TE OGH 1987/2/18 1Ob524/87

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Veröffentlicht am 18.02.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Katharina S***, Köchin, Wien 15., Gablenzgasse 5/18, vertreten durch Dr. Martha Friedmann, Rechtsanwalt in Wien„ wider die beklagte Partei Karl S***, Gastwirt, Wien 15., Gablenzgasse 5/18, vertreten durch Dr. Gustav Etzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27. August 1986, GZ. 17 R 169/86-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 10. März 1986, GZ. 37 Cg 157/84-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.877,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 308,85 Umsatzsteuer und S 480,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 10.1.1957 vor dem Standesamt in Wien-Penzing die Ehe geschlossen; der Ehe entstammen zwei volljährige Söhne.

Die Klägerin begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Er habe in den letzten zehn Jahren immer wieder intime Beziehungen zu anderen Frauen unterhalten; seit 1978 unterhalte er solche Beziehungen zu Maria H***. Er trinke, weshalb es immer wieder zu Auseinandersetzungen komme, bei denen er sie beschimpfe und bedrohe. Seit 1957 habe sie die Küche des gemeinsam betriebenen Gasthauses geführt; jetzt müsse sie jedoch in einem anderen Betrieb als Köchin arbeiten, weil sie vom Beklagten keinen Unterhalt erhalte. Er schikaniere und zermürbe sie. So sei er, obwohl er schon seit Monaten bei seiner Freundin Maria H*** nächtige, in der Nacht zum 1.11.1984 in die Ehewohnung eingedrungen, habe überall das Licht eingeschaltet, die Räume besichtigt und sich dann wieder entfernt. In der Nacht zum 8.11.1985 sei er gegen 1 Uhr 30 in Begleitung zweier Männer in der Wohnung erschienen, habe die Klägerin beschimpft und gedroht, sie aus dem Fenster zu werfen, und sei auch gegen sie handgreiflich geworden; dabei habe er sie verletzt. Er drossle die Heizung, versperre ihr den Zugang zur Waschmaschine und sperre zeitweise auch das Telefon ab. Er habe drei wertvolle Orientteppiche, Wertpapiere und eine Münzsammlung aus der Wohnung entfernt. Seit sie in einem anderen Betrieb arbeite, verwehre er ihr den Zutritt zum Gasthaus. Die Ehe sei unheilbar zerrüttet.

Der Beklagte beantragte zuletzt die Scheidung aus dem überwiegenden Verschulden der Klägerin. Er gab zu, geschlechtliche Beziehungen zu Maria H*** zu unterhalten, bestritt aber das übrige Vorbringen der Klägerin. Während des letzten Urlaubsaufenthaltes in der Türkei (1983) habe sie ihm grundlos Eifersuchtsszenen gemacht. Sie habe ihn mehrmals aus der Ehewohnung ausgesperrt und alle im Schlafzimmer aufbewahrten Dokumente an sich genommen. Seine Beziehung zu Maria H*** habe die Klägerin nicht als ehestörend empfunden.

