TE OGH 1987/3/24 14ObA33/87

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Veröffentlicht am 24.03.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die fachkundigen Laienrichter Herbert Bauer und Dr.Gerald Mezriczky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Vladimir K***, Kraftfahrer, 1140 Wien, Hütteldorferstraße 161/11, vertreten durch Dr. Willibald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Heinz W. T*** Gesellschaft mbH, Wien 17., Steinergasse 8, vertreten durch Dr. Heinz Künzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen restl. S 61.802,99 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 16.Oktober 1986, GZ 44 Cg 126/86-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 21.Februar 1986, GZ 7 Cr 576/85-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil zur Gänze wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 35 bestimmten Barauslagen des Berufungsverfahrens sowie die mit S 8.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 5.000 an Barauslagen und S 308,85 an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist noch ein Klagsbetrag von S 61.802,99 sA an Kündigungsentschädigung, die Urlaubsabfindung übersteigender Urlaubsentschädigung, Sonderzahlungen und Abfertigung (ein weiteres Begehren von S 16.197,01 sA wurde teils in erster, teils in zweiter Instanz rechtskräftig abgewiesen). Der Kläger führt zur Begründung seines Begehrens aus, er sei von der beklagten Partei am 18.3.1985 ungerechtfertigt entlassen worden.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Der Kläger sei berechtigt entlassen worden, weil er weisungswidrig Tachographenscheiben in seinem Kraftfahrzeug nicht verwendet, die beklagte Partei vom Beginn und Ende der jeweiligen täglichen Arbeitszeit nicht verständigt, den Standort seines Kraftfahrzeuges nicht ordnungsgemäß gemeldet und die vorgeschriebenen Fahrtstrecken beim Einsammeln des Mülls und bei der Durchführung der Schneeräumung trotz mehrfacher Ermahnungen und Belehrungen nicht eingehalten habe. Zuletzt sei ihm die Entlassung angedroht worden. Am 24.2.1985 sei er neuerlich verwarnt worden, weil er sich während der Arbeitszeit in seiner Wohnung aufgehalten habe. Der unmittelbare Anlaß seiner Entlassung habe darin bestanden, daß er auftragswidrig den Gehsteig eines Wiener Hauses, in dessen Bereich sich zwei Haltestellen befinden, nicht vom Schnee geräumt habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende noch wesentliche Feststellungen:

Der Kläger hatte im Winter Schneeräumungsarbeiten durchzuführen. Eine Arbeitspartie besteht aus dem Lenker eines Schneeräumungsgerätes und einem Schaufler. Aufgabe des als Lenker eingesetzten Klägers war es auch, die Arbeiten des Schauflers zu kontrollieren und, wenn er seine mit dem Gerät verrichteten Arbeiten beendet hatte, ebenfalls händisch Schaufelarbeiten zu verrichten. Er hatte sich dabei an die von der beklagten Partei festgelegten Fahrtstrecken zu halten. Die Schneeräumgeräte haben Aufzeichnungsvorrichtungen, in die Tachographenscheiben einzulegen sind. Diese zeichnen die jeweilige Geschwindigkeit des Geräts in Abhängigkeit von der verstreichenden Zeit auf; sie halten auch fest, ob sich das Gerät im Betrieb befindet oder ob der Motor abgestellt ist.

Der Geschäftsführer der beklagten Partei war zunächst mit der Arbeitsleistung des Klägers zufrieden. Gerichtliche und verwaltungsbehördliche Verfahren wegen Unterlassung der Schneeräumung endeten mit dessen Freispruch oder mit der Einstellung des Verfahrens, weil dem Kläger ein Verschulden nicht nachgewiesen werden konnte. Die positive Einstellung des Geschäftsführers änderte sich jedoch, als zahlreiche zum Teil nicht unmittelbar mit der Schneeräumung im Zusammenhang stehende Probleme der Dienstleistung des Klägers auftraten. Da der Kläger mit der Abrechnung seiner Arbeitsstunden, die vom Lohnbüro im Zusammenhang mit den vorgelegten Tachographenscheiben vorgenommen wurde, nicht zufrieden war, stellte er die Ablieferung der Scheiben trotz wiederholter Ermahnungen ein. Gelegentlich unterließ er die Meldung des Beginns und des Endes seiner Arbeitszeit sowie den Gebrauch der Stempelkarte. Neben dieser Pflichtenverletzungen und wegen einer unterlassenen Schneeräumung wurde er ausdrücklich verwarnt und auf die Folgen neuer grober Pflichtverletzungen (Entlassung) hingewiesen. Es hatte sich nämlich herausgestellt, daß er die Schneeräumung nur dann zufriedenstellend durchführte, wenn er dies maschinell erledigen konnte. Wenn aus besonderen Gründen eine händische Schneeräumung erforderlich war, unterließ sie der Kläger oder verrichtete sie nur mangelhaft. Am 18.3.1985 sollte der Kläger in der Ottakringerstraße einen Gehsteig, bei dem sich zwei Autobushaltestellen befinden, vom Schnee räumen. Wegen der geringen Breite des Gehsteiges und der darauf befindlichen Masten war eine durchgehende maschinelle Reinigung nicht möglich. Der Kläger unterließ jedoch die händische Schneeräumung und sorgte auch nicht dafür, daß der ihm zugeteilte Schaufler diese Arbeit verrichtete. Er wurde daraufhin am selben Tag entlassen.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Entlassung wegen des letzten Vorfalles im Zusammenhalt mit den früheren, zu Ermahnungen und Verwarnungen führenden Pflichtenverletzungen (Nichtverwendung der Tachographenscheiben, Unterlassung von Meldungen und der Schneeräumung) aus dem Grunde des § 82 lit f GewO gerechtfertigt sei.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es dem Kläger einen Betrag von S 61.802,99 sA zusprach. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch, traf aber keine ausdrücklichen Feststellungen. Der Entscheidung kann gerade noch entnommen werden, daß das Berufungsgericht von den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ausging, allerdings mit der ausdrücklichen Einschränkung, daß der Kläger in den letzten Jahren vor der Entