TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/6 2001/03/0250

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Veröffentlicht am 06.09.2005
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1N;
E3R E07204030;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;
59/04 EU - EWR;

Norm

11994N/PRO/09 EU-Beitrittsvertrag Prot9 Anh4;
11994N/PRO/09 EU-Beitrittsvertrag Prot9 Art1 litd;
11994N/PRO/09 EU-Beitrittsvertrag Prot9 Art11 Abs6 ;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art2 Abs1 idF 32000R0609;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8 idF 1998/I/017;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8;
VStG §5 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des HG in A, Deutschland, vertreten durch Dr. Stefan Hornung, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 22. Mai 2001, Zl. uvs-2000/3/038- 12, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen, also hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die diesbezüglichen Kosten des Berufungsverfahrens, wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Lenker des LKW-Zuges mit den Kennzeichen R(D) und R(D) am 31. August 1999 gegen 21.00 Uhr eine Transitfahrt im gewerbsmäßigen Güterverkehr durch das Gebiet der Republik Österreich auf der Strecke Autobahn A 12 auf dem Parkplatz Kundl über die Grenzeintrittsstelle Kiefersfelden kommend und über die beabsichtigte Grenzaustrittstelle Brenner von Deutschland nach Italien fahrend durchgeführt und dabei entgegen der Bestimmung des Art. 1 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 die auf Grund des § 8 Abs. 2 GütbefG über das Abkommen der Republik Österreich und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über den Güterverkehr im Transit auf der Schiene und Straße vorgeschriebene Ökokarte mit der erforderlichen Anzahl von geklebten und entwerteten gültigen Ökopunkten oder ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermögliche, (Ecotag) nicht mitgeführt und auf Verlangen der Kontrollorgane der Zollwachabteilung Kufstein (MÜG) am 31. August 1999 um 21.00 Uhr auf dem Parkplatz Kundl nicht zur Prüfung vorgelegt. Es sei zwar ein Ecotag im oben angeführten LKW angebracht und richtig auf ökopunktepflichtige Fahrt eingestellt gewesen, doch der betreffende Frächter bzw. das betreffende Kraftfahrzeug seien im Zentralrechner der Ökopunktezentrale Österreichs als gesperrt aufgeschienen, wodurch keine automatische Abbuchung der für das KFZ erforderlichen acht Ökopunkte erfolgen habe können.

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z. 8 GütbefG iVm Art. 1 Abs. 1 lit. a und b sowie Art. 2 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission idF der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 begangen; über ihn wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,--, Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage, verhängt.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer eine Transitfahrt durch das Gebiet der Republik Österreich durchgeführt und bei der Einreise in Kiefersfelden eine entsprechende Transitdeklaration vorgenommen habe. Am 31. August 1999 sei der gegenständliche LKW einer Kontrolle auf dem Parkplatz Kundl unterzogen worden. Die Firma Kapsch habe am 1. September 1999 um 10.50 Uhr telefonisch mitgeteilt, dass der Frächter H. auf Grund des aufgebrauchten Ökopunktekontingents ab 28. August 1999 gesperrt gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe in seiner ersten Rechtfertigung angegeben, dass er bei der Abreise von seiner Firma keinerlei Information erhalten habe, dass das Ökopunktekontingent erschöpft bzw. der Frächter gesperrt sei. Eine Anfrage beim Bundesamt für Güterverkehr (BAG) habe ergeben, dass der Zulassungsbesitzer - wie bereits zu fünf weiteren näher angeführten Zeiträumen zuvor - vom 26. bis 31. August 1999 gesperrt und von diesem Umstand am 27. August 2005 verständigt worden sei.

