Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Hule, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*** F***
Gesellschaft mbH, Wien 15., Linke Wienzeile 234, vertreten durch Dr. Gustav Gruber, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei N*** R*** MBH, Wien 9., Mariannengasse 3, vertreten durch Dr. Herbert Jahn, Dr. Erich Unterer und Dr. Rainer Handl, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 799.043,79 s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 25. September 1986, GZ 2 R 136/86-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 15. April 1986, GZ 17 Cg 101/85-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 16.615,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.510,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Firma F*** G*** MBH (im folgenden nur Firma F***) zedierte der klagenden Partei mit Vertrag vom 25. Februar 1977 alle ihre Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen, die sie im Rahmen ihres Unternehmens nach dem 1. April 1977 erbringt. Aufgrund eines der Firma F*** von der von der beklagten Partei, der U***, Hoch- und Tiefbau AG (im folgenden nur Firma U***) und der Allgemeinen Baugesellschaft A. P*** AG gebildeten Arbeitsgemeinschaft "Universitätszentrum Althanstraße" erteilten Auftrages führte die Firma F*** in der Zeit vom Juni 1982 bis Dezember 1982 Maler- und Anstreicherarbeiten durch. Hiefür hatte sie am 12. Februar 1982 und am 14. Mai 1982 Akontozahlungen von je S 110.000 erhalten. Für den restlichen Werklohn legte sie folgende Rechnungen:
Rechnung Nr. vom fällig am S
21.564 24.6.1982 22.10.1982 3.573,83
21.565 24.6.1982 22.10.1982 1.417,28
21.566 24.6.1982 22.10.1982 77.545,84
21.630 20.8.1982 18.12.1982 27.297,78
21.637 26.8.1982 24.12.1982 19.369,40
21.663 16.9.1982 14.01.1983 24.553,42
21.664 16.9.1982 14.01.1983 5.654,90
21.665 16.9.1982 14.01.1983 8.039,57
21.669 21.9.1982 19.01.1983 7.167,24
21.755 6.12.1982 05.04.1983 5.612,31
31.331 9.12.1982 08.04.1983 993.917,73
131.331 9.12.1982 08.01.1983 1.505,11
1,175.654,41
Unstrittig ist eine offene Restforderung der Firma F*** im Betrage von S 799.043,79. Die klagende Partei begehrt mit der am 9. Dezember 1985 eingebrachten Klage diesen Betrag samt Anhang von der beklagten Partei gestützt auf die Forderungsabtretung und die Solidarhaftung der beklagten Partei.
Die beklagte Partei behauptet Tilgung der Forderung durch Aufrechnung. Nach dem Standpunkt der klagenden Partei liege eine wirksame Aufrechnung nicht vor.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen hat die Firma U*** gegen die Firma F*** aufgrund eines ihr von dieser am 19. August 1982 erteilten Auftrages zur Errichtung einer Anschlußgleisanlage eine Forderung von S 1,5 Mio, über die am 31. Dezember 1982 Rechnung gelegt wurde. Mit Schreiben an die klagende Partei vom 23. Jänner 1986, Beilage 3, erklärte die Firma U*** die geltend gemachte Forderung der klagenden Partei mit Zustimmung der beklagten Partei gemäß der §§ 1422, 1423 ABGB einzulösen und mit der ihr gegen die Firma F*** zustehenden Forderung bis zur Höhe des eingelösten Betrages aufzurechnen. Mit Antwortschreiben vom 24. März 1986 lehnte die klagende Partei eine Aufrechnung ab.
Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes sei die Aufrechnungserklärung der Firma U*** mangels Gegenseitigkeit unwirksam.
Das Berufungsgericht vertrat den gegenteiligen Standpunkt und änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab.
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes über die Beurteilung der baugewerblichen Arbeitsgemeinschaften als Gesellschaften bürgerlichen Rechtes (vgl. Strasser in Rummel ABGB Rdz 27 zu § 1175 mwN), über die Solidarhaftung der Gesellschafter als Kaufleute für Gesellschaftsschulden (vgl. GesRZ 1982, 48), über die Wirksamkeit der Aufrechnungserklärung auch gegen den Willen des Aufrechnungsgegners, über die Ausnahme vom Erfordernis der Gegenseitigkeit bei einer Forderungsabtretung im Verhältnis zwischen Schuldner und Neugläubiger (vgl. Koziol-Welser 7 I 252), über das Mindesterfordernis des Bestehens der Gegenforderung dem Grunde nach (vgl. Rummel in Rummel ABGB Rdz 3 zu § 1442 und Ertl aaO Rdz 1 zu § 1396 mwN; SZ 56/190) und die Anwendung der Anrechnungsregeln des § 1416 ABGB wird von der Revisionswerberin nicht in Zweifel gezogen. Es kann daher insoweit auf die eingehenden und zutreffenden sowie mit weiteren Belegstellen versehenen Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden.
