Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Jakob Max R***, Pensionist, Schwaz, Karwendelstraße 9, vertreten durch Dr. Rudolf Wieser und Dr. Friedrich Hohenauer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Maria Anna R***, Gastgewerbeangestellte, Schwoich, Am Bach 69, vertreten durch Dr. Oswin Bakay, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 16. Oktober 1986, GZ. 2 R 189/86-47, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 14. März 1986, GZ. 13 Cg 374/83-41, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile haben am 18.12.1982 vor dem Standesamt Innsbruck die Ehe geschlossen.
Der Kläger begehrt die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Beklagten. Diese habe sich schon bald nach der Eheschließung nicht mehr um ihn gekümmert. Sie sei häufig abwesend gewesen, ohne dem Kläger mitzuteilen, wo sie sich jeweils aufhalte; nahezu einen Monat lang sei die Beklagte überhaupt unbekannten Aufenthaltes gewesen. Dabei habe der Kläger, der oberschenkelamputiert sei, die Beklagte in der Hoffnung geheiratet, sie werde vor allem ihn und seinen Haushalt betreuen. Sie habe ihm ferner verschwiegen, daß sie hoch verschuldet sei; die Schulden habe er zum Teil abgetragen. Die Beklagte beantragte Abweisung des Scheidungsbegehrens; hilfsweise stellte sie einen Mitschuldantrag. Sie habe dem Kläger ihre finanzielle Lage nicht verschwiegen. Der Kläger sei auch stets damit einverstanden gewesen, daß sie Verwandte und Bekannte besuche und dabei auch längere Zeit abwesend sei. Er habe auch gewußt, daß sie im Sommer 1983 eine Arbeit bei Garmisch angenommen habe. Er habe sie im September 1983 durch Austausch des Türschlosses von der ehelichen Wohnung ausgesperrt. Er habe ihr bis jetzt keinen Schlüssel ausgehändigt. Er habe ihr außerdem kein ausreichendes Wirtschaftsgeld zur Verfügung gestellt.
Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus dem Verschulden der Beklagten. Es stellte fest, der am 4.1.1916 geborene Kläger sei beinamputiert und seit 1979 in Pension. Nach dem Tod seiner ersten Ehegattin habe er 1982 versucht, über ein Ehevermittlungsinstitut eine neue Partnerin zu finden; so habe er die Beklagte kennengelernt. Diese habe aus ihrer früheren Tätigkeit als Gastwirtin Schulden von mehr als S 100.000 gehabt; sie habe aber dem Kläger auch nach der Eheschließung nur einen viel geringeren Betrag eingestanden. Sie habe dem Kläger bei Eingehen der Ehe mitgeteilt, daß sie auswärts Verwandte und Bekannte habe, die sie zu besuchen wünsche. Er sei mit solchen Besuchen im üblichen Ausmaß einverstanden gewesen. Der Kläger beziehe eine Pension von monatlich S 13.281,39 und sei noch für seinen Sohn Michael, der an der Universität Innsbruck studiere, sorgepflichtig; er habe der Beklagten ein monatliches Wirtschaftsgeld von S 6.000 zur Verfügung gestellt und außerdem alle laufenden Zahlungen bestritten. Zur Tilgung von Schulden der Beklagten habe der Kläger insgesamt S 104.000 aufgewendet; davon sei ein Betrag von S 38.000 auf einen Pelzmantel entfallen. Seit Anfang 1983 sei die Beklagte häufig nicht zu Hause, sondern teils nur tagsüber, teils aber auch über Nacht abwesend gewesen. Seit März 1983 habe sich das Verhältnis der Streitteile getrübt. Die Beklagte habe sich bisweilen über das ihrer Meinung nach knapp bemessene Wirtschaftsgeld unzufrieden gezeigt. Der Kläger habe von da an einen näheren Einblick in ihre finanziellen Verhältnisse gewonnen, weil sie verschiedentlich auf Zahlung gemahnt worden sei; gelegentlich seien auch Exekutionsschritte gegen sie unternommen worden. Am 28.4.1983 sei die Beklagte von einem Besuch bei ihrem Enkel in Oberitalien zurückgekehrt. Nach einer Auseinandersetzung wegen der Höhe des Wirtschaftsgeldes sei die Beklagte ohne Billigung des Klägers zu Stefanie S*** gefahren, bei der sie bis 2.5.1983 geblieben sei, ohne daß der Kläger gewußt habe, wo sie sich aufhalte. Auch in der Zeit vom 3.5. bis 6.5. und vom 7.5. bis 11.5.1983 sei sie weggeblieben, ohne daß der Kläger ihren Aufenthalt gekannt hae. Nach einer Meinungsverschiedenheit am 15.5.1983 habe die Beklagte für drei Tage ihre Wohnung in Neu-Rum, die sie nicht aufgegeben gehabt habe, aufgesucht. Nach einem kurzen Aufenthalt habe die Beklagte die Ehewohnung am 19.5.1983 wieder mit dem Kläger unbekanntem Ziel verlassen. Erst am 3.6.1983 habe sich die Beklagte beim Kläger telefonisch gemeldet, um sich nach einer Zugsverbindung nach Dänemark zu erkundigen. Nach dem Besuch der Hochzeit ihres Sohnes in Dänemark sei sie erst am 15.6.1983 wieder zurückgekehrt und habe dem Kläger mitgeteilt, daß sie für drei Monate eine Beschäftigung in Garmisch angenommen habe und während dieser Zeit nicht nach Hause kommen werde. Ob der Kläger diesem Vorhaben ausdrücklich widersprochen habe, sei nicht feststellbar. Im Juli 1983 habe der Sohn des Klägers seinen Schlüssel zur Ehewohnung verloren. Da sich der Kläger damals infolge Blinddarmdurchbruchs in Krankenhauspflege befunden habe, habe Michael R*** das Schloß aufbrechen und austauschen lassen. Nach ihrer nicht angekündigten Rückkehr von Garmisch habe die Beklagte deshalb am 21.9.1983 nicht in die eheliche Wohnung gelangen können. Sie sei daraufhin in ihre eigene Wohnung gefahren und habe dem Kläger mitgeteilt, daß sie vorläufig ihre Wohnung in Neu-Rum beziehen, aber nach wie vor bemüht sein werde, gemeinsam einen guten Weg zu finden; außerdem habe sie vom Kläger einen monatlichen Unterhalt von S 7.000 gefordert. Zur Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft sei es in der Folge nicht mehr gekommen. Die Beklagte habe den Kläger zwar am Telefon gefragt, ob sie zu ihm zurückkehren solle, aber sie habe keine klare Antwort erhalten. Als die Beklagte im Frühjahr 1984 Wäschestücke aus der Ehewohnung geholt habe, sei ihr vom Kläger mitgeteilt worden, unter den gegebenen Umständen sei es ihm lieber, wenn sie nicht komme. Aus diesem beiderseitigen Verhalten schloß das Erstgericht auf das Alleinverschulden der Beklagten an der Zerrüttung der Ehe. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes mit der Maßgabe, daß der Mitschuldantrag der Beklagten abgewiesen werde. Es stellte nach teilweiser Wiederholung und Ergänzung des Beweisverfahrens fest, die Streitteile hätten sich über Einladung des Bruders der Beklagten gemeinsam eine Woche in Saalfelden aufgehalten. Als der Kläger am 7.1.1983 heimfahren habe wollen, habe ihm die Beklagte gesagt, sie wolle noch Verschiedenes für ihren Bruder besorgen und müsse deshalb noch für etwa drei Tage in Saalfelden bleiben. Der Kläger sei einverstanden gewesen. Die Beklagte sei aber erst am 19.1.1983 zurückgekehrt. Anlaß dafür, daß die Beklagte am 16.5.1983 