TE OGH 1987/1/29 7Ob5/87

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Veröffentlicht am 29.01.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Hule, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*** A*** Versicherungs-Aktiengesellschaft, Landesdirektion Wien-Ost, Wien 2., Untere Donaustraße 13-15, vertreten durch Dr. Walter Steup, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Gerhard H***, Angestellter, Leopoldsdorf, Bahnstraße 9, vertreten durch Dr. Rudolf Landerl, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 31.150,-- s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 21. März 1986, GZ. 15 R 290/85-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 10. Juni 1985, GZ. 22 Cg 702/85-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes vom 10. Juni 1985, ON 10, wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.953,70 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 428,70 an Ust. und S 238,-- an Barauslagen) und die mit S 3.069,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 257,25 an Ust. und S 240,-- an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrt die Zahlung von S 31.150,-- s.A. und bringt vor, sie habe dem Beklagten nach einem am 28.1.1978 verschuldeten Verkehrsunfall im Rahmen eines bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrages Deckung gewährt und S 31.150,-- an Vertretungskosten ausgelegt. Da als Unfallsursache die Alkoholisierung des Beklagten strafgerichtlich festgestellt worden sei, sei die klagende Partei gemäß Punkt A 3. a) der Ergänzenden Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung rückforderungsberechtigt. Der Beklagte verweigere die Zahlung. Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und wendet ein, der klagenden Partei sei bei Erteilung der Rechtsschutzzusage bekannt gewesen, daß er den Unfall durch Alkoholisierung verschuldet habe. Die Klageforderung sei darüber hinaus verjährt. Das Erstgericht wies die Klage ab. Es traf folgende Feststellungen:

Der Beklagte verursachte am 28.1.1978 einen Verkehrsunfall mit Sach- und Personenschaden. Da gegen ihn vor der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf ein Verwaltungsstrafverfahren und in weiterer Folge vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien ein gerichtliches Strafverfahren eingeleitet wurde, wandte sich der Beklagte an den Rechtsanwalt Dr. Kurt P*** und erteilte diesem Vollmacht, offensichtlich unter Hinweis auf eine bei der klagenden Partei bestehende Kfz-Rechtsschutzversicherung. Der Beklagte hatte diesen Versicherungsvertrag bereits Jahre zuvor abgeschlossen. Er hatte mit der Versicherungspolizze auch die Allgemeinen und Ergänzenden Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung ausgefolgt erhalten. Dr. Kurt P*** teilte der klagenden Partei mit, daß er den Beklagten anwaltlich vertrete; die klagende Partei nahm dies mit Schreiben vom 20.4.1978 zustimmend zur Kenntnis. In der Folge wurden das Verwaltungsstrafverfahren und das gerichtliche Strafverfahren beendet. Der Beklagte wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien mit Urteil vom 27.6.1978, 7 c E Vr 3564/78, Hv 203/78, wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1, 3 und 4, zweiter Fall, StGB verurteilt. In dem Urteil wurde festgestellt, daß sich der Beklagte vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuß eines berauschenden Mittels, nämlich durch Alkohol, in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Zustand versetzt habe. Ein Rechtsmittel des Beklagten gegen diese Entscheidung blieb erfolglos.

Dr. Kurt P*** legte der klagenden Partei über seine Tätigkeit im April 1979 und ein weiteres Mal "nach Abschluß des zweiten Rechtsganges" Kostennote. Die verzeichneten Kosten wurden von der klagenden Partei Ende April 1979 und am 29.7.1980 bezahlt. Erstmals Anfang 1981 teilte die klagende Partei dem Beklagten mit, daß sie infolge der festgestellten Alkoholisierung regreßberechtigt sei. Ein ähnliches Schreiben richtete die klagende Partei an den Beklagten erst wieder im Jahre 1984. Der Beklagte vertrat den Standpunkt, nicht zahlungspflichtig zu sein. Die Einbringung der Klage erfolgte am 25.5.1984.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, die klagende Partei sei auf Grund des zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrages verpflichtet gewesen, dem Beklagten Rechtsschutz zu gewähren, so daß sie sich durch die Erteilung der Rechtsschutzzusage nicht ihres Regreßrechtes begeben habe. Die klagende Partei sei allerdings nach Punkt A 3. a) der Ergänzenden Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung berechtigt, die von ihr erbrachten Leistungen zurückzufordern, wenn sich der Versicherte zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befunden hat und dies in der Begründung eines im Zusammenhang mit diesem Ereignis erflossenen rechtskräftigen Straferkenntnisses eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist. Zwar stehe die Alkoholisierung des Beklagten zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalles und damit die grundsätzliche Regreßberechtigung der klagenden Partei fest. Dem Klagebegehren komme jedoch keine Berechtigung zu, weil die Klagsforderung verjährt sei. Der Regreßanspruch der klagenden Partei sei spätestens im Juli 1980 entstanden. Außergerichtliche Vergleichsgespräche hätten nicht stattgefunden. Die Klage sei dennoch erst am 25.5.1984 erhoben worden.

