Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Februar 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kiss als Schriftführerin in der Strafsache gegen Herbert R*** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach §§ 88 Abs. 1 und Abs. 3 (§ 81 Z 1) StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 9. Oktober 1986, GZ 7 b Vr 232/86-76, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, und des Verteidigers Dr. Wolfgang Kainz, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden - Urteil wurde Herbert R*** (außer weiteren strafbaren Handlungen) der Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und Abs. 3 (§ 81 Z 1) StGB sowie der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 (§ 81 Z 1) StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes) schuldig erkannt.
Die beiden Vergehen liegen ihm zur Last, weil er am 12.Dezember 1985 als Lenker eines PKW auf der Pyhrnpaß-Bundesstraße in Strienzing, Gemeindegebiet Wartberg an der Krems, durch Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit und mit einem (infolge mangelhafter Bereifung) nicht betriebssicheren und behördlich nicht zugelassenen Fahrzeug (bei Schneematsch und Regen), somit unter besonders gefährlichen Verhältnissen, die dazu führten, daß er mit dem Fahrzeug (in einer Kurve ins Schleudern geriet und) von der Fahrbahn abkam, wobei sich das Fahrzeug überschlug, fahrlässig den (im PKW mitfahrenden) Josef R***, der bei diesem Unfall Abschürfungen an der rechten Stirnseite und an der rechten Hand erlitt, leicht verletzt sowie eine Gefahr für die körperliche Sicherheit des (weiteren Fahrzeuginsassen) Karl R*** herbeigeführt hat.
Rechtliche Beurteilung
Ausdrücklich nur den Schuldspruch laut Punkt 1 des Urteilssatzes bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.
Entgegen der diesbezüglich eine unzureichende Begründung reklamierenden Mängelrüge (Z 5) konnte das Erstgericht die bekämpfte Urteilsfeststellung über die (mangelnde) Verkehrs- und Betriebssicherheit des vom Angeklagten am Unfallstag gelenkten PKW im Einklang mit den Denkgesetzen und den allgemeinen Erfahrungen im Straßenverkehr auf die (in der Hauptverhandlung verlesenen - S 297 - und für unbedenklich erachteten - S 311) Gendarmerieerhebungen (S 8) stützen, wonach das rechte Vorderrad des Fahrzeuges mit einem Spikereifen, aus dem aber die Spikes entfernt worden waren, ausgerüstet und die übrigen (drei) Räder mit Sommerreifen versehen waren sowie die gesamte Lauffläche des linken Hinterreifens vollständig abgefahren war und kein Reifenprofil mehr aufwies (S 306 f.). Der Hinweis, daß "überdies" die gesamte Karosserie des Fahrzeuges, vor allem auch tragende Teile, bereits stark verrostet waren, erfolgte ersichtlich bloß illustrativ (S 307). Die im vorliegenden Fall entscheidungswesentlichen Feststellungen über die Mängel des Unfalls-PKW, die zudem vom Angeklagten weder im Vorverfahren (vgl. S 34) noch in der Hauptverhandlung (S 257) in Abrede gestellt wurden, sind daher zureichend und damit mängelfrei begründet. Insoweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang das Unterbleiben der Beiziehung eines Kraftfahrzeugsachverständigen bemängelt, rügt er in Wahrheit (bloß) die Unterlassung einer amtswegigen Beweisaufnahme.
Mangels einer darauf gerichteten (erfolglosen) Antragstellung in der Hauptverhandlung bringt er jedoch den der Sache nach relevierten Nichtigkeitsgrund (Z 4) nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung. Es versagt aber auch die Rechtsrüge, mit welcher der Angeklagte die Annahme besonders gefährlicher Verhältnisse im Sinn des § 81 Z 1 StGB im wesentlichen mit dem Argument bekämpft, die in Rede stehende Qualifikation erfordere die "Häufung mehrerer unfallsträchtiger Faktoren".
