TE OGH 1987/3/5 13Nds2/87

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Veröffentlicht am 05.03.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Harbich und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Müller, Dr.Felzmann, Dr.Brustbauer und Dr.Kuch als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr.Streller als Schriftführers in der Strafsache gegen Christian F*** im Zuständigkeitsstreit zwischen dem Landesgericht Klagenfurt und dem Kreisgericht Wiener-Neustadt nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Für die Entscheidung über den Widerruf der bedingten Begnadigung ist das Landesgericht Klagenfurt zuständig.

Der Beschluß des Oberlandesgerichts Graz vom 29.Juli 1986, AZ 9 Bs 183/86, wird aufgehoben und diesem Gerichtshof aufgetragen, über die Beschwerde des Verurteilten Christian F*** gegen den Beschluß des Landesgerichts Klagenfurt vom 16.Juni 1986, GZ 10 Vr 2731/82-39, neuerlich zu entscheiden.

Text

Gründe:

Christian F*** war mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengerichts vom 1.Februar 1983, GZ 10 Vr 2731/82-21, wegen § 87 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt worden, die er zuletzt in der Strafvollzugsanstalt Hirtenberg verbüßte. Mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 14. Dezember 1984 wurde er nach teilweisem Strafvollzug bedingt begnadigt und am 18.Dezember 1984 auf freien Fuß gesetzt. Der nicht vollzogene Strafrest beträgt 9 Monate und 21 Tage, die Probezeit wurde mit drei Jahren bestimmt (ON 34).

In der Folge wurde Christian F*** mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 21.April 1986, GZ 7 b E Vr 1768/86-24, wegen der Vergehen nach §§ 107 Abs 1, 88 Abs 1 und 3 StGB sowie § 36 Abs 1 lit a WaffenG zu einer fünfmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die er bis 4.Juli 1986 verbüßte (ON 35 und 36).

Diese Verurteilung nahm die Staatsanwaltschaft Klagenfurt zum Anlaß, einen Antrag auf Widerruf der bedingten Begnadigung zu stellen, worauf der Verurteilte gehört wurde und das Landesgericht Klagenfurt mit Beschluß vom 16.Juni 1986 (ON 39) den Widerruf der bedingten Strafnachsicht aussprach (ON 38, 39).

Gegen diesen Widerrufsbeschluß brachte der Verurteilte rechtzeitig Beschwerde ein, die dem Oberlandesgericht Graz zur Entscheidung vorgelegt wurde (ON 40 und 41).

Aus Anlaß dieser Beschwerde hob das Oberlandesgericht Graz mit Beschluß vom 29.Juli 1986, AZ 9 Bs 183/86 (ON 43), den Widerrufsbeschluß zur Gänze mit der Begründung auf, daß die bedingte Begnadigung des Verurteilten mit den Wirkungen einer bedingten Entlassung erfolgt sei, sodaß zur Entscheidung über den Widerruf der bedingten Begnadigung gemäß § 16 Abs 1 und 2 Z 12 StVG das örtlich zuständige Vollzugsgericht (Kreisgericht Wiener-Neustadt) zuständig sei.

Das Kreisgericht Wiener-Neustadt anerkannte mit Beschluß vom 2. Oktober 1986, GZ BE 1211/86-3, in Übereinstimmung mit der Antragstellung der Staatsanwaltschaft Wiener-Neustadt diese Zuständigkeit nicht, sondern legte den Akt zur Entscheidung dieses Kompetenzkonflikts unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor, der zunächst die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien als übergeordnetem Gerichtshof zweiter Instanz einholte. Das Oberlandesgericht Wien sprach hierauf mit Beschluß vom 18. Dezember 1986, GZ 24 Ns 1345/86-3, aus, daß auch seiner Meinung nach das Landesgericht Klagenfurt zur Entscheidung über den Widerrufsantrag zuständig sei, weil die Weihnachtsbegnadigung 1984 inhaltlich des maßgebenden Erlasses des Bundesministeriums für Justiz vom 20.Juni 1984, JMZl.4.712/5-IV 5/84, mit den Wirkungen der bedingten Strafnachsicht ergangen und daher für das Widerrufsverfahren das Urteilsgericht und nicht das Vollzugsgericht zuständig sei.

