TE OGH 1987/3/24 10Os38/87

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Veröffentlicht am 24.03.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.März 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schopper als Schriftführer in der Strafsache gegen Aleksandra B*** wegen Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2, 148 erster Fall und 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 1.Dezember 1986, GZ 28 Vr 1268/85-23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde wird die Angeklagte darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Aleksandra B***

(I.) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2, 148 erster Fall und 15 StGB sowie (II.) des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach liegt ihr zur Last, in Linz, Traun, Doppl-Hart und Pasching

(zu I.) in der Zeit vom 2.August bis zum 10.Oktober 1984 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, gewerbsmäßig verfügungsberechtigte Angestellte der A*** S*** L*** durch Täuschung über Tatsachen, und zwar jeweils durch die Vorlage der Kundenkarte ihres Ehegatten Reinhold B*** und durch die Behauptung, für dessen Konto

Nr. 1702-025065 zeichnungsberechtigt zu sein, zur Auszahlung von Geldbeträgen in elf Fällen verleitet und in zwei weiteren Fällen zu verleiten versucht zu haben, welche das bezeichnete Kreditinstitut an dessen Vermögen um insgesamt 45.000 S geschädigt habe sowie um weitere 10.000 S habe schädigen sollen; und

(zu II.) ab August 1984 die an ihren einzelzeichnungsberechtigten Gatten Reinhold B*** ausgegebene Kundenkarte der A*** S*** L*** zum Konto

Nr. 1702-025065, also eine Urkunde, über die sie nicht verfügen durfte, durch deren Wegnahme mit dem Vorsatz, zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zu Beweiszwecken, und zwar zur Legitimation zum Zweck der schecklosen Bargeldbeschaffung an den Kassen der Geschäftstellen des bezeichneten Kreditinstitutes, gebraucht werde, unterdrückt zu haben.

Zum Faktum I. nahm das Erstgericht als erwiesen an, daß die Angeklagte das Bargeld ohne Wissen und ohne Einverständnis ihres Ehegatten von dessen Konto behob, daß dieser anläßlich einer Abholung der Kontoauszüge am 12.Oktober 1984 von den Abhebungen Kenntnis erlangte, daß er sofort gegen deren Verbuchung reklamierte und daß er letztlich die Bank zur Anzeigeerstattung gegen unbekannte Täter aufforderte; eine Privilegierung des Betruges nach § 166 Abs. 1 StGB wegen dessen Begehung im Familienkreis, die im vorliegenden Fall mangels einer Privatanklage des (diesfalls) geschädigten Angehörigen (§ 166 Abs. 3 StGB) zum Freispruch führen müßte (§ 259 Z 1 StPO), lehnte es ab, weil der Schaden primär beim Kreditinstitut eingetreten sei.

Rechtliche Beurteilung

Insoweit hat sich der Oberste Gerichtshof indessen aus Anlaß der - auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 10 StPO gestützten, nur gegen die Feststellung ihrer Täterschaft und gegen die Annahme gewerbsmäßiger Begehung remonstrierenden - Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten davon überzeugt, daß das Schöffengericht durch die auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruhende, jedoch unbekämpft gebliebene Beurteilung der Tat als über öffentliche Anklage (§ 2 Abs. 3 StPO) zu verfolgender Betrug zu ihrem Nachteil das Strafgesetz unrichtig angewendet hat (Z 9 lit. c).

