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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
EheG §55;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des MDO in S, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 7. März 2005, Zl. 0/912-18504/10-2005, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 39 iVm §§ 10 und 11a Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab.
Die belangte Behörde begründete diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer seit dem 10. September 1997 mit ununterbrochenem Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet und seit dem 21. Mai 2002 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei. Ungeachtet der Eheschließung sei der Beschwerdeführer bis 2004 in Graz mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen, während seine österreichische Ehegattin seit 1998 ihren Hauptwohnsitz in Salzburg habe. Erst kurz vor Stellung des Antrages auf Verleihung der Staatsbürgerschaft habe der Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz an die Adresse seiner Ehegattin verlegt, gleichzeitig sei er mit Nebenwohnsitz in Graz gemeldet geblieben. Seine Ehegattin habe am 14. Juni 2004 einen Nebenwohnsitz an der Grazer Adresse ihres Beschwerdeführers gemeldet.
Bei einer Vorsprache - so die belangte Behörde weiter - habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er sich lediglich an den Wochenenden am gemeinsamen Hauptwohnsitz in Salzburg aufhalte und während der Woche in Graz lebe, wo er bei einem namentlich genannten Unternehmen arbeite. In Salzburg habe er keine Arbeit gefunden, er verbringe aber jeden Urlaub bzw. auch jedes Wochenende mit seiner Ehegattin am Hauptwohnsitz in Salzburg.
Rechtlich folgerte die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer mit seiner Ehegattin nicht im gemeinsamen Haushalt lebe, weil er sich den Großteil des Jahres beruflich in Graz befinde. Dass er mit seiner Ehegattin an derselben Adresse gemeldet sei, reiche nicht aus, um das Erfordernis des Lebens im gemeinsamen Haushalt gemäß § 11a Abs. 1 Z 1 StbG zu erfüllen, weshalb eine Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 11a StbG nicht in Betracht komme. Auch im Hinblick auf § 10 StbG (ununterbrochener Hauptwohnsitz in Österreich erst seit dem 10. September 1997; kein besonders berücksichtigungswürdiger Grund im Sinn des Abs. 5 der genannten Gesetzesstelle erkennbar) könne dem Verleihungsantrag nicht stattgegeben werden.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:
Nach den unbestrittenen behördlichen Feststellungen ist der Beschwerdeführer seit 21. Mai 2002 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und verfügt er seit 10. September 1997 über einen ununterbrochenen Hauptwohnsitz in Österreich. Von daher war die beantragte Verleihung der Staatsbürgerschaft - wie von der belangten Behörde zutreffend erkannt - primär auf Basis des § 11a StbG zu prüfen, welche Bestimmung gegebenenfalls, bei Erfüllung ihrer Voraussetzungen, einen Rechtsanspruch auf Verleihung vorsieht.
§ 11a StbG in der Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124, lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 11a. (1) Einem Fremden ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8 und Abs. 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn
1. sein Ehegatte Staatsbürger ist und im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebt,
2. die Ehe weder von Tisch und Bett noch sonst ohne Auflösung des Ehebandes gerichtlich geschieden ist,
3. er nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach § 33 Fremder ist und
4. a) die Ehe seit mindestens einem Jahr aufrecht ist und er seinen Hauptwohnsitz seit mindestens vier Jahren ununterbrochen im Gebiet der Republik hat oder bei einer Ehedauer von mindestens zwei Jahren ein solcher Wohnsitz seit mindestens drei Jahren besteht ..."
Vorliegend ging die belangte Behörde davon aus, dass das in Abs. 1 Z 1 genannte Erfordernis des Lebens im gemeinsamen Haushalt nicht erfüllt sei, weil sich der Beschwerdeführer "den Großteil des Jahres" beruflich in Graz befinde und er nach seinen eigenen Angaben lediglich am Wochenende "kurz" nach Salzburg (zu ergänzen: zu seiner Ehegattin) komme.
Die Voraussetzung des Lebens im gemeinsamen Haushalt wurde erst mit der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 in das Gesetz eingefügt. Die ErläutRV (1283 BlgNR 20. GP 9) halten dazu nur fest, dass damit Anregungen im Begutachtungsverfahren entsprochen wurde. Welchen Erwägungen der Gesetzgeber mit der neuen Regelung Rechnung tragen wollte, ist davon ausgehend nicht deutlich erkennbar. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes kann es vor dem Hintergrund des der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 insgesamt zu Grunde liegenden Gedankens, die Integration des Einbürgerungswerbers in den Vordergrund zu stellen (vgl. auch dazu die oben erwähnten ErläutRV, aaO. 5 und 9), aber nur darum gehen, an den integrationsverstärkenden Charakter eines "intakten" Ehelebens mit einem österreichischen Staatsbürger anzuknüpfen und somit umgekehrt gleichsam "defekte" eheliche Beziehungen von der privilegierten Verleihung nach § 11a StbG auszunehmen. Von daher bietet es sich an, das Tatbestandselement "Leben im gemeinsamen Haushalt" etwa im Sinn der "häuslichen Gemeinschaft" des § 55 EheG zu verstehen, deren Aufhebung gleichfalls als "pathologischer Zustand" (Schwimann/Schwimmann, ABGB2 I, § 55 EheG Rz 7) angesehen wird. Ausgehend von diesem Verständnis - das in Beschwerde und Gegenschrift genannte hg. Erkenntnis vom 3. Mai 2000, Zl. 99/01/0407, das einen Fall gesonderter Wohnsitznahme nach § 92 Abs. 2 ABGB betraf, steht dazu nicht in Widerspruch - kann allein aus dem Umstand, dass sich der Beschwerdeführer unter der Woche berufsbedingt in Graz und nicht bei seiner Ehegattin in Salzburg aufhält, nicht darauf geschlossen werden, er lebe mit seiner Ehegattin nicht im gemeinsamen Haushalt (vgl. EFSlg. 38.740 und 46.202). Im Ergebnis zutreffend weist die Beschwerde darauf hin, dass dem Gesetz nicht zu entnehmen ist, dass - von der Beschwerde so bezeichnete - "Pendlerehen" von der Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 11a StbG ausgeschlossen sein sollen.
Nach dem Gesagten hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt. Der angefochtene Bescheid war daher, ohne auf die Überlegungen der belangten Behörde zu § 10 StbG (Vorliegen/Nichtvorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes für die Verleihung der Staatsbürgerschaft) eingehen zu müssen, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Mehrbegehren war
abzuweisen, weil eine Zuerkennung von Umsatzsteuer neben dem Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand nicht in Betracht kommt.
Wien, am 30. August 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005010113.X00Im RIS seit
26.09.2005Zuletzt aktualisiert am
11.10.2011