Die Generalprokuratur beantragte ebenfalls, die Zuständigkeit des Landesgerichts Klagenfurt für das Widerrufsverfahren auszusprechen.

Das Bundesministerium für Justiz gab über Anfrage des Obersten Gerichtshofs mit Schreiben vom 15.Jänner 1987, JMZl.29.951/1-IV 5/87, bekannt, daß gemäß Abschnitt C des (in einem übermittelten) Erlasses vom 20.Juni 1984, JMZl.4.712/5-IV 5/84, die im Rahmen der Weihnachtsbegnadigung 1984 gewährten Gnadenerweise mit den Wirkungen der bedingten Strafnachsicht im Sinn des § 43 StGB gesetzt wurden, woraus sich nach Auffassung des Bundesministeriums für Justiz ergibt, daß das jeweils erkennende Gericht zur Überwachung der Probezeit und zur Beschlußfassung über den Widerruf oder die endgültige Strafnachsicht zuständig sei.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Rechtsansicht schließt sich der Oberste Gerichtshof an, weil durch die oben bezeichnete Entschließung des Bundespräsidenten die Voraussetzungen für einen Widerruf des gnadenweise gewährten bedingten Strafnachlasses materiell und verfahrensrechtlich im Sinn der bedingten Strafnachsicht determiniert sind. Demzufolge obliegt die Vollziehung eines derartigen Gnadenakts wieder dem erkennenden Gericht, weil ein Gnadenerweis durch den Bundespräsidenten in der Form der Gewährung der bedingten Strafnachsicht einem gleichlautenden Ausspruch der Gerichte gleichzusetzen ist (RiZ 1978/14).

Die gegenteilige Ansicht des Oberlandesgerichts Graz beruht auf einer unrichtigen Mitteilung der Strafvollzugsanstalt Hirtenberg, wonach die Begnadigung mit der Wirkung der bedingten Entlassung ausgesprochen worden sei, wobei allerdings dieser Mitteilung ein Hinweis auf den grundsätzlichen Erlaß des Bundesministeriums für Justiz vom 6.Dezember 1978, JMZl.515.000/9-II 1/78 = JABl.1979/7, zu entnehmen ist (S 247 unten) in dem auch diese Rechtsansicht wiedergegeben wurde (ON 34). Demnach ist das Landesgericht Klagenfurt als Urteilsgericht zur Entscheidung über den Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft zuständig.

Indes hat dieses Gericht ohnehin in erster Instanz entschieden, jedoch das ihm im Rechtsmittelzug übergeordnete Oberlandesgericht Graz mit einem an sich unanfechtbaren Beschluß ausgesprochen, daß das örtlich zuständige Vollzugsgericht über den Widerruf der bedingten Begnadigung zu befinden hätte. Sonach mußte der Oberste Gerichtshof, um der ihm nach § 64 Abs 1 StPO zustehenden Entscheidung in diesem besonderen Fall Wirksamkeit zu verschaffen, den auf einer unrichtigen Sachverhaltsfeststellung beruhenden Beschluß des Oberlandesgerichts Graz vom 29.Juli 1986, AZ 9 Bs 183/86, aufheben und diesem Gerichtshof auftragen, über das gegen den Widerrufsbeschluß des Landesgerichts Klagenfurt zeitgerecht eingebrachte Rechtsmittel in der Sache selbst zu entscheiden. Das Kreisgericht Wiener-Neustadt wird anläßlich der Rücksendung seiner Akten BE 1211/86 von dieser Entscheidung zu verständigen sein.

Anmerkung

E17847

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:013NDS00002.87.0305.000

Dokumentnummer

JJT_19870305_OGH0002_013NDS00002_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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