TE OGH 1987/2/10 2Ob47/86

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Veröffentlicht am 10.02.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Viktor U***, Pensionist, 1190 Wien, Celtesgasse 16, vertreten durch Dr. Herbert Neuhauser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Günter B***, Angestellter, 1230 Wien, Breitenfurterstraße 519-521/1, 2. Z*** K*** Versicherungen Aktiengesellschaft, 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 15, beide vertreten durch Dr. Ingo Ubl, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 61.150,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23. Mai 1986, GZ. 16 R 76/86-26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 27. Dezember 1985, GZ. 40 Cg 744/84-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit S 3.352,72 (darin S 240 Barauslagen und S 282,97 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 16. Dezember 1983 gegen 18,00 Uhr ereignete sich in Wien 16. auf der ampelgeregelten Kreuzung Possingergasse - Gablenzgasse ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker und Halter des PKWs Audi 80 GLS, Kennzeichen W 26.825, und der Erstbeklagte als Lenker und Halter seines bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKWs Toyota Cressida 2000, Kennzeichen W 304.111, beteiligt waren. Der Kläger begehrte von den Beklagten S 61.150,-- s.A. an Schadenersatz und führt aus, den Erstbeklagten treffe das Alleinverschulden, weil er von der Possingergasse nach links in die Gablenzgasse einbiegen habe wollen und dabei den Vorrang des Klägers, der aus der Gegenrichtung kommend die Kreuzung in gerader Richtung übersetzen habe wollen, verletzt habe. Die Behebung des durch die Kollision verursachten Schadens habe S 54.900,-- erfordert. Der PKW habe zudem eine Wertminderung von S 6.000,-- erlitten. S 250,-- habe er an Fahrt-, Telefon- und Portospesen aufgewendet.

