Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag.Maria Lucia L*** DE S***, Rio de Janeiro, Rua-Senador Vergueiro 215/101, Brasilien, und Salzburg, Kreuzbergpromenade 3, vertreten durch DDr.Manfred Walter, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1.,Singerstraße 17-19, wegen S 99.000,--s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 30.Oktober 1986, GZ. 3 R 229/86-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 8.April 1986, GZ. 8 Cg 138/85-13, bestätigt wurde,in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.858,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der aus Brasilien gebürtige Professor Geraldo Curcino de F***, ein Jesuit, war seit 1970 am Institut für Romanistik der Universität Salzburg als Lehrbeauftragter für portugiesische Sprache und Literatur sowie für die Landeskunde Brasiliens tätig. Er trug sich jedoch schon längere Zeit mit der Absicht, nach Mozambique zu gehen, um am Wiederaufbau dieses Landes mitzuwirken. Im Februar 1983 wurde er von seinem Orden verständigt, daß seinem Wunsch Rechnung getragen werde, sollte die Regierung von Mozambique dem zustimmen. Prof.Geraldo de F*** hielt trotz der warnenden Stimmen seiner Ordensoberen, er werde es in Mozambique möglicherweise nicht aushalten, an seinem Vorhaben fest, beantragte aber zu seiner persönlichen Absicherung vor seiner Abreise aus Salzburg am 19. Juli 1983 eine Dauerstelle an der Universität Salzburg und meldete sich auch nicht polizeilich ab.
Prof.Geraldo de F*** war schon längere Zeit mit der Klägerin, einer gleichfalls gebürtigen Brasilianerin, und deren Ehegatten Herbert Gustav L*** persönlich bekannt. Als er ihnen von seinem Vorhaben, nach Mozambique zu gehen, erzählte, bekundete Herbert Gustav L*** sein Interesse daran, daß die Klägerin Prof.Geraldo de F*** bei Abhaltung seiner Lehrveranstaltungen an der Universität Salzburg vertrete. Prof.Geraldo de F*** sah darin kein grundsätzliches Problem, weil die Klägerin nach seinen Informationen ein Universitätsstudium absolviert hatte.
Mitte Mai 1983 stand es für Prof.Geraldo de F*** fest, nach Mozambique zu gehen; das teilte er Herbert Gustav L*** mit. Wegen seiner Vertretung als Lehrbeauftragter informierte Prof.Geraldo de F*** seinen Institutsvorstand, Univ.Prof.Dr.Dieter M***, darüber, er habe eine Hörerin, die Klägerin, die seine Veranstaltungen übernehmen könne. Prof.Geraldo de F*** traf sich in der Folge, offenbar in der Annahme, es werde keine Probleme geben, am 21.Juli 1983 mit der Klägerin und deren Ehegatten im Institut für Romanistik der Universität Salzburg. Dabei zeigte er der Klägerin die Bibliothek des Institutes, sein Postfach, in das die für sie bestimmten Schriftstücke kommen würden, und seinen Schreibtisch, den sie verwenden könne. Er stellte die Klägerin auch zwei am Institut beschäftigten Personen vor. Dem Sinne nach erklärte er der Klägerin noch, daß er wegen ihrer Verwendung am Institut keine Probleme sehe. Sowohl die Klägerin als auch deren Ehegatte sicherten Prof.Geraldo de F*** bei diesem Treffen zu, daß ihm die Stelle jederzeit zur Verfügung stehen werde, sollte er nach Österreich zurückkehren.
