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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §69 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des IA in B, vertreten durch Dr. Arnulf Summer, Dr. Nikolaus Schertler und Mag. Nicolas Stieger, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Kirchstraße 4, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 19. August 2004, Zl. Ia 370-1414/2002, betreffend Widerruf der Zusicherung der Staatsbürgerschaftsverleihung und Abweisung eines Antrages auf Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28. Jänner 2003, dem Beschwerdeführer zugestellt am 3. Februar 2003, wurde dem Beschwerdeführer, einem am 25. August 1982 in Bludenz geborenen und seit seiner Geburt ununterbrochen in Österreich wohnhaften türkischen Staatsangehörigen, die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass innerhalb von zwei Jahren ab Rechtskraft dieses Bescheides das Ausscheiden aus dem Verband des bisherigen Heimatstaates nachgewiesen wird.
Mit dem angefochtenen Bescheid widerrief die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 Z 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) diese Zusicherung (Punkt 1.) und wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft "gemäß §§ 10, 11a, 12, 13 und 14 StbG" ab (Punkt 2.).
Begründend führte sie dazu aus, der Verleihungswerber sei mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 10. September 2003, rechtskräftig seit 16. September 2003, wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen, im Uneinbringlichkeitsfall 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt worden. Der Verurteilung habe zu Grunde gelegen, dass der Verleihungswerber am 4. Juli 2002 mit einem Holzstab auf eine schlafende Person eingeschlagen habe, wobei die Tat eine Verletzung, nämlich eine Kopfprellung mit Bluterguss im Bereich des rechten Schädels, eine Rissquetschwunde im Bereich des linken Auges (Augenbraue) sowie eine Jochbeinprellung links hervorgerufen habe. Der Tathergang zeige eine - so die belangte Behörde weiter - "auffallende Skrupellosigkeit", mit der der Verleihungswerber vorgegangen sei. Es komme dadurch seine negative Einstellung gegenüber dem Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit deutlich zum Ausdruck und es zeige sich seine hohe Gewaltbereitschaft. Die belangte Behörde sei bei Erlassung des Zusicherungsbescheides davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vorlägen. Nach Erlassung dieses Bescheides sei der Verleihungswerber jedoch für ein vorher begangenes Delikt strafrechtlich verurteilt worden. Auf Grund dieser Straftat und des sich daraus ergebenden negativen Charakterbildes - auch wenn es sich um eine einmalige Tat gehandelt habe - seien die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht erfüllt. Deshalb sei die Zusicherung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 20 Abs. 2 StbG zu widerrufen und der Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft abzuweisen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die Beschwerde macht u.a. geltend, dass der Widerruf der bereits zugesicherten Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft (und daran anknüpfend die Abweisung des Einbürgerungsantrages) "jeglicher Grundlage" entbehre und rechtswidrig sei. Schon dieses Vorbringen führt die Beschwerde aus nachstehenden Gründen zum Erfolg:
Vorweg sei zur Darstellung der Rechtslage auf das hg. Erkenntnis vom 13. Jänner 1999, Zl. 98/01/0011, verwiesen (§ 43 Abs. 2 VwGG). Danach kommt ein Widerruf der Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft nur in Frage, wenn eine gesetzliche Verleihungsvoraussetzung, die zur Zeit der Zusicherung erfüllt war, nachträglich weggefallen ist. Das Fehlen einer Verleihungsvoraussetzung, die auch im Zeitpunkt der Zusicherung nicht gegeben war, stellt hingegen keinen Widerrufsgrund dar (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2004, Zl. 2002/01/0496).
Im vorliegenden Fall geht die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG auf Grund einer vor Erlassung des Zusicherungsbescheides begangenen Straftat nicht erfüllt. Richtig ist zwar, dass diese Straftat den Behörden erst nach Erlassung des Zusicherungsbescheides bekannt und der Beschwerdeführer dafür auch erst nach diesem Zeitpunkt gerichtlich verurteilt wurde. Der Hinderungsgrund des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG knüpft aber nicht an die gerichtliche Verurteilung, sondern an das Verhalten des Einbürgerungswerbers an. Hiebei wird - anders als nach § 10 Abs. 1 Z 2 StbG - nicht auf formelle Gesichtspunkte abgestellt, sondern es ist lediglich maßgebend, ob das Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers, insbesondere von ihm begangene strafrechtliche Delikte, den Schluss rechtfertigt, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung - oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte Rechtsgütererlassene Vorschriften missachten (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2004, Zl. 2003/01/0662, m.w.N; vgl. auch Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II (1990), S. 184).
Da das von der belangten Behörde zur Begründung eines Verleihungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG herangezogene Fehlverhalten des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Erlassung des Zusicherungsbescheides bereits vorgelegen hatte, bietet § 20 Abs. 2 StbG somit keine Grundlage für den Widerruf dieser Zusicherung und die gleichzeitige Abweisung des Verleihungsgesuches. Dass der belangten Behörde die Straftat bei Erlassung des Zusicherungsbescheides nicht bekannt war, könnte unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 und 3 AVG sowie unter Bedachtnahme auf § 24 StbG lediglich Anlass zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens geben (vgl. Thienel, a.a.O., S. 273).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das auf den zusätzlichen Ersatz von Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren findet in den erwähnten Vorschriften keine Deckung.
Wien, am 30. August 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004010444.X00Im RIS seit
21.09.2005Zuletzt aktualisiert am
28.03.2014