Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Hule, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei X*** Gesellschaft mbH, Wien 7., Neubaugasse 57/3, vertreten durch Dr. Klaus-Peter Schrammel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Stefanie Charlotte K***, Wien 1., Lichtenfelsgasse 5, und 2.) Brigitte R***, Hausverwaltung, Wien 1., Graben 27, beide vertreten durch Dr. Ladislav Margula, Rechtsanwalt in Wien, wegen 306.509 S s.A., infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 15.Oktober 1986, GZ 41 R 515/86-15, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 12.Mai 1986, GZ 47 C 400/85- 8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Mieterin des Geschäftsraumes Nr. 5 im Hause Wien 7., Neustiftgasse 139, das im Eigentum der Beklagten steht. Am 11.Mai 1984 ereignete sich auf der Kaiserstraße Ecke Neustiftgasse ein Verkehrsunfall, bei dem ein Straßenbahnzug der Wiener Verkehrsbetriebe gegen das oben genannte Haus fuhr, wodurch das von der Klägerin gemietete Lokal derart starke Beschädigungen erlitt, daß es derzeit nicht verwendet werden kann. Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin aus dem Titel des Schadenersatzes von den Beklagten 326.586 S s.A., weil die Beklagten ihrer Instandsetzungspflicht nicht nachgekommen seien. Die Beklagten wendeten ein, der Schaden sei nicht ausreichend durch eine Versicherung gedeckt. Im übrigen fänden die Kosten einer Wiederherstellung des Bestandobjektes in den Mietzinseingängen keine Deckung. Verhandlungen mit den Wiener Stadtwerken wegen Schadenersatzes hätten bisher zu keinem Ergebnis geführt. Das Erstgericht hat der Klägerin unter Abweisung eines Mehrbegehrens von 306.594 S s.A. 19.992 S s.A. zugesprochen, wobei es sich bei dem zugesprochenen Betrag um einen Rückforderungsanspruch wegen bezahlter Mietzinse handelte. Es traf hiebei vom Berufungsgericht als nicht ausreichend erachtete Feststellungen über den Verdienstentgang und die Fixkosten der Klägerin.
Rechtlich vertrat das Erstgericht die Ansicht, gemäß § 7 MRG sei der Vermieter, wenn ein Mietgegenstand durch Zufall zur Gänze oder zum Teil unbrauchbar wird, zur baurechtlich zulässigen und bautechnisch möglichen Wiederherstellung des Mietgegenstandes in dem Maße verpflichtet, als die Leistungen aus einer bestehenden Versicherung ausreichen. Im übrigen gelte § 1104 ABGB. Nach dieser Bestimmung sei der Bestandgeber zur Wiederherstellung des Mietobjektes nicht verpflichtet und der Mieter auch nicht verpflichtet, den Mietzins zu bezahlen, wenn die in Bestand genommene Sache wegen außerordentlicher Zufälle wie Feuer, Krieg oder Seuche, große Überschwemmungen, Wetterschläge oder wegen gänzlichen Mißwachses gar nicht gebraucht oder benutzt werden könne.
Diese Aufzählung sei nicht erschöpfend. Verkehrsunfälle, wie der vorliegende, müßten ebenfalls als derartige außerordentliche Zufälle gewertet werden. Da keine vollständige versicherungsrechtliche Deckung der Hauseigentümer vorliege, scheide demnach deren Verpflichtung zur Wiederherstellung aus, womit einem Schadenersatzanspruch die Grundlage entzogen sei. Allerdings könne die Mieterin die bezahlten Mietzinse zurückverlangen. Das Berufungsgericht sprach mit dem angefochtenen Teil- und Zwischenurteil aus, daß das Begehren der Klägerin auf Zahlung von 306.594 S s.A. dem Grunde nach zu Recht bestehe. Mit Teilurteil wies es das Begehren auf Rückzahlung zuviel bezahlter Mietzinse von 19.992 S s.A. ab. Im Umfang der Abweisung ist die Entscheidung in Rechtskraft erwachsen.
Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, Verkehrsunfälle, wie der vorliegende, seien nicht als außerordentliche Zufälle im Sinne des § 1104 ABGB anzusehen. Es handle sich hiebei nicht einmal um einen Zufall im Sinne des § 7 MRG. Demnach wären die Beklagten zur Wiederherstellung des Bestandobjektes verpflichtet gewesen. Daß sie die Wiederherstellung bisher nicht durchgeführt haben, sei nicht bestritten. Den Beweis dafür, daß sie an der Verletzung dieser Verpflichtung kein Verschulden treffe, hätten sie nicht erbracht. Demnach haften sie dem Grunde nach für den Ersatz der durch die Verletzung ihrer Verpflichtung entstandenen Schäden.
Rechtliche Beurteilung
Die von den Beklagten gegen das Zwischenurteil wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt. Einen unzulässigen Eingriff in die erstrichterlichen Feststellungen hat das Berufungsgericht schon deshalb nicht vorgenommen, weil die Wertung eines konkreten Ereignisses als "außerordentlicher Zufall" im Sinne des § 1104 ABGB eine Auslegung dieser Bestimmung und demnach eine rechtliche Beurteilung bildet.
Die Vorinstanzen haben die maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen richtig zitiert. Bei der Frage, ob die Beklagten eine ihnen obliegende Verpflichtung verletzt haben, ist davon auszugehen, daß der Vermieter gemäß § 1096 ABGB grundsätzlich zur Instandhaltung und Instandsetzung des Bestandobjektes verpflichtet ist. Bei Verletzung dieser Verpflichtung haftet der Bestandgeber über die Zinsbefreiung hinaus für jeden durch die Vernachlässigung seiner im § 1096 ABGB festgesetzten Pflichten zur Gebrauchsgewährung verursachten Schaden. Hinsichtlich des Verschuldens gilt stets Umkehr der Beweislast (Würth in Rummel, Rdz. 12 zu § 1096, MietSlg. 33.156, 31.183, 27.167 u. a.). Die Bedeutung des § 1104 ABGB besteht in der Durchbrechung der Erhaltungspflicht des Bestandgebers nach § 1096 ABGB (Würth in Rummel, Rdz. 3 zu § 1104). Daraus ergibt sich aber, daß § 1104 ABGB eine Ausnahme gegenüber der allgemeinen Verpflichtung des § 1096 ABGB festsetzt. Demnach muß derjenige, der sich auf diese Ausnahme beruft, ihr Vorliegen beweisen, also der Vermieter, wenn er behauptet, er sei aus einem der im § 1104 ABGB genannten Gründe nicht verpflichtet, im Sinne des § 1096 ABGB zu handeln. § 1104 ABGB zählt nun Umstände auf, die als außerordentliche Zufälle zu werten sind. Richtig ist, daß diese Aufzählung der außerordentlichen Zufälle keine erschöpfende ist. Darunter können auch andere Ereignisse fallen, so etwa Erdbeben, Berg- und Lawinensturz, innere Unruhen u. dgl. (Klang 2 V, 81). Auch die ergänzende Anführung weiterer Umstände, die als außerordentliche Zufälle im Sinne des § 1104 ABGB zu werten sind, läßt erkennen, daß nach dem Willen des Gesetzgebers dazu nicht alle Vorkommnisse zu rechnen sind, die sich für den Vermieter als höhere Gewalt darstellen, sondern nur Umstände, die so außerhalb menschlicher Kontrolle liegen, daß im allgemeinen hiefür von niemandem Ersatz erwartet werden kann. Der Grundgedanke der bestandrechtlichen Regelungen, einschließlich der Regelungen des MRG, ist es, daß der Mieter vom Vermieter die Benützung des Bestandobjektes ermöglicht erhält. Diese Verpflichtung des Vermieters soll nur dort eine Einschränkung erfahren, wo sie für den Vermieter mit unzumutbaren Belastungen verbunden wäre. Insbesondere soll der Vermieter für von ihm nicht verschuldete Beeinträchtigungen des Mieters dann nicht aufkommen müssen, wenn ihm eine Deckung der Kosten hiefür schon nach der Art des sie verursachenden Ereignisses nicht möglich ist. Wo jedoch die Aufbringung der Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung des Bestandobjektes durch den Vermieter sei es auch durch Schadenersatzansprüche gegen Dritte, an sich denkbar ist, wollte der Gesetzgeber den