Das Berufungsgericht gab der Klage statt und ließ die Revision zu. Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichtes vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, anders als in der Haftpflichtversicherung beruhe der geltend gemachte Rückforderungsanspruch nicht auf einer Legalzession von Schadenersatzansprüchen, so daß für den Ersatzanspruch auch nicht die für den übergegangenen Anspruch maßgebende Verjährungszeit bestimmend sei. Der Versicherer könne seine Leistung im vorliegenden Fall vielmehr dann zurückfordern, wenn der zunächst vorhandene Leistungsgrund (Versicherungsfall mit Verdacht der Alkoholisierung) später (Verurteilung wegen Alkoholisierung) wegen vertraglichen Ausschlusses wegfalle. Es liege demnach die durch § 1435 ABGB gewährte "condictio causa finita" vor, die wie alle bereicherungsrechtlichen Ansprüche der dreißigjährigen Verjährungsfrist unterliege. Die Revision sei zuzulassen gewesen, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur verfahrensentscheidenden Frage fehle.

Der Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Klage abzuweisen.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der Beklagte vertritt die Ansicht, der Regreßanspruch der klagenden Partei entspringe dem Versicherungsvertrag und beziehe sich auf Leistungen, die auf Grund eines gültigen Schuldverhältnisses erbracht worden seien. Es liege daher kein Bereicherungsanspruch iS des § 1435 ABGB vor. Auf Grund des besonderen Schuldcharakters im Innenverhältnis sei vielmehr die dreijährige Verjährungsfrist anzuwenden.

Das Revisionsgericht pflichtet diesen Ausführungen im wesentlichen bei. Nach Art.1 Abs 1 lit b der ARB 1965 gewährt der Versicherer Versicherungsschutz, wenn dem Versicherten bei der Verteidigung in einem Strafverfahren, das entweder von einem Gericht oder von einer Verwaltungsbehörde (Polizei) wegen fahrlässiger, nicht aber vorsätzlicher strafbarer Handlungen oder Unterlassungen eingeleitet wurde, zur Wahrung rechtlicher Interessen Kostenzahlungen erwachsen.

Nach Punkt A 1. b) der ERB 1965 gewährt der Versicherer den in Art.1 Abs 1 lit b der ARB beschriebenen Versicherungsschutz, soweit das Strafverfahren oder das Verfahren wegen Entziehung des Führerscheins durch Verkehrsunfälle oder die Übertretung von Verkehrsvorschriften ausgelöst werden.

Nach Punkt A 3. a) der ERB 1965 ist der Versicherte verpflichtet, über Verlangen des Versicherers sämtliche von diesem erbrachten Leistungen zurückzustellen, wenn er sich in einem Verfahren gemäß Punkt 1. b) zum Zeitpunkt des den Versicherungsfall begründenden Ereignisses in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befunden hat und dies in der Begründung eines im Zusammenhang mit diesem Ereignis erflossenen rechtskräftigen Straferkenntnisses eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde festgestellt wurde.