Denn bei der für die Frage, ob der Täter einen Betrug im Sinn des § 166 Abs. 1 StGB zum Nachteil eines der dort bezeichneten Angehörigen begangen hat, maßgebenden rechtlichen Beurteilung, in wessen Vermögen der Betrugsschaden primär eintrat, ist entsprechend der dabei - nach ständiger Rechtsprechung seit JBl. 1981,551 (mit zustimmender Anmerkung Liebschers); ebenso Liebscher im WK § 166 Rz. 19 und Burgstaller in ÖJZ 1983, 123 f. - gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise davon auszugehen, daß sich die Bank für die ihr betrügerisch herausgelockten Zahlungen regelmäßig dann durch entsprechende Abbuchungen vom Konto des betreffenden Angehörigen uno actu schadlos hält, wenn (und soweit) die mit der Auszahlung verbundene Einbuße an Vermögenssubstanz ökonomisch sogleich effektiv auf den Inhaber dieses Kontos durchschlägt. Das ist der Fall, wenn (und soweit) einerseits die Bank durch die ihr gegenüber erlistete Auszahlung von ihrer im Kontovertrag wurzelnden Bereitschaft zur Hingabe eines entsprechenden Geldbetrages an den Inhaber, sei es auf Grund eines für ihn bestehenden Guthabens (vgl. abermals JBl. 1981,551 sowie ferner EvBl. 1981/193, RZ 1982/34 und 11 Os 194/82) oder sei es im Rahmen

einer ihm eingeräumten Überziehungsmöglichkeit (vgl. 13 Os 72/83 =

ÖJZ-LSK 1983/157 sowie 13 Os 201/83 = ÖJZ-LSK 1984/144), entbunden

und anderseits letzterer durch die sofortige Abbuchung zugleich (für einen wirtschaftlich nicht ganz bedeutungslosen Zeitraum) um die Verfügungsmacht über eben jenes "Giralgeld" (vgl. neuerlich JBl. 1981,551, RZ 1982/34 und 13 Os 72/83 sowie EvBl. 1985/104), also über einen Teil seines effektiv vorhanden gewesenen wirtschaftlichen Vermögens, gebracht wird.

Lediglich bei einer Überschreitung (sogar) des Überziehungsrahmens, der dem Kontoinhaber (konkret) eingeräumt ist (vgl. 10 Os 181/83 sowie JBl. 1986,801; ebenso Burgstaller in ÖJZ 1983,124), und in jenen Fällen, in denen die Bank bei der Abbuchung innerhalb dieses Rahmens von vornherein keine ökonomisch wirksame, also einbringliche Forderung gegen den Inhaber im Umfang der ihr betrügerisch herausgelockten Zahlung erlangt (vgl. neuerlich JBl. 1986,801), tritt demnach der Schaden primär und unmittelbar im wirtschaftlichen Vermögen der Bank ein; spätere Schadensüberwälzungen dagegen sind in jedem Fall für die hier aktuelle Subsumtionsfrage ohne Belang.

Demgegenüber ist die vom Erstgericht relevierte, in einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung (EvBl. 1981/27 = JBl. 1980,666 = ÖJZ-LSK 1980/161; zitiert auch bei Kienapfel BT II § 166 RN 18) vertretene Auffassung, daß der Schaden in Fällen der hier in Rede stehenden Art durchwegs primär im Vermögen der Bank eintrete, weil (formalrechtlich) selbst ein Guthaben des Kontoinhabers im Rahmen des betreffenden unregelmäßigen Verwahrungsvertrages (§ 959 ABGB) in ihr Eigentum übergegangen sei, mit der zuvor angeführten jüngeren Rechtsprechung - und demnach auch mit der (im Urteil zu Unrecht als Beleg für die Gegenmeinung zitierten) E. EvBl. 1981/193 - im Hinblick auf das (gleichfalls bereits erwähnte) Erfordernis einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht aufrecht erhalten worden. Schon auf Grund dieser Sicht ist es im gegebenen Zusammenhang (entgegen Hauptmann in ÖJZ 1983,121 f.) auch ohne Belang, daß der Abbuchungsvorgang als solcher für sich allein zivilrechtlich noch keine Verbindlichkeit des Kontoinhabers begründet: nicht darin besteht die hier maßgebende ökonomisch wirksame Verringerung von dessen effektiv vorhandenem wirtschaftlichen Vermögen, daß seine Dispositionsmöglichkeit über das ihm zur Verfügung gestellte Giralgeld durch Unstimmigkeiten über eine Abbuchung, gegen die er reklamiert, eingeschränkt wäre und diese Einschränkung rechtlich bereits als eine Vergrößerung seiner Verbindlichkeiten anzusehen sei, sondern vielmehr in jener wirtschaftlich effizienten Ausschaltung seiner Verfügungsmacht über das betreffende Buchgeld, die schon durch die Abbuchung seitens der Bank und ganz unabhängig davon eintritt, ob er dagegen reklamiert oder nicht. Eine - im heutigen Wirtschaftsleben wohl nur selten realistische - Annahme dahin aber, daß eine bankmäßige Zahlung und der zugehörige Abbuchungsvorgang ökonomisch nicht als eine Einheit zu verstehen seien, ist bei der im vorliegenden Fall gegebenen Sachlage (wie in aller Regel) nicht aktuell.

