Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Mag.Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Salzburger Bahnpromenade Verwertungsgesellschaft B*** & Co, 5020 Salzburg, Bergheimerstraße 9, vertreten durch Dr. Herwig Liebscher, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Renate S***, Geschäftsfrau, 5204 Straßwalchen 4, vertreten durch Dr. Günther Stanonik und Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 77.140 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 9. Juli 1986, GZ 3 R 138/86-68, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 12. März 1986, GZ 12 Cg 278/83-64, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 4.843,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 385,80 S Umsatzsteuer und 600 S Barauslagen) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei war vom 1. August 1977 bis Ende Jänner 1980 Mieterin eines Geschäftslokales der klagenden Partei in Salzburg, Rainerstraße 24.
Mit der am 27. September 1979 eingebrachten Klage begehrt die klagende Partei nach mehreren Klagseinschränkungen und Klagsausdehnungen schließlich den Betrag von 77.140 S an offenen Mietzinsen und Betriebskosten.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestritt während des ganzen Verfahrens die Berechtigung der Klagsforderung, wobei unter anderem auch eine strittige Zahlung von 13.327,20 S und ein Verrechnungsbetrag von 44.266,53 S eine Rolle spielten, und machte schließlich aufrechnungsweise als Gegenforderung geltend, daß sie der klagenden Partei als Kaution ein Sparbuch mit einer ursprünglichen Einlage von 50.000 S übergeben habe, dessen Einlagestand wegen des Zinsenzuwachses den Klagsbetrag übersteige. Die beklagte Partei bot der klagenden Partei die Verrechnung des Kautionsbetrages mit der Klagsforderung an. Der im Mietvertrag vereinbarte Aufrechnungsverzicht beziehe sich nicht auf die Kaution. Auch die schon erwähnten Beträge von 13.327,20 S und 44.266,53 S wurden zum Gegenstand einer Aufrechnungseinrede gemacht. Das Erstgericht sprach aus, daß die Klagsforderung mit 77.140 S sA zu Recht bestehe, die Gegenforderung mit 75.110,49 S zu Recht, mit dem darüber hinausgehenden Betrag bis zur Höhe der Klagsforderung aber nicht zu Recht bestehe, und daß die beklagte Partei daher schuldig sei, der klagenden Partei 2.029,51 S sA zu zahlen.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß die Klagsforderung unverändert mit 77.140 S sA als zu Recht bestehend, die beiden Gegenforderung von 13.327,20 S und 44.266,53 S (zusammen 57.593,73 S) als nicht zu Recht bestehend erkannt, der Antrag auf Aufrechnung mit einer Gegenforderung von 75.110,49 S (di der vom Erstgericht festgestellte Einlagenstand des von der beklagten Partei der klagenden Partei als Kaution hinterlegten Sparbuches) abgewiesen wurde und daher der Klage voll, nämlich zusätzlich zu dem schon in Rechtskraft erwachsenen Zuspruch von 2.029,51 S mit weiteren 75.110,49 S, stattgegeben wurde. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Im Revisionsverfahren ist die Berechtigung der Klagsforderung nicht mehr strittig. Auch darüber, daß die beiden Gegenforderungen von 13.327,20 S und 44.266,53 S nicht zu Recht bestehen, herrscht kein Streit mehr. Strittig ist nur mehr, ob der beklagten Partei das Recht zusteht, der Klagsforderung im Umfang von 75.110,49 S den gleich hohen Kautionsbetrag aufrechnungsweise entgegen zu halten.
Der Mietvertrag enthält dazu folgende Bestimmungen:
Gemäß § 14 verzichtete die Mieterin darauf, gegen Forderungen der Vermieterin mit eigenen Forderungen aufzurechnen. Gemäß § 19 hatte die beklagte Partei der klagenden Partei eine Kaution von 50.000 S entweder mittels einer Bankgarantie oder durch Erlag eines Sparbuches für alle Forderungen der klagenden Partei, die dieser als Vermieterin aus dem Vertragsverhältnis gegen die beklagte Partei als Mieterin entstehen, zu stellen. Die klagende Partei sollte nicht verpflichtet sein, die Kaution in Anspruch zu nehmen, sondern es sollte ihr das Recht zustehen, ihre Ansprüche auch unmittelbar gegen die beklagte Partei geltend zu machen. Gemäß § 22 Abs 7 sollte die beklagte Partei die von ihr geleistete Kaution mit Beendigung des Bestandverhältnisses zurückerhalten, sofern nicht Forderungen der klagenden Partei auf Grund dieses Vertrages offen seien.
