TE Vwgh Erkenntnis 2005/8/30 2004/01/0482

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Veröffentlicht am 30.08.2005
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Index

41/02 Melderecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

FrG 1997 §50a idF 2002/I/126;
FrG 1997 §50d Abs4 idF 2002/I/126;
FrGNov 2002;
IV-V 2002 §3 Abs1;
StbG 1985 §10a idF 1998/I/124;
StbGNov 1998;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde der A Ö in I, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2/1, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 18. Oktober 2004, Zl. Ia-21.127/9-2004, betreffend Verleihung und Erstreckung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Türkei, beantragte am 4. Februar 2004 bei der belangten Behörde die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und deren Erstreckung auf ihre vier minderjährigen Kinder.

In Bezug auf diesen Antrag trug ihr die belangte Behörde die Nachreichung fehlender Unterlagen auf, wozu auch ein "Sprachkenntnisnachweis" der Beschwerdeführerin gehöre, den sie - so die belangte Behörde - etwa "bei der Volkshochschule machen" könne.

Im Folgenden legte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde einen am 27. April 2004 ausgestellten "Sprachkenntnisnachweis Deutsch des österreichischen Sprachdiploms Deutsch" vor, in dem bestätigt wurde, dass die Beschwerdeführerin am 26. April 2004 am Prüfungszentrum VHS Innsbruck die Sprachprüfung mit 84 von 120 Punkten bestanden habe. Nach näherer Aufschlüsselung der von ihr erreichten Punkte hinsichtlich der einzelnen Prüfungsteile (Basis- und Wahlmodul) enthielt die Urkunde abschließend die Feststellung, dass sich der Sprachkenntnisnachweis an der Niveaustufe A1 des Europarates orientiere und speziell für in Österreich lebende Personen mit nicht-deutscher Muttersprache ausgerichtet sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Verleihung der Staatsbürgerschaft "gemäß § 10a i.V.m § 11a i.V.m § 10 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985" (StbG) und die Erstreckungsanträge gemäß § 18 StbG ab.

Begründend führte sie im Wesentlichen aus, die 1962 geborene Beschwerdeführerin habe 37 Jahre lang in der Türkei gelebt, dort 5 Jahre die Schule besucht, sei nun seit dem 17. Juni 1999 mit ununterbrochenem Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet und seit über einem Jahr mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet. Ihre beiden älteren Kinder befänden sich seit dem Jahr 2002, die beiden minderjährigen Töchter seit 1999 in Österreich. Drei der Kinder besuchten die Schule, der älteste Sohn absolviere eine Lehre. Die Beschwerdeführerin betreue ihre zu Hause lebenden Kinder. Ihr Ehemann gehe einer Tätigkeit als Bauhilfsarbeiter nach und die Familie habe in Tirol eine Eigentumswohnung erworben. Obwohl bei der Beschwerdeführerin - so die belangte Behörde weiter - die "allgemeinen Einbürgerungsvoraussetzungen im Sinne des § 11a i.V.m § 10 StbG" gegeben seien, komme ihrem Antrag mangels ausreichender Deutschkenntnisse im Sinne des § 10a StbG keine Berechtigung zu. Die Beschwerdeführerin habe zwar einen "Sprachkenntnisnachweis Deutsch" vorgelegt, der allerdings primär dazu diene, Fremden, die sich in Österreich niederlassen wollen, die Möglichkeit zu bieten nachzuweisen, dass sie die geforderten Deutschkenntnisse im Sinne des Fremdenrechtes und der Integrationsverordnung mitbrächten. Die belangte Behörde werte dieses Beweismittel "in jedem Fall im Zusammenhang mit den zusätzlich im Rahmen des Einbürgerungsverfahrens geführten persönlichen Gesprächen" mit der Beschwerdeführerin. Im vorliegenden Fall habe aber die zuständige Sachbearbeiterin "auch wenn dieser Test grundsätzlich positiv bewertet wurde", bei einem Gespräch am 4. Juni 2004 den Eindruck gewonnen, dass die Beschwerdeführerin nicht wirklich dem Gespräch folgen und die Fragen richtig verstehen und beantworten könne. In einem weiteren Gespräch mit der zuständigen Abteilungsleiterin, über das eine Niederschrift aufgenommen worden sei, seien der Beschwerdeführerin nur allgemeine Fragen aus ihrem persönlichen Lebenszusammenhang gestellt worden. Auch aus diesem Gespräch habe sich der Eindruck erhärtet, dass der Beschwerdeführerin "grundlegende Verständnisvoraussetzungen für das Gesagte" fehlten. Kaum eine der einfachen Fragen habe von ihr richtig beantwortet und ohne weitere Hilfestellung und Zusatzfrage überhaupt verstanden werden können. Dort wo sinngemäß richtige Antworten gegeben worden seien, sei trotzdem der Eindruck entstanden, dass es sich um eingelernte Antworten und Sätze außerhalb des Gesprächeszusammenhanges gehandelt habe. Im Folgenden führte die belangte Behörde - ohne das mit der Beschwerdeführerin am 14. September 2004 geführte und niederschriftlich protokollierte Gespräch im Ganzen wörtlich wiederzugeben - einzelne Fragen und Antworten an, die ihrer Ansicht nach das Sprach- und Verständnisdefizit bei der Beschwerdeführerin dokumentierten. Zusammenfassend hielt die belangte Behörde schließlich fest, dass bei der Beschwerdeführerin auch unter Berücksichtigung ihrer Lebensumstände als Hausfrau und Mutter von vier Kindern die vom Staatsbürgerschaftsgesetz geforderten Deutschkenntnisse, die im Sinne der intendierten Integration von Ausländern ein Minimum an Kommunikationsfähigkeit voraussetzten, nicht erfüllt seien, weshalb der Verleihungsantrag (zusammen mit den Erstreckungsanträgen) abzuweisen gewesen sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die belangte Behörde führt in der angefochtenen Entscheidung aus, dass die Beschwerdeführerin zwar die Verleihungsvoraussetzungen des "§ 11a i.V.m § 10 StbG" erfülle (gemeint wurde von ihr im Speziellen offenkundig der Verleihungstatbestand des § 11a Abs. 1 Z 1 und Z 4 lit. a StbG), eine Verleihung der Staatsbürgerschaft aber ungeachtet dessen nicht in Betracht komme, weil sie über die in § 10a StbG geforderten Kenntnisse der deutschen Sprache nicht verfüge.