Auf die zuletzt erörterten formalrechtlichen Erwägungen kann demnach entgegen der Rechtsansicht des Schöffengerichts die Auffassung, daß der Betrugsschaden primär im Vermögen der Bank eingetreten sei, nicht gestützt werden; zu einer abschließenden rechtlichen Beurteilung des als erwiesen angenommenen Tatverhaltens der Angeklagten in Ansehung dieser Frage reichen jedoch die Urteilsfeststellungen nicht aus.

Hiezu nämlich waren zwar Konstatierungen dahin, ob ein nach der Abbuchung der betrügerisch herausgelockten Zahlungen vom Konto des Reinhold B*** im Fall eines Passivsaldos dem Kreditinstitut ihm gegenüber zugestandener Anspruch auf dessen Abdeckung ökonomisch wirksam war, nach Lage des Falles deshalb entbehrlich, weil die Verfahrensergebnisse - denen zufolge die Bank jedenfalls letzten Endes keinen Schaden erlitten hat, weil das Konto zur Zeit der Hauptverhandlung gedeckt war (S 169 f., 175) - für die Annahme einer zur Tatzeit vorgelegenen Uneinbringlichkeit einer dementsprechenden Forderung keinerlei Anhaltspunkt boten.

Wohl aber waren auf Grund jener Bekundung des Genannten, wonach er im Anschluß an die in Rede stehenden Zahlungen der Bank nichts mehr habe beheben können, weil das Konto einen Minus-Stand aufgewiesen habe (S 192), nach dem zuvor Gesagten Feststellungen darüber indiziert, ob und bejahendenfalls inwieweit durch diese Zahlungen allenfalls sogar ein ihm eingeräumt gewesener Überziehungsrahmen überschritten wurde: nur in jenem Ausmaß wäre der Betrugsschaden primär im Vermögen der Bank eingetreten und erst später durch die Abdeckung dieser Überschreitung auf den Ehegatten der Angeklagten überwälzt worden.

Im Hinblick auf den insoweit vorliegenden Feststellungsmangel des Urteils (Z 9 lit. c) ist demnach in bezug auf das Faktum I. eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich; aus Gründen des Zusammenhangs (§ 289 StPO) erstreckt sich diese Notwendigkeit aber auch auf das Faktum II., weil im zweiten Rechtsgang die Frage eines allfälligen Zusammenwirkens der Angeklagten mit ihrem Ehegatten zum Nachteil der Bank (§§ 12, 15, 146 ff. StGB) neuerlich aktuell wird. Nach Anhörung der Generalprokuratur war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung von Amts wegen (§ 290 Abs. 1 StPO) wie im Spruch zu erkennen (§ 285 e StPO), ohne daß es einer Erörterung der Nichtigkeitsbeschwerde bedürfte, mit der die Angeklagte darauf zu verweisen war.

Bei einem abermaligen Schuldspruch wegen § 229 Abs. 1 StGB wird in Ansehung des Tatzeitraums jedenfalls zu beachten sein, daß dieser nicht als über die letzte nachweisbare Tathandlung der Angeklagten hinausreichend angenommen werden könnte.

Anmerkung

E10441

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0100OS00038.87.0324.000

Dokumentnummer

JJT_19870324_OGH0002_0100OS00038_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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