TE OGH 1987/2/24 14ObA11/87

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.02.1987
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Walter Schaffelhofer und Franz Erwin Niemitz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Christian G***, Angestellter, Thalgau, Egg 51, vertreten durch Hans Freyborn, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei M*** S*** reg. Gen.mbH, Salzburg, Schillerstraße 2-4, vertreten durch Dr.Ernst Pallauf, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 13.020,-- sA und Feststellung (Gesamtstreitwert S 28.020,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 3. November 1986, GZ 31 Cg 64/85-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Salzburg vom 3. Juni 1985, GZ Cr 19/85-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.829,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 257,25 an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei die Zahlung eines Betrages von S 6.160,-- sA an Deputaten (Milch, Käse, Butter) für die Zeit vom 1.1.1983 bis 1.3.1984 sowie eines weiteren Betrages von S 6.860,-- sA an rückständiger Dienstalterszulage für den gleichen Zeitraum. Er begehrt ferner die Feststellung der Verpflichtung der beklagten Partei, ihm die Deputate und Dienstalterszulagen nach dem Kollektivvertrag für Molkereiarbeiter (KV) zu zahlen. Zur Begründung führte der Kläger aus, er habe der beklagten Partei die ihm gehörige Käserei in Thalgau verkauft. In Punkt VIII. des Kaufvertrages hätten die Parteien ein Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des KV für die Dauer von 20 Jahren abgeschlossen. Unmittelbar nach Vertragsabschluß sei der Kläger vom Dienst freigestellt worden. Nach dem KV stünden ihm die oben erwähnten Deputate sowie eine Dienstalterszulage zu; die beklagte Partei habe die Leistungen nicht erbracht. Sie habe den Kläger dem Milchwirtschaftsfonds als Arbeitnehmer gemeldet. Der Kläger stütze sein Klagebegehre ausdrücklich auf ein Arbeitsverhältnis und auf die arbeitsvertraglichen Regelungen im Kaufvertrag.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Parteiwille sei bei Abschluß des Kaufvertrages auf einen teilweisen Ratenkauf gerichtet gewesen, der auf der Basis eines wertgesicherten kollektivvertraglichen Facharbeiterstundenlohnes beruhe. Die Parteien hätten an die Erbringung einer Arbeitsleistung durch den Kläger nicht gedacht. Deputate und Dienstalterszulagen, wie sie der Kollektivvertrag für im Betrieb Beschäftigte vorsehe, seien durch die Vereinbarung nicht umfaßt worden. Eine derartige Verpflichtung hätte im Vertrag erwähnt werden müssen. Mangels Vorliegens der für einen Arbeitsvertrag wesentlichen Merkmale sei ein solcher Vertrag ebensowenig zustande gekommen wie eine Dienstfreistellung des Klägers.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:

Der Kläger bot im Jahr 1976 die ihm gehörige Käserei Thalgau samt den ihm zustehenden Rechten aus dem Einzugsgebiet mehreren Unternehmen, darunter auch der beklagten Partei, an. Nach einer grundsätzlichen Einigung der Parteien wurde der öffentliche Notar Dr.Waldemar S*** mit der Errichtung des Kaufvertrages beauftragt. Mit Vertrag vom 4.3.1976 verkaufte der Kläger an die beklagte Partei "das Einzugs- und Versorgungsgebiet" seiner Käserei um einen Kaufpreis von 1,000.000 S. In Punkt VIII. dieses Vertrages wurde folgendes vereinbart:

"Durch den Verkauf des Einzugs- und Versorgungsgebietes an den M*** S*** hat Herr Christian G*** seine bisherige

Tätigkeit aufgegeben. Da eine Berufsumschulung des Verkäufers von seinem erlernten Käserberuf auf einen anderen Beruf auf Grund des fortgeschrittenen Alters und der derzeitigen Arbeitsmarktlage sehr schwierig ist, übernimmt der M*** S*** den Verkäufer Christian G*** mit Stichtag 1.3.1976 in das Facharbeiterverhältnis nach den Bestimmungen des derzeit gültigen Kollektivvertrages für Molkereiarbeiter mit einem derzeitigen Bruttolohn von S 9.200 monatlich, welcher 14 x jährlich zur Auszahlung gelangt. Die jeweiligen kollektivvertraglichen Lohnerhöhungen werden an die Basis des derzeitigen Bruttolohnes von S 9.200 gebunden. Für dieses Beschäftigungsverhältnis wird eine Dauer von 20 Jahren als bindend vereinbart. Der Verkäufer ist verpflichtet, seinen ihm jeweils laut Kollektivvertrag zustehenden Urlaub zu konsumieren. Eine Abfindung für den nicht konsumierten Urlaub besteht jedenfalls nicht."

Die Parteien vereinbarten ferner, daß die beklagte Partei einen Teilbetrag von S 3.000 (später erhöht auf S 3.360) in Anrechnung auf die an den Kläger zu leistenden Beträge an dessen Vater als Versorgungsleistung direkt zu überweisen habe.

