TE OGH 1987/2/10 11Os166/86

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.02.1987
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.Februar 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schopper als Schriftführer, in der Strafsache gegen Radmilla J*** wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 und Abs. 2, Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 11.September 1986, GZ 6 Vr 803/85- 40, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr. Presslauer als Vertreter der Generalprokuratur und des Verteidigers Dr. Ullmann, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche enthält, wurde die am 29.Oktober 1951 geborene Radmilla J*** des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 StGB schuldig erkannt. Nach den wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes wurde Dusko J***, der Ehemann der Angeklagten Radmilla J***, in der Nacht zum 21. April 1985 bei einer Tanzveranstaltung in Mattighofen im Zug einer tätlichen Auseinandersetzung von Vid M***

durch einen Messerstich verwundet und daraufhin in ein Krankenhaus gebracht. Die Angeklagte blieb im Veranstaltungslokal zurück, um den für die Verletzung verantwortlichen Widersacher ihres Ehemanns zu schlagen. Vid M*** hatte sich nach der Tat in einem Nebenraum versteckt, dessen Tür die Angeklagte und Bora J***, ein Cousin des Verletzten, gewaltsam zu öffnen suchten. Dabei stieß Bora J*** die Sakiba M*** zur Seite, worauf deren Ehemann Mujo M*** seiner Frau zu Hilfe kommen und sie aufheben wollte. Als Mujo M*** sich bückte, versetzte ihm die Angeklagte Radmilla J***

"willentlich" einen Messerstich in die rechte Seite des Brustkorbes. Durch diese vom Sachverständigen für Medizin als lebensgefährlich charakterisierte Tathandlung (S 187) erlitt Mujo M*** eine Eröffnung der Bauchhöhle mit einem Leberhämatom, welche Verletzung eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung zur Folge hatte. Die Angeklagte hatte in ihrer Verantwortung eine vorsätzliche Stichführung zugegeben, sich aber darauf berufen, daß Mujo M*** im Begriff gewesen sei, mit zwei abgeschlagenen Bierflaschen auf Bora J*** loszugehen. Diese Darstellung, mit der Messerattacke einen drohenden Angriff des Mujo M*** abgewehrt zu haben, wurde jedoch vom Schöffensenat nach Würdigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens als widerlegte Schutzbehauptung beurteilt, weshalb das Gericht eine Notwehrsituation verneinte und zu einer Verurteilung der Angeklagten wegen schwerer Körperverletzung gelangte.

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Radmilla J***, in welcher pauschal die Nichtigkeitsgründe nach Z 5, 9 lit. b und 10

des § 281 Abs. 1 StPO reklamiert werden.

Rechtliche Beurteilung

Von der zunächst behaupteten Undeutlichkeit des Ausspruches über die subjektive Tatseite der Körperverletzung kann schon deshalb keine Rede sein, weil die Annahme willentlichen Handelns der Angeklagten ohnehin den Bewußtseinsinhalt bei der Tat als Verwirklichenwollen eines Sachverhalts bezeichnet, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Damit kommt aber dem Beschwerdestandpunkt zuwider vorsätzliches Handeln in der Bedeutung der Legaldefinition nach dem § 5 Abs. 1 StGB zweifelsfrei zum Ausdruck (siehe hiezu auch S 295), ohne die - mit der Verantwortung der Angeklagten gar nicht vereinbare - Deutung zuzulassen, daß der Messerstich bloß fahrlässig zugefügt worden sein könnte. In diesem Zusammenhang bedurfte es auch weder aus rechtlichen, noch aus tatsächlichen Erwägungen der von der Beschwerdeführerin begehrten Konstatierungen, welche Form des Vorsatzes erwiesen sei, denn das Vergehen der Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 StGB kann mit jeder Vorsatzart verübt werden (Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB 2 , RN 19 und 22 zu § 84).

Die Annahme des Willens der Täterin, dem Mujo M*** eine körperliche Beschädigung zuzufügen und dabei mit einem solchen Werkzeug und auf solche Weise zu handeln, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, wird vom Erstgericht durch Bezugnahme auf die Verantwortung der Angeklagten und den äußeren Tathergang begründet (S 295). Insoweit hatte die Angeklagte - welche ihrer Darstellung nach daran dachte, daß ihr zuvor verwundeter Ehemann an seiner Stichverletzung im Bereich des Oberbauches sterben könnte (S 148 f) - der Sache nach eingeräumt, dem Mujo M*** bewußt ein Messer mit einer ca. 10 cm langen Klinge in die Bauchgegend gestoßen zu haben (S 145, 160 f). Aus dieser Einlassung und dem Tatgeschehen, einschließlich des vom Sachverständigen für Medizin unter dem Gesichtspunkt des von der Angeklagten entwickelten Kraftaufwandes und der Stichtiefe erläuterten Verletzungserfolges (S 185 ff), konnte aber ohne Verstoß gegen die Denkgesetze das Vorliegen der subjektiven Tatseite abgeleitet werden.

Auch der Einwand nur unvollständiger Berücksichtigung der Angaben des Bora J***, des Selimir D*** und des Radisa T*** geht fehl. Die Zeugenaussage des Erstgenannten, der die Tat als Notwehrakt darstellte, wurde vom Schöffengericht keineswegs übergangen, sondern eingehend erörtert, wegen Widersprüchen zu den Angaben anderer Personen (einschließlich der Angeklagten) im Rahmen eines nicht anfechtbaren Aktes tatrichterlicher Beweiswürdigung jedoch für unglaubwürdig befunden (S 292 ff). Wenn das Erstgericht bei seinen Erwägungen hervorhebt, daß die Schilderungen der Angeklagten und des Bora J*** von keinem anderen Zeugen bestätigt werden, bezieht sich dieser Hinweis ersichtlich (vgl. S 292) auf die Behauptung, Mujo M*** habe vor der Tat den Bora J*** mit zwei abgeschlagenen Bierflaschen angreifen wollen, nicht aber auf sonstige Nebenumstände des Geschehens, die keine entscheidenden Tatsachen in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO abgeben. Demgemäß mußten die Angaben des Selimir D*** und des Radisa T*** darüber, daß Bora J*** die Sakiba M*** nicht zu Fall gebracht habe und Mujo M*** daher auch nicht im Begriff gewesen sei, seine Frau aufzuheben, mangels Relevanz keiner gesonderten Erörterung unterzogen werden. Die weiteren Angaben dieser beiden Zeugen über Attacken des Mujo M*** auf Bora J***

wurden ihrer inhaltlichen Tragweite entsprechend vom Schöffengericht ohnedies beachtet und denkmöglich damit erklärt, daß die Zeugen ihren Schilderungen zufolge den von der Angeklagten geführten Messerstich gar nicht beobachteten und ihre Wahrnehmungen nur noch Reaktionen des schon verletzten Mujo M*** betreffen (S 294 in Verbindung mit S 292 f).

Somit sind die als Mängelrüge zu verstehenden Beschwerdeeinwände insgesamt nicht zielführend.

Die materiellrechtlichen Rügen, wonach die getroffenen Konstatierungen nicht ausreichen sollen, um verläßlich beurteilen zu können, ob die Tat wegen Notwehr gerechtfertigt sei oder wegen Notwehrüberschreitung allenfalls bloß als Fahrlässigkeitstat zu ahnden wäre, relevieren keine neben den Urteilsfeststellungen in Betracht kommenden Sachverhaltselemente, sondern beziehen sich ersichtlich auf die von der Tatsacheninstanz für unrichtig befundene Verantwortung der Angeklagten. Da das Erstgericht einen Angriff des Mujo M*** ausdrücklich negierte, ist ein die bezeichnete Notwehrfrage betreffender Feststellungsmangel nicht ersichtlich, weshalb das aus urteilsfremder Sicht erstattete Beschwerdevorbringen keine weitere fallbezogene Erwiderung erfahren kann. Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher ein Erfolg zu versagen. Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagte nach dem § 84 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten und sah diese Strafe gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nach.

Bei der Strafbemessung wertete es die mehrfache deliktische Qualifikation als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber die bisherige Unbescholtenheit der Radmilla J*** als mildernd. Die Angeklagte strebt mit ihrer Berufung eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe, allenfalls die Verhängung einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe an.

Die Berufung ist nicht begründet.

Das Schöffengericht fand - auch bei zusätzlicher Berücksichtigung der besonderen psychischen Verfassung der Radmilla J*** infolge der kurz vorher stattgefundenen Stichverletzung ihres Ehegatten - für den vorliegenden Gesetzesverstoß die dem Verschuldensgrad und dem hohen Unrechtsgehalt der Tat adäquate Sanktion, deren Umwandlung in eine Geldstrafe (§ 37 StGB) schon wegen des sechs Monate übersteigenden Strafausmaßes nicht in Betracht kam. Der Berufung mußte daher der Erfolg versagt werden. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E10089

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0110OS00166.86.0210.000

Dokumentnummer

JJT_19870210_OGH0002_0110OS00166_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten