TE Vwgh Erkenntnis 2005/8/30 2005/01/0244

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.08.2005
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §39 Abs2;
AVG §68 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des ML in W, vertreten durch Dr. Anja Oberkofler, Rechtsanwältin in 1120 Wien, Arndtstraße 87/12, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 19. April 2005, Zl. 252.380/2-V/13/04, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages wegen entschiedener Sache (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro, stammt aus dem Kosovo und gehört der Volksgruppe der Gorani an. Gemäß seinen Angaben reiste er am 20. April 2003 in das Bundesgebiet ein, wo er in der Folge einen Asylantrag stellte. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, dass die Lage für Gorani im Kosovo allgemein schlecht sei; den Kosovo habe er verlassen, weil er mit einem Albaner näher dargestellte private Probleme gehabt habe und damit rechnen habe müssen, "früher oder später" von diesem umgebracht zu werden; er (Beschwerdeführer) habe sich dann nach Novi Pazar (Serbien) begeben, diese Stadt jedoch in der Folge verlassen, weil er wegen Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehls eine Ladung vom Militärgericht in Belgrad erhalten habe.

Mit Bescheid vom 23. September 2003 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und stellte fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Serbien und Montenegro, autonome Provinz Kosovo, gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Das Bundesasylamt erachtete die Angaben des Beschwerdeführers für glaubwürdig, vermochte in den geltend gemachten "Schwierigkeiten mit einem Albaner" jedoch keine Verfolgung im Sinne der Flkonv zu erkennen. Was das Vorbringen zum nicht befolgten Einberufungsbefehl anlange, so sei eine vom serbischen Staat ausgehende Gefährdung im Kosovo nicht gegeben, weil die Behörden von Serbien und Montenegro dort nicht auf den Beschwerdeführer zugreifen könnten. Unter dem Gesichtspunkt des § 8 AsylG ergänzte das Bundesasylamt, dass nicht davon auszugehen sei, dass die im Kosovo eingerichteten Sicherheitsorgane eine Bedrohung des Beschwerdeführers seitens einer Privatperson dulden würden.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nach der Aktenlage am 30. September 2003 durch Hinterlegung zugestellt. Eine dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 30. August 2004 gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück.

Im Oktober 2004 stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Asylantrag. Ua. brachte er dazu vor, dass sich die Situation der Gorani im Kosovo verschlechtert habe. In einer Stellungnahme verwies er auf die "UNHCR-Position zur fortdauernden internationalen Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo" aus dem August 2004, worin es in der Einleitung unter Punkt 3. auszugsweise heißt:

"3. Eine weitere und äußerst schwer wiegende Bestätigung der brüchigen Sicherheitssituation für die Minderheitengemeinschaften stellte der Ausbruch von Massendemonstrationen im März 2004 dar, die zu inter-ethnischer Gewalt und Unruhen in der Zivilbevölkerung in einem seit 1999 nicht erlebten Ausmaß führten. Die Gewalt breitete sich rasch auf alle Teile des Kosovo aus und führte zu Vertreibungen, von denen alle Minderheiten betroffen waren. ..."

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 19. April 2005 wies die belangte Behörde den neuerlichen Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde ist auf die in der oben zitierten UNHCR-Position erwähnten Unruhen aus dem März 2004 nicht näher eingegangen. Hiezu wäre sie indes unabhängig vom Vorbringen des Beschwerdeführers schon deshalb verpflichtet gewesen, weil notorische Umstände dieser Art auch bei der Beurteilung der Frage, ob seit Abweisung eines vorangegangenen Asylantrages eine wesentliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist, von Amts wegen zu berücksichtigen sind (vgl. dazu schon das hg. Erkenntnis vom 7. Juni 2000, Zl. 99/01/0321). Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer freilich ohnehin - jedenfalls durch Vorlage der oben auszugsweise zitierten UNHCR-Position - die besagten März-Unruhen zur Sprache gebracht. Wenn es im bekämpften Bescheid heißt, die neuen Fluchtmotive des Beschwerdeführers bezögen sich ausschließlich auf Umstände bzw. Ereignisse vor dem rechtskräftigen Abspruch über sein erstes Asylverfahren, so ist dies mithin nicht zutreffend.

Eine Beschäftigung mit den "März-Unruhen" und ihren Konsequenzen für den Beschwerdeführer konnte entgegen der Ansicht der belangten Behörde auch nicht deshalb unterbleiben, weil der Beschwerdeführer ebenso wie die Mehrzahl seiner Familienmitglieder "bereits seit mehreren Jahren" in Novi Pazar, welches im serbischen Kernland und nicht in der Provinz Kosovo gelegen ist, wohnhaft gewesen sei. Das erhellt schon daraus, dass in dem den ersten Asylantrag abweisenden Bescheid gerade nicht davon ausgegangen worden war, der Beschwerdeführer könne in seinem zweiten Herkunftsstaat (Serbien und Montenegro ohne den Kosovo) Schutz finden, war darin doch die seinerzeit geltend gemachte Gefährdung wegen Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehls (gerichtliche Vorladung) damit abgetan worden, dass die Behörden von Serbien und Montenegro im Kosovo nicht auf den Beschwerdeführer zugreifen könnten.

Nach dem Gesagten ist der bekämpfte Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 30. August 2005

Schlagworte

Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005010244.X00

Im RIS seit

23.09.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten