Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Günter S***, Kaufmann, Wien 3., Prinz-Eugen-Straße 25, vertreten durch Dr. Jakob Zanger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Wolfgang F***, Kaufmann, Wien 7., Zieglergasse 34 a, vertreten durch Dr. Walter Scherlacher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 24. September 1986, GZ. 41 R 702/86-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 9. Jänner 1986, GZ. 44 C 338/85-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.719,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 247,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Strittig ist zwischen den Parteien, ob das zwischen ihnen mit Vertrag vom 13. Oktober 1969 begründete Bestandverhältnis hinsichtlich der Liegenschaft EZ 610 KG Landstraße mit den darauf befindlichen Gebäuden in der Prinz Eugen-Straße Nr. 25 samt mitgemietetem Garten im Ausmaß von ca. 870 m 2 als Unternehmenspacht oder als Geschäftsraummiete, auf die die Schutzbestimmungen des Mietrechtsgesetzes anzuwenden sind, anzusehen ist. Der Beklagte begehrte die Räumung des Bestandobjektes wegen Ablaufs der Bestandzeit. Nach dem Standpunkt des Klägers liegt jedoch ein den Kündigungsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes unterliegendes Mietverhältnis vor. Sein auf Feststellung des Vorliegens eines solchen Rechtsverhältnisses gerichtetes Klagebegehren wurde vom Erstgericht abgewiesen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteigt. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist Eigentümer der Liegenschaft Karl Johannes S***. Mit Vertrag vom 9. Dezember 1954 und Nachtrag vom 21. November 1963 nahm der Beklagte die Liegenschaft von Karl Johannes S*** samt der diesem erteilten Konzession zum Betrieb des Gasthaus- und Schankgewerbes in der Betriebsform eines Cafe-Restaurants in Bestand. Der Beklagte setzte die Objekte mit erheblichen Investitionen instand und führte dort vom 1. Mai 1955 bis zum September 1969 einen Cafehausbetrieb, der im Jahre 1960 auf einen Restaurantbetrieb erweitert worden war. In den letzten Jahren wurde das Unternehmen nur als Saisonbetrieb vom Mai bis September eines jeden Jahres - zuletzt unter der Bezeichnung
Belvedere-Stöckl - geführt. Mit Vertrag vom 13. Oktober 1969 schlossen der Beklagte und die Helmut F*** & Co OHG, die Rechtsvorgängerin des Klägers, einen Unterbestandvertrag über die gesamte Liegenschaft samt den darauf befindlichen Gebäuden, dem Haupthaus und einem Gartengebäude samt dem vorhandenen Inventar. Der Vertrag erstreckte sich auch auf die komplette Einrichtung der im Haupthaus befindlichen Souterrainwohnung, die Einrichtung des Gartenhauses und das Inventar für den gastgewerblichen Betrieb:
Küchengeschirr und Küchengeräte wie Kaffeemaschine, Herd, Rührgeräte, Kühlschrank, Schanktheke, Grilltheke, zahlreiches Speisegeschirr und Gläser für einen gastgewerblichen Betrieb, Tische, Bänke und Sessel für das Gartengebäude, ein Kühlhaus sowie einen Personalwaschraum samt Einrichtung. Die Unterbestandnehmerin verpflichtete sich, das Bestandobjekt in Form eines gutbürgerlichen Gast- und Schankgewerbebetriebes in der Betriebsform eines Cafe-Restaurants im Rahmen der mit in Bestand gegebenen Konzession zu führen, die Betriebsräume und den Garten während der gesamten Bestanddauer auf ihre Kosten instandzuhalten und die bestehenden Versicherungen gegen Einbruch, Feuer und Sturmschäden sowie der Betriebshaftpflicht zu übernehmen und für die Dauer des Unterbestandverhältnisses aufrecht zu erhalten. Die Parteien bezeichneten den Vertrag als Pachtvertrag. Der Kläger führt seither das Unternehmen als Cafe-Restaurant unter der Bezeichnung Belvedere-Stöckl.
Nach der Rechtsansicht der Vorinstanzen liegt eine Unternehmenspacht vor.
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz aus den Anfechtungsgründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Eine Behauptung, daß der Beklagte in dem ca. 130 Personen Platz bietenden Hauptgebäude niemals ein Unternehmen geführt habe, wurde in erster Instanz nicht aufgestellt. Eine solche Feststellung wurde auch vom Erstgericht nicht getroffen. Von einer weiteren Begründung zu diesem Anfechtungsgrund wird gemäß § 510 Abs. 3 ZPO Abstand genommen. Mit der Behauptung, daß die Absicht der Parteien nicht auf den Abschluß eines Pachtvertrages gerichtet gewesen sei und nur zum Zwecke der Umgehung mietrechtlicher Vorschriften Elemente eines Pachtvertrages in den Vertrag aufgenommen worden seien, daß nur jene Rechte an den Vertragspartner des Beklagten übertragen werden sollten, die diesem selbst aufgrund des mit dem Liegenschaftseigentümer abgeschlossenen Vertrages zukämen, daß der Beklagte den Betrieb bereits eingestellt gehabt habe und daß eine Betriebspflicht nicht vereinbart worden sei, entfernt sich die Revision von den Feststellungen der Vorinstanzen und ist nicht gesetzmäßig ausgeführt.
Wie der Oberste Gerichtshof schon wiederholt (MietSlg. 37.775/7; 1 Ob 626/86, zuletzt in dem Räumungsprozeß zwischen den Streitteilen 1 Ob 720/86) dargelegt hat, lassen sich zwar für die Unterscheidung der Unternehmenspacht von der Geschäftsraummiete keine festen, allgemein anwendbaren Regeln aufstellen, doch ist ein Bestandverhältnis im allgemeinen dann als Unternehmenspacht zu beurteilen, wenn ein lebendes Unternehmen Vertragsgegenstand ist, also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit ihrem good will dem Bestandnehmer zur Nutzung überlassen wird. Dabei hat ihm der Bestandgeber nicht nur die Geschäftsräume, sondern auch die übrigen zum Fortbetrieb erforderlichen Unternehmensbestandteile wie die Geschäftseinrichtung, die Betriebsmittel, die Gewerbeberechtigung und den Kundenstock beizustellen. Im Einzelfall müssen aber nicht alle diese Merkmale auf den Bestandgegenstand zutreffen. Auch wenn der Bestandnehmer die Gewerbeberechtigung selbst beibringt (MietSlg. 32.162/13) oder Einrichtungsgegenstände anschaffen muß (MietSlg. 34.206), kann im Einzelfall noch immer eine Unternehmenspacht vorliegen. Fehlen einzelne der für die Annahme einer Unternehmenspacht typischen Merkmale, kommt es darauf an, welchen Umständen die größere wirtschaftliche Bedeutung beizumessen ist. Eines der entscheidenden Merkmale des Pachtverhältnisses ist die Vereinbarung der Betriebspflicht. Soweit die Revision davon ausgeht, daß eine Betriebspflicht nicht vereinbart worden sei und keine Betriebsmittel vorhanden gewesen seien, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt. Das Vorhandensein eines gewissen Kundenstockes ergibt sich aus der Feststellung über die Führung des Betriebes durch den Beklagten, wenn auch als Saisonbetrieb, bis zum Abschluß des Bestandvertrages mit der Rechtsvorgängerin des Klägers. Auf den Umfang des Kundenstockes kommt es nicht an. Alle wesentlichen Merkmale der Unternehmenspacht im Sinne der obigen Darlegungen treffen auf das Bestandverhältnis zwischen den Streitteilen zu. Zu Recht haben daher die Vorinstanzen das Bestandverhältnis als Unternehmenspacht beurteilt. An dieser Beurteilung kann auch der Umstand nichts ändern, daß das Bestandverhältnis zwischen dem Liegenschaftseigentümer und dem Beklagten als Geschäftsraummiete angesehen wurde (1 Ob 720/86). Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E10404European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00502.87.0305.000Dokumentnummer
JJT_19870305_OGH0002_0070OB00502_8700000_000