die eheliche Wohnung mit dem Kläger unbekanntem Ziel verlassen habe, sei eine aus nichtigem Grund geführte Auseinandersetzung mit Renate H***, der Lebensgefährtin des Sohnes des Klägers, gewesen. Die Beklagte habe sich gekränkt gefühlt, weil der Kläger nicht für sie Partei ergriffen und von Renate H*** eine Entschuldigung verlangt habe. Die Beklagte sei jedenfalls vom 16.5. bis 15.6.1983 fortgeblieben, der Kläger habe nicht gewußt, wo sie sich während dieser Zeit aufgehalten habe. Am 3.6.1983 habe sie den Kläger angerufen und ersucht, eine Zugsverbindung nach Dänemark und den Fahrpreis zu erheben, weil sie zur Hochzeit ihres Sohnes dorthin fahren müsse. Der Kläger sei ihrer Bitte nachgekommen; die Beklagte habe aber nichts mehr von sich hören lassen. Sie habe sich auch entgegen ihrer fernmündlichen Ankündigung keine Kleider aus der ehelichen Wohnung geholt. Der Kläger sei durch die lange Abwesenheit der Beklagten, vor allem auch, weil er bis zum Anruf der Beklagten am 3.6.1983 nicht einmal gewußt habe, wo sie sich aufhalte, tief enttäuscht und nervlich angegriffen gewesen. Er habe deshalb noch vor dem 15.6.1983, als die Beklagte zurückgekehrt sei, seinem Rechtsfreund Klagsauftrag erteilt.
Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, die wiederholten und teils auch längerfristigen, vom Kläger nicht genehmigten Abwesenheiten der Beklagten vor allem während jener Zeiträume, in welchen der Kläger nicht gewußt habe, wo sie sich jeweils aufhalte, seien schwere Eheverfehlungen. Das gelte für die Zeiträume vom 3.5. bis 6.5.1983, vom 7.5. bis 11.5.1983 und insbesondere für den Zeitraum vom 16.5.1983 bis 15.6.1983, in dem der Kläger bis zu ihrem Anruf nicht gewußt habe, wo sie sich aufhalte. Es sei auch nicht gerechtfertigt gewesen, die Ehewohnung am 16.5.1983 zu verlassen. Die Abwesenheit der Beklagten vom 16.5. bis 15.6.1983 sei die entscheidende Zerrüttungsursache gewesen. Keine entscheidende Bedeutung komme hingegen der arbeitsbedingten Abwesenheit der Beklagten vom 15.6. bis 21.9.1983 zu, möge dieser Umstand auch die bereits eingetretene Zerrüttung noch weiter vertieft haben; denn es stehe jedenfalls fest, daß der Kläger infolge körperlicher Behinderung die Beklagte in Bad Schachen gar nicht besuchen hätte können. Als weitere schwere Eheverfehlung sei es der Beklagten anzulasten, daß sie den Kläger über ihre schlechte finanzielle Lage im Ungewissen gelassen und der Kläger hievon erst allmählich infolge der Exekutionen Kenntnis erhalten habe, so daß er sogar über seinen Sohn ein Darlehen aufnehmen habe müssen, um Schulden der Beklagten abzudecken. Den Kläger treffe keine Mitschuld. Das der Beklagten überlassene Wirtschaftsgeld von monatlich S 6.000 sei angesichts seines Einkommens nicht zu gering gewesen, zumal der Kläger darüber hinaus alle laufenden Zahlungen bestritten habe. Überdies habe er noch für seinen Sohn zu sorgen. Nicht der Kläger habe den Schlüssel ausgetauscht, sondern sein Sohn. Daß der Kläger nach dem 21.9.1983 auf telefonische Anfragen der Beklagten, ob sie zu ihm zurückkehren solle, nur ausweichend geantwortet und im Spätwinter 1984 sogar erklärt habe, es sei ihm lieber, wenn sie nicht mehr zurückkehre, sei schon deshalb keine schwere Eheverfehlung, weil die Ehe bereits unheilbar zerrüttet gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.
