TE OGH 1987/2/26 6Ob530/87

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Veröffentlicht am 26.02.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Schobel, Dr.Schlosser und Mag.Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Karl H***, Facharzt für Innere Medizin, Wien 6., Linke Wienzeile 118/14, vertreten durch Dr. Rudolf Gürtler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Albine H***, im Haushalt, Wien 6., Linke Wienzeile 118/14, vertreten durch Dr. Ingo Ubl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28. November 1986, GZ 13 R 154/86-106, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 17. März 1986, GZ 11 Cg 63/84-97, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht stattgegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 3.637,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Barauslagen 240 S und an Umsatzsteuer 308,85 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 30. Januar 1960 schlossen der damals im 27. Lebensjahr gestandene Kläger und die um zweieinhalb Jahre jüngere Beklagte die Ehe. Fünfeinhalb Monate später gebar die Beklagte einen Sohn. Dieser nunmehr volljährige Sohn ist das einzige Kind der Streitteile. Am 22. Oktober 1980, also im 21. Ehejahr, brachte der Mann eine Scheidungsklage ein. Als Scheidungsgrund machte er jahrelangen Alkoholmißbrauch der Frau und eine auf diesen zurückzuführende gröbliche Vernachlässigung des Haushaltes, der persönlichen Belange aber auch der des Klägers und des im gemeinsamen Haushalt lebenden Sohnes, Randalieren und Selbstverletzungen geltend. Im Gesamtverhalten der Beklagten habe sich während der mehrjährigen Verfahrensdauer keine Änderung ergeben, die geistige Gemeinschaft zwischen den Streitteilen sei aufgehoben. Die Beklagte sei aus eigenem Verschulden in ihre schwere Alkoholabhängigkeit verfallen. Das geltend gemachte Verhalten sei der Beklagten zum Verschulden im Sinne des § 49 EheG zuzurechnen. Hilfsweise stellte der Kläger ein Begehren im Sinne des § 50 EheG.

Die Beklagte bestritt den Eintritt einer unheilbaren Ehezerrüttung. Sie behauptete, daß der Kläger durch Mangel an Verständnis für ihre Tätigkeit als Hausfrau und Mutter, durch Isolierung von einem der Stellung des Mannes als eines Facharztes entsprechenden gesellschaftlichen und geistigen Leben sowie durch Vorwürfe und Mißhandlungen ihren Alkoholismus schuldhaft herbeigeführt habe. Ihr Verhalten sei keinesfalls als schwere Eheverfehlung zu werten. Einer Scheidung aus dem Grunde des § 50 EheG stünde die Härteklausel nach § 54 EheG entgegen. Das Erstgericht hatte im ersten Rechtsgang das auf § 49 EheG gestützte Hauptbegehren abgewiesen und dem Eventualbegehren im Sinne des § 50 EheG stattgegeben. Nach Ergänzung des Verfahrens gemäß dem berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß gab das Erstgericht im zweiten Rechtsgang dem Hauptbegehren im Sinne des § 49 EheG statt und sprach die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Beklagten aus.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Aus den dabei übernommenen erstrichterlichen Feststellungen ist

hervorzuheben:

Die Beklagte widmete sich dem Wunsch des Klägers gemäß nach der Geburt des Sohnes der Kindererziehung. Sie war bis zum 18. Lebensjahr des Sohnes nicht berufstätig. Der Kläger hatte Verständnis für die häusliche Tätigkeit der Beklagten, isolierte sie weder gesellschaftlich noch geistig, er schlug sie nie und brüllte sie auch nie grundlos an, nur wenn er wegen des Verhaltens der Beklagten die Geduld verlor, brüllte er sie manchmal an. Die Beklagte begann etwa im Jahre 1971, ohne durch Krankheit und Schmerzen oder ein Verhalten des Klägers dazu veranlaßt worden zu sein, Bier, Wermut und gelegentlich auch Wein in einem Maß zu trinken, das der Kläger als übermäßig erachtete. Die Beklagte steigerte allmählich ihren Alkoholkonsum, dabei versuchte sie dies vor dem Kläger zu verheimlichen. Dieser entdeckte jedoch Bier-, Wein- und Wermutflaschen nicht nur in einem Küchenkästchen, sondern auch in einem Kasten und in einem Wäschekasten. Er hielt der Beklagten die gesundheitliche Abträglichkeit ihres Alkoholkonsums und dessen Untragbarkeit für die Familie vor. Die Beklagte hielt etwa seit 1972 die Ehewohnung nicht mehr in Ordnung. Sie hat nicht nur die Raumpflege vernachlässigt, sondern manchmal auch tagelang nicht gekocht. Auf Ermahnungen des Klägers hin enthielt sich die Beklagte zunächst auch monatelang des Alkoholgenusses. Anfangs Dezember 1972 stand die Beklagte wegen psychogener Mechanismen und neurotischer Depression neun Tage in stationärer Behandlung eines psychiatrischen Krankenhauses. Ab 1973 unterließ die Beklagte oft tagelang das Geschirrspülen.

Ab 1976 erhöhte die Beklagte ihren Alkoholkonsum derart, daß sie öfters angetrunken, manchmal sogar volltrunken war. In solchen Zuständen kam sie mehrmals in der Wohnung zu Sturz. Sie stand zeitweilig wegen Alkoholmißbrauches in ärztlicher Behandlung. Im Frühjahr 1976 befand sich die Beklagte wegen Alkohol- und Medikamentenmißbrauches vier Wochen in stationärer Behandlung eines psychiatrischen Krankenhauses.

1978 arbeitete die Beklagte als Stationshelferin in einem Altersheim.

In den Jahren 1978 bis 1980 ließ die Beklagte öfters das auf dem Herd zugesetzte Essen anbrennen. Sie pflegte die Naßräume nicht und machte die Betten nicht. Ab 1979 ließ sie Schmutzwäsche im Vorraum der Wohnung herumliegen. Sie wechselte oft wochenlang das Bettzeug nicht. Ab 1979 lärmte die Beklagte in Zeiten der Trunkenheit und warf Sessel und einmal auch den Küchentisch um. Sie lag nun öfters betrunken im Bett. Auch eine Behandlung im Genesungsheim Kalksburg bewirkte bei der Beklagten keine längere Enthaltung vom Alkoholkonsum. Zwei Wochen vor der Klagserhebung wurde die Beklagte wegen chronischen Alkoholismus in stationäre Behandlung eines psychiatrischen Krankenhauses aufgenommen, in der sie bis 21. Januar 1981 blieb.

Sie war dann kurzfristig als Verkäuferin tätig, geht aber seit Februar 1981 keiner Erwerbstätigkeit mehr nach.

Auch während des Scheidungsverfahrens war die Beklagte häufig betrunken. Sie erklärte dem Kläger wiederholt, sie würde Alkohol trinken, wenn er sein Scheidungsbegehren aufrecht erhielte. Die Klägerin war und ist nicht geisteskrank. Infolge ihres Alkoholkonsums bestehen bei ihr psychopathologische Phänomene, die als mittelgradiges organisches Psychosyndrom anzusprechen sind. Der Kläger hat das Gesamtverhalten der Beklagten als Eheverfehlung empfunden, deretwegen er die Lebensgemeinschaft mit der Beklagten nicht fortsetzen zu können erachtet.

In rechtlicher Würdigung des festgestellten Sachverhaltes gelangte das Berufungsgericht ebenso wie das Erstgericht zur Beurteilung, daß die Ehe infolge der durch den jahrelangen Alkoholmißbrauch bei der Beklagten aufgetretenen psychopathologischen Veränderungen unheilbar zerrüttet, der Alkoholismus der Beklagten weder durch ein rechtswidriges Verhalten des Klägers, noch durch eine von der Beklagten nicht beherrschbare Belastung ausgelöst oder befördert worden sei, und daß das allmähliche Abgleiten in die Alkoholabhängigkeit als Ursache für schwerwiegende Vernachlässigungen der häuslichen Obliegenheiten und des angemessenen persönlichen Verhaltens innerhalb der Familie der Beklagten als schwere Eheverfehlung angelastet werden müsse. Die Beklagte ficht das bestätigende Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit einem auf Abweisung des Scheidungsbegehrens zielenden Abänderungsantrag an. Der Kläger strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Beklagte hat sich trotz mahnender Hinweise und ursprünglich vorhandener Einsichtsfähigkeit infolge mangelnder Beherrschung ihres Verlangens nach der Wirkung des Alkohols in eine Alkoholabhängigkeit gleiten lassen, die sie zu einer für ihren Ehepartner auf Dauer unzumutbaren Lebensführung bestimmte. Die festgestellten Vernachlässigungen in der Haushaltsführung und Entgleisungen in der täglichen Begegnung mit dem Ehepartner sind vor allem Symptome für den durch eigenes Verhalten hervorgerufenen Verlust der Fähigkeit, den einem Ehepartner dem anderen gegenüber obliegenden Mindesterfordernissen an der Mitwirkung zu einer gemeinschaftlich gestalteten Lebensführung zu genügen. Nach dem festgestellten Sachverhalt haben die Vorinstanzen entgegen den Revisionsausführungen die Alkoholabhängigkeit, die dadurch ausgelösten krankhaften psychischen Veränderungen und die dadurch bedingten Verhaltensweisen als schwere Eheverfehlung der Beklagten gewertet, die letztlich eine unheilbare Ehezerrüttung bewirkte. Der Tatbestand nach § 49 EheG ist erfüllt. Die Rechtsmittelausführungen zu den §§ 50 und 54 EheG gehen daher ins Lehre.

Der Revision war ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E10382

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0060OB00530.87.0226.000

Dokumentnummer

JJT_19870226_OGH0002_0060OB00530_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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