Gemäß § 25 sollte die klagende Partei für den Fall, als sie nach Beendigung des Mietverhältnisses noch irgendwelche Forderungen gegen die beklagte Partei zu erheben habe, wie beispielsweise für Heiz- oder Betriebskosten, die erst in Zukunft abgerechnet werden, berechtigt sein, die Kaution mit jenem Betrag, der zur Deckung des voraussichtlichen Nachforderungsbetrages erforderlich ist, zurückzuhalten, bis die Endabrechnung erfolgt sei.
Die Vorinstanzen gingen im übrigen noch von der Feststellung aus, daß die klagende Partei nach Beendigung des Mietverhältnisses Ende Jänner 1980 eine ordnungsgemäße Betriebskosten- und Heizkostenabrechnung für das erste Quartel des Jahres 1980 erstellt und vorgeschrieben habe, welche zusammen mit den sonstigen offenen Beträgen den Gesamtsaldo von 77.941,48 S ergebe, auf welchen Saldo keine Zahlung der beklagten Partei erfolgte.
Das von der beklagten Partei der klagenden Partei als Kaution übergebene Sparbuch hatte im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz den schon erwähnten Einlagestand von 75.110,49 S. Auf Grund dieses Sachverhaltes war das Erstgericht der Auffassung, daß die klagende Partei das Zurechtbestehen der Gegenforderung aus der Kaution selbst zugestehe und sich nur gegen die Aufrechnung ausspreche. Das vereinbarte Aufrechnungsverbot sei zwar grundsätzlich wirksam, sein Zweck bestehe aber darin, daß der Schuldner nicht in die Lage versetzt werden solle, seine Zahlungspflicht hinauszuschieben. Dieser Sinn des Aufrechnungsverbotes sei im vorliegenden Fall nicht mehr gegeben, weil schon feststehe, daß es zu keiner Nachforderung mehr kommen könne. Es wäre daher unbillig, der beklagten Partei auch in diesem Fall die Aufrechnung zu untersagen und sie auf die Einbringung einer Klage zu verweisen, wodurch der klagenden Partei nur unnötige Kosten verursacht würden.
Das Berufungsgericht war demgegenüber der Ansicht, daß von einer Anerkennung der Gegenforderung der beklagten Partei durch die klagende Partei nicht gesprochen werden könne; die klagende Partei habe vielmehr den Standpunkt vertreten, daß sie das Sparbuch derzeit noch nicht herausgeben müsse, sondern dies erst nach einer bisher nicht stattgefundenen Endabrechnung tun müsse. Diese "End"-Abrechnung sei aber im vorliegenden Fall erst durch das Urteil, das erstmals den Bestand der Klagsforderung feststelle, erfolgt. Die klagende Partei könne sich daher auf das Aufrechnungsverbot berufen. Es müsse daher auch nicht darauf eingegangen werden, daß es unter Umständen auch an der Gleichartigkeit der Gegenforderung mangle (Sparbuch statt Geld). Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes abzuändern.
Die klagende Partei beantragt, der Revision keine Folge zu geben. Da zur analogen Anwendung des KSchG auf Fälle eines vertraglichen Kompensationsausschlusses der vorliegenden Art soweit ersichtlich keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorhanden ist, liegt die Voraussetzung des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vor.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.
Die beklagte Partei vertritt in ihrer Rechtsrüge im wesentlichen folgenden Standpunkt: Nachdem nun schon mehr als 6 Jahre seit dem Ende des Mietverhältnisses verstrichen seien, müsse die hier untätige klagende Partei so behandelt werden, als habe eine Endabrechnung schon stattgefunden, so daß ihr kein Zurückbehaltungsrecht mehr zustehe und die beklagte Partei trotz des vereinbarten Aufrechnungsverbotes zur Aufrechnung berechtigt sei. Daß es sich um eine von der beklagten Partei anerkannte Endabrechnung handeln müsse, sei dem Vertrag nicht zu entnehmen. Der klagenden Partei habe zwar die Wahl freigestanden, entweder die Kaution in Anspruch zu nehmen oder zu klagen; wenn sie aber letzteres gewählt habe, müsse sie die Kaution herausgeben. Sich auch jetzt noch auf das Aufrechnungsverbot zu berufen, sei sittenwidrig und schikanös. Auch eine analoge Anwendung des § 6 Abs 1 Z 8 KSchG führe dazu, daß man die Gegenforderung der beklagten Partei im vorliegenden Fall in Würdigung aller Umstände als eine von der klagenden Partei anerkannte und daher aufrechenbare ansehen müsse. Es werde ja nicht die Höhe der Gegenforderung oder deren Berechtigung bestritten, sondern nur die Aufrechenbarkeit. Die Vereinbarung in einem Mietvertrag, daß der Mieter zu Gunsten des Vermieters eine Kaution zu erlegen hat, beinhaltet eine Pfandbestellung für künftige Forderungen (Klang in Klang 2 VI 253; Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 1369 ABGB). Es soll dadurch ein Deckungsfonds für allfällige künftige Forderungen des Vermieters geschaffen werden (MietSlg 22.119).
Zur Zurückstellung der Kaution ist der Kautionsempfänger in der Regel erst verpflichtet, wenn klargestellt ist, daß eine Forderung, für welche die Kaution haften sollte, nicht mehr besteht oder nicht mehr entstehen kann (Klang aaO S 254, MietSlg 4.989, 16.106). Nach der im vorliegenden Mietvertrag gewählten umfassenden Formulierung sollte die Kaution für alle Forderungen der klagenden Partei haften, die aus dem Mietvertrag entstehen können, also auch für die gesamte Klagsforderung samt Zinsen und Prozeßkosten. Da die beklagte Partei diese Klagsforderung bisher nicht getilgt hat, war die klagende Partei auch nicht zur Rückstellung der Kaution verpflichtet. Ob die klagende Partei die im § 25 des Mietvertrages vorgesehene "Endabrechnung" schon vorgelegt hat oder nicht, ob sie damit säumig war oder nicht, spielt dabei keine Rolle, weil feststeht, daß der klagenden Partei jedenfalls noch der Klagsbetrag zusteht.
Sobald die durch die Kaution gesicherte Forderung fällig wird, tritt die sogenannte Pfandreife ein, das Sicherungsstadium geht in das Befriedigungsstadium über, und dem Gläubiger steht jetzt das Recht zu, sich aus der Sache zu befriedigen. Der Gläubiger kann sich aber auch weiterhin persönlich an den Schuldner halten. Eine Ausnahme von dieser Regel würde nur bei einer gegenteiligen Vereinbarung bestehen (Petrasch aaO Rz 1 und 2 zu § 465 ABGB). Eine solche Ausnahmeregelung haben die Streitteile nicht getroffen; sie haben vielmehr im Gegenteil ausdrücklich vereinbart, daß die klagende Partei nicht verpflichtet sein sollte, im Haftungsfalle die Kaution in Anspruch zu nehmen. Der Standpunkt der beklagten Partei, daß die klagende Partei dann, wenn sie sich im Sinne dieses Wahlrechtes persönlich an sie halte, das Recht auf die Kaution verliere, ist nicht zutreffend, sondern gerade auch für den Fall der Einklagung soll die Kaution haften.
Ob in diesem Zusammenhang der Erlag eines Sparbuches der Hingabe von Bargeld gleichzusetzen ist, muß nicht untersucht werden. Auch wenn eine sogenannte Barkaution vorläge, wäre die klagende Partei nicht zur sofortigen Aufrechnung mit der Klagsforderung verpflichtet, sondern dazu höchstens berechtigt (vgl. zum strittigen Charakter einer Barkaution Klang aaO II 398). Daß die beklagte Partei der klagenden Partei eine solche Aufrechnung im Verlaufe dieses Rechtsstreites ausdrücklich angeboten hat, konnte nichts daran ändern, daß die klagende Partei dieses Anbot nicht annehmen mußte.
