TE OGH 1987/2/19 12Os12/87

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Veröffentlicht am 19.02.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Februar 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Aumann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz J*** wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127 Abs. 1, 129 Z 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18.September 1986, GZ 7 c Vr 7986/86-19, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. September 1986, GZ 7 c Vr 7986/86-19, verletzt insoweit, als der Angeklagte Franz J*** des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB schuldig erkannt wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 105 Abs. 2 StGB.

Dieses Urteil, welches im Schuldspruch wegen Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127 Abs. 1, 129 Z 1 StGB unberührt bleibt, wird im Schuldspruch wegen Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB sowie im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Franz J*** wird von der Anklage, er habe am 30.Juni 1986 in Wien Gerhard P*** durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, nämlich zur Rückgabe ihm vermeintlich gestohlenen Geldes und von Zigaretten, dadurch vorsätzlich zu nötigen versucht, daß er ihm ein Messer gegen die Brust hielt und zu ihm sagte: "Gib mir sofort meine Zigaretten und mein Geld, welches du mir gestohlen hast, zurück", er habe hiedurch das Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Für das ihm nach Punkt A des erstinstanzlichen Schuldspruchs zur Last fallende Verbrechen des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127 Abs. 1, 129 Z 1 StGB wird Franz J*** nach § 129 StGB zu

10 Monaten Freiheitsstrafe

verurteilt.

Der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft wird aus dem Ersturteil übernommen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

1. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18.September 1986, GZ 7 c Vr 7986/86-19, wurde Franz J*** des Verbrechens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs. 1, 129 Z 1 StGB (Punkt A/ des Urteilssatzes) sowie des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB (Punkt B/ des Urteilssatzes) schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Der Verteidiger des Angeklagten meldete gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde sowie Berufung an und führte diese Rechtsmittel auch aus. Die gegen den Schuldspruch wegen versuchter Nötigung gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien mit Beschluß vom 14.November 1986 (ON 26) gemäß § 285 a Z 1 StPO zurückgewiesen. Der vom Verteidiger namens des Angeklagten gegen diesen Beschluß ergriffenen Beschwerde hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 12.Feber 1987, GZ 12 Os 178, 179/86-5, nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

2. Der Schuldspruch des Angeklagten Franz J*** wegen versuchter Nötigung steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Dieses Vergehen liegt dem Genannten laut Urteilstenor (Punkt B/ des Urteilssatzes) anklagekonform (S 94 f) deshalb zur Last, weil er am 30.Juni 1986 in Wien versucht hat, Gerhard P***, indem er ihm ein Messer vorhielt, durch gefährliche Drohung zur Rückgabe ihm vermeintlich gestohlener Sachen (Geld und Zigaretten) zu nötigen. Hiezu konstatiert das Schöffengericht in den Entscheidungsgründen, daß der Angeklagte am 30.Juni 1986 in Wien am Ufer des Heustadlwassers seine Kleider abgelegt und danach ein Bad genommen hatte. Dabei beobachtete er zunächst einen am Ufer vorbeigehenden Passanten und bemerkte sodann, daß sich seine auf der Uferwiese liegende Hose nunmehr auf einem anderen Platz befand, worauf er bei den Kleidungsstücken Nachschau hielt und das Fehlen eines Bargeldbetrages von 40 S und von Zigaretten feststellte. Er war davon überzeugt, daß der erwähnte Passant - bei dem es sich um Gerhard P*** handelte - diese Sachen gestohlen hätte. Er lief dem Genannten ca 150 Meter nach, hielt ihm ein Messer vor und forderte ihn auf, das Geld und die Zigaretten zurückzugeben sowie die Taschen zu leeren. Gerhard P*** erklärte dem Angeklagten, die Sachen nicht gestohlen zu haben, und entleerte seine Taschen mit Ausnahme der die Geldbörse enthaltenden Gesäßtasche. Schließlich gingen der Angeklagte und Gerhard P*** noch zu jener Stelle zurück, wo die Kleider des Angeklagten lagen. Danach entfernte sich Gerhard P***. Aus der Bezugnahme auf "vermeintlich" gestohlene Sachen im Urteilssatz (S 101) und der Würdigung der für glaubhaft befundenen Angaben des Gerhard P*** in den Entscheidungsgründen (S 106 iVm ON 10, S 75 f - bezüglich der S 73 bis 81 ist eine Doppeljournalisierung unterlaufen, ebenso bezüglich S 65 bis 69) ergibt sich, daß das Gericht einen diebischen Angriff des Gerhard P*** durch Wegnahme der betreffenden Sachen ausgeschlossen, eine solche irrige Vorstellung des Angeklagten aber für erwiesen angesehen hat.