Am 25.Juli 1983 reiste Professor Geraldo de F*** aus Salzburg ab. Vermutlich nach dessen Abreise rief Herbert Gustav L*** den Institutsvorstand Univ.Prof.Dr.Dieter M*** an und bat ihn um ein Zusammentreffen, um den Lehrauftrag der Klägerin, die in einigen Tagen nach Brasilien fliegen werde, näher zu besprechen. Univ.Prof.Dr.Dieter M*** lehnte dies aber ab. Jedenfalls nach dem 21. Juli 1983 reiste die Klägerin nach Brasilien, um dort mit jenen Leuten zu reden, für die sie fallweise berufstätig war, und um Unterlagen für ihre ab 1.Oktober 1983 in Salzburg geplante Lehrtätigkeit zu sammeln. Am 21.Juli 1983 richtete die Klägerin noch ein in portugiesischer Sprache gehaltenes Schreiben an Univ.Prof.Dr.Dieter M***, in dem sie ihn darüber informierte, daß sie von Prof.Geraldo de F*** am selben Tag im Institut für Romanistik und in der Bibliothek vorgestellt und ihr empfohlen worden sei, ihm, Univ.Prof.Dr.Dieter M***, mitzuteilen, sie werde ab 1.Oktober 1983 zur Verfügung stehen, "um die drei begonnenen Materien zu beenden, natürlich entsprechend" seiner "Erläuterung, abhängig der Genehmigung des Ministeriums, der vorgeschlagenen Vorlesungen durch Prof.F*** und" ihrer "Ernennung als nachfolgender Lektor". Sie sprach in diesem Brief weiters ihre Hoffnung aus, daß vom Ministerium die Genehmigung der geplanten Materien in der zweiten Septemberwoche bereits eingetroffen sein werde; dann werde sich die Klägerin sofort nach Salzburg begeben. Um eine Vergütung des Flugpreises nach Brasilien oder von Brasilien zu erwirken, bat Herbert Gustav L*** für die Klägerin um eine Bestätigung der Universität Salzburg über die Art und den Beginn ihrer Vorlesungen. Hiezu übermittelte er einen mit 10. August 1983 datierten Entwurf, der jedoch nicht unterfertigt wurde. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Univ.Prof.Dr.Dieter M*** auf Urlaub. Als dieser Mitte August 1983 zurückkehrte, fand er die vorbereitete Bestätigung Herbert Gustav L***s und eine Nachricht seiner Institutssekretärin vor, daß die Klägerin eine Bestätigung über den Lehrauftrag für einen Reisekostenbeitrag benötige. Am 11. August 1983 übermittelte Univ.Prof.Dr.Dieter M*** Herbert Gustav L*** nachstehenden Brief:
"Beiliegend finden Sie eine Bestätigung, daß Ihre Frau ab 1. Oktober an unserem Institut als Lehrbeauftragte tätig sein wird, vorbehaltlich der Genehmigung der gestellten Anträge durch das Ministerium. Die Lehrveranstaltungen werden nicht vor dem 10.Oktober beginnen. Mir liegt außerdem noch ein Schreiben Ihrer Frau vor vom 21. Juni 1983, auf das ich kurz eingehen möchte. Zur Vermeidung von Mißverständnissen möchte ich feststellen, daß die Vergabe von Lehraufträgen ausschließlich durch den jeweiligen Institutsvorstand erfolgt, eine Weitergabe durch Padre de F*** daher nicht üblich ist. Das hat andererseits den Vorteil, daß Ihre Frau durchaus noch bei den beiden Lehrveranstaltungen über Literatur und Landeskunde das Thema und den Titel ändern könnte, so ihr andere Themen eher liegen. Falls das der Fall ist, bitte ich um eine kurze Mitteilung. Ich möchte auch noch darauf aufmerksam machen, daß im kommenden Sommersemester, also von März bis Juli 1984, nur mehr die brasilianischen Sprachkurse zur Vergabe kommen werden, also keine Fortsetzung des literarischen Proseminars und der Landeskunde möglich sein wird. Ich nehme an, daß Padre de F*** Ihnen selbst auch gesagt hat, daß er möglicherweise nicht dauernd in Mozambique bleiben wird. Sie werden sicher verstehen, daß ich ihn, sollte er zurückkommen, wieder mit der Betrauung von Lehrveranstaltungen versehen möchte."
