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E000 EU- Recht allgemein;Norm
11994N/PRO/09 EU-Beitrittsvertrag Prot9 Art1 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des DK in H, Deutschland, vertreten durch Dr. Stefan Hornung, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunnerstraße 11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 23. Jänner 2001, Zl. I-0534/00/K1, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen, also hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die diesbezüglichen Kosten des Berufungsverfahrens, wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe sich als Lenker eines nach den Kennzeichen bestimmten "Sattelfahrzeuges, Sattelanhänger (zulässiges Gesamtgewicht über 7,5 t)" am 5. Mai 2000 um 8.20 Uhr beim Zollamt/KP Tisis nach einer Transitfahrt durch Österreich zur Ausreise nach Liechtenstein gestellt, ohne die nachstehend angeführten Unterlagen mitgeführt und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorgelegt zu haben:
"a) entweder ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine Ökokarte für die betreffende Fahrt,
b) oder einen Umweltdatenträger (Ecotag), der eine automatische Entwertung der Ökopunkte für die betreffende Fahrt ermöglicht,
c) oder geeignete Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine ökopunktbefreite Fahrt handelte,
d) oder geeignete Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelte und dass im Falle einer Ausstattung des Fahrzeuges mit einem Umweltdatenträger dieser für diesen Zweck eingestellt war."
Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 in der Fassung der Verordnungen (EG) Nr. 1524/96 und Nr. 609/2000 begangen. Gemäß § 23 Abs. 1 und Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 wurde über ihn eine Geldstrafe von S 20.000,-- (EUR 1.453,46), Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden, verhängt.
Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen davon aus, dass der Beschwerdeführer die im Spruch näher bezeichnete Transitfahrt durchgeführt habe, welche von Deutschland über das ehemalige Autobahnzollamt Hörbranz zum Zollamt in Feldkirch-Tisis zur Ausreise nach Liechtenstein geführt habe. Dabei sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer keine der in der Tatumschreibung des Straferkenntnisses näher angeführten Unterlagen bei der in Rede stehenden Transitfahrt mitgeführt habe. Im Zuge der Kontrolle habe der Meldungsleger das im Sattelzugfahrzeug angebrachte Ecotag-Gerät überprüft und dabei festgestellt, dass für die gegenständliche Fahrt keine Ökopunkte entrichtet worden seien, was auch aus dem Kontrollzertifikat eindeutig hervorgegangen sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer bestreitet zunächst, eine Transitfahrt durchgeführt zu haben und verweist darauf, dass die Beförderung von Müll und Fäkalien gemäß Anhang C der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 von der Ökopunktepflicht befreit sei. Die Bezeichnung "Müll" stelle einen sehr weit gefassten Begriff dar, welcher wohl auch die Ladung des Beschwerdeführers umfasse.
Diesem erstmals in der Beschwerde erstatteten Vorbringen ist zunächst das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf Grund der hg. Rechtsprechung aus § 41 Abs. 1 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot entgegenzuhalten, nach dem ein erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstattetes Tatsachenvorbringen oder auch Rechtsausführungen, auf Grund derer Ermittlungen erforderlich wären, nicht mehr beachtlich sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 2004, Zl. 2003/03/0031). Im Übrigen ist jedoch in diesem Zusammenhang auch darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. März 2003, Zl. 2003/03/0022, ausgeführt hat, dass es sich bei "Müll" im Sinn des Anhanges C Z. 5 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission "grundsätzlich um ein uneinheitliches Gemisch fester Abfallstoffe aus Haushalt, Büros oder der Industrie ..., die gesammelt abgeholt und entsorgt oder wieder verwertet werden" handelt, und Müll "somit grundsätzlich ein uneinheitliches - unsortiertes - Gemisch aus Abfällen" darstellt, "das von sortiertem Schrott zu unterscheiden ist". Nach diesem Begriffsverständnis fällt das Transportgut (laut Versandanzeige: Bitumen der Klasse 9, Z. 20c ADR, 3257 erwärmter flüssiger Stoff) nicht unter den Begriff "Müll" im Sinn der genannten Bestimmung; stichhältige Argumente, die die gegenteilige Interpretation zuließen, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf und sind auch sonst nicht ersichtlich. Entgegen der Beschwerde liegt daher kein Sachverhalt vor, der unter die Ausnahmeregelung der Z. 5 des Anhanges C der zitierten Verordnung fiele.
Der Beschwerdeführer wendet weiters ein, mit dem angefochtenen Bescheid sei ihm erstmals vorgeworfen worden, sich nach einer Transitfahrt durch Österreich zur Ausreise nach Liechtenstein (und nicht wie im erstinstanzlichen Verfahren und im Straferkenntnis in die Schweiz) gestellt zu haben. Dabei handle es sich um ein wesentliches Spruchelement. Da der Tatvorwurf erstmals in dieser Form in dem angefochtenen Bescheid erhoben worden sei, sei diesbezüglich auch Verjährung eingetreten.