In rechtlicher Hinsicht hat das Landesgericht für Strafsachen Wien sinngemäß erwogen, daß die Nötigung "beinahe vollendet" worden sei, die drohende Haltung jedoch bereits ein Ende gefunden habe, bevor Gerhard P*** - der mit dem Entleeren seiner Taschen begonnen hatte - auch die Tasche mit seiner Geldbörse ausräumen sollte. Diese Überlegung scheint auf ein anderes Nötigungsziel abzustellen, als im Urteilstenor bezeichnet wird; außerdem dürfte dabei übersehen worden sei, daß eine Nötigung bereits vollendet ist, wenn das Opfer begonnen hat, sich in der vom Täter angestrebten Weise zu verhalten (SSt 46/79, EvBl 1976/161, ÖJZ-LSK 1979/68).

Das Erstgericht hat bei der rechtlichen Beurteilung des vorliegenden Straffalles jedoch vor allem nicht beachtet, daß nach § 105 Abs. 2 StGB die Nötigung nicht rechtswidrig ist, wenn die Anwendung der Gewalt oder Drohung als Mittel zu dem angestrebten Zweck nicht den guten Sitten widerstreitet. Darnach ist straffrei, wer sich zur Durchsetzung eines berechtigten oder vermeintlichen Anspruchs eines sittlich erlaubten Mittels bedient (10 Os 61/78; 12 Os 11/82).

Bei Prüfung der Frage der Rechtswidrigkeit des an sich tatbestandskonformen Verhaltens des Angeklagten kann es keinem Zweifel unterliegen, daß er aus der Sicht seines Irrtums - nach den Konstatierungen des Erstgerichts war er in der unrichtigen Vorstellung befangen, daß der ungefähr 150 m entfernte Gerhard P*** die gerade weggenommenen Sachen (Geld und Zigaretten) mit sich führe - grundsätzlich berechtigt war, vom (vermeintlichen) Dieb die Rückgabe des Diebsguts zu fordern. Die von ihm zur Durchsetzung dieses Rechts angewandte (gefährliche) Drohung widerstreitet auch bei Anlegung eines strengen objektiven Maßstabes, als Mittel zum erstrebten Zweck nicht den Erfordernissen sozialgemäßen Verhaltens (vgl EvBl 1983/123, 1985/55; Kienapfel, BT I 2 § 105 RZ 61); die Verknüpfung von Mittel und Zweck ist im vorliegenden Fall sozial nicht unerträglich und ein qualitatives Mißverhältnis zwischen dem eingesetzten Mittel und dem erstrebten Ziel nicht anzunehmen. Dem Angeklagten kommt daher der Rechtfertigungsgrund des § 105 Abs. 2 StGB zugute, sodaß auf die von der Generalprokuratur des weiteren aufgeworfene Frage eines Handelns in Putativnotwehr (§ 8 StGB) - das jedenfalls rechtswidrig bliebe

(vgl Leukauf-Steininger, Komm 2 § 8 RN 11) - nicht eingegangen zu werden braucht. Es war vielmehr sogleich auf Freispruch zu erkennen. Bei der infolge der getroffenen Sachentscheidung notwendig gewordenen Neubemessung der Freiheitsstrafe waren erschwerend die einschlägigen Vorstrafen und der rasche Rückfall, mildernd hingegen das Geständnis und der Umstand, daß die Tat beim Versuch geblieben ist.

Bei Würdigung der gegebenen besonderen Strafzumessungstatsachen und der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung (§ 32 StGB) erachtet der Oberste Gerichtshof die aus dem Spruch ersichtliche Freiheitsstrafe als der Schuld des Angeklagten und dem Unrechtsgehalt der Tat für angemessen.

Anmerkung

E10251

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0120OS00012.87.0219.000

Dokumentnummer

JJT_19870219_OGH0002_0120OS00012_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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