Das Erstgericht schied die Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten. Es stellte fest, er habe während der Ehe immer wieder ehewidrige Beziehungen zu anderen Frauen unterhalten; seit sechs bis sieben Jahren unterhalte er ein ehebrecherisches Verältnis mit einer anderen Frau. Als die Klägerin davon erfahren habe, habe sie ihm gesagt, sie werde sich damit nicht abfinden. 1984 sei der Beklagte aus der Ehewohnung ausgezogen, obwohl ihm die Klägerin hiezu weder Anlaß gegeben habe noch damit einverstanden gewesen sei. Er habe sie beschimpft, um sie zu kränken. Die Klägerin habe die Gasthausküche von 1957 bis 1976 und im eingeschränkten Maß bis Ende 1983 geführt; erst seither sei sie in einem anderen Unternehmen tätig. Der Beklagte leiste ihr keinen Unterhalt. Den ehelichen Verkehr habe ihm die Klägerin nie verweigert. Nachdem drei wertvolle Orientteppiche aus der Ehewohnung verschwunden gewesen seien, habe die Klägerin aus Sicherheitsgründen eine Kette vor das Türschloß gelegt; sie habe aber stets geöffnet, wenn der Beklagte geläutet habe. Dennoch sei er mehrmals nachts in die Ehewohnung eingedrungen, habe die Klägerin dabei beschimpft und sei auch - zumindest in einem Fall - gegen sie tätlich geworden. Dabei habe er ihr blaue Flecken zugefügt. Im Verhalten des Beklagten erblickte das Erstgericht schwere Eheverfehlungen gemäß den §§ 47 und 49 EheG; dagegen falle der Beklagten keine Verfehlung, die den Mitschuldantrag rechtfertige, zur Last.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil. Soweit der Beklagte behaupte, die Klägerin habe gegen ihn ohne Grund wegen der Teppiche Strafanzeige erstattet, fehle es an einem Sachverhaltsvorbringen in erster Instanz. Seine Behauptung, die Klägerin habe ihn aus der Wohnung ausgesperrt, werde durch die erstgerichtlichen Feststellungen widerlegt, wonach der Beklagte die Wohnung selbst verlassen, gegen den Willen seiner Frau Teppiche entfernt und die Klägerin beschimpft und einmal sogar bei einer Tätlichkeit verletzt habe. Dennoch sei ihm der Zutritt zur Wohnung von ihr nicht verwehrt worden. In diesem Verhalten liege keine Eheverfehlung. Auch im Versperren des Dokumentenschranks könne angesichts der eigenmächtigen Entfernung der Teppiche und der rechtskräftig gegen den Beklagten erlassenen einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Aufteilungsanspruches der Klägerin kein ehewidriges Verhalten erblickt werden. Die Streitteile hätten eine Gaststätte als Familienbetrieb geführt. Die Mitwirkung der Klägerin sei durch die Versorgung der Gasthausküche weit über das hinausgegangen, was gemäß § 90 ABGB von einem Ehegatten verlangt werden könne. Ob die Klägerin ihre Verpflichtungen, die nach den §§ 98 ff. ABGB bzw. den §§ 81 ff. EheG zu beurteilen seien, mit oder ohne Grund erfüllt habe oder nicht, sei für die Beurteilung der Verschuldensfrage ohne Bedeutung, weil der Beklagte Jahre hindurch massiv gegen die Treuepflicht verstoßen habe. Die Verletzung der ehelichen Treuepflicht, die Aufgabe der häuslichen Gemeinschaft und der Einzug bei seiner Freundin seien von solchem Gewicht, daß der Beklagte, der hiedurch die umfassende Lebensgemeinschaft zwischen den Streitteilen zerstört habe, nicht einseitig auf der Mitwirkung des anderen Ehegatten im Erwerb bestehen könne. Aber selbst wenn man - mit der Volljährigkeit der beiden Söhne - eine "Berufsehe" annehmen wollte, wäre die Verschuldensfrage nicht anders zu beurteilen: Es sei nämlich festgestellt, daß der Beklagte der Klägerin keinen Unterhalt leiste, so daß sie zur Leistung eines zumutbaren Beitrages zur Deckung der Bedürfnisse der vom Beklagten ohnedies zerstörten ehelichen Lebensgemeinschaft schon deshalb nicht verpflichtet sein könne.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.