Nach dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der auf den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung verlangt der Tatbestand einer Übertretung dieser Bestimmung nicht das Vorliegen einer Transitfahrt, d.h. einer Fahrt durch österreichisches Hoheitsgebiet, bei der der Ausgangs- und Zielpunkt außerhalb Österreichs liegen (vgl. Art. I lit. c des der Akte über die Bedingungen des Beitritts (u.a.) der Republik Österreich und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (EU-Beitrittsakten) beigefügten Protokolls Nr. 9 über den Straßen- und Schienenverkehr sowie den kombinierten Verkehr in Österreich, BGBl. Nr. 45/1995). Dieses Tatbestandsmerkmal ist somit - jedenfalls wenn im Spruch des Straferkenntnisses die Alternative der lit. d des Art. 1 Abs. 1 der genannten Verordnung (EG) angeführt ist - kein nach § 44a Z. 1 VStG notwendiger Spruchbestandteil und muss daher insbesondere auch nicht von einer den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließenden Verfolgungshandlung umfasst sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2000, Zl. 2000/03/0222). Der im Spruch angeführte "Zielpunkt" der vom Beschwerdeführer durchgeführten Transitfahrt stellt sohin kein wesentliches Tatbestandselement dar, das zur Konkretisierung des Tatvorwurfes erforderlich wäre.
Zur subjektiven Tatseite führt der Beschwerdeführer aus, dass er davon ausgegangen sei, dass der Ecotag im Lkw auf ökopunktepflichtige Fahrt gestellt gewesen sei. Allerdings habe er eine Kontrolle der Einstellung bei dieser Fahrt unterlassen. Der Lenker eines Kraftfahrwagens hat sich nach der ständigen hg. Rechtsprechung bei einer Transitfahrt vor der Einreise in das Hoheitsgebiet Österreichs im Fall der Benutzung eines Ecotag-Gerätes (auf geeignete Weise) davon zu überzeugen, dass mit diesem eine automatische Abbuchung von Ökopunkten auch möglich ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2000, Zl. 2000/03/0262). Unterlässt er dies, fällt ihm eine als Verschulden zu qualifizierende Sorgfaltsverletzung zur Last, zumal er eine Transitfahrt, wenn sich ein Umweltdatenträger vor der Einreise nicht als funktionstüchtig erweist, nur bei Erfüllung der Verpflichtungen gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. a oder lit. c der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission vom 21. Dezember 1994, in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission vom 30. Juli 1996, in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 609/2000 der Kommission vom 22. März 2000 durchführen darf. Dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen wäre, dieser Verpflichtung nachzukommen, hat er nicht behauptet (§ 5 Abs. 1 VStG).
Der Beschwerdeführer ist auch nicht im Recht, wenn er meint, die im Spruch des angefochtenen Bescheides enthaltene Tatumschreibung verstoße gegen § 44a Z. 1 VStG und sei im Sinne der genannten Bestimmung nicht ausreichend konkretisiert. Der Verwaltungsgerichtshof vermag einen derartigen Mangel, der vom Beschwerdeführer nicht näher konkretisiert wurde, nicht zu erkennen.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers durfte die belangte Behörde auch den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnis in der Form berichtigen, dass die Wortfolge "in die Schweiz" durch "nach Liechtenstein" ersetzt wurde. Hiebei handelte es sich um die Beseitigung einer der Tatumschreibung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses anhaftenden Mangelhaftigkeit, die auf einen offensichtlichen Irrtum zurückzuführen war. Zur Vornahme einer solchen Richtigstellung war die belangte Behörde jedoch gemäß § 66 Abs. 4 AVG (in Verbindung mit § 24 VStG) nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1996, Zl. 96/03/0062).
Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof entgegen der Beschwerde nicht finden, dass der angefochtene Bescheid unzureichend begründet wäre, weil Ausführungen, die die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides unter Einbeziehung von Sachverhaltselementen dartun wollen, die in das zu Grunde liegende Verwaltungsverfahren nicht einbezogen wurden, - wie bereits ausgeführt - gemäß § 41 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtlich sind.
Die Beschwerde erweist sich daher, was den Schuldspruch anlangt, als unbegründet.
In seinem Erkenntnis vom 14. Dezember 2001, G 181/01, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Wortfolge "und Z 7 bis 9" im zweiten Satz des § 23 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 593, idF BGBl. I Nr. 17/1998, verfassungswidrig war. Im genannten Erkenntnis, kundgemacht im Bundesgesetzblatt am 8. Februar 2002 unter BGBl. I Nr. 37, hat der Verfassungsgerichtshof ferner - gestützt auf Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG - Folgendes ausgesprochen:
"(2) Die verfassungswidrige Bestimmung ist insofern nicht mehr anzuwenden, als sie sich auf die Z 8 bezieht."
Da der zuletzt genannte Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes die Anwendung der als verfassungswidrig festgestellten gesetzlichen Bestimmung auch im vorliegenden Beschwerdefall ausschließt, erweist sich der Ausspruch über die im Beschwerdefall gemäß § 23 Abs. 2 zweiter Satz des Güterbeförderungsgesetzes 1995 verhängte Mindeststrafe von S 20.000,-- als inhaltlich rechtswidrig.
Von daher war der angefochtene Bescheid in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 6. September 2005
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild) Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Gemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8 Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2 Spruch der Berufungsbehörde (siehe auch AVG §66 Abs4 Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2001030075.X00Im RIS seit
05.10.2005