Die Auffassung der Revisionswerberin, daß die Aufrechnungserklärung der Firma U*** wegen der damit verbundenen Einlösungserklärung unwirksam sei, kann nicht geteilt werden. Richtig ist, daß es einer solchen Erklärung nicht bedurft hätte. Der Aufrechnungsvollzug erfolgt in Ausübung eines Gestaltungsrechtes durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die auf die Herbeiführung der Aufrechnungswirkungen gerichtet ist (Rummel aaO Rdz 11 zu § 1438). Die Bedeutung der Aufrechnungserklärung ist wie die jeder anderen Willenserklärung ausgehend von ihrem Wortlaut nach der dem Erklärungsempfänger erkennbaren Absicht des Erklärenden zu beurteilen (vgl. hiezu Koziol-Welser aaO 85). Die von der Firma U*** der klagenden Partei übermittelte Aufrechnungserklärung Beilage 3 nimmt ausdrücklich Bezug auf die vorliegende Klage und die nach deren Inhalt der klagenden Partei von der Firma F*** gemäß den bestimmt bezeichneten Rechnungen abgetretenen Forderungen gegen die Arbeitsgemeinschaft. Durch diese Bezugnahme konnte daher für die klagende Partei nicht zweifelhaft sein, welche Forderungen die Firma U*** tilgen wollte. Daß es sich hiebei aber nicht um fremde Forderungen der Firma U*** handelte, sondern um Solidarschulden, wird von der klagenden Partei selbst eingeräumt. Dem Berufungsgericht ist daher darin zuzustimmen, daß der mit der Aufrechnungserklärung verbundenen Einlösungserklärung in Ansehung des Erfordernisses der Gegenseitigkeit keine Bedeutung zukommt. Die Aufrechnung ist eine Form der Schuldtilgung ("Zahlung in Kürze", Rummel aaO Rdz 1 zu § 1438) und setzt daher entgegen der Meinung der Revision nicht voraus, daß der Aufrechnende vom Gläubiger in Anspruch genommen wird.
Richtig ist, daß eine Aufrechnung zwischen Forderungen einer OHG, einer KG oder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes und Privatforderungen des Gesellschaftsschuldners gegen einzelne Gesellschafter grundsätzlich unzulässig ist (Gschnitzer in Klang 2 VI 519; Rummel aaO Rdz 14 zu § 1441; JBl. 1961, 231). Dieses Aufrechnungshindernis beruht auf dem Gesamthandverhältnis, das eine einseitige Verfügung des Gesellschafters über das Gesellschaftsvermögen und über seinen Anteil daran ausschließt (Gschnitzer aaO). Eine solche unzulässige Verfügung über das Gesellschaftsvermögen liegt aber dann nicht vor, wenn eine Privatforderung gegen eine Gesellschaftsschuld, für die der Gesellschafter auch persönlich haftet, aufgerechnet wird. Der Gesellschafter, der solidarisch für die Gesellschaftsschuld haftet, kann daher mit seiner Privatforderung dem Gesellschaftsgläubiger gegenüber aufrechnen (Gschnitzer aaO 520). Nicht gefolgt werden kann der klagenden Partei darin, daß die Zustimmung aller Gesellschafter hiezu notwendig gewesen wäre. Die von der Revision für diesen Standpunkt zitierten Entscheidungen GlUNF 4210 und5405 betrafen die Frage der Verpflichtung des Gläubigers zur Annahme der Zahlung durch einen Dritten. Im erstgenannten Fall wurde die Zustimmung auch nur eines Mitschuldners (von zweien) als ausreichend angesehen. In der zweiten Entscheidung postulierte der Oberste Gerichtshof allerdings das Erfordernis der Zustimmung sämtlicher Schuldner zur Wirksamkeit der dem Gläubiger aufzudringenden Zahlung eines Dritten. Im vorliegenden Fall kommt aber der Firma U*** im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldnermehrheit nicht die Stellung eines Dritten zu. Auszugehen ist vielmehr von § 1188 ABGB, wonach bei der Entscheidung über die gesellschaftlichen Angelegenheiten, soferne nicht vertraglich etwas anderes vereinbart wurde, die in dem Hauptstück von der Gemeinschaft des Eigentums gegebenen Vorschriften anzuwenden sind. Danach gilt für ordentliche Maßnahmen der Geschäftsführung, und dazu gehört die Tilgung von Gesellschaftsschulden durch Aufrechnung, das Mehrheitsprinzip, sodaß hier die nicht bestrittene Zustimmung eines Gesellschafters genügte. Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E10405European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00735.86.0212.000Dokumentnummer
JJT_19870212_OGH0002_0070OB00735_8600000_000