Der Kläger war im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses als Selbständiger bei der Gewerblichen Selbständigenversicherung gemeldet und sollte dort versichert bleiben. Zu diesem Zweck überwies die beklagte Partei monatlich S 700 an die Selbständigenversicherung des Klägers und nahm ihn in ihr Arbeitsverzeichnis auf. Die monatlichen Zahlungen von S 9.200 brutto wurden lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtlich behandelt. Die beklagte Partei zog den Kläger seit dem Abschluß des Kaufvertrages nie zu einer Arbeitsleistung heran. Der Vertrag wurde "insbesondere auch über Betreiben der beklagten Partei" in zwei Komponenten geteilt, nämlich in einen Kaufvertrag und in einen Arbeitsvertrag. Die beklagte Partei erhoffte sich nämlich, für das Arbeitsverhältnis des Klägers vom Milchwirtschaftsfonds Unterstützungszahlungen zu erhalten. Der Kläger wurde in den Unterlagen der beklagten Partei in weiterer Folge unter Ausweisung der Lohnkosten immer als Facharbeiter geführt. Da der Milchwirtschaftsfonds feststellte, daß der Kläger für die beklagte Partei keine Arbeitsleistungen erbrachte, zahlte er keine Unterstützungsbeträge. Der Kläger war bei Abschluß des Vertrages gesundheitlich nicht in der Lage, als Facharbeiter Arbeitsleistungen für die beklagte Partei zu erbringen. Die voraussichtliche Dauer seiner Krankheit war in jenem Zeitpunkt nicht bekannt. Ob er während der Vertragsdauer aus gesundheitlichen Gründen jemals hätte arbeiten können, steht nicht fest. Die zur Zweiteilung des Vertrages führenden Überlegungen des Klägers waren auf seine soziale Absicherung und die Erreichung eines Pensionsanspruches in 20 Jahren gerichtet. Die Zweiteilung erfolgte sohin auf Grund der festgestellten Überlegungen beider Vertragsteile. Das Erstgericht ging bei seinen rechtlichen Überlegungen davon aus, daß der Kläger seine Ansprüche nur aus dem Rechtsgrund eines Arbeitsvertrages ableite. Ein solcher Vertrag sei aber nicht zustande gekommen. Die maßgeblichen Vertragsbestimmungen seien als ein "Wertsicherungspaket" zu verstehen, wobei der Facharbeiterlohn als Ausgangswert der künftigen Indexerhöhungen diene. Gegen einen Arbeitsvertrag spreche die Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, sodaß ihm die Arbeitnehmereigenschaft fehle. Ein Anspruch auf Dienstalterszulage und Deputat setze überdies voraus, daß der Arbeitnehmer im Betrieb tatsächlich tätig sei. Diese Voraussetzung treffe auf den Kläger ebenfalls nicht zu.

Im Berufungsverfahren präzisierte der Kläger den Rechtsgrund seiner Begehren dahin, daß er diese auf die "dienstvertragliche Vereinbarung, also auf die vereinbarte volle Leistung gemäß Kollektivvertrag" stütze.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung in der Hauptsache dahin ab, daß es dem Klagebegehren zur Gänze stattgab. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch, traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht und ergänzte diese wie folgt:

Die beklagte Partei hat bisher vom Kläger keine Dienstleistungen verlangt. Sie hat ihn mit einem Dienstzettel dienstfrei gestellt. Beide Parteien hatten die Absicht, ein Arbeitsverhältnis zu vereinbaren. Keine der beiden Parteien hatte hingegen die Absicht, ein anderes Rechtsgeschäft (ein verdecktes) abzuschließen, als den Arbeitsvertrag. Sie hatten auch keine Umgehungsabsicht. Der Parteiwille war zumindest auf die Herbeiführung der Rechtsfolgen eines dem Kollektivvertrag unterliegenden Arbeitsverhältnisses gerichtet.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, ein Arbeitsverhältnis könne auch vorliegen, wenn der Arbeitnehmer zunächst nicht arbeitsfähig sei. Die Arbeitsfähigkeit könne auch während der Vertragszeit wiederhergestellt werden. Im übrigen bleibe es den Parteien im Hinblick auf die Vertragsfreiheit unbenommen, ein Arbeitsverhältnis auch im Falle einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zu vereinbaren. Da die Dienstalterszulage und das Deputat nach dem Kollektivvertrqg dem Arbeitnehmer zustehen, hätte die beklagte Partei die Beweislast dafür getroffen, daß diese beiden Entgelte vertraglich ausgeschlossen worden seien. Ein solcher Ausschluß sei aber nicht erfolgt. Die beklagte Partei habe auch nicht behauptet, daß diese Entgelte die tatsächliche Ausübung einer Tätigkeit im Betrieb voraussetzten. Im übrigen könnten derartige Ansprüche bei Urlaub oder Krankheit nicht wegfallen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Auffassung des Berufungsgerichts über den Abschluß eines Arbeitsvertrages ist entgegen der Meinung der Revisionswerberin zuzustimmen. Soweit in den Revisionsausführungen davon ausgegangen wird, die Parteienabsicht sei auf den Abschluß eines anderen Rechtsgeschäfts, nämlich auf den Abschluß "eines auf der Basis des kollektivvertraglichen Facharbeiterstundenlohnes wertgesicherten teilweisen Ratenkaufes" gerichtet gewesen, weicht die beklagte Partei von den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ab. Die einer übereinstimmenden Willenserklärung zugrundeliegende Parteienabsicht ist Gegenstand einer Tatsachenfeststellung und kann im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht bekämpft werden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatten aber beide Parteien die Absicht, ein Arbeitsverhältnis zu vereinbaren; sie hatten nicht die Absicht, ein anderes Rechtsgeschäft abzuschließen, und auch keine Umgehungsabsicht; der Parteiwille war zumindest auf die Herbeiführung der Rechtsfolgen eines dem Kollektivvertrag unterliegenden Arbeitsverhältnisses gerichtet.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen liegt ein Scheingeschäft im Sinne des § 916 ABGB nicht vor, weil dieses die übereinstimmende Absicht beider Parteien voraussetzt, eine Willenserklärung dem anderen gegenüber nur zum Schein abzugeben. Nur in einem solchen Fall wirkt das zum Schein abgeschlossene Geschäft nicht, weil es ja nicht gewollt ist und keiner der Partner auf die Wirksamkeit der Erklärung vertraut hat. Das Scheingeschäft setzt somit einen gemeinsamen Vorsatz voraus (Koziol-Welser, Grundriß 7 , I; 111 f; JBl. 1983, 444 mwH). Diese Voraussetzungen liegen aber auf Grund der vorerwähnten Feststellungen nicht vor.