§ 10a StbG lautet:

"Voraussetzungen jeglicher Verleihung sind unter Bedachtnahme auf die Lebensumstände des Fremden jedenfalls entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist diese gesetzliche Anordnung dahingehend auszulegen, dass die geforderten Sprachkenntnisse - entsprechend den Verhältnissen des Fremden und angepasst an den jeweiligen Verleihungstatbestand - innerhalb seines sozialen Umfeldes eine Verständigung in Deutsch erlauben müssen. Es geht um das Mindestmaß an Sprachbeherrschung, das - je nach den konkreten Lebensumständen des Betroffenen - erforderlich ist, um ein dauerhaftes "Miteinander" im Alltagsleben zu ermöglichen (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 23. März 2004, Zl. 2003/01/0481, mwN).

Von diesem Verständnis der zitierten Gesetzesstelle geht grundsätzlich auch die belangte Behörde aus, wenn sie in ihrer Begründung festhält, das Staatsbürgerschaftsgesetz setze "ein Minimum an Kommunikationsfähigkeit" des Einbürgerungswerbers voraus.

Der belangten Behörde kann auch nicht entgegengetreten werden wenn sie den von der Beschwerdeführerin vorgelegten "Sprachkenntnisnachweis Deutsch" vom 27. April 2004 nur als eines von mehreren möglichen Beweismitteln im Verleihungsverfahren ansieht, um das Vorhandensein der gesetzlich geforderten Deutschkenntnisse zu beurteilen. Wenn die belangte Behörde jedoch den Beweiswert eines solchen Nachweises in der Bescheidbegründung, aber auch in ihrer Gegenschrift damit zu relativieren versucht, dass dieser primär anderen, nämlich fremdenrechtlichen Zwecken dient, so bedarf diese behördliche Argumentation folgender Klarstellung:

Fallbezogen ist zunächst nicht nachvollziehbar, dass die belangte Behörde anlässlich der Beantragung der Staatsbürgerschaft die Vorlage gerade eines solchen Sprachkenntnisnachweises für erforderlich erachtet hat, dem sie im weiteren Verfahren "primär" andere Bedeutung als den Nachweis der Sprachkenntnisse im Einbürgerungsverfahren zuschreibt.

Allgemein ist der belangten Behörde aber zuzugeben, dass der vorgelegte Sprachkenntnisnachweis sowie die ihm vorangehenden Sprachkurse und -prüfungen ihre Grundlage nicht im Staatsbürgerschaftsrecht, sondern in den Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 (FrG) in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 126/2002 (FrG-Novelle 2002) und der darauf aufbauenden Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Integrationsvereinbarung, BGBl. II Nr. 338/2002 (IV-V), haben. Mit der FrG-Novelle 2002 wurden u.a. die §§ 50a bis 50d betreffend die sogenannte Integrationsvereinbarung in das FrG eingefügt. Gemäß § 50a Abs. 2 FrG dient die Integrationsvereinbarung der Integration auf Dauer niedergelassener Fremder und bezweckt - so der Gesetzestext wörtlich - "den Erwerb von Grundkenntnissen der deutschen Sprache (§ 10a StbG) zur Erlangung der Befähigung zur Teilnahme am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich. Diese Befähigung kann durch den Besuch eines Deutsch-Integrationskurses erworben werden." § 50d Abs. 4 FrG ermächtigt den Bundesminister für Inneres, durch Verordnung die nähere Ausgestaltung der zur Erlangung dieser Sprachkenntnisse erforderlichen Kurse festzulegen. Auf dieser Grundlage sieht die IV-V in ihrem § 3 Abs. 1 als Kursziel die Erreichung von A1-Niveau des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen, wie im Rahmencurriculum (Anlage A zur Verordnung) beschrieben, vor. Diesem Lehrplan zufolge sollen sich die Lernenden nach Abschluss des Kurses in Routinegesprächen auf deutsch zurecht finden und sich in einfachen Situationen des Alltags verständigen können. Sie sollen fähig sein, in kurzen, einfachen, miteinander verbundenen Sätzen, für den Gesprächspartner verständlich, über ihre nähere Umgebung, ihren familiären und beruflichen Alltag zu berichten und einfache Lesetexte zu verstehen. Dadurch soll es ihnen ermöglicht werden, sich sprachlich in ihrem Lebens- und Arbeitsraum rasch und friktionsfrei zurecht finden zu können.

Dass der Gesetzgeber bei Schaffung der fremdenrechtlichen Integrationsbestimmungen bzw. bei Festlegung von sprachlichen Mindeststandards für die Verleihung der Staatsbürgerschaft stets auch das jeweils andere Rechtsgebiet im Auge hatte, lässt sich den Gesetzesmaterialien entnehmen. Schon die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend die Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, mit der § 10a StbG in das StbG eingefügt worden ist, nahmen darauf Bezug, dass mit dieser Regelung den Intentionen des (fremdenrechtlichen) "Integrationspaketes" Rechnung getragen werden solle (vgl. dazu die - die Materialien auch wörtlich wiedergebenden - Ausführungen in dem hg. Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 2001/01/0018). Umgekehrt verweist der durch die FrG-Novelle 2002 neu geschaffene § 50a Abs. 2 FrG im Kontext mit den für die Erfüllung der Integrationsvereinbarung erforderlichen Grundkenntnisse der deutschen Sprache ausdrücklich auf § 10a StbG. Nach den Gesetzesmaterialien soll mit diesem Verweis auf den Umstand Bedacht genommen werden, "dass je nach beruflicher und privater Sozialisierung durchaus unterschiedliche Anspruchsniveaus an die Grundkenntnissen der deutschen Sprache der Fremden zu stellen sein werden." (RV 1172 BlgNR 21. GP 33). Im allgemeinen Teil der Erläuterungen zur Regierungsvorlage der FrG-Novelle 2002 (a.a.O., 25) heißt es weiters wörtlich:

"3.9. Den Abschluss einer erfolgreichen Integration bildet die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Die Kriterien zu deren Erlangung müssen eingehalten werden. Der Weg zur Staatsbürgerschaft soll als integrationsver-dichtender Prozess gestaltet werden ... .

3.10. Voraussetzung soll auch ein nachprüfbarer Nachweis von Deutschkenntnissen ... sein. Dieser Nachweis kann durch die Bestätigung des erfolgreichen Besuches eines zertifizierten Kurses in der Erwachsenenbildung oder durch die erfolgreiche Ablegung eines Tests erbracht werden."

Ausgehend von dieser Rechtslage und den damit verfolgten Zielen lässt sich somit nicht erkennen, dass die zur Erfüllung der Integrationsvereinbarung erforderlichen Grundkenntnisse der deutschen Sprache nicht ausreichen sollten, um auch den Mindesterfordernissen des § 10a StbG zu entsprechen. Insofern könnte einer von einem zertifizierten Kursträger nach der IV-V stammenden Kursbestätigung, mit der für einen Einbürgerungswerber die Erreichung des Kurszieles (A1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprache) bestätigt wird, nicht mit dem bloßen Hinweis auf dessen primäre Relevanz für das Fremdenrecht begegnet werden.

Dass die belangte Behörde - ungeachtet ihrer obige Klarstellung veranlassenden Ausführungen - die Rechtslage in dieser Hinsicht verkannt hätte, lässt der angefochtene Bescheid nicht erkennen. Vielmehr geht sie - wie ihre weitere Begründung zeigt - davon aus, dass der Beschwerdeführerin ein Minimum an Kommunikationsfähigkeit fehle und sie daher nicht einmal über Grundkenntnisse der deutschen Sprache (im zuvor dargestellten Sinne) verfüge.

Die belangte Behörde hat jedoch nicht nachvollziehbar begründet, warum sie ungeachtet der im Zeitpunkt ihrer Entscheidung nur etwa ein halbes Jahr zurückliegenden positiv absolvierten Sprachprüfung der Beschwerdeführerin entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache im Sinne des § 10a StbG in Zweifel zog. Soweit sie diese Einschätzung aus dem von der Abteilungsleiterin mit der Beschwerdeführerin geführten und im angefochtenen Bescheid nur auszugsweise wiedergegebenen Gespräch vom 14. September 2004 ableitete, hat sie die (im Bescheid nicht erwähnten) richtigen Antworten der Beschwerdeführerin auf eine Vielzahl von Fragen nicht ausreichend berücksichtigt. Wieso die Sachbearbeiterin der belangten Behörde bei früherer Gelegenheit den Eindruck gewonnen hatte, die Beschwerdeführerin könne dem Gespräch nicht wirklich folgen, lässt sich der Entscheidung - entgegen dem Begründungserfordernis des § 60 AVG (vgl. auch dazu das zitierte hg. Erkenntnis vom 23. März 2004, mwN) - nicht entnehmen.

Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 30. August 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004010482.X00

Im RIS seit

17.10.2005

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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