Die Bestimmung des Punktes A 3. a) der ERB 1965, wonach der Versicherte unter Umständen verpflichtet ist, sämtliche aus dem den Versicherungsfall begründenden Ereignis vom Versicherer erbrachten Leistungen zurückzuzahlen, bedeutet nicht, daß der Versicherer den Versicherungsschutz gar nicht mehr zu gewähren brauche. Der Versicherer hat vielmehr den Versicherungsschutz durch Zahlung der Kosten an den Rechtsanwalt unbeschadet der möglichen Rückzahlungspflicht des Versicherten zu gewähren. Nur dadurch wird die Erfüllung des Zweckes der Rechtsschutzversicherung gewährleistet, daß dem Versicherten ohne Rücksicht auf seine finanzielle Lage die Rechtsverteidigung und dem mit Hinweis auf die Rechtsschutzversicherung bestellten Rechtsanwalt die Vertretung ohne Gefährdung der Einbringlichkeit seiner Kosten ermöglicht wird. Kommt es trotz der Beiziehung des Rechtsanwalts zu einer Verurteilung iS des Punktes A 3. der ERB 1965, dann trägt demnach der Versicherer das Risiko der Einbringlichkeit der Kosten im Wege der Rückersatzforderung gegen den Versicherten (SZ 46/125). Nun ist es zwar durchaus richtig, daß nach der durch § 1435 ABGB gewährten Kondiktion Sachen, die als eine wahre Schuldigkeit gegeben worden sind, vom Leistenden zurückgefordert werden können, wenn der rechtliche Grund, sie zu behalten, aufgehört hat. § 1435 ABGB gilt jedoch nur subsidiär, insbesondere im Falle des Fehlens vertraglicher Beziehungen (MietSlg 30.260). Eine Kondiktion ist daher ausgeschlossen, wenn die Vermögensverschiebung in einem Vertrags- oder sonstigen Schuldverhältnis einen zureichenden Rechtsgrund findet (Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 34 vor § 1431). Im vorliegenden Fall bedarf es nicht eines Kondiktionsanspruches, da der Rückforderungsanspruch der klagenden Partei in Punkt A 3. a) der ERB seine genau geregelte, vertragliche Grundlage hat. Es handelt sich sohin um einen Anspruch der klagenden Partei aus dem Versicherungsvertrag.

Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag aber verjähren gemäß § 12 Abs 1 VersVG in zwei Jahren, bei der Lebensversicherung in fünf Jahren, wobei die Verjährung mit dem Schluß des Jahres beginnt, in welchem die Leistung verlangt werden kann. Die klagende Partei konnte die Zurückzahlung der von ihr erbrachten Leistungen gemäß Punkt A 3. a) der ERB 1965 schon im Jahre 1980 vom Beklagten fordern. Ihr Anspruch ist deshalb mit Ablauf des Jahres 1982 verjährt. Anhaltspunkte zur Stützung der gegenteiligen Ansicht des Berufungsgerichtes finden sich weder in der Lehre (vgl. Prölss/Martin, VersVG 23 118; Bruck-Möller, VersVG I 8 Rdz 8 und 9 zu § 12; Ehrenzweig, Österreichisches Versicherungsvertragsrecht 182; Böhme, ARB 6 267 und insbesondere Harbauer, Rechtsschutzversicherung 2 , 413, Anm.29), noch auch in der österreichischen (SZ 53/27) oder deutschen Rechtsprechung (die Entscheidung BGH 32, 13 betrifft keinen vertraglichen Rückforderungsanspruch, sondern die Rückforderung einer ungerechtfertigt erhaltenen Versicherungsleistung. In den Gründen dieser Entscheidung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß § 12 Abs 1 VersVG nur Ansprüche erfasse, die ihre rechtliche Grundlage in dem Versicherungsvertrag haben, nicht aber eine Leistung, die der Versicherer irrtümlich erbracht hat und in Wahrheit nicht schuldet. Bei Fällen, in denen der Versicherungsnehmer schon auf Grund des Versicherungsvertrages selbst zu einer Rückerstattung verpflichtet sei, handle es sich um Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag, deren Verjährung sich nach § 12 VersVG richte; andernfalls liege ein Bereicherungsanspruch vor).

Da der Klageanspruch gemäß § 12 Abs 1 VersVG verjährt ist, hat das Erstgericht zu Recht das Klagebegehren abgewiesen. Die Entscheidung des Erstgerichtes war deshalb wiederherzustellen. Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E10179

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00005.87.0129.000

Dokumentnummer

JJT_19870129_OGH0002_0070OB00005_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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