Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Kropfitsch und Dr.Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Hans R***, Pensionist, 2.) Johanna Mathilde R***, Hausfrau, beide 5212 Schneegattern, Höcken 9, beide vertreten durch Dr. Hans Estermann und Dr. Rudolf Dallinger, Rechtsanwälte in Mattighofen, wider die beklagten Parteien
1.) Ing. Reinhard R***, Bauingenieur, 2.) Helga R***, Hausfrau, beide 5020 Salzburg, Leopoldskronstraße 53, beide vertreten durch Dr. Franz Kreibich, Dr. Alois Bixner und Dr. Walter Brand, Rechtsanwälte in Salzburg, sowie 3.) Ing. Hermann K***, Bauingenieur, 4.) Uta K***, Hausfrau, beide 6020 Innsbruck, Tempelstraße 5 b, vertreten durch DDr. Hubert Fuchshuber, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert 500.000 S), infolge Revisionsrekurses der erst- und zweitbeklagten Partei sowie Rekurses sämtlicher beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes und Berufungsgerichtes vom 18. Juli 1986, GZ 6 R 127, 146/86-23, womit der Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 11. April 1986, GZ 5 Cg 312/85-15, abgeändert und das Urteil desselben Gerichtes von gleichem Datum und der gleichen Geschäftszahl aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
1.) Dem Revisionsrekurs des Erstbeklagten und der Zweitbeklagten wird nicht Folge gegeben.
Die Rechtsmittelwerber haben die Kosten ihres erfolglosen Revisionsrekurses selbst zu tragen.
2.) Dem Rekurs des Erstbeklagten, der Zweitbeklagten, des Drittbeklagten und der Viertbeklagten wird ebenfalls nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Beklagten haben Geschäftsanteile an der Firma R*** Fels- und Grundbau GesmbH übernommen und sich nach der darüber errichteten Vertragsurkunde verpflichtet, binnen fünf Jahren jeweils zum 30. Juni (1983 bis 1988) die Kläger hinsichtlich ihrer persönlichen Kreditverbindlichkeiten gegenüber der R*** F*** zu entlasten. Das Begehren der Kläger war auf Feststellung dieser Pflicht zur Haftungsübernahme der Beklagten, nunmehr zumindest für den Zeitraum 30. Juni 1986, soweit also Fälligkeit der Haftungsübernahme noch nicht eingetreten sei, gerichtet. Die Kläger haben in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 11. März 1986 nach einer Beweisaufnahme, die sich auf die Verlesung von Urkunden beschränkte und entsprechenden Hinweisen des Gerichtes ein zusätzliches Leistungsbegehren auf eine Haftungsübernahme zum Termin 30. Juni 1985 gestellt.
Die Beklagten sprachen sich gegen die Klagsausdehnung (Klagsänderung) aus und wandten im übrigen ein, daß nach dem Sinn der getroffenen Absprachen die Entlastung der Kläger hinsichtlich ihrer persönlichen Verpflichtungen aus den Kreditverträgen erst durch Beschluß im Rahmen der Gesellschaft hätte erfolgen sollen. Im übrigen hätten sie die Kläger über den Vermögensstatus der Gesellschaft in Irrtum geführt. Sie wären nur in Unkenntnis der Finanzlage der Gesellschaft bereit gewesen, die Haftung für die offenen Kreditverbindlichkeiten zu übernehmen.
Das Erstgericht ließ die von den Klägern angestrebte Klagsausdehnung mit Beschluß nicht zu und wies das Feststellungsbegehren mit Urteil ab. Es vertrat die Auffassung, daß das neu gestellte Leistungsbegehren eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung besorgen lasse; das Feststellungsbegehren sei nämlich bereits spruchreif im Sinne seiner Abweisung geworden, weil ein solches Begehren unzulässig sei, wenn bereits eine Leistungsklage hätte erhoben werden können. Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der Kläger gegen den Beschluß des Erstgerichtes, mit welchem die Klagsänderung nicht zugelassen wurde, Folge und änderte die erstgerichtliche Entscheidung dahin ab, daß es die Klagsänderung für zulässig erkannte. Ihrer Berufung gab es ebenfalls Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur Fortsetzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes sowohl im Falle der Entscheidung über die Klagsänderung als auch über das Feststellungsbegehren den Betrag von 300.000 S übersteigt und fügte seiner Entscheidung über das Feststellungsbegehren einen Rechtskraftvorbehalt an.
Das Gericht zweiter Instanz vertrat zur angestrebten Klagsänderung die Auffassung, daß eine solche grundsätzlich zuzulassen sei, wenn dadurch ein weiterer Prozeß vermieden werden kann. Dies gelte umsomehr im vorliegenden Fall, weil außer der Erörterung des Prozeßstoffes und der Einsichtnahme in Urkunden noch keine Beweisaufnahme erfolgte. Auch sollten, wie § 31 a Abs 2 JN zeige, zweigleisige Verfahren mit der Gefahr widersprechender Entscheidungen vermieden werden. Zum Feststellungsbegehren war das Berufungsgericht der Ansicht, daß von einer Deckungsgleichheit des Feststellungs- und Leistungsbegehrens nicht gesprochen werden könne:
Es wäre durchaus möglich, daß im Leistungsbereich die Übernahme der Haftung zu abgelaufenen Fälligkeitsterminen gerechtfertigt, während eine solche zu den vom Feststellungsbegehren betroffenen zukünftigen Terminen nicht berechtigt wäre. Schon daraus zeige sich, daß das Erstgericht zu Unrecht von vorneherein das Feststellungsinteresse verneint und allein aufgrund der Behauptungen der Kläger deren Feststellungsbegehren abgewiesen hat.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes, mit welchem es in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses die von den Klägern angestrebte Klagsänderung zugelassen hatte, richtet sich der Rekurs der Erst- und Zweitbeklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes, welches die Klagsänderung nicht zuließ, wiederhergestellt werde. Gegen den Beschluß, mit welchem das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil aufhob, erheben sämtliche vier Beklagte Rekurs und beantragen seine Abänderung dahin, daß das Urteil des Erstgerichtes, mit welchem das Klagebegehren abgewiesen wurde, wiederhergestellt werde.
Die Kläger beantragen in der Rekursbeantwortung, dem Rekurs aller vier Beklagten nicht Folge zu geben.
1.) Zum Revisionsrekurs der Erst- und Zweitbeklagten gegen die bewilligte Klagsänderung:
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Die Rechtsmittelwerber stehen auf dem Standpunkt, daß das Erstgericht - da es die Sache mit Recht für spruchreif hielt - zutreffend die angestrebte Klagsänderung nicht zugelassen habe. Dem ist jedoch zu erwidern:
Es ist zwar richtig, daß es sich bei der Umstellung des Klagebegehrens durch die Kläger insoweit um eine Klagsänderung handelte, als das Feststellungsbegehren zwar nur mehr für die Zeit ab 30. Juni 1986 aufrecht erhalten, dafür aber für die (fälligen) Haftungsübernahmen vor diesem Zeitpunkt nunmehr ein Leistungsbegehren auf "Bewirkung von Handlungen" gestellt wurde. Wie das Rekursgericht jedoch zutreffend ausgeführt hat, kann das Gericht gemäß § 235 Abs 3 ZPO eine Klagsänderung auch nach Eintritt der Streitanhängigkeit und ohne Einwilligung des Gegners zulassen, wenn aus der Änderung .... eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung nicht zu besorgen ist. Lehre und Rechtsprechung legen diese Bestimmung dahin aus, daß es im Sinne der Zivilprozeßordnung liege, eine Klagsänderung, soweit tunlich, zuzulassen, wenn sie den Parteien und den Gerichten einen zweiten Prozeß erspart (MietSlg 17.774; MietSlg 30.729; JBl 1973, 43; SZ 27/167; SZ 43/35; 3 Ob 597/79 ua). Die Aussichtslosigkeit des ersten Begehrens, und selbst die Notwendigkeit einer Erstreckung der Tagsatzung sind keineswegs schon ausreichende Gründe, die Klagsänderung nicht zuzulassen, wenn diese, wie im vorliegenden Fall, am Beginn des Verfahrens noch vor Fassung eines Beweisbeschlusses vorgenommen wurde (SZ 43/35; JBl 1973, 43; 3 Ob 597/79; 3 Ob 506/86 ua; Fasching III, 122, Anm. 10). In derartigen Fällen besteht kein Anlaß, die Klagsänderung nicht zuzulassen, die überflüssige Entscheidung über das erste Klagebegehren zu fällen und die Kläger zu zwingen, einen neuen Prozeß zu beginnen (SZ 43/35; JBl 1973, 43; Arb. 10.192 ua). Mit Recht hat daher das Rekursgericht die Klagsänderung zugelassen.
Dem Revisionsrekurs der Erst- und Zweitbeklagten ist somit ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung hiezu gründet sich auf die §§ 40 und 50
ZPO.
Eine Zustellung des Rekurses an die Gegenseite unterblieb, weil das Verfahren zur Entscheidung über die Zulassung einer Änderung der Klage nicht zu den im § 521 a ZPO erschöpfend aufgezählten Fällen gehört, in denen das Gesetz eine Rekursbeantwortung zuläßt (4 Ob 1510/84; 4 Ob 103/85; 5 Ob 1510/86; 5 Ob 538/86 ua), und eine Ausdehnung dieser Ausnahmeregelung auf weitere Fälle nicht stattfindet.
2.) Zum Rekurs aller vier Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes:
Zunächst ist festzuhalten, daß der Rekurs der vier Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes entgegen der Ansicht der Kläger in der Rekursbeantwortung rechtzeitig erhoben wurde: Die Kläger übersehen nämlich in ihrer Argumentation, daß das Berufungsgericht seinen Beschluß vom 18.Juli 1986, ON 23, mit dem Beschluß vom 27. August 1986, ON 28 (das Original liegt in 6 R 127, 146/86 ein), dahin berichtigte, daß es sinnstörende Wörter beseitigte. Vorher hatte es, ohne dies näher zu begründen, den Vertreter der Erst- und Zweitbeklagten um die Übersendung der Entscheidung vom 18.Juli 1986 zur Berichtigung ersucht (Ersuchsschreiben in 6 R 127, 146/86). Die berichtigte Entscheidung wurde dem Vertreter der Erst- und Zweitbeklagten erst am 4.September 1986 zugestellt (RS in 6 R 127, 146/86). Dem Vertreter der Dritt- und Viertbeklagten wurde der Beschluß vom 18.Juli 1986 samt seiner Berichtigung sogar erst am 12.September 1986 zugestellt (ON 29 verso). Der von den vier Beklagten am 25.September 1986 zur Post gegebene gemeinsame Rekurs, für den die Frist des § 521 ZPO gilt, ist rechtzeitig, weil durch die Zustellung der berichtigten Entscheidung der Fristenlauf neu begann. Fordert nämlich das Gericht die Entscheidungsausfertigung zum Zweck der Berichtigung ab, ist es aber dabei für die Parteien ungewiß, in welcher Richtung diese Berichtigung erfolgen wird, so beginnt die Rechtsmittelfrist gegen die Entscheidung auch dann erst mit der Zustellung der berichtigten Ausfertigung, wenn die Berichtigung schließlich einen für die Ausführung des Rechtsmittels unerheblichen Teil der Entscheidung betrifft (JBl 1978, 100; Arb. 9957 uza).