Der Frächter sei zwar verpflichtet, von sich aus Aufzeichnungen über den Stand der Ökopunkte zu führen und könne sich nicht auf eine allenfalls verspätete Benachrichtigung durch das BAG berufen. Von einem eine Transitfahrt mit einem Lastkraftwagen durchführenden Lenker müsse jedoch verlangt werden, sich mit den einschlägigen Rechtsnormen vertraut zu machen. Hiezu genüge es nicht, sich bloß auf Auskünfte seines Arbeitgebers zu verlassen. Selbst wenn von einer derartigen Auskunft ausgegangen werde, hätte sich der Beschwerdeführer im Hinblick auf die zahlreichen Sperren seines Arbeitgebers nicht allein auf dessen Angaben verlassen dürfen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt zunächst, dass er mit einem "Sattelkraftzug" unterwegs gewesen sei und ihm in seiner Eigenschaft als Lenker eines "LKW-Zuges" eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z. 8 GütbefG zur Last gelegt worden sei, während Normadressat des Art. 1 Abs. 1 der EG-Verordnung Nr. 3298/94 idF Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Fahrer eines "Lastkraftwagens" sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass sich die Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission auf die Akten über den Beitritt Norwegens, Österreichs, Finnlands und Schwedens, insbesondere auf Art. 11 Abs. 6 und Anhang 4 des Protokolls Nr. 9 stützt. Nach Art. 1 lit. d des Protokolls Nr. 9 gilt aber als "Lastkraftwagen" jedes zur Beförderung von Gütern oder zum Ziehen von Anhängern in einem Mitgliedstaat zugelassene Kraftfahrzeug mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von über 7,5 Tonnen, einschließlich Sattelzugfahrzeuge, sowie Anhänger mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von über 7,5 Tonnen, die von einem in einem Mitgliedstaat zugelassenen Kraftfahrzeug mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von 7,5 Tonnen oder weniger gezogen werden.

Demnach fällt entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch der von ihm gelenkte "Sattelkraftzug" (bestehend aus Sattelzugfahrzeug und Sattelanhänger) unter den in der genannten Verordnung verwendeten Begriff "Lastkraftwagen" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2000, Zl. 2000/03/0225).

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, der erstinstanzliche Bescheid sei fehlerhaft gewesen, weil darin eine unrichtige Übertretungsnorm genannt worden sei. Die von der belangten Behörde vorgenommene "Spruchberichtigung" sei unzulässig. Im Übrigen sei dieser Strafvorwurf gegen den Beschwerdeführer erstmals im angefochtenen Bescheid erhoben worden, sodass diesbezüglich längst Verjährung eingetreten sei.

In diesem Punkt ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass hinsichtlich der rechtlichen Qualifikation einer Tat Verfolgungsverjährung nicht eintreten kann (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II 2. Auflage, S. 620 ff zitierte hg. Rechtsprechung). Die belangte Behörde war daher nach § 66 Abs. 4 AVG zu einer diesbezüglichen Richtigstellung des erstinstanzlichen Bescheides berechtigt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 2000, Zl. 2000/03/0010).

Schließlich wendet der Beschwerdeführer ein, die belangte Behörde habe ohne weiteres angenommen, dass die subjektive Tatseite erfüllt sei. Die Aufzeichnungspflicht treffe - wenn überhaupt - den Frächter und nicht den Lenker. Außerdem sei es dem Beschwerdeführer weder möglich noch zumutbar, sich vor Fahrtantritt stets beim BAG über den Stand der Ökopunkte zu informieren. Es sei auch völlig praxisfern, wenn die belangte Behörde annehme, eine entsprechende Nachforschung telefonisch, per Fax oder mit welchen Mitteln auch immer, sei für den Beschwerdeführer als bloßen Arbeitnehmer möglich. Überdies sei das BAG nach seinem Wissensstand auch überlastet, sodass ein entsprechendes telefonisches Durchkommen gar nicht möglich sei. Der Beschwerdeführer müsse sich im Hinblick auf das Vertrauensverhältnis, das einem Arbeitsverhältnis zu Grunde liege, auf die Auskünfte seines Arbeitgebers verlassen können. Es sei ihm auch weder zumutbar noch möglich, über die Anfrage beim Arbeitgeber hinaus Nachforschungen anzustellen. Der Beschwerdeführer habe von Seiten seines Arbeitgebers die Information gehabt, dass das Ecotag-Gerät ordnungsgemäß funktionieren werde; dass kein ausreichendes Guthaben an Ökopunkten vorhanden gewesen sei, sei ihm nicht bekannt gewesen (habe ihm nicht bekannt sein können).