Der Beschwerde ist zwar im gegebenen Zusammenhang einzuräumen, daß eine besonders hohe Unfallswahrscheinlichkeit in der Regel aus mehreren risikosteigernden Umständen resultiert. Dies schließt jedoch nicht aus, daß sich eine dem Begriff der besonders gefährlichen Verhältnisse im Sinn des § 81 Z 1 StGB entsprechende qualitativ verschärfte Gefahrenlage in der Bedeutung einer außergewöhnlich hohen Unfallswahrscheinlichkeit unter Umständen auch schon aus einem einzigen Faktor ergeben kann (Leukauf-Steininger Kommentar 2 RN 8; Kienapfel BT I 2 RN 20; Burgstaller im WK Rz. 23 je zu § 81 StGB). Außerdem übersieht der Beschwerdeführer, daß das Erstgericht eine solche Gefahrensituation für beide Fahrzeuginsassen und die daraus resultierende außergewöhnlich hohe Unfallswahrscheinlichkeit aus zumindest zwei unfallsträchtigen Faktoren, nämlich aus der vom Beschwerdeführer in Anbetracht der herrschenden Witterungsverhältnisse (Schneematsch und Regen - vgl. hiezu das Geständnis des Angeklagten S 257, 258) eingehaltenen - relativ - überhöhten Fahrgeschwindigkeit von etwa 90 km/h beim Befahren einer Kurve (S 307) und aus der (zuvor wiedergegebenen) äußerst mangelhaften Fahrzeugbereifung abgeleitet hat (S 308, 319). Die schon infolge Schneematsch und Regen erhöhte Rutschgefahr auf der Fahrbahn bei einer im Unfallszeitpunkt vom Angeklagten eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit von rund 90 km/h wurde durch die festgestellten Mängel der Fahrzeugbereifung jedenfalls noch erheblich gesteigert, sodaß auch für den Beschwerdeführer die unter diesen Umständen bei Befahren einer Linkskurve (mit leichtem Gefälle der Straße) evidente besondere Schleudergefahr und die sich daraus ergebende hohe Unfallswahrscheinlichkeit leicht erkennbar und vorhersehbar war. Daran vermag auch der von der Beschwerde ins Treffen geführte Umstand nichts zu ändern, daß die Gendarmeriebeamten mit ihrem - vorschriftsmäßig bereiften (S 261) - (Einsatz-)Fahrzeug den Angeklagten mit einer Fahrgeschwindigkeit von ca. 110 km/h (auf gerader Straße) unfallfrei verfolgen konnten. Die Annahme eines Handelns des Angeklagten unter besonders gefährlichen Verhältnissen (§ 81 Z 1 StGB) erfolgte daher frei von Rechtsirrtum. Zu den weiteren Ausführungen in der Rechtsrüge genügt der Hinweis, daß das Erstgericht dem Angeklagten eine mangelnde Fahrpraxis als weiteren gefahrenverschärfenden Faktor ebensowenig angelastet hat wie die - in den Urteilsgründen ersichtlich bloß illustrativ angeführte - starke Verrostung des vom Angeklagten im Unfallszeitpunkt gelenkten PKW.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten für die beiden oben bezeichneten Delikte sowie die ihm nach dem insoweit unbekämpft gebliebenen Schuldspruch außerdem noch zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich das Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 StGB (Punkt 3 des Urteilssatzes) sowie die Vergehen der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs. 1 StGB (Punkt 2) und des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 und Abs. 3 erster Fall StGB (Punkt 4), nach §§ 28, 129 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr. Dabei wertete es die einschlägigen Vorstrafen, die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen verschiedener Art und die zweifache Qualifikation des Diebstahls als erschwerend, hingegen das Geständnis in Ansehung der Schuldspruchfakten 1, 2 und 4 und den Umstand, daß die Täuschung nur versucht wurde, als mildernd. Der (ohne weitere Begründung) "gegen das Strafausmaß" gerichteten Berufung des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Daß vom Erstgericht Milderungsgründe übersehen wurden, behauptet der Angeklagte selbst nicht. Demgegenüber wäre im Hinblick auf die erst im Mai 1985 erfolgte Entlassung aus der (letzten) Strafhaft und das (neuerliche) Einsetzen der deliktischen Tätigkeit ab Dezember 1985 der rasche Rückfall als (weiterer) Erschwerungsgrund zu berücksichtigen gewesen.
Ausgehend von den solcherart ergänzten Strafzumessungsgründen erweist sich die vom Schöffengericht verhängte (einjährige) Freiheitsstrafe angesichts des belasteten - bereits die Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 StGB erfüllenden - Vorlebens des Angeklagten und der Wirkungslosigkeit bisheriger Abstrafungen keineswegs als überhöht.
Es war daher auch der Berufung ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E10201European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0090OS00179.86.0211.000Dokumentnummer
JJT_19870211_OGH0002_0090OS00179_8600000_000