem ein Lichtbild zugänglich gemacht wird: Das Urheberrecht knüpft bei der Verwirklichung seines Zieles, den Urhebern innerhalb der durch ihre schutzwürdigen Interessen bestimmten Schranken die Verwertung ihrer Werke vorzubehalten, nicht an den Werkgenuß an, der sich weitgehend im privaten Bereich abspielt - auch die Videokabine könnte allenfalls als ein solcher bezeichnet werden -, sondern an die Werkvermittlung. Die dem Urheber durch das Urheberrecht vorbehaltenen Verwertungsarten sind nichts anderes als ein Stufensystem zur mittelbaren Erfassung des Endverbrauchers. Daraus folgt, daß die auf den Endverbraucher umgelegte Urhebervergütung für den Werkgenuß durch einen größeren Personenkreis im Verkaufspreis des Vervielfältigungsstückes nicht enthalten ist. Der entgeltliche Erwerb eines Vervielfältigungsstückes berechtigt zwar nach der derzeitigen Gesetzeslage dazu, dieses zu vermieten oder zu verleihen, nicht aber, mit seiner Hilfe das Werk öffentlich aufzuführen. Die im vorliegenden Fall vom Beklagten getroffenen Veranstaltungen sind keine bloßen Hilfsmittel, um dem Publikum bei der Miete eines Vervielfältigungsstückes dessen Darbietung zu ermöglichen; der Beklagte beschränkt sich nicht etwa darauf, zugleich mit einer Videokassette technische Anlagen mitzuvermieten, die der Vertragspartner während der Bestanddauer beliebig gebrauchen kann, sondern er veranstaltet eine Aufführung der auf der Videokassette festgehaltenen Laufbilder. Es liegt daher nicht etwa eine Vermietung eines Vervielfältigungsstückes (bei gleichzeitiger Zurverfügungstellung weiterer technischer Hilfsmittel) vor, sondern ein Werkvertrag mit mietrechtlichem Einschlag, ähnlich dem Theaterbesuchsvertrag oder dem Schaustellungsvertrag (Krejci in Rummel, ABGB, Rdz 18 und 62 zu §§ 1165, 1166).
Ist aber die Werkvermittlung an einen nicht bestimmt abgegrenzten und nicht durch gegenseitige persönliche Beziehungen verbundenen Personenkreis das Entscheidende, dann kann es weder auf die räumliche Gemeinsamkeit (so bereits JBl. 1986, 655 = ÖBl 1986, 132 - Hotel-Video) noch darauf ankommen, daß die Werkvermittlung gleichzeitig stattfindet, sofern moderne technische Speicherungs- und Übertragungssysteme mit Hilfe eines Vervielfältigungsstückes die sukzessive Erfassung eines solchen Personenkreises ermöglichen (M. Walter, Die Hotel-Videosysteme aus urheberrechtlicher Sicht, MuR Archiv 1984/6, 9 f; vgl. auch Scolik in JBl. 1986, 662 f). Die Erfassung eines so großen Personenkreises, wie es die Kunden eines Sex-Shops sind, die sich derartige Filme gegen Entgelt vorführen lassen, ist im Verkaufspreis der Videokassette nicht enthalten. Es ist durchaus möglich, daß etwa besonders bevorzugte Bänder je nach Spieldauer pro Tag wiederholt eingelegt werden; dann kann es aber hinsichtlich der Wiedergabe keinen Unterschied machen, ob ein Videoband 20 nebeneinander sitzenden Personen auf einmal vorgeführt wird oder ob diese 20 Personen die Vorführung einzeln und hintereinander genießen ("sukzessive Öffentlichkeit"). Daß sich die einzelnen Kunden, die von dieser Möglichkeit des Werkgenusses Gebrauch machen, hier zufolge der Kabinen in einer gleichsam "privaten Sphäre" befinden, steht der Annahme einer "öffentlichen" Vorführung im Sinne des § 74 Abs 1 UrhG nicht entgegen. Auch der Umstand, daß in den Erläuternden Bemerkungen zum Entwurf des VerwGesG (abgedruckt bei Dittrich, Österreichisches und internationales Urheberrecht 609 ff [611]) Darbietungen in Konzertsälen, Hotels, Kaffeehäusern, Gastwirtschaften, Varietes, Tanzlokalen, Tanzschulen usw. als Beispiele öffentlicher Aufführungen angeführt werden, spricht nicht gegen die hier vertretene Auffassung, weil es sich dabei nur um eine beispielsweise Aufzählung handelt und im übrigen der Gesetzgeber nicht alle durch den technischen Fortschritt in Zukunft geschaffenen Möglichkeiten, ein Werk der "Öffentlichkeit" darzubieten, voraussehen konnte.
Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich in Ansehung der beklagten Partei auf §§ 40, 50, 52 ZPO in Verbindung mit §§ 78, 402 Abs 2 EO, in Ansehung der klagenden Partei auf § 393 Abs 1 EO.
Anmerkung
E10346European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00393.86.0127.000Dokumentnummer
JJT_19870127_OGH0002_0040OB00393_8600000_000