Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Dr. Renate F***, Beamtin, Graz, Quellengasse 53, vertreten durch Dr. Dietrich Roessler, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1.) Komm.Rat Otto M***, Pensionist, 2.) Ilse M***, Hausfrau, beide Kitzbühel, Aschbachbichl 28, beide vertreten durch Dr. Herwig Grosch, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen Einräumung eines Notweges, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 31. Juli 1986, GZ. 3 b R 151,152/86-61, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 10. Juni 1986, GZ. 1 Nc 183/81-55, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird, soweit er die Kostenentscheidung bekämpft, zurückgewiesen; im übrigen wird ihm nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Antragsgegner sind aufgrund eines mit Gerald R*** P*** V*** H*** am 14.8.1978 abgeschlossenen Kaufvertrages Eigentümer des Grundstückes 1777/14 KG Kitzbühel-Land. Im Punkt 4 dieses Kaufvertrages nahmen die Antragsgegner zur Kenntnis, daß entlang der Südwestseite des Grundstückes auf einem 5 m breiten Streifen die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens zugunsten der nunmehr im Eigentum der Antragstellerin stehenden Grundstücke 1777/15 und 1777/9 besteht. Im Punkt 10 des Vertrages wurde darauf hingewiesen, daß der Zugang und die Zufahrt vom öffentlichen Gut zum Grundstück 1777/14 über einen in der Natur schon vorhandenen Weg erfolgt. Gerald R*** P*** V*** H*** übernahm es, diesen Zufahrtsweg bis zur Westgrenze des Grundstückes 1777/14 auf eine Breite von 5 m zu bringen und eine Stützmauer zu errichten. An den Gesamtkosten hatten sich die Antragsgegner zu einem Drittel, höchstens jedoch mit S 70.000,- zu beteiligen. Die Verbreiterung der Straße und ihrer Oberflächenbeschaffenheit hatte nach den im Baubescheid ersichtlichen Auflagen zu erfolgen. Da Gerald R*** P*** V*** H*** trotz Urgenzen des Erstantragsgegners die Straße nicht verbreiterte und die Stützmauer nicht errichtete, gab der Erstantragsgegner die entsprechenden Arbeiten selbst in Auftrag. Er wendete dafür einen Betrag von S 372.881,82 auf. Die Mehrkosten für die Durchführung der Arbeiten in den Wintermonaten betrugen S 21.042,17, ein Betrag von S 42.725,88 entfiel auf die Errichtung der Durchfahrt an der südwestlichen Grundgrenze des Grundstückes der Antragsgegner. Zwecks rechtlicher Absicherung des 5 m breiten Zufahrtsweges erwarben die Antragsgegner in der Folge mit Kaufverträgen vom 20.1. und 7.5.1979 die neu gebildeten Grundstücke 1777/18 und 1775/7. Weiters wurde ihnen über das Grundstück 1777/13 die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens eingeräumt. Damit war für sie die Zufahrt zum Grundstück 1777/14 vom öffentlichen Wegenetz sichergestellt.
Aufgrund eines von Ellen D*** F***, einer Tochter des Gerald R*** P*** V*** H***, am 12.2.1979 gestellten, von der Antragstellerin am 27.7.1979 angenommenen Kaufanbotes ist die Antragstellerin Eigentümerin des Grundstückes 1777/9
KG Kitzbühel-Land und aufgrund eines von Renate P*** V*** H***, der Gattin des Gerald R*** P*** V*** H***, am 19.3.1979 gestellten, von der Antragstellerin am 27.7.1979 angenommenen Anbotes auch Eigentümerin des davon südöstlich gelegenen Grundstückes 1777/15 KG Kitzbühel-Land. Das Grundstück 1777/9 grenzt im Nordwesten an das Grundstück 1777/14.
Die Verkäuferinnen übernahmen die Haftung, daß alle für die Errichtung eines Wohnhauses notwendigen "Erschließungsrechte", darunter Zugang und Zufahrt, vorhanden seien. Sie übernahmen gemeinsam mit Gerald R*** P*** V*** H*** die Verpflichtung, den Zufahrtsweg von der öffentlichen Straße bis zur Westgrenze des Grundstückes 1777/9 in einer Breite von durchgehend 5 m und eine Stützmauer zu errichten. Die Antragstellerin war den Verkäuferinnen gegenüber jeweils verpflichtet, ein Drittel der Kosten der Errichtung von Straße und Stützmauer zu übernehmen. Ihr Eigentumsrecht wurde am 9.2.1981 einverleibt. Sie erwarb zur Sicherstellung einer Wegeverbindung mit dem öffentlichen Gut ebenso wie die Antragsgegner ein Geh- und Fahrtrecht über das Grundstück 1777/13. Verhandlungen zwischen den Streitteilen im Jahr 1980 über die Einräumung eines Wegerechtes an den Grundstücken 1777/18 und 1775/7 zugunsten der Antragstellerin scheiterten.
