Index
E000 EU- Recht allgemein;Norm
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich AnhF;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer sowie die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des HL in S, Deutschland, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwälte in 7100 Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 72, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 27. März 2001, Zl. uvs-2000/8/038-5, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen, also hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die diesbezüglichen Kosten des Berufungsverfahrens, wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen L 97 und W 819 (beide D) am 4. Jänner 2000 von Deutschland kommend eine ökopunktepflichtige Transitfahrt durch das Gebiet der Republik Österreich nach Italien durchgeführt und dabei weder ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular noch eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt mitgeführt, wie anlässlich einer Kontrolle durch Bedienstete der Zollwachabteilung Brenner/MÜG am 4. Jänner 2000 um 22.30 Uhr auf der A 13, Hauptmautstelle Schönberg festgestellt worden sei; der Ecotag sei auf ein anderes Fahrzeug (L 117) zugelassen gewesen.
Dadurch habe der Beschwerdeführer § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz, BGBl. Nr. 593/1995 idF der Novelle BGBl. I Nr. 17/1998, iVm Art. 1 Abs. 1 lit. a und Art. 2 Abs. 1 EG (VO) Nr. 3298/94 idF EG (VO) Nr. 1524/96 verletzt; über ihn wurde gemäß § 23 Abs. 1 iVm § 23 Abs. 2 zweiter Satz Güterbeförderungsgesetz idF BGBl. I Nr. 17/1998 eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,--, Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage, verhängt.
Begründend wurde im Wesentlichen angeführt, dass über Anfrage an das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie mitgeteilt worden sei, dass dem vom Beschwerdeführer verwendeten Fahrzeug mit dem Kennzeichen L 97 der Ecotag mit der Nummer 1234140702 zugeordnet sei. Das am Kontrollzertifikat angegebene Ecotag Nr. 1234092239 sei hingegen dem Fahrzeug mit dem Kennzeichen L 117 zugeordnet. Der Frächter (Fahrzeug L 97) sei vom 3. Jänner 2000, 13.13 Uhr, bis 18. Jänner 2000, 8.45 Uhr, wegen überzogenem Konto gesperrt gewesen. Nach Ansicht der belangten Behörde sei daher ein Ecotag zum Einsatz gekommen, das für das Fahrzeug des Beschwerdeführers nicht initialisiert gewesen sei, und der Beschwerdeführer habe anlässlich der Kontrolle auch kein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine ordnungsgemäß ausgefüllte österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt zur Prüfung vorlegen können.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens erwogen:
Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 593 in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1998, begeht eine Verwaltungsübertretung, wer unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist.
Die auf den Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission lauten (auszugsweise):
"Artikel 1
(1) Der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs hat die nachstehend aufgeführten Unterlagen mitzuführen und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen, entweder:
a) ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt; ein Muster dieser als 'Ökokarte' bezeichneten Bestätigung ist in Anhang A enthalten; oder
b) ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht und als 'Umweltdatenträger' ('ecotag') bezeichnet wird; oder
c) die in Artikel 13 aufgeführten geeigneten Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine Fahrt gemäß Anhang C handelt, für die keine Ökopunkte benötigt werden; oder
d) geeignete Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelt und, wenn das Fahrzeug mit einem Umweltdatenträger ausgestattet ist, dass dieser für diesen Zweck eingestellt ist ...
(2) Die Umweltdatenträger werden gemäß den in Anhang F aufgeführten technischen Spezifikationen hergestellt, programmiert und angebracht. Zulassung, Programmierung und Anbringung der Umweltdatenträger können durch die zuständigen Stellen eines jeden Mitgliedstaats erfolgen.
Der Umweltdatenträger wird so programmiert, dass er Informationen über das Land der Zulassung und den NOx-Wert des Lastkraftwagens gemäß den Angaben des in Absatz 4 beschriebenen Dokuments über die Übereinstimmung mit der Produktion (COP) enthält.
(3) Der Umweltdatenträger wird gemäß Anhang G an der Windschutzscheibe des Lastkraftwagens angebracht. Er ist nicht übertragbar.