Auch mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen: Der Beschwerdeführer ist nämlich zunächst darauf hinzuweisen, dass die Verpflichtungen nach Art. 1 Abs. 1 der zitierten Verordnung den Beschwerdeführer als den eine Transitfahrt mit einem Lastkraftwagen durchführenden Lenker, nicht aber seinen Arbeitgeber treffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2000, Zl. 2000/03/0354). Nach der ständigen hg. Rechtsprechung hat sich der Lenker eines Kraftfahrzeuges bei einer Transitfahrt im Falle der Benutzung eines Umweltdatenträgers bereits vor der Einreise in das Hoheitsgebiet Österreichs auf geeignete Weise davon zu überzeugen, dass mit diesem eine automatische Abbuchung von Ökopunkten auch möglich ist. Daraus folgt u.a. die Verpflichtung des Lenkers, sich bereits vor der Einreise umfassend nicht nur hinsichtlich der Funktionstüchtigkeit des Gerätes zu informieren, sondern auch darüber, ob nicht etwa mangels gedecktem Ökopunktekonto bzw. Sperre des Frächters eine Abbuchung von Ökopunkten unmöglich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 2001, Zl. 2001/03/0243). Es wäre daher Sache des Beschwerdeführers gewesen, sich vor Antritt der Transitfahrt auch zu vergewissern, ob die erforderlichen Ökopunkte vom mitgeführten Ecotag-Gerät abgebucht werden können. Der Beschwerdeführer hat jedoch nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides überhaupt keine Auskunft über die Verfügbarkeit von "Ökopunkten" eingeholt, sodass ihm eine als Verschulden zu qualifizierende Sorgfaltsverletzung zur Last fällt.

Der Beschwerdeführer ist auch nicht im Recht, wenn er meint, die im Spruch des angefochtenen Bescheides vorgenommene Tatumschreibung verstoße gegen § 44a Z. 1 VStG. Der Verwaltungsgerichtshof vermag keinen derartigen Mangel, der im Übrigen vom Beschwerdeführer nicht näher konkretisiert wurde, zu erkennen. Gleiches gilt für den vom Beschwerdeführer behaupteten, aber ebenfalls nicht näher ausgeführten Begründungsmangel hinsichtlich des von der belangten Behörde als erwiesen angenommenen Sachverhaltes.

Im Hinblick auf die Tatbildmäßigkeit der vorliegenden Übertretung und das Verschulden des Beschwerdeführers an der verfahrensgegenständlichen Verwaltungsübertretung war die Beschwerde daher nicht begründet.

Dennoch liegt eine - vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende - inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor. Mit Erkenntnis vom 14. Dezember 2001, G 181/01 u. a., kundgemacht am 8. Februar 2002 im BGBl. I Nr. 37, stellte der Verfassungsgerichtshof nämlich fest, dass die Wortfolge "und Z 7 bis 9" im zweiten Satz des § 23 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 593, in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1998, verfassungswidrig war. Der Verfassungsgerichtshof sprach in diesem Erkenntnis gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG weiters aus, dass diese Bestimmung "insofern nicht mehr anzuwenden" ist, "als sie sich auf die Z 8 bezieht". Auch der Verwaltungsgerichtshof hat diese Bestimmung daher nicht mehr anzuwenden, sodass eine maßgebliche gesetzliche Grundlage für die Bestrafung des Beschwerdeführers im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren weggefallen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2002, Zl. 2001/03/0002, mwN).

Der angefochtene Bescheid war daher in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, im Übrigen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 6. September 2005

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2Gemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2001030250.X00

Im RIS seit

04.10.2005

Zuletzt aktualisiert am

20.07.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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