Unter Berufung auf die Bestimmungen des Notwegegesetzes beantragte die Antragstellerin, ihr das Notwegerecht durch Einräumung einer Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über die Grundstücke 1777/18 und 1775/7, beide Weg, zugunsten der jeweiligen Eigentümer der Grundstücke 1777/15 und 1777/9 je KG Kitzbühel-Land und deren Mitbenützung des ob diesen Grundstreifen bereits bestehenden Privatweges einzuräumen, eine Zufahrt zu den Grundstücken 1777/15 und 1777/9 in einer Gesamtbreite, die den baubehördlichen Vorschriften entspricht, das seien 5 m, allenfalls unter Festsetzung einer angemessenen, an die Antragsgegner zu bezahlenden einmaligen Entschädigung einzuräumen.
Im zweiten Rechtsgang ist nur mehr die Höhe der zu leistenden Entschädigung strittig.
Das Erstgericht erkannte die Antragstellerin schuldig, den Antragsgegnern binnen 14 Tagen einen Entschädigungsbetrag in der Höhe von S 351.849,45 zu leisten. Es vertrat die Ansicht, den Antragsgegnern stünden die Errichtungskosten abzüglich der Mehrkosten für die Durchführung der Arbeiten während der Wintermonate als angemessene Entschädigung zu.
Das Rekursgericht gab mit dem angefochtenen Beschluß den Rekursen beider Teile Folge. Es hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug diesem auf, nach Verfahrensergänzung neuerlich zu entscheiden. Zu dem nach § 5 Abs. 1 NWG zu ermittelnden Entschädigungsbetrag sei vorweg der Grundstückspreis der Grundstücke 1777/18 und 1775/7 zu zählen. Diese Liegenschaften hätten von den Antragsgegnern erworben werden müssen, um überhaupt die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Zufahrt zwecks Bebauung der Liegenschaften der Antragsgegner bzw. der Antragstellerin zu schaffen. Diese Grundstücke seien daher nicht nur den Antragsgegnern, sondern auch der Antragstellerin dienlich. Die Entschädigung bestehe nicht nur im Verkehrswert der durch den Notweg betroffenen Grundstücksteile der Antragsgegner, sondern auch in dem Nachteil, der sich für die Eigentümer der belasteten Liegenschaft überhaupt durch die Erschwerung der Führung ihrer Wirtschaft durch die Belastung im Grundbuch, durch die sich hieraus allenfalls ergebende Erschwerung einer Hypothekenaufnahme und dgl. mehr ergebe.
Alle diese Umstände seien bei der Bemessung des Entschädigungsbetrages zu berücksichtigen. Werde die Mitbenützung eines fremden Privatweges eingeräumt, so seien die hiedurch verursachten Mehrauslagen der Wegeerhaltung gemäß § 6 NWG in den Entschädigungsbetrag einzubeziehen. Aus dieser Bestimmung folge zwingend, daß die §§ 483 zweiter Satz und 494 ABGB für die Kosten zukünftiger Erhaltungsarbeiten an einem solchen gemeinsamen Weg nicht gelten. Der Entschädigungsbetrag müsse also einen angemessenen Anteil der Antragstellerin für alle Kosten der zukünftigen Wegeerhaltung mitberücksichtigen. Aus § 6 NWG folge weiters, daß bei Mitbenützung eines fremden Privatweges nur die Kosten der zukünftigen Wegerhaltung, nicht jedoch die der Wegerrichtung zu berücksichtigen seien. Dies gelte für den vorliegenden Fall umso mehr, als der in Rede stehende 5 m breite Weg zu jenem Zeitpunkt, als die Antragstellerin die beiden Kaufanbote erhalten und in der Folge angenommen habe, samt den dazugehörigen Nebenanlagen bereits errichtet und asphaltiert gewesen sei. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht vorweg den Verkehrswert der durch den Notweg betroffenen Grundstücksteile festzustellen haben. Bei Feststellung des Verkehrswertes werde auch dem Einwand der Antragsgegner in ihrem Rekurs Genüge getan, eine Wertangleichung im Verhältnis zum seinerzeitigen Wert der Erwerbung des Eigentums dieser Liegenschaften sei vorzunehmen. Weiters seien die Nachteile, die sich für die Eigentümer der belasteten Liegenschaften ergäben, auszumessen. Der Sachverständige werde anzuleiten sein, den Wert der Liegenschaften ohne Belastung durch den Notweg sowie den nach Einräumung des Notweges sich ergebenden Wert zu ermitteln. Die Differenz zwischen beiden Werten werde im Zusammenhalt mit den sonstigen Verfahrensergebnissen eine geeignete Grundlage für den vom Gericht festzusetzenden Betrag bilden. Hiebei werde auch zu berücksichtigen sein, daß durch diesen Notweg zwei zu bebauende Grundstücke der Antragstellerin und lediglich eines der Antragsgegner begünstigt seien. Der Sachverständige werde auch zu ermitteln haben, welche Mehrauslagen der Wegeerhaltung durch die Mitbenützung des Notweges seitens der Antragstellerin zu erwarten seien. Diese Mehrauslagen seien mit einem Entschädigungsbetrag abzugelten.