Die vier Rekurswerber stellen sich in ihrem Rechtsmittel auf den Standpunkt, daß nicht einzusehen sei, wieso das auf Feststellung zukünftiger Leistungsverpflichtung gerichtete Begehren neben dem Begehren auf Bewirkung bereits fälliger Leistungen zulässig sein sollte; vornehmlich die Irrtumseinwendungen könnten sich denkmöglich nur auf alle Leistungsansprüche in ihrer Gesamtheit beziehen, sodaß eine diesbezügliche Entscheidung des Gerichtes auch Bindungswirkung für weitere, noch nicht eingeklagte Ansprüche der Kläger haben müßte. Das Leistungsbegehren - über welches nunmehr zu verhandeln und abzusprechen sei - biete den Klägern all das, was sie mit dem Feststellungsbegehren anstrebten. Dazu war zu erwägen:
Es ist zwar richtig, daß das für eine erfolgreiche Feststellungsklage notwendige rechtliche Interesse insbesondere dann nicht gegeben ist, wenn der Feststellungsanspruch durch den möglichen Leistungsanspruch voll ausgeschöpft wird, das Rechtsschutzziel also ökonomischer durch die Leistungsklage erreicht werden kann. Gerade die (auch) bei der Beurteilung des Verhältnisses zwischen Feststellungs- und möglicher Leistungsklage anzustellenden prozeßökonomischen Überlegungen (6 Ob 661/81) führen aber dazu, das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung schon dort zu bejahen, wo durch die Feststellungsklage eine Häufung von Rechtsstreitigkeiten vermieden werden kann (SZ 55/139; EvBl 1959/7 uza). Die Feststellungsklage soll zumeist vorbeugenden Rechtsschutz gewähren und ist daher nur zulässig, wenn ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Aus dem Erfordernis des rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung ergibt sich, daß eine tatsächliche Gefährdung der Rechtssphäre des Klägers vorausgesetzt wird (Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 1072), die schon darin gelegen sein kann, daß der Beklagte den klägerischen Anspruch verneint (Fasching aaO Rz 1098; 1 Ob 683/85 ua). Die Möglichkeit der Leistungsklage schließt demnach die Feststellungsklage aus, dies jedoch nur dann, wenn durch den Leistungsanspruch auch der Feststellungsanspruch ausgeschöpft wird (Fasching aaO Rz 1101; SZ 55/139; SZ 48/86; JBl 1966, 618; JBl 1959, 184; 1 Ob 683/85 ua). Ist der gesamte Leistungsanspruch aus einem streitigen Rechtsverhältnis fällig, ist die Feststellungsklage unzulässig, weil mit der Leistungsklage das strittige Rechtsverhältnis endgültig bereinigt wird (JBl 1966, 618; Fasching aaO Rz 1101); sind andererseits - wie von den Beklagten im vorliegenden Fall nicht in Frage gestellt wird - noch nicht alle Ansprüche fällig, ist die Feststellung des gesamten zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses als zulässig zu erachten (SZ 18/161) und muß zumindest die Feststellung künftiger Leistungsverpflichtung neben der Klage auf Erbringung fälliger Leistungen möglich sein. Der Oberste Gerichtshof hat auch ausgesprochen, daß die Möglichkeit, zu einem in Zukunft liegenden Zeitpunkt eine Leistungsklage zu erheben, die Einbringung einer Feststellungsklage nicht hindert, wenn nur ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Rechtes besteht (MietSlg 34.728; 1 Ob 683/85 ua). Dieses Interesse kann den Klägern aber nicht mit dem Hinweis darauf abgesprochen werden, daß in dem über das Leistungsbegehren abzuführenden Verfahren auch alle für das Feststellungsbegehren relevanten Fragen mitverhandelt würden. Eine solche Annahme ist rein hypothetischer Natur und gestattet daher keinen Vorgriff auf die Ergebnisse der beiden verschiedenen Klagebegehren. Zutreffend verwies das Berufungsgericht darauf, daß es durchaus denkmöglich wäre, rückblickend den gesamten Leistungsanspruch dergestalt zu erledigen, daß die Haftungsübernahme aufgrund der Fälligkeitstermine 30.Juni 1984 und 30.Juni 1985 gerechtfertigt wäre, eine weitere Haftungsübernahme zu den Fälligkeitsterminen 30.Juni 1986, 30.Juni 1987 und 30.Juni 1988 hingegen die Geschäftsgrundlage überschritte.
Demnach erweist sich auch der Rekurs der vier Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes als nicht berechtigt, weshalb ihm der Erfolg zu versagen war.
Der Kostenausspruch beruht diesbezüglich auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E10599European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00659.86.0226.000Dokumentnummer
JJT_19870226_OGH0002_0080OB00659_8600000_000