Vermieter von seiner vertraglichen Verpflichtung nicht entlasten. Dies lassen auch die Bestimmungen des MRG erkennen, die im § 3 Abs. 1 ausdrücklich auf § 1096 ABGB verweisen. Das MRG schränkt die Verpflichtung des Vermieters lediglich auf bestimmte Beschädigungsfälle und Arten der Beschädigung des Bestandobjektes ein, setzt aber die grundsätzliche Verpflichtung des Vermieters nach § 1096 ABGB nicht außer Kraft. Dem Berufungsgericht ist also dahin beizupflichten, daß Verkehrsunfälle der vorliegenden Art jenen Fällen, die § 1104 ABGB im Auge hat, nicht gleichgesetzt werden können. Sowohl bei den im § 1104 ABGB beispielsweise aufgezählten, als auch bei den oben dargelegten weiteren gleichartigen Fällen, handelt es sich immer um solche, die schon wegen ihrer besonderen Größe und Unabgrenzbarkeit sowie ihrer Unfaßbarkeit für den einzelnen durch eine für den Regelfall geltenden Bestimmung nicht erfaßt werden können. Hier gilt der Gedanke, daß derartige Katastrophenfälle einen größeren Personenkreis auf eine Art treffen, die durch eine gesetzliche Regelung nicht entsprechend ausgeglichen werden kann. Dagegen sind Verkehrsunfälle typische Ereignisse, wie sie im modernen Leben immer wieder vorkommen und die in der Regel einen billigen und gerechten Ausgleich mit Hilfe des Schadenersatzrechtes ermöglichen. Ist aber grundsätzlich ein Ausgleich durch Schadenersatz denkbar (ob im konkreten Fall Schadenersatz erreicht werden kann, ist für die grundsätzliche Lösung der Frage ohne Bedeutung), so besteht kein Anlaß für die Außerkraftsetzung jener Bestimmung (§ 1096 ABGB), die im allgemeinen einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Bestandgebers und des Bestandnehmers schaffen soll. Das Berufungsgericht hat also richtig erkannt, daß der vorliegende Schaden nicht durch ein Ereignis im Sinne des § 1104 ABGB entstanden ist, so daß grundsätzlich die Erhaltungspflicht der Beklagten nach § 1096 ABGB besteht. Dem Berufungsgericht ist ferner darin beizupflichten, daß die Art der Schäden nicht zu einer Einschränkung der Verpflichtungen der Vermieter im Sinne des § 3 MRG führt. Es wäre daher Sache der Beklagten gewesen zu beweisen, daß sie an der bisher nicht erfolgten Wiederherstellung des Bestandobjektes kein Verschulden trifft. Einen derartigen Beweis haben sie nicht erbracht. Sie haben lediglich ausgeführt, die von ihnen abgeschlossene Versicherung biete keine ausreichende Deckung. Dies ist aber für die Erhaltungspflicht nach § 1096 ABGB ohne Bedeutung. Zutreffend verweist das Berufungsgericht auch darauf, daß der bloße Einwand, die Wiederherstellungskosten würden in den Mietzinseingängen keine Deckung finden, im Hinblick auf § 18 MRG für die Dartuung mangelnden Verschuldens an der Wiederherstellung nicht ausreicht.
Richtig hat demnach das Berufungsgericht die grundsätzliche Haftung der Beklagten für die der Klägerin aus der Verletzung der Wiederherstellungspflicht nach § 1096 ABGB entstandenen Schäden bejaht.
Eine spruchmäßige Unterteilung der geltend gemachten Forderungen war entbehrlich, weil die Klägerin den gesamten noch offenen Betrag aus dem Titel des Schadenersatzes verlangt. Demnach liegt eine einheitliche Schadenersatzforderung vor, die im Spruch nicht unterteilt werden muß. Welche einzelnen Schäden der Klägerin tatsächlich entstanden sind, ist Sache der Prüfung der Höhe. Auch in der Endentscheidung wird nur ein Gesamtbetrag zuzusprechen sein. Die Unterteilung auf einzelne Posten hätten nur in den Entscheidungsgründen zu erfolgen. Bei der Fällung eines Zwischenurteiles erübrigt sich demnach eine solche Unterteilung. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO (SZ 23/243).
Anmerkung
E10575European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00520.87.0212.000Dokumentnummer
JJT_19870212_OGH0002_0070OB00520_8700000_000