Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Februar 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Sulzbacher als Schriftführers in der Strafsache gegen Wilhelm Maximilian H*** wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127 ff. StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichts Ried im Innkreis als Schöffengerichts vom 4. Dezember 1986, GZ. 7 Vr 871/83-347, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Akten werden zur Entscheidung über die Berufungen dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, nur mehr der Straffestsetzung dienenden Urteil hat das Schöffengericht über Wilhelm Maximilian H***, insoweit er mit dem Urteil des Kreisgerichts Ried im Innkreis vom 6. Februar 1986, GZ. 7 Vr 871/83-300, wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 2, 129 Z. 1 und 2 StGB in einem früheren Rechtsgang rechtskräftig schuldig erkannt worden war, im nunmehr letzten Rechtsgang nach § 128 Abs. 2 StGB eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren verhängt. Die gegen dieses Urteil ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde stützt der Angeklagte auf § 281 Abs. 1 Z. 2, 4 und 7 StPO. Den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund (Z. 2) erblickt der Angeklagte darin, daß, obwohl bereits ein rechtskräftiger Schuldspruch und rechtskräftige Freisprüche vorlagen, dennoch die Anklageschrift - bei Verwahrung seines Verteidigers - vorgelesen wurde. Insbesondere sei nämlich aus § 244 StPO e contrario zu schließen, daß die Anklageschrift hinsichtlich jener Fakten, von denen der Angeklagte rechtskräftig freigesprochen wurde, nicht hätte verlesen werden dürfen.
Rechtliche Beurteilung
Zufolge § 244 StPO ist nur das Unterbleiben einer Verlesung der Anklageschrift und eines allfälligen Erkenntnisses, demzufolge ein Anklagepunkt zu entfallen hat, mit Nichtigkeit (Z. 3) bedroht. Der klare Gesetzeswortlaut läßt keine spekulativen Schlußfiguren zu. Der angerufene Nichtigkeitsgrund (Z. 2) scheidet aus, weil er voraussetzt, daß trotz der Verwahrung des Beschwerdeführers ein Schriftstück über einen nach dem Gesetz nichtigen Vorerhebungs- oder Voruntersuchungsakt in der Hauptverhandlung verlesen wurde. Die Anklageschrift wird nach dem Schluß der Vorerhebungen oder der Voruntersuchung eingebracht; außerdem können nur gerichtliche Akte nichtig sein, niemals die Verfolgungsmaßnahme einer Verwaltungsbehörde.
Die Verfahrensrüge (Z. 4) releviert den vom Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten, ausführlich begründeten Antrag auf Einholung eines Gutachtens aus dem Fach der Psychologie und Psychiatrie (X. Bd. S. 466), den das Gericht als rechtlich unerheblich abgewiesen hat (X. Bd. S. 467). Dies zu Recht. Ging es dem Angeklagten doch nur um die Auswirkung der bisher verbüßten Haft auf seine Persönlichkeit angesichts mittlerweile kassierter Schuldsprüche und in Unterstellung seiner völligen Schuldlosigkeit, sohin um Anliegen, die allenfalls im Rahmen der Strafberufung relevant sein könnten. Ein für den anzuwendenden Strafsatz bedeutsamer Umstand wird davon nicht tangiert.
Schließlich moniert der Angeklagte als nichtig (Z. 7), daß trotz ihrer neuerlichen Verlesung die Anklageschrift nicht abermals mit Schuld- und Freispruch erledigt worden sei. Werde eine Anklageschrift rechtswidrig vorgelesen und stelle diese Verlesung als solche nicht schon eine Nichtigkeit her, so habe der Angeklagte im Sinn der Menschenrechtskonvention einen Anspruch auf Entscheidung über die vorgelesene Anklage. All dies geht ins Leere, weil über die Anklage punkto Schuld schon rechtskräftig abgesprochen wurde und die formelhafte Wiederholung bereits ergangener Schuld- und Freisprüche nach der neuerlichen Verlesung einer punkto Schuld erledigten Anklageschrift formell- und materiellrechtlich keine Bedeutung beanspruchen könnte.
Da die geltend gemachten formellrechtlichen Nichtigkeitsgründe durch den Hinweis auf Umstände, die sie nach dem Gesetz gar nicht zu begründen vermögen, in Wahrheit nicht aufgezeigt (13 Os 53/85) und andere, im § 281 Abs. 1 Z. 1 bis 11 StPO angeführte Nichtigkeitsgründe nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung gebracht werden, war die Beschwerde gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
Die Zuleitung der Akten zur Entscheidung über die Berufungen an das Oberlandesgericht Linz beruht darauf, daß eine die ausnahmsweise Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs für die Erledigung der Berufungen (§ 296 StPO) begründende Sachentscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde entfällt (RZ. 1970 S. 17, 18, 1973 S. 70, JBl. 1985 S. 565 u.v.a.).
Anmerkung
E10280European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0130OS00020.87.0212.000Dokumentnummer
JJT_19870212_OGH0002_0130OS00020_8700000_000