Er beharrt weiterhin auf seinem Standpunkt, die Klägerin habe durch den grundlosen Auszug aus dem gemeinsamen Schlafzimmer, dadurch, daß sie ihm den Zugang zu den gemeinsamen Dokumenten und Effekten verwehrt habe, und durch die Verweigerung angemessener Mitwirkung im Erwerb des Beklagten in seiner Gastwirtschaft schwere Eheverfehlungen, die den Ausspruch des überwiegenden oder doch wenigstens des gleichteiligen Verschuldens der Klägerin rechtfertigten, begangen. Bei diesen Ausführungen läßt der Beklagte jedoch die erstinstanzlichen Feststellungen außer acht. Zutreffend hat das Berufungsgericht hervorgehoben, daß der Beklagte schon seit vielen Jahren die Ehe bricht und, nachdem sich die Klägerin gegen dieses Verhalten entschieden verwahrt hatte, 1984 sogar die eheliche Wohnung verlassen hat und bei seiner langjährigen Freundin eingezogen ist. Überdies hat er die Klägerin immer wieder in kränkender Weise beschimpft, sie durch nächtliches Eindringen in die Wohnung zermürbt und in einem Fall sogar tätlich angegriffen. Daß der Beklagte die Ehe durch diese überaus schwerwiegenden Verstöße gegen die grundlegenden Pflichten zur ehelichen Treue und zur anständigen Begegnung (§ 90 ABGB) tiefgreifend und unheilbar zerrüttet hat, kann nicht bezweifelt werden. Selbst wenn die vom Beklagten auch noch in der Revision behaupteten Verhaltensweisen der Klägerin unter Beweis gestellt wären, so könnten diese nicht als schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG beurteilt werden. Daß sie, wie sie selbst vorgebracht hat, aus dem gemeinsamen Schlafzimmer auszog, könnte ihr schon angesichts des ehebrecherischen Verhältnisses des Beklagten nicht zum Vorwurf gemacht werden, selbst wenn der von ihr dafür ins Treffen geführte Grund - eine Erkrankung - nicht zutreffen sollte (vgl. § 49 zweiter Satz EheG). Daß der Beklagte schon damals jedweder ehelicher Gesinnung entbehrte, beweist nicht zuletzt sein bald danach erfolgter Auszug aus der Ehewohnung. Auch daß die Klägerin dem Beklagten Effekten und Dokumente vorenthielt, fällt ihr nicht als Eheverfehlung zur Last. Der Beklagte hatte eigenmächtig wertvolle Orientteppiche aus der Wohnung entfernt, so daß die Klägerin genötigt war, die Sicherung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse durch eine einstweilige Verfügung gemäß § 382 Z 8 lit c EO zu erwirken. Die Klägerin hätte auf Grund des Verhaltens des Beklagten befürchten müssen, daß er auch die übrigen Wertgegenstände an sich bringen würde. Daß sie dem Beklagten den Zugang zum Dokumentenschrank schon vor der Entfernung der Teppiche verwehrt hätte, ist eine im Revisionsverfahren nicht beachtliche Neuerung.

Es trifft zwar zu, daß die Pflicht des Ehegatten zur Mitwirkung im selbständigen Erwerb des anderen Ehegatten - vor allem auch bei Kleingewerbetreibenden - Teil der Beistandspflicht gemäß § 90 ABGB sein kann, aber doch nur soweit, als diese Mitwirkung dem Ehegatten auch zugemutet werden kann (Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 10 zu § 90). Letzteres ist im vorliegenden Fall nicht nur deshalb zu verneinen, weil der Beklagte durch sein Verhalten die diese Mitwirkungspflicht bewirkende Ehe bereits vollkommen zerrüttet hatte (vgl. Pichler aaO Rdz 3 zu § 49 EheG), sondern auch weil der Beklagte keinen Unterhalt leistete, so daß die Klägerin auf eigene Erwerbstätigkeit - außerhalb des Unternehmens des Beklagten - geradezu angewiesen war. Von einer Verletzung der ehelichen Beistandspflicht kann unter solchen Umständen keine Rede sein.

Da die Vorinstanzen die Ehe der Streitteile zu Recht aus dem Alleinverschulden des Beklagten geschieden haben, ist seiner Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E10104

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00524.87.0218.000

Dokumentnummer

JJT_19870218_OGH0002_0010OB00524_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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