Die beklagte Partei hätte daher gemäß § 469 ABGB höchstens verlangen können, daß ihr die klagende Partei Zug um Zug gegen Bezahlung der Klagsforderung samt Anhang das strittige Sparbuch ausfolge. Einerseits hat die beklagte Partei aber ein solches Begehren in diesem Rechtsstreit nie gestellt, und andererseits hat die klagende Partei nicht in Abrede gestellt, nach Tilgung der Klagsforderung, soferne sie nicht auf das Sparbuch als Exekutionsobjekt greifen will, zur Rückstellung verpflichtet zu sein. Von Amts wegen war auf eine allfällige Zug um Zug-Verpflichtung nicht einzugehen (JBl 1975, 262 ua). Gegenstand der noch strittigen Aufrechnungseinrede der beklagten Partei ist daher der im Sinne der obigen Ausführungen noch nicht fällige Anspruch der beklagten Partei auf Rückstellung des als Kaution dienenden Sparbuches. Offen bleiben kann, ob die demnach noch nicht bestehende Gegenforderung mangels Gleichartigkeit aufrechenbar wäre (vgl. MietSlg 35.271).
Zutreffend geht nämlich das Berufungsgericht auch von der Wirksamkeit des zwischen den Streitteilen vereinbarten vertraglichen Aufrechnungsverbotes aus. Ein solches Aufrechnungsverbot ist grundsätzlich nicht sittenwidrig (SZ 41/68, JBl 1985, 547). Eine Anwendung des § 6 Abs 1 Z 8 KSchG kommt hier nicht in Betracht, weil der strittige Mietvertrag vor dem Inkrafttreten des KSchG abgeschlossen wurde (§ 39 Abs 1 KSchG). Es muß daher nicht untersucht werden, ob der klagenden Partei Unternehmerstellung iS des KSchG zukommt (vgl. hiezu SZ 53/103). Für eine analoge Anwendung der Gedanken dieser Gesetzesbestimmung (etwa im Sinne der Anregung von Rummel, aaO Rz 29 zu § 1440) besteht für Fälle der vorliegenden Art kein Anlaß. Zum einen ist die Gegenforderung nicht anerkannt, denn es wurde von der klagenden Partei zwar zugestanden, daß sie das Sparbuch mit einem bestimmten Einlagestand in Händen habe, aber nicht, daß sie dieses ausfolgen müsse. Und zum anderen sprechen vor allem auch die oben wiedergegebenen Grundsätze des Pfandrechtes gerade bei einer Kaution der vorliegenden Art gegen eine Unwirksamkeit des vertraglichen Aufrechnungsverbotes. Daß die klagende Partei ihre Rechte schikanös ausübe, ist nicht erkennbar. Schikane liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn die Rechtsausübung nur zu dem Zweck erfolgt, den davon Betroffenen zu schädigen (MietSlg 31.055 ua). Wenn ein Vermieter aber rückständige Mietzinse und Betriebskosten einklagt, deren Berechtigung der Mieter auch aus anderen Gründen bestreitet, so führt er damit nur die Klärung einer strittigen Frage zwischen den Streitteilen herbei. Schikane liegt daher nicht vor. Das Argument, die klagende Partei erreiche so, daß die beklagte Partei die Kosten für den aufwendigen Rechtsstreit tragen müsse, kann nicht durchschlagen. Diese Prozeßkosten entstanden ja nicht, weil die klagende Partei die Herausgabe der Kaution ablehnte, sondern weil die beklagte Partei berechtigte Ansprüche der klagenden Partei bestritt. Es würde also umgekehrt eine unbillige Kostenüberwälzung auf die im Recht befindliche klagende Partei darstellen, wollte man dem Standpunkt der beklagten Partei folgen. Diese hätte es in der Hand gehabt, die berechtigte Klagsforderung sofort anzuerkennen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E10505European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0030OB00624.86.0128.000Dokumentnummer
JJT_19870128_OGH0002_0030OB00624_8600000_000