Rechtliche Beurteilung
Soweit der Revisionsrekurs die Kostenentscheidung des Rekursgerichtes bekämpft, ist er gemäß §§ 9 Abs. 3 NWG, 14 Abs. 2 AußStrG unzulässig und zurückzuweisen. Im übrigen ist er - dem Ergebnis nach - nicht berechtigt.
Gemäß § 5 Abs. 1 NWG hat der des Notweges bedürftige Grundeigentümer für den Schaden, welcher durch die Einräumung des Notweges den mit demselben belasteten Liegenschaften etwa zugefügt wird, eine angemessene Entschädigung in einem Kapitalbetrage zu leisten. Wird die Mitbenützung eines fremden Privatweges eingeräumt, so sind die hiedurch verursachten Mehrauslagen der Wegeerhaltung in den Entschädigungsbetrag einzubeziehen (§ 6 NWG).
Die von den Antragsgegnern schon vor dem Zeitpunkt des Abschlusses der Kaufverträge durch die Antragstellerin aufgewendeten Herstellungskosten des Weges, die sie auch dann endgültig zu tragen hätten, hätte die Antragstellerin nicht die beiden Grundstücke zum Zwecke der Verbauung erworben, sind schon nach der insoweit klaren Bestimmung des § 5 NWG nicht ersetzungsfähig (Ehrenzweig, Sachenrecht 2 I/2, 349 FN 55; Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz 10 zu § 480). Es ist zwar richtig, daß die Verbreiterung des Weges der Antragstellerin und den Antragsgegnern in gleicher Weise dienen soll. Trotzdem kann nicht übersehen werden, daß Eigentümer der gemeinsam benützten Grundstücke allein die Antragsgegner bleiben; die Antragstellerin kann daher jedenfalls nach dem Notwegegesetz nicht so behandelt werden, als wäre sie Eigentümerin geworden. Dem Rekursgericht kann nicht darin gefolgt werden, daß die Antragstellerin nach § 5 NWG den Antragsgegnern den (gesamten) Verkehrswert der Grundstücke 1777/18 und 1775/7 zu ersetzen hätte. Diese Grundstücke dienen in ihrer gesamten Ausdehnung ausschließlich als Teil des Zufahrtsweges zum Grundstück 1777/14. Sie sind (ähnlich wie Vorgärten - vgl. Bassenge in Palandt 46 1060) wirtschaftlich sinnvoll nur mit dem Grundstück 1777/14 gemeinsam zu veräußern. Nur für allfällige Erwerber des Grundstückes 1777/14 hätten die Grundstücke 1777/18 und 1775/7 einen Wert. Ein selbständiger Verkehrswert kommt daher diesen Grundstücken nicht zu. Der gesamte Verkehrswert des Grundstücksteiles, der für die Einräumung des Notweges benötigt würde, wäre im übrigen nach § 5 Abs. 1 NWG nur dann zur Schadensbemessung heranzuziehen, wenn, wie im Fall der Entscheidung SZ 37/2 (der der Entscheidung SZ 18/132 zugrundeliegende Sachverhalt ist nicht mitgeteilt), die bisherige Nutzung durch den belasteten Eigentümer (dort als Obstgarten) wegfiele. Im vorliegenden Fall handelt es sich aber um die Mitbenützung einer schon bestehenden, von den Belasteten errichteten und von ihnen weiterhin in gleicher Weise zu benützenden Weganlage. Der den Antragsgegnern durch die Einräumung des Notweges entstehende Schaden kann daher nach allgemeinen Grundsätzen nur nach der Differenzmethode ermittelt werden. Der Schaden der Antragsgegner ist demnach die Differenz in ihrem Vermögen vor und nach der Einräumung des Notweges (vgl. die zur Höhe einer Enteignungsentschädigung ergangenen Entscheidungen SZ 55/175; JBl. 1983, 432; EvBl. 1976/225). Der nach § 5 Abs. 1 NWG den Antragsgegnern entstehende Schaden wird daher nur derart gefunden werden können, daß der Verkehrswert der den Antragsgegnern gehörenden Grundstücke 1777/14, 1777/18 und 1775/7 ohne Belastung durch den einzuräumenden Notweg dem Verkehrswert dieser Grundstücke mit Belastung der Grundstücke 1777/18 und 1775/7 durch einen Notweg gegenübergestellt wird. Zu dem daraus sich ergebenden Differenzbetrag ist dann noch nach der zwingenden, die Vorschriften der §§ 483 zweiter Satz und 494 ABGB ausschließenden Vorschrift des § 6 NWG ein zu ermittelnder Kapitalbetrag für die durch die Mitbenützung der Weganlage in Zukunft zu erwartenden Mehrauslagen der Wegeerhaltung zu zählen (SZ 49/99; JBl. 1976, 317; Petrasch aaO;
Gschnitzer, Sachenrecht 2 132).
Eine Sachentscheidung wird daher erst nach Ergänzung des Verfahrens in der aufgezeigten Richtung möglich sein.
Anmerkung
E10106European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00701.86.0218.000Dokumentnummer
JJT_19870218_OGH0002_0010OB00701_8600000_000