TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/1 2005/20/0260

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Veröffentlicht am 01.09.2005
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Index

E3R E19103000;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

32003R0343 Dublin-II Art3 Abs2;
32003R0343 Dublin-II;
AsylG 1997 §23 Abs1 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §24a Abs8 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §3 Abs3 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §4 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §4a idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §5 Abs1 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §5 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §5a Abs1 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §5a Abs4 idF 2003/I/101;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §66 Abs4;
MRK Art3;
MRK Art8;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2005/20/0261 2005/20/0262 2005/20/0263 2005/20/0264 2005/20/0265

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde 1. des R, geboren 1948, 2. der I, geboren 1961, 3. der A, geboren 1990, 4. des D, geboren 1993,

5. des M, geboren 1997, und 6. des T, geboren 2001, alle in R an der R und vertreten durch Dr. Johannes Schuster, Rechtsanwalt in 2640 Gloggnitz, Hauptstraße 48, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates jeweils vom 7. März 2005, Zl. 257.621/0-VIII/22/05, Zl. 257.622/0-VIII/22/05, Zl. 257.629/0- VIII/22/05, Zl. 257.627/0-VIII/22/05, Zl. 257.624/0-VIII/22/05, und Zl. 257.632/0-VIII/22/05, jeweils betreffend §§ 5 und 5a AsylG (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 991,20, insgesamt somit EUR 5.947,20, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind die Eltern der weiteren Beschwerdeführer; alle sind russische Staatsangehörige. Die Beschwerdeführer verließen - ihren Angaben zufolge - Ende Oktober 2004 die tschetschenische Hauptstadt Grosny und reisten über Moskau in die Republik Polen, wo der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin am

2. bzw. 3. November 2004 in Lublin Asylanträge stellten. Die Familie begab sich - ohne die Erledigung dieser Anträge abzuwarten - in der Folge nach Österreich, wo alle Beschwerdeführer am 29. Dezember 2004 die Gewährung von Asyl beantragten.

Diese Asylanträge wies das Bundesasylamt mit Bescheiden vom 31. Dezember 2004 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück. Es sprach jeweils aus, dass für die Prüfung der Asylanträge gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II-Verordnung) die Republik Polen zuständig sei. Unter einem wurden die Beschwerdeführer gemäß § 5a Abs. 1 iVm Abs. 4 AsylG aus dem Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen.

Die dagegen erhobenen Berufungen wies die belangte Behörde mit den angefochtenen Bescheiden vom 7. März 2005 jeweils "gemäß § 5 Abs. 1 AsylG" ab.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

§ 24a Abs. 8 AsylG in der Fassung der AsylG-Novelle 2003 lautet:

"(8) Entscheidet das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach Einbringung des Antrages, dass der Asylantrag als unzulässig gemäß der §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, ist der Antrag zugelassen, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18. Februar 2003 geführt; Abs. 4 gilt. Die Abweisung des Asylantrages gemäß § 6 oder eine Entscheidung gemäß der §§ 7 oder 10 ersetzt die Entscheidung im Zulassungsverfahren. Satz 1 gilt nicht, wenn sich der Asylwerber dem Verfahren entzieht und das Verfahren eingestellt oder als gegenstandslos abgelegt wird."

Diese Bestimmung ordnet in ihrem ersten Satz für die Dauer von Konsultationen nach der Dublin II-Verordnung eine Fortlaufshemmung der genannten zwanzigtägigen Entscheidungsfrist an. Demnach läuft die begonnene Frist nach dem (erfolgreichen) Abschluss solcher Konsultationen weiter. Ist die Frist vor Erlassung des Zurückweisungsbescheides abgelaufen, so ist der Asylantrag kraft Gesetzes "zugelassen" und eine Unzuständigkeitsentscheidung nach § 5 AsylG kommt nicht mehr in Betracht (vgl. dazu im Einzelnen das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2005, Zl. 2005/20/0038, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Im vorliegenden Fall wurden die Asylanträge der Beschwerdeführer am 29. Dezember 2004 eingebracht (iSd § 3 Abs. 3 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003). Das Ersuchen an die polnischen Behörden um (Wieder)Aufnahme der Beschwerdeführer erging am 10. Jänner 2005. Die (per Telefax übermittelte) positive Antwort Polens mit Schreiben vom 20. Jänner 2005 langte am selben Tag beim Bundesasylamt (Erstaufnahmestelle Ost) ein. Die erstinstanzlichen Bescheide dieser Behörde datieren vom 31. Jänner 2005 und wurden durch Zustellung an die Beschwerdeführer jeweils am 2. Februar 2005 erlassen.

Im Hinblick auf diese Aktenlage ist evident, dass das Bundesasylamt in den gegenständlichen Fällen - auch unter Berücksichtigung der zuvor erwähnten Fortlaufshemmung - nicht binnen zwanzig Tagen ab Einbringung der Asylanträge über deren Zulässigkeit nach § 5 AsylG entschieden, das heißt die Zurückweisungsbescheide erlassen hat. Die Wahrnehmung der Unzuständigkeit Österreichs gemäß § 5 Abs. 1 AsylG und die Ausweisung der Beschwerdeführer nach § 5a Abs. 1 iVm 4 AsylG war somit nicht mehr rechtmäßig. Dem hätte die belangte Behörde von Amts wegen - durch ersatzlose Behebung der erstinstanzlichen Bescheide - Rechnung tragen müssen (vgl. Punkt 4. der Entscheidungsgründe des erwähnten Erkenntnisses Zl. 2005/20/0038, sowie Punkt 5. der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom selben Tag, Zl. 2005/20/0095).

Da sie dies unterlassen hat, waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere unter Bedachtnahme auf § 52 Abs. 1 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 1. September 2005

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005200260.X00

Im RIS seit

29.09.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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