Die Beklagten beantragten die Klagsabweisung mit der Begründung, den Kläger treffe das Alleinverschulden, weil er eine überhöhte Geschwindigkeit eingehalten habe und in die Kreuzung in der letzten Sekunde des Gelblichtes oder bereits bei Rotlicht eingefahren sei. Die Beklagten wendeten aufrechnungsweise Gegenforderungen von S 72.983,60 ein, weil die Reparatur des PKWs des Erstbeklagten S 64.983,60 gekostet und das Fahrzeug eine Wertminderung von S 8.000,-- erlitten habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Die Berufung des Klägers blieb erfolglos; das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne des Zuspruches des "eingeschränkten" Klagsbetrages von S 40.766,60 samt 4 % Zinsen seit 25. Jänner 1984; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Im Revisionsverfahren ist nur die Schadensteilung strittig. Diesbezüglich hat das Erstgericht im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Im Zeitpunkt des Unfalles war die Straßenbeleuchtung eingeschaltet. Die beteiligten Fahrzeuge waren beleuchtet. Die aus Kleinsteinpflaster bestehende Fahrbahnoberfläche war trocken. Der Erstbeklagte fuhr in Richtung Johnstraße und beabsichtigte, auf der Kreuzung mit der Gablenzgasse nach links in die Gablenzgasse einzubiegen. Der Kläger fuhr vom Parkplatz der Sportanlage Schmelz kommend in der Possingergasse in Richtung Ottakringerstraße und beabsichtigte, die Kreuzung mit der Gablenzgasse in gerader Richtung zu übersetzen. Der Beklagte hatte sich vor der Kreuzung zum Linksabbiegen eingeordnet und wartete als erstes Fahrzeug hinter der Haltelinie stehend auf die Grünphase der Ampel. Bei Grünlicht fuhr er an und brachte seinen PKW in leichter Schrägstellung zum Stillstand, um den Gegenverkehr abzuwarten. In dieser Position befand sich die Front seines Fahrzeuges in der gedachten Verlängerung der Gehsteigkante der Gablenzgasse. Aus der Gegenrichtung näherte sich der Kläger mit einer Geschwindigkeit von ca. 40 bis 45 km/h in der Mitte des rechten Fahrstreifens. Als die Ampel grün blinkendes Licht zeigte, fuhr er mit unverminderter Geschwindigkeit weiter. Als die Ampel auf gelbes Licht umschaltete, befand er sich ca. 17 m vor der Kreuzung und verminderte nunmehr die Geschwindigkeit. Ein gefahrloses Anhalten vor der Kreuzung wäre dem Kläger zu diesem Zeitpunkt noch möglich gewesen. Der Beklagte setzte in der Annahme, der Kläger werde vor der Kreuzung anhalten, sein Fahrzeug in Bewegung, um sein Linksabbiegemanöver zu beenden. Der Kläger beschleunigte jedoch und fuhr in die Kreuzung ein. Vom Beginn der Gelbphase bis zur Kollision legte der Kläger eine Strecke von zumindest 33 m zurück. Als der Beklagte mit seinem Fahrzeug eine Strecke von ca. 7 m zurückgelegt und eine Geschwindigkeit von ca. 20 km/h erreicht hatte, kam es zur Kollision der Fahrzeuge in der Weise, daß die Front des Klagsfahrzeuges in der Mitte der rechten Seite des Beklagtenfahrzeuges auftraf. Beide Fahrzeuge wurden stark beschädigt. Die Reparaturkosten für den PKW des Klägers betrugen S 54.900,--, jene für den PKW des Erstbeklagten S 64.983,60. Der PKW des Klägers erlitt eine Wertminderung von S 6.000,--, jener des Erstbeklagten eine solche von S 8.000,--. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, der Kläger habe durch das Einfahren in die Kreuzung bei Gelblicht gegen § 38 Abs 1 StVO verstoßen. Der Erstbeklagte habe im Hinblick darauf, daß der Kläger in ausreichender Entfernung vor der Kreuzung die Geschwindigkeit bei Gelblicht vermindert habe, darauf vertrauen dürfen, daß der Kläger sein Fahrzeug zum Stillstand bringen werde. Der Kläger habe daher seinen Schaden selbst zu verantworten. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und billigte auch die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz. Das Berufungsgericht folgte hiebei hinsichtlich der Frage des Vorranges eines bei nicht blinkendem Gelblicht in die Kreuzung einfahrenden Fahrzeuges gegenüber einem auf der Kreuzung nach links einbiegenden Fahrzeug der in der Entscheidung 2 Ob 15/83, veröffentlicht in ZVR 1984/115, vertretenen Auffassung und lehnte den gegenteiligen Standpunkt, der insbesondere in der E. 8 Ob 19/85, veröffentlicht in ZVR 1986/3, vertreten wurde, ab. Das Berufungsgericht führte aus, eine Differenzierung zwischen den unbedingten Anhaltegeboten bei gelbem Licht (§ 38 Abs 1 StVO) und rotem Licht (§ 38 Abs 5 StVO) sei nicht gerechtfertigt. Wer ein Gebot, vor der Kreuzung anzuhalten, zu befolgen habe, könne sich nicht auf einen Vorrang berufen, wenn er verbotenerweise doch in die Kreuzung einfahre. Da der Kläger nach dem Umschalten auf gelbes nicht blinkendes Licht gefahrlos anhalten hätte können, sei er gemäß § 38 Abs 1 StVO zum Anhalten verpflichtet gewesen und könne sich daher nicht auf einen Vorrang berufen. Da somit die behauptete Vorrangverletzung durch den Erstbeklagten nicht vorliege, sei das Klagebegehren schon aus diesem Grunde abzuweisen gewesen. Die Revision ist zulässig (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO), sie ist jedoch nicht berechtigt.