Diesem Brief war eine mit 11.August 1983 datierte sowie mit der Unterschrift von Univ.Prof.Dr.Dieter M*** und der Stampiglie des Instituts versehene Bestätigung des Wortlauts beigeschlossen:
"Hiemit wird bestätigt, daß Frau Mag.Maria Lucia C. de S***-L*** ab Oktober 1983 als Lehrbeauftragte am Institut für Romanistik tätig sein wird, vorbehaltlich der Genehmigung durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung."
Der Lehrauftrag an Prof.Geraldo de F*** war im Jänner 1983 an das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung zur Genehmigung vorgelegt worden; mit dieser Genehmigung war im September 1983 zu rechnen. Erst danach wäre eine Änderung des Lehrauftrags auf die Klägerin möglich gewesen.
Wegen Schwierigkeiten in Mozambique kehrte Prof.Geraldo de F*** am 29.August 1983 wieder nach Salzburg zurück. Am 9. oder 10. August 1983 hatte er über die einzige verläßliche Verbindung, das erzbischöfliche Ordinariat Salzburg, mitgeteilt, daß er zurückkommen werde, und ersucht, sowohl die Universität Salzburg wie auch das Unfallkrankenhaus Salzburg, an dem er als Seelsorger tätig war, hievon zu verständigen. Dies geschah auch; darauf teilte Univ.Prof.Dr.Dieter M*** Herbert Gustav L*** am 30.August 1983 mit:
"Sehr geehrter Herr von L***, soeben erhalte ich vom erzbischöflichen Ordinariat die Nachricht, daß Padre de F*** noch für ein weiteres Studienjahr in Salzburg sein wird. Diese Meldung bringt mich in eine sehr unangenehme Lage, da einerseits Padre de F*** ohne die Lehraufträge an unserem Institut völlig mittellos ist, ich aber andererseits sehr froh war, daß Ihre Frau so kurzfristig seine Aufgaben hätte übernehmen können. Ich teile Ihnen dies in aller Eile mit; ein genaues Rückkehrdatum von Padre de F*** ist mir noch nicht bekannt."
Herbert Gustav L*** antwortete am 7.September 1983, die vom erzbischöflichen Ordinariat übermittelte Information stehe mit den ihm bekannten Absichten von Padre de F*** nicht in Einklang, sodaß er annehme, daß sich dessen Kommen, wenn er hiezu vom Jesuitenorden befohlen sei, sicher weit über das nächste Semester hinaus verzögern werde. Prof. Geraldo de F*** habe der Klägerin ausdrücklich erklärt, sein Abschied von Salzburg sei unverrückbar. Er beabsichtige nicht zurückzukommen und, da er nicht in seine Heimat zurückkehren wolle und könne, bleibe er in Afrika. Am 8. September 1983 richtete die Klägerin selbst an Univ.Prof.Dr.Dieter M*** ein Schreiben, in dem sie sich für die Bestätigung des Lehrauftrages bedankte und ihre Hoffnung ausdrückte, daß das Ministerium den Antrag bereits günstig erledigt habe. Unter Bezugnahme auf das Schreiben des Institutsvorstandes an ihren Ehegatten betonte die Klägerin, sie habe Prof.Geraldo de F*** schon vor seiner Abreise persönlich versichert, daß ihm die ihr übergebenen Lehrveranstaltungen jederzeit zur Verfügung stünden. Mit Schreiben vom 12.September 1983 wandte sich Univ.Prof.Dr.Dieter M*** erneut an Herbert Gustav L***:
"Ich danke Ihnen für Ihr Schreiben vom 7. d.M. betreffs der Person von Padre de F***. Wie ich Ihnen schon in meinem letzten Schreiben mitgeteilt habe, ist es mir äußerst unangenehm, auf das überaus liebenswerte Angebot Ihrer Frau, unserem Institut durch die Abhaltung von brasilianistischen Lehrveranstaltungen zur Hilfe zu kommen, nich mehr näher eingehen zu können. Es ist mittlerweile gelungen, von Padre de F*** telefonisch die Bestätigung zu erhalten, daß er mit 1.Oktober 1983 wieder an unserem Institut tätig sein wird. Ich bitte Sie daher sehr herzlich, diesen neuen Sachverhalt auch Ihrer Frau mitteilen zu wollen."
Zu diesem Zeitpunkt wäre es Herbert Gustav L*** noch möglich gewesen, die Klägerin hievon telefonisch zu verständigen. Er hat dies aber absichtlich unterlassen, weil es nicht in seinem Interesse lag, ihr mitzuteilen, daß ihr die Stelle nicht zur Verfügung stehe. Er kündigte vielmehr Univ.Prof.Dr.Dieter M*** an, die Klägerin werde da sein und dann zu Gericht gehen. Am 26.September 1983 traf die Klägerin wieder in Salzburg ein.
Im Wintersemester 1983/84 wurden die Lehrveranstaltungen von Prof.Geraldo de F*** abgehalten. Sein Ansuchen auf Zuerkennung einer Dauerstellung an der Universität Salzburg wurde rückwirkend mit 1.Oktober 1983 bewilligt.
Die Klägerin begehrt mit Amtshaftungsklage die Verurteilung der beklagten R*** Ö*** zum Ersatz ihres insgesamt mit
S 99.000,-- bezifferten Schadens. Ihr sei von der Universität Salzburg die Abhaltung von Lehrveranstaltungen im Studienjahr 1983/84 anstelle des verhinderten Universitätslektors Prof.Geraldo de F*** gegen eine monatliche Vergütung von S 10.000,-- zugesichert worden. Im Vertrauen auf diese Zusage habe sie ihre Anstellung in Brasilien aufgegeben bzw. ein Angebot auf weitere Beschäftigung ausgeschlagen und die Flugreise nach Österreich angetreten. Mit Schreiben vom 30.August und 12.September 1983 sei ihr überraschend mitgeteilt worden, daß an ihrer Lehrtätigkeit kein Interesse mehr bestehe, weil Prof.Geraldo de F*** wieder ab 1. Oktober 1983 am Institut tätig sein werde. Hiedurch seien ihr vergebliche Flugkosten von S 44.821,-- und ein Verdienstentgang für zumindest sieben Monate a S 10.000,--, sohin insgesamt S 70.000,--, erwachsen; hievon mache sie nur einen Teilbetrag von S 99.000,-- geltend.
Die beklagte Partei bestritt die behauptete Zusage und wendete ein, eine solche Lehrtätigkeit sei von der - nicht
erteilten - Zustimmung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung abhängig gemacht und außerdem nur für den Fall und die Dauer der tatsächlichen Abwesenheit von Prof.Geraldo de F*** zugesagt worden; diese Bedingungen seien nicht eingetreten. Der Ersatz des sonst erzielbar gewesenen Einkommens stehe der Klägerin im übrigen nicht zu, weil es ihr freigestanden wäre, ein solches zu erzielen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Erteilung von Lehraufträgen sei in Gesetz und Vollziehung Bundessache, sodaß die beklagte Partei passiv legitimiert sei. Das Verhalten des Institutsvorstands Univ.Prof.Dr.Dieter M*** sei aber nicht rechtswidrig gewesen. Es wäre sinnlos gewesen, die Erteilung des Lehrauftrages an die Klägerin unverzüglich beim Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung zu beantragen, weil nicht einmal der Lehrauftrag an Prof.Geraldo de F*** genehmigt gewesen sei. Mit dessen Erteilung sei erst im September 1983 zu rechnen gewesen. Erst dann hätte man die Änderung des Lehrauftrags auf die Klägerin erwirken können. Daß die Erteilung des Lehrauftrags durch das zuständige Ressort, auf die der Institutsvorstand stets hingewiesen habe, bloße Formsache gewesen sei, sei nicht erweislich; somit habe der Klägerin klar sein müssen, daß alles von der ministeriellen Genehmigung abhängen werde. Überdies sei der Lehrauftrag an die Klägerin auch noch durch die Rückkehr Prof.Geraldo de F*** auflösend bedingt gewesen, zumal die Klägerin selbst erklärt habe, für diesen Fall keinen Anspruch auf die Lehrtätigkeit zu erheben. Das Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Der Klägerin sei die Lehrtätigkeit an der Universität Salzburg, abgesehen von der Genehmigung durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, nur für den Fall zugesichert worden, daß Prof.Geraldo de F*** hiefür nicht zur Verfügung stehen würde. Da dieser jedoch noch vor Oktober 1983 nach Salzburg zurückgekehrt sei, sei diese Bedingung nicht eingetreten. Selbst wenn man annehme, daß die Klägerin und möglicherweise auch Univ.Prof.Dr.Dieter M*** davon ausgegangen wären, Prof.Geraldo de F*** werde zumindest im Wintersemester 1983/84 von Salzburg abwesend sein, würde es sich dabei lediglich um einen allenfalls gemeinsamen Irrtum über ein künftiges Ereignis, also um einen gemäß § 901 ABGB unerheblichen Motivirrtum handeln. Da die der Zusage in der Bestätigung bzw. dem Schreiben vom 11.August 1983 zugrundeliegende Bedingung der Abwesenheit des bisherigen Lehrbeauftragten nicht eingetreten sei, sei ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Lehrtätigkeit schon deshalb zu verneinen, sodaß dem Umstand, daß die Genehmigung durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung noch nicht eingeholt worden sei, keine streiterhebliche Bedeutung mehr zukomme. Die Klägerin erblicke nunmehr in ihrer Rechtsrüge ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten Univ.Prof.Dr.Dieter M***s in der Verletzung einer vorvertraglichen Fürsorgepflicht, weil dieser der Klägerin unmißverständlich mitteilen hätte müssen, daß es bis zum Antritt der Lehrveranstaltung völlig ungewiß sei, ob die Klägerin diese tatsächlich abhalten könne. Auch das sei zu verneinen. Nach dem Stand der Dinge am 11.August 1983 sei durchaus anzunehmen gewesen, daß Prof.Geraldo de F*** längere Zeit abwesend sein würde, auch wenn dessen vorzeitige Rückkehr nicht völlig auszuschließen gewesen sei, sodaß die Formulierung des Schreibens bzw. der Bestätigung vom 11.August 1983 der damals zu erwartenden Entwicklung entsprochen habe. Dieses Schreiben (bzw. die beigeschlossene Bestätigung) habe aber sowohl den Vorbehalt der ministeriellen Genehmigung als auch den Hinweis auf eine mögliche Rückkehr Prof.Geraldo de F*** und für diesen Fall die Erklärung enthalten, daß dieser dann wieder mit den Lehrveranstaltungen betraut würde. Schließlich habe Univ.Prof.Dr.Dieter M*** nach der Verständigung von der Rückkehr Prof.Geraldo de F*** Herbert Gustav L*** umgehend davon in Kenntnis gesetzt. Eine Verletzung vorvertraglicher Aufklärungs- oder Fürsorgepflichten durch ein Organ des Bundes müsse hienach verneint werden.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Klägerin erhobene Revision ist zulässig. Das Gericht zweiter Instanz hat das Rechtsmittel für zulässig erklärt, weil der Frage, inwieweit die Organe des Bundes bei der Aufnahme von Bediensteten Aufklärungs- und Fürsorgepflichten zu beachten hätten, für die Rechtsentwicklung im Amtshaftungsverfahren erhebliche Bedeutung zukomme und hiezu Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle. Die beklagte Partei hat in der Revisionsbeantwortung dagegen vorgebracht, die Klägerin habe ihren Ersatzanspruch im Aufforderungsschreiben nicht auch auf die Verletzung vorvertraglicher Aufklärungs- und Fürsorgepflichten gestützt, so daß sie sich nunmehr auf diesen Klagegrund nicht berufen könne. Die beklagte Partei übersieht jedoch, daß die Klägerin in den beiden Aufforderungsschreiben den Ersatz jenes Schadens (frustrierte Aufwendungen und Verdienstentgang), der ihr durch ihr Vertrauen auf die Richtigkeit der Zusagen des Institutsvorstandes entstanden sei, geltend gemacht und sich damit - zumindest implicite - auch auf die Verletzung der vom Verhandlungspartner im vorvertraglichen Raum zu beachtenden Rechtspflichten, vor allem Schutz- und Aufklärungspflichten, berufen hat. Es muß zwar zwischen den als haftungsbegründend angesehenen Gründen im Aufforderungsschreiben und in der Amtshaftungsklage Identität gegeben sein, diese im § 8 AHG geforderte Voraussetzung ist jedoch im vorliegenden Fall zu bejahen. Bei der Beurteilung der Identität von Ansprüchen darf nicht allzu kleinlich vorgegangen werden; es kann nicht bezweifelt werden, daß die beklagte Partei durch die beiden Aufforderungsschreiben in die Lage versetzt war, die Stichhältigkeit des Anspruchs auch in der nun relevanten Richtung zu prüfen; die Aufforderungsschreiben haben damit ihrem Zweck, die Rechtsfälle einer Sichtung auf ihre wirkliche Strittigkeit zu unterziehen (Loebenstein-Kaniak, AHG 2 218; JBl.1984, 559 mwN), entsprochen. Die vom Berufungsgericht bezeichnete Rechtsfrage ist gemäß § 502 Abs.4 Z 1 ZPO erheblich, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt. Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.
Richtig macht die Klägerin mit ihrer Schadenersatzforderung einen Amtshaftungsanspruch geltend. Die Klägerin strebte einen remunerierten Lehrauftrag (§ 43 Abs.1 UOG) am Institut für Romanistik der Universität Salzburg an. Durch die gemäß § 64 Abs.2 lit.m UOG vom Fakultätskollegium beim Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (§ 43 Abs.1 UOG) zu beantragende Erteilung remunerierter Lehraufträge wird kein Dienstverhältnis begründet (§ 43 Abs.3 UOG). Es entsteht ein öffentlich-rechtliches Beschäftigungsverhältnis (VfGH Slg.5366/1966; vgl. VwGH Slg.NF 4495/A und 3803/A). Die Erteilung eines remunerierten Lehrauftrages als ein im öffentlichen Recht vorgezeichneter Verwaltungsakt ist somit Hoheitsverwaltung; es ist dann auch die damit in Zusammenhang stehende Verwaltungstätigkeit eines Organes des Rechtsträgers Bund einschließlich aller den hoheitlichen Bestellungsakt vorbereitenden Maßnahmen der Hoheitsverwaltung zuzurechnen (vgl. Loebenstein-Kaniak aaO 68). Das gilt auch für die Auswahl unter den Bewerbern, die Verhandlungen mit diesen und die Antragstellung an die für den Verwaltungsakt zuständige Behörde. Wäre der Institutsvorstand Univ.Prof.Dr.Dieter M*** bei seinen Verhandlungen mit der Klägerin bzw. deren Ehegatten als ihrem konkludent bevollmächtigten Vertreter im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung tätig geworden, hätte die beklagte Partei für infolge Verletzung vorvertraglicher Schutz- und Aufklärungspflichten durch den Institutsvorstand als ihren Erfüllungsgehilfen der Klägerin zugefügte Schäden für das negative Vertragsinteresse einzustehen (SZ 52/90 u.v.a.; Koziol-Welser, Grundriß 7 I 188; Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 14 vor §§ 918 ff). Die für die Rechtsgeschäftslehre entwickelten Grundsätze über das vorvertragliche Schuldverhältnis sind