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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des O in W, geboren 1984, vertreten durch Mag. Rupert Rausch, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Dannebergplatz 6/4/4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 7. März 2005, Zl. 258.056/0- IV/11/05, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages wegen entschiedener Sache (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 5. August 2002 einen Asylantrag, den das Bundesasylamt mit Bescheid vom 16. Juli 2003 gemäß § 7 AsylG abwies und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärte. Dieser Bescheid wurde nach zwei erfolglosen Zustellversuchen am 22. und 23. Juli 2003 an der Anschrift 1070 Wien, Zollergasse 15, beim Postamt 1070 Wien hinterlegt (Beginn der Abholfrist: 24. Juli 2003). Am 12. August 2003 langte die Sendung mit dem Vermerk "nicht behoben" an das Bundesasylamt zurück. Eine Berufung wurde vom Beschwerdeführer nicht erhoben.
Am 28. Oktober 2003 brachte der Beschwerdeführer beim Bundesasylamt einen als "neuerlicher Asylantrag" bezeichneten Schriftsatz ein, zu dem er am 25. Jänner 2005 einvernommen wurde. Befragt nach den Gründen für die neuerliche Antragstellung führte er u.a. aus, er habe "damals" keine Berufung eingebracht, weil er nie einen Bescheid erhalten habe. Er sei dann zum Verein Suara gegangen und dort habe man ihm gesagt, er solle einen neuen Asylantrag einbringen.
Das Bundesasylamt holte am 14. und am 19. November 2003 sowie am 1. Dezember 2003 Meldeauskünfte über den Beschwerdeführer ein, denen u.a. entnommen werden konnte, dass er in der Zeit vom 8. Juli bis 4. November 2003 an der Anschrift 1070 Wien, Zollergasse 15, mit der Wohnsitzqualität "obdachlos" gemeldet gewesen war.
Mit Bescheid vom 26. Jänner 2005 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers "vom 29.10.2005" (gemeint den Antrag vom 28. Oktober 2003) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück und ging - ohne nähere Begründung - davon aus, dass "das erste Asylverfahren" des Beschwerdeführers "rechtskräftig abgeschlossen" sei.
Die dagegen erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid "gemäß § 66 Abs. 4 AVG" abgewiesen. Nach allgemeinen Rechtsausführungen zu § 68 Abs. 1 AVG begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung fallbezogen im Wesentlichen nur damit, dass sich dem "nunmehrigen" Vorbringen des Beschwerdeführers keinerlei Umstände entnehmen ließen, die sich nach Rechtskraft des Bescheides des Bundesasylamtes vom 16. Juli 2003 ereignet hätten, womit schon von daher keine neuerliche Sachentscheidung in Betracht komme.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerde macht u.a. geltend, die belangte Behörde hätte nicht davon ausgehen dürfen, dass gegenständlich ein neuer Asylantrag vorliege. Im Hinblick auf den Umstand, dass dem Beschwerdeführer ein Bescheid über seinen Asylantrag vom 5. August 2002 nie zugestellt worden sei, hätte die belangte Behörde seinen "Asylantrag" als Antrag auf Fortsetzung des ersten Asylverfahrens werten und die von ihm geltend gemachten Asylgründe einer inhaltlichen Prüfung unterziehen müssen.
Damit zeigt die Beschwerde zutreffend die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung implizit zu Grunde, dass der Bescheid des Bundesasylamtes vom 16. Juli 2003, mit dem sein Asylantrag vom 5. August 2002 abgewiesen und ihm Refoulementschutz verwehrt worden war, in Rechtskraft erwachsen sei. Das würde jedoch voraussetzen, dass dieser Bescheid dem Beschwerdeführer auch rechtswirksam zugestellt wurde.
Der Beschwerdeführer hatte anlässlich der Einvernahme zu seinem "neuerlichen Asylantrag" am 25. Jänner 2005 angegeben, den erstinstanzlichen Bescheid vom 16. Juli 2003 nie erhalten zu haben. Aktenkundig war auch, dass dieser Bescheid dem Beschwerdeführer im Juli 2003 tatsächlich nicht zugekommen, sondern nach Ablauf der Hinterlegungsfrist mit dem Vermerk "nicht behoben" an das Bundesasylamt zurückgesandt worden ist. Hinweise darauf, dass ihm der Bescheid zu einem späteren Zeitpunkt ausgefolgt worden wäre, sind den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen. Ausgehend davon hätten die Asylbehörden Überlegungen dahingehend anzustellen gehabt, ob die Hinterlegung der Sendung bei dem für die Zustellanschrift 1070 Wien, Zollergasse 15, zuständigen Postamt Zustellwirkung im Sinne des § 17 Zustellgesetz entfalten konnte. Den Auskünften aus dem zentralen Melderegister zufolge war der Beschwerdeführer an der genannten Zustellanschrift als "Obdachlos" gemeldet. Demnach durfte nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer an dieser Anschrift eine der in § 4 Zustellgesetz genannten Abgabestellen besaß, sondern deutete die Aktenlage lediglich auf das Vorhandensein einer "Kontaktstelle" im Sinne des § 19a Abs. 1 Z 2 Meldegesetz hin. Ob letztere als Abgabestelle des Beschwerdeführers anzusehen war, hätte daher zunächst einer Überprüfung der Voraussetzungen des § 19a Abs. 2 Meldegesetz bedurft, die nicht vorgenommen wurde. Insofern (und hinsichtlich der je nach Beantwortung dieser Frage anzustellenden weiteren Erwägungen) gleicht der vorliegende Beschwerdefall jenem, der mit hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2005, Zl. 2003/01/0621, entschieden worden ist. Auf dessen Entscheidungsgründe wird deshalb gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Zusammenfassend hätte die belangte Behörde daher die Berufung des Beschwerdeführers nicht ohne vorherige Klärung der Frage einer rechtswirksamen Zustellung des Bescheides vom 16. Juli 2003 wegen entschiedener Sache abweisen dürfen.
Der angefochtene Bescheid war deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 1. September 2005
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Verfahrensbestimmungen BerufungsbehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005200353.X00Im RIS seit
27.09.2005