Der Kläger führt in der Revision aus, der Oberste Gerichtshof habe in ständiger Judikatur, so auch in der Entscheidung ZVR 1986/3, die Auffassung vertreten, daß der Linksabbieger auf einer ampelgeregelten Kreuzung den Vorrang eines geradeausfahrenden entgegenkommenden Fahrzeuglenkers auch dann beachten müsse, wenn dieser bei Gelblicht in die Kreuzung eingefahren sei. Mit Rücksicht auf die unbekämpfbaren Feststellungen der Vorinstanzen anerkenne er jedoch ein Mitverschulden von einem Drittel an der Herbeiführung des Unfalles und "schränke demgemäß sein Klagebegehren auf S 40.766,60 samt 4 % Zinsen seit 25. Jänner 1984 und Kosten ein". Was zunächst die "Klagseinschränkung" anlangt, bestimmt § 483 Abs 4 ZPO, welche Bestimmung mit dem Abs 3 dieser Gesetzesstelle i. d.F. vor der Zivilverfahrens-Novelle 1983 übereinstimmt, daß im Berufungsverfahren eine Änderung der dem angefochtenen Urteil zugrundeliegenden Klage selbst mit Einwilligung des Gegners nicht zulässig ist; gleiches gilt gemäß § 513 ZPO auch für das Revisionsverfahren. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Bestimmung des § 483 Abs 3 ZPO i.d.F. vor der Zivilverfahrens-Novelle 1983 kann die Klage im Berufungsverfahren weder geändert noch auch nur im Sinne des § 235 Abs 4 ZPO verändert werden (vgl. JBl. 1959, 289, JBl. 1985, 420, SZ 49/2 ua., Fasching, Komm. IV, 172, Anm. 6 zu § 483 ZPO und Lehrbuch Rz 1231). Es ist daher im Revisionsverfahren ebenso wie im Berufungsverfahren auch eine Klagseinschränkung unzulässig (7 Ob 58, 59/65, 8 Ob 176, 177/71, Fasching, Komm. aaO.). Der durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 eingeführte Abs 3 des § 483 ZPO betrifft nur die Klagsrücknahme, nicht aber eine Klagseinschränkung (zur Unterscheidung vgl. Fasching, Lehrbuch, Rz 1228) und hat daher außer Betracht zu bleiben.

Im vorliegenden Fall folgt aber aus dem Revisionsantrag, der auf Abänderung des Berufungsurteiles im Sinne eines Zuspruches gemäß dem "eingeschränkten Klagebegehren" gerichtet ist, daß der Kläger die Abweisung des den in der Revision nunmehr geforderten Betrages von S 40.766,60 übersteigenden Betrages von S 20.383,40 nicht mehr bekämpft und daher die Abweisung in diesem Umfang in Rechtskraft erwachsen ist.

Soweit der Kläger die Abweisung seines restlichen Klagebegehrens bekämpft, kann ihm nicht gefolgt werden. Festgestellt ist, daß der sich mit einer Geschwindigkeit von 40 bis 45 km/h der Kreuzung nähernde Kläger noch 17 m von dieser entfernt war, als die Verkehrsampel von grünem Licht auf Gelblicht umschaltete und daß er hierauf noch ohne weiteres vor der Kreuzung hätte anhalten können. Da gemäß § 38 Abs 2, zweiter Satz, StVO nur Fahrzeuglenker, denen ein sicheres Anhalten nicht mehr möglich ist, weiterfahren dürfen, war der Kläger somit zum Anhalten verpflichtet. Da der Kläger jedoch nicht angehalten hat, fällt ihm jedenfalls ein Verstoß gegen § 38 Abs 1 StVO zur Last.

Was das Verhalten des Erstbeklagten anlangt, ist zu berücksichtigen, daß nach den Feststellungen, als die Ampel auf Gelblicht umschaltete, sich der Kläger etwa 17 m vor der Kreuzung befand und nunmehr seine Geschwindigkeit verminderte. Auf Grund dieser Geschwindigkeitsverminderung durfte der Erstbeklagte aber darauf vertrauen, daß der Kläger seiner Anhaltepflicht im Sinn des § 38 Abs 1 StVO nachkommen und nicht mehr in die Kreuzung einfahren werde. Er war daher seinerseits berechtigt, bei für ihn geltender Grünphase der Ampel sein Linksabbiegen fortzusetzen. Somit kann dem Erstbeklagten aber kein Verschulden an dem Unfall angelastet werden und dem Klagebegehren muß schon aus diesem Grunde die Berechtigung abgesprochen werden, ohne daß es im vorliegenden Fall einer Erörterung der - vom Obersten Gerichtshof nicht einheitlich gelösten (ZVR 1984/115 und 1986/3) - Frage bedurft hätte, ob der Erstbeklagte trotz des Verstoßes des Klägers gegen § 38 Abs 1 StVO gegenüber dem Kläger wartepflichtig war oder nicht.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E10317

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0020OB00047.86.0210.000

Dokumentnummer

JJT_19870210_OGH0002_0020OB00047_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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