sinngemäß auch im öffentlichen Recht und demnach auch auf Fälle anzuwenden, in welchen es zur Aufnahme von Kontakten zwecks Erteilung einer öffentlich-rechtlichen Befugnis wie eines remunerierten Lehrauftrages kommt, weil die damit befaßten Organe der Hoheitsverwaltung in gleicher Weise bei der Vorbereitung des Verwaltungsaktes zur Rücksichtnahme auf die schutzwürdigen Interessen der Bewerber verpflichtet sind und demnach vergleichbaren Aufklärungs-, Schutz- und Sorgfaltspflichten nachzukommen haben. Auch den Bewerbern in verwaltungsrechtlichen Bestellungs-, Bewilligungs- oder Verleihungsverfahren muß ein Anspruch auf angemessene Rücksichtnahme auf ihre Rechtsgüter zugebilligt werden, sodaß der Rechtsträger für die infolge Verletzung dieser seine Organe treffenden Verhaltenspflichten im Amtshaftungsverfahren einzustehen hat. Eine Verletzung solcher Verhaltenspflichten kann vorliegen, wenn ein Organ einen Gesuchsteller dadurch zu Aufwendungen veranlaßte, daß es im Gesuchsteller dem Rechtsträger Bund in zurechenbarer Weise das Vertrauen erweckte, die Erteilung der Lehrbefugnis werde mit Sicherheit erfolgen und dieses Vertrauen in der Folge enttäuschte, obgleich es damit rechnen mußte, daß der Gesuchsteller in diesem Vertrauen Dispositionen treffen werde (vgl. SZ 52/90; Koziol-Welser aaO 188 mwN).
Auch die deutsche Rechtsprechung anerkennt für das öffentliche Recht die Grundsätze über die Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsabschluß, dieser Vertrauensschutz kann - als Merkmal jeder rechtsstaatlichen Ordnung - auch im öffentlichen Recht von dem Adressaten hoheitlicher Tätigkeit in Anspruch genommen werden (BGHZ 71, 386, 392, 393) im Staatshaftungsrecht (Art.34 GG; § 839 BGB) gelten also behördliche Fürsorge-, Belehrungs-, Aufklärungs- und ähnliche Verhaltenspflichten: Tritt der Bürger zu einer Behörde etwa deshalb in ein engeres Verhältnis, weil er ein Gesuch eingebracht hat, und beabsichtigt er die Vornahme ihm (unerkannt) nachteiliger Maßnahmen im Zusammenhang mit der von ihm angestrebten Bestellung, Verleihung oder Bewilligung, so hat ihn die Behörde über diese nachteiligen Folgen jedenfalls so weit aufzuklären, zu belehren oder zu beraten, als nicht öffentliche Interessen oder Interessen Dritter entgegenstehen (BGH, NJW 1980, 2573 und 2576; MDR 1978, 296; VersR 1970, 1104 uva; Staudinger-Schäfer, BGB 12 Rz 286 zu § 839; Papier in MünchKomm 2 Rz 183 zu § 839 BGB; Kreft in BGB-RGRK 12 Rz 194, 195, 202, 204 zu § 839; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 3 , 33). Das gilt insbesondere bei Zusage der Aufnahme in den öffentlichen Dienst durch die zuständige Stelle (BGHZ 23, 36, 51, 52). Keine anderen Grundsätze haben im österreichischen Recht zu gelten.
Univ.Prof.Dr.Dieter M*** war zwar nicht die für die Erteilung des Lehrauftrages zuständige Stelle, er war aber derjenige, mit dem die Klägerin und ihr bevollmächtigter Ehegatte in Kontakt traten; er war offensichtlich dazu berufen die beklagte Partei bei Kontaktnahme mit Interessenten zu vertreten, und hatte nur im Innenverhältnis die Entscheidung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung herbeizuführen. Er war daher das Organ, das der Klägerin gegenüber Schutz- und Aufklärungspflichten zu erfüllen hatte, sodaß die R*** Ö*** für deren Verletzungen einzustehen hat.