Nach wie vor beharrt sie auf ihrem Standpunkt, ihr fielen keine Eheverfehlungen zur Last, jedenfalls aber sei in Stattgebung ihres Mitschuldantrages das überwiegende, mindestens aber das gleichteilige Verschulden des Klägers auszusprechen. Das Berufungsgericht hat zutreffend als schwere Eheverfehlung der Beklagten erkannt, daß sie schon von Anfang der Ehe an immer wieder von der ehelichen Wohnung abwesend war und den Kläger zudem über ihren Aufenthaltsort im Ungewissen ließ; der Kläger litt darunter (ON 41, S. 13), war von der Beklagten tief enttäuscht und nervlich angegriffen (ON 47 S. 9). Die Beklagte mußte sich auch im klaren sein, daß der damals bereits 66-jährige und überdies beinamputierte Kläger ihrer Betreuung bedurfte. Soweit sie sich zur Rechtfertigung ihres Verhaltens auf das Einverständnis des Klägers beruft, ist ihr entgegenzuhalten, daß dieser nur so weit mit Besuchen der Beklagten bei ihren Angehörigen oder Bekannten einverstanden war, als sich diese im üblichen Rahmen hielten. Die Beklagte war also gehalten, vor längerer Abwesenheit das Einvernehmen mit dem Kläger zu pflegen, sie war aber jedenfalls verpflichtet, ihn über ihre jeweiligen Aufenthalte zu informieren. Diese Verpflichtung entspringt der Pflicht der Ehegatten zur anständigen Begegnung (§ 90 ABGB). Welchen Zwecken die laufenden Absenzen der Beklagten dienten, ist schon deshalb nicht zu erörtern, weil sich die Beklagte durch ihr Verhalten dem Kläger gegenüber schon von Anfang an in einem Ausmaß interesselos zeigte, daß darin schon allein eine schwere Eheverfehlung zu erblicken ist (6 Ob 598/79, teilweise veröffentlicht in EFSlg 33.903; vgl. auch Schwind in Ehrenzweig 3 , Familienrecht, 59, 74 f). Das muß umso mehr dann gelten, wenn sie damit den Kläger auch noch psychisch beeinträchtigte.
Die Ehe wurde deshalb zu Recht aus dem Verschulden der Beklagten geschieden. Auch ihr Mitschuldantrag ist nicht berechtigt. Keine Rede kann davon sein, daß ihr der Kläger zu wenig Wirtschaftsgeld überlassen habe. Er hat ihr nicht bloß nahezu die Hälfte seines Pensionsbezuges zur Verfügung gestellt, sondern auch die laufenden Zahlungen bestritten und einen Großteil ihrer Schulden abgetragen; außerdem ist er noch für seinen studierenden Sohn unterhaltspflichtig.
Soweit die Beklagte auch noch in der Revision behauptet, der Kläger habe sie durch Auswechseln des Türschlosses von der Wohnung ausgesperrt, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Das Schloß hatte der Sohn des Klägers auswechseln lassen, als sich der Kläger in stationärer Krankenhauspflege befand. Daß ihr der Kläger in der Folge auf ihre Fragen, ob sie wieder zurückkehren solle, zunächst ausweichend antwortete und ihr schließlich bedeutete, es wäre ihm lieber, wenn sie nicht mehr zurückkehre, kann ihm, zumal die Ehe der Streitteile bereits unheilbar zerrüttet und die Scheidungsklage bereits eingebracht war (vgl. hiezu Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 3 zu § 49 EheG mwN), nicht als Eheverfehlung zur Last gelegt werden, weil er nach dem bisherigen Verhalten der Beklagten mit dessen Fortsetzung rechnen mußte, so daß ihm die Wiederaufnahme der Beklagten in die Ehewohnung schon im Hinblick auf seine psychische Verfassung nicht mehr zugemutet werden konnte. Der Revision ist deshalb ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E10113European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00513.87.0218.000Dokumentnummer
JJT_19870218_OGH0002_0010OB00513_8700000_000