(4) Der Fahrer eines am oder nach dem 1. Oktober 1990 zugelassenen Lastkraftwagens hat zum Nachweis der NOx-Emissionen des Fahrzeuges ein COP-Dokument gemäß Anhang B mitzuführen und auf Verlangen vorzuweisen ..."
"Artikel 2
...
(2) Ist das Fahrzeug mit einem Umweltdatenträger versehen, wird nach Bestätigung einer anrechnungspflichtigen Transitfahrt von Ökopunkteguthaben des Mitgliedstaats, in dem das Fahrzeug zugelassen ist, die Anzahl von Ökopunkten abgezogen, die den auf dem Umweltdatenträger des Fahrzeugs gespeicherten Angaben über die NOx-Emissionen entspricht ..."
Gemäß Anhang F der genannten Verordnung muss jeder Fahrzeugdatenträger eine einzigartige Identifikationsnummer tragen. Jeder Fahrzeugdatenträger muss auch im Rahmen einer Sichtprüfung eindeutig identifiziert werden können. Dazu ist es erforderlich, dass die oben genannte einzigartige Identifikationsnummer auf der Oberfläche unverwischbar angebracht ist. ... Diese Spezialetiketten müssen eine hohe Fälschungssicherheit und ausreichende mechanische Festigkeit sowie Licht- und Temperaturbeständigkeit aufweisen. Sie müssen eine ausreichend hohe Klebekraft aufweisen und dürfen nur durch Zerstörung vom Fahrzeugdatenträger abgelöst werden können. Der Datenspeicher ist so zu dimensionieren, dass u.a. für folgende Daten ausreichend Platz zur Verfügung steht:
-
Identifikationsnummer
-
Fahrzeugdaten
-
Fahrzeugkennzeichen
-
COP-Wert ...
Gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. b der angeführten EG-Verordnungen muss im Kraftfahrzeug ein Ecotag-Gerät mitgeführt werden, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht. Aus Anhang F der angeführten EG-Verordnungen ergibt sich, dass ein Ecotag-Gerät mit Informationen über das Land der Zulassung und den NOx-Wert des Lastkraftwagens gemäß den Angaben des COP-Dokumentes ausgestattet sein muss. Jeder Fahrzeugdatenträger muss weiters eine einzigartige Identifikationsnummer tragen. Im Datenspeicher muss u. a. Platz für die Identifikationsnummer, die Fahrzeugdaten und das Kennzeichen des Fahrzeuges sein. Gemäß Art. 2 Abs. 2 der angeführten EG-Verordnungen ist eine anrechnungspflichtige Transitfahrt vom Ökopunkteguthaben des Mitgliedstaates abzuziehen, in dem das Fahrzeug zugelassen ist. Aus all diesen Bestimmungen ergibt sich, dass ein Ecotag-Gerät jeweils einem in einem bestimmten Mitgliedstaat zugelassenen Lastkraftwagen mit dem dazugehörigen entsprechenden Kennzeichen zuzuordnen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2003, Zl. 2001/03/0399).
Der Beschwerdeführer ist nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides, die insoweit in der Beschwerde auch nicht bestritten werden, mit dem verfahrensgegenständlichen Sattelkraftfahrzeug mit den im Spruch angeführten deutschen Kennzeichen in das Bundesgebiet eingefahren. Das verwendete Ecotag-Gerät war jedoch für ein anderes, auf ein näher angeführtes deutsches Kennzeichen zugelassenes Kraftfahrzeug bestimmt und nicht für das vom Beschwerdeführer gelenkte, mit den im Spruch genannten Kennzeichen versehene Kraftfahrzeug. Für das verfahrensgegenständliche Sattelkraftfahrzeug ist daher kein Ecotag-Gerät mitgeführt worden, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte im Sinne des Art. 1 Abs. 1 lit. b der angeführten EG-Verordnungen ermöglicht hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2000, Zl. 2000/03/0262, ausgesprochen, aus Art. 1 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission idF der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission ergebe sich, dass das Fahren eines Lastkraftwagens der darin statuierten Verpflichtung nur dann entspricht, wenn das mitgeführte Gerät "eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht". Weiters hat der Gerichtshof in diesem Erkenntnis die Auffassung vertreten, dass sich der Lenker eines Kraftfahrwagens bei einer Transitfahrt vor der Einreise in das Hoheitsgebiet Österreichs im Fall der Benutzung eines Umweltdatenträgers (auf geeignete Weise) davon zu überzeugen hat, dass mit diesem eine automatische Abbuchung von Ökopunkten auch möglich ist. Unterlässt er dies, fällt ihm eine als Verschulden zu qualifizierende Sorgfaltsverletzung zur Last, zumal er eine Transitfahrt, wenn sich ein Umweltdatenträger vor der Einreise nicht als funktionstüchtig erweist, nur bei Erfüllung der Verpflichtungen gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. a oder lit. c leg. cit. durchführen darf.
Es wäre daher Sache des Beschwerdeführers als Lenker des Fahrzeuges gewesen, sich vor Antritt der Transitfahrt zu vergewissern, ob sich im Fahrzeug das für dieses vorgesehene Ecotag-Gerät befindet. Im Hinblick darauf ist das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe sich vorher bei seinem Arbeitgeber erkundigt und von diesem die Information erhalten, dass genügend Ökopunkte vorhanden seien, nicht zielführend. Der Beschwerde ist damit kein taugliches Vorbringen im Sinn des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG zur Glaubhaftmachung, dass den Beschwerdeführer an der vorliegenden als Ungehorsamsdelikt zu qualifizierenden Verwaltungsübertretung kein Verschulden treffe, zu entnehmen, hat er doch nicht einmal ansatzweise dargelegt, dass er sich vor Antritt der Transitfahrt davon vergewissert habe, dass sich im Fahrzeug das für dieses vorgesehene Ecotag-Gerät befinde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2003, Zl. 2001/03/0124).
Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie zur Auffassung gelangte, dass der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfenen Übertretungen in objektiver und subjektiver Hinsicht zu verantworten habe. Somit ist auch die Verfahrensrüge, die belangte Behörde sei dem vom Beschwerdeführer gestellten Beweisantrag bezüglich seiner Erkundigungen bei seinem Arbeitgeber vor Fahrtantritt nicht nachgekommen und habe diesbezüglich keine Feststellungen getroffen, nicht zielführend.
Der Beschwerdeführer ist auch nicht im Recht, wenn er geltend macht, dass in seinem Fall die Voraussetzungen des § 20 VStG gegeben seien. Mit seinem Hinweis, er habe nicht blindlings, ohne sich davon zu überzeugen, dass die erforderliche Anzahl an Ökopunkten vorhanden sei, die gegenständliche Transitfahrt angetreten, sondern sich sehr wohl darum durch Rückfrage bei seinem Dienstgeber gekümmert, macht er angesichts seiner Verpflichtung, sich mit den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften vertraut zu machen, keinen Milderungsgrund geltend, der im vorliegenden Fall zum Tragen kommen kann. Der damit von der belangten Behörde einzige zu berücksichtigende Milderungsgrund der verwaltungsrechtlichen Unbescholtenheit kann aber auch bei Fehlen von Erschwerungsgründen noch kein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe im Sinn des § 20 VStG bedeuten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2000, Zl. 2000/03/0046).
Dennoch liegt eine - vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende - inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor. Mit Erkenntnis vom 14. Dezember 2001, G 181/01 u. a., kundgemacht am 8. Februar 2002 im BGBl. I Nr. 37, stellte der Verfassungsgerichtshof fest, dass die Wortfolge "und Z 7 bis 9" im zweiten Satz des § 23 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 593, in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1998, verfassungswidrig war. Der Verfassungsgerichtshof sprach mit diesem Erkenntnis gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG weiters aus, dass diese Bestimmung "insofern nicht mehr anzuwenden" ist, "als sie sich auf die Z 8 bezieht". Auch der Verwaltungsgerichtshof hat diese Bestimmung daher nicht mehr anzuwenden, sodass eine maßgebliche gesetzliche Grundlage für die Bestrafung des Beschwerdeführers im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren weggefallen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2002, Zl. 2001/03/0002, mwN).
Der angefochtene Bescheid war daher in dem Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 6. September 2005
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2001030159.X00Im RIS seit
04.10.2005