Daß ihre Organe Schutz- und Aufklärungspflichten auch vor Erteilung von Lehraufträgen treffen, stellt die beklagte Partei nicht grundsätzlich in Abrede. Sie bestreitet aber, daß dem Institutsvorstand Univ.Prof.Dr.Dieter M*** die von der Klägerin behaupteten Verstöße zur Last gelegt werden könnten. Auch das Berufungsgericht hat die Verletzung solcher Verhaltenspflichten durch den genannten Universitätsvertreter verneint. Wenn man das Verhalten des Institutsvorstands bei den Verhandlungen mit der Klägerin an den von Lehre und Rechtsprechung zum vorvertraglichen Schuldverhältnis entwickelten Grundsätzen mißt, ist dieser Auffassung beizutreten. Univ.Prof.Dr.Dieter M*** trat mit dem Ehegatten der Klägerin erst mit dem Schreiben vom 11.August 1983, als die Klägerin bereits in Brasilien war, in Kontakt und wies den Ehegatten der Klägerin ausdrücklich darauf hin, daß ein Lehrauftrag an die Klägerin nicht in Frage komme, sollte Prof.Geraldo de F*** aus Mozambique zurückkehren. Er setzte ihn auch unverzüglich nach Bekanntwerden von der Rückkunft Prof.Geraldo de F***' am 30. August 1983 in Kenntnis und stellte mit Schreiben vom 12. September 1983 klar, daß deshalb Prof.Geraldo de F*** - wie angekündigt - mit der Abhaltung der Lehrveranstaltungen betraut werde. Schon zuvor aber hatte die Klägerin selbst Prof.Geraldo de F*** versichert, die Stelle werde ihm jederzeit wieder zur Verfügung stehen, sollte er aus Mozambique zurückkehren. Auch im Schreiben an Univ.Prof.Dr.Dieter M*** vom 8.September 1983 stand sie dazu. Sie mußte dabei auch eine baldige Rückkunft Prof.Geraldo de F***' in ihre Überlegungen miteinbeziehen, weil nicht auszuschließen war, daß er in Mozambique nicht zurecht kommen werde. Sie hat daher alle Dispositionen - so auch den Flug nach Brasilien, um dort Material für die Lehrveranstaltungen zu sammeln und ihre Position ihren bisherigen Auftraggebern gegenüber abzuklären - auf ihr eigenes Risiko getroffen. Daß sie in Wahrheit eine so baldige Rückkehr Prof.Geraldo de F***' nicht erwartet und damit gerechnet hatte, wenigstens die Lehrveranstaltungen im Wintersemester 1983/84 abhalten zu können, lag dann auch in ihrem Risikobereich und kann nicht dem Institutsvorstand zur Last gelegt werden, der ihr dies auch zu keiner Zeit garantiert hatte. Daran kann auch nichts ändern, daß die Klägerin möglicherweise mit Verständigungsschwierigkeiten zu kämpfen hatte und die Ausführungen Univ.Prof.Dr.Dieter M***s in dessen Schreiben vom 11.August 1983 - wie sie nun in der Revision behauptet - dahin verstanden hatte, die Ankündigung, Prof.Geraldo de F*** im Falle seiner Rückkehr wieder mit Lehrveranstaltungen zu betrauen, beziehe sich frühestens auf das folgende Semester. Eine solche Behauptung wurde im Verfahren erster Instanz nicht aufgestellt.
Da die Vorinstanzen das Amtshaftungsbegehren zu Recht abgewiesen haben, muß der Revision ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E10473European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00003.87.0304.000Dokumentnummer
JJT_19870304_OGH0002_0010OB00003_8700000_000