Entgegen der Meinung der Revisionswerberin scheitert die Annahme eines Arbeitsvertrages aber auch nicht daran, daß der Kläger im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages arbeitsunfähig war. Im Rahmen der Vertragsfreiheit bleibt es den Parteien - vorbehaltlich eines hier nicht vorliegenden Scheingeschäfts oder zwingender Schutznormen - unbenommen, einen alle sonstigen Merkmale eines Arbeitsvertrages mit Ausnahme der Verpflichtung zur Erbringung von Arbeitsleistungen aufweisenden Vertrag abzuschließen oder während des Arbeitsverhältnisses auf die Erbringung weiterer Arbeitsleistungen (auch für einen unbestimmten Zeitraum) zu verzichten. Im übrigen steht hier nicht fest, daß die Parteien etwa schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Erbringung von Arbeitsleistungen nicht ins Auge gefaßt haben. Die im Vertrag vorgesehene Verpflichtung des Klägers, seinen Urlaub zu konsumieren, sowie die Dienstfreistellung mittels Dienstzettels sprechen gegen eine solche Annahme.

Bejaht man aber das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses, dann stehen dem Kläger schon aus diesem Grund die Ansprüche auf eine Dienstalterszulage und auf Deputate nach dem KV zu. Dieser Anspruch steht ihm aber auch auf Grund des Punktes VIII. des Vertrages vom 4.3.1976 zu. Nach dieser Vertragsbestimmung und der ihr zugrundeliegenden, vom Berufungsgericht ergänzend festgestellten Parteienabsicht sollten zumindest die Rechtsfolgen eines dem Kollektivvertrag unterliegenden Arbeitsverhältnisses herbeigeführt werden. Da die beklagte Partei in dem vorerwähnten Dienstzettel den Kläger dienstfrei gestellt hat, konnte sie schon nach dem § 1155 ABGB dem Anspruch auf Dienstalterszulage und Deputat nicht die Unterlassung von Arbeitsleistungen mit Erfolg entgegenhalten. Entspricht aber die Dienstfreistellung einer Vereinbarung der Parteien, dann hätte angesichts der gleichzeitigen Vereinbarung der kollektivvertraglichen Rechtsfolgen, zu welchen auch die Dienstalterszulage und die Deputate gehören, deren Ausschluß und nicht ein Anspruch darauf vereinbart werden müssen, wie dies im übrigen hinsichtlich des Ausschlusses einer Abfindung für nicht verbrauchten Urlaub geschehen ist. Abgesehen davon ist dem Berufungsgericht auch darin zuzustimmen, daß die beklagte Partei nicht vorgebracht hat, dem Kläger stehe nach dem Kollektivvertrag mangels jeglicher Tätigkeit ein solcher Anspruch nicht zu. Das Vorbringen im Schriftsatz vom 17.4.1984 erstreckte sich nur auf die Behauptung, der Vertrag umfasse nicht die im KV vorgesehene Dienstalterszulage und die Deputate und es hätte zur Anspruchsbegründung einer gesonderten Erwähnung im Vertrag bedurft. Wenn auch entgegen der Meinung des Berufungsgerichts die beklagte Partei zur Vorlage des Kollektivvertrages nicht verpflichtet war, so hätte sie doch ein derartiges Vorbringen über das Fehlen der kollektivvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen erstatten und sich auf den Kollektivvertrag berufen müssen.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E10334

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:014OBA00011.87.0224.000

Dokumentnummer

JJT_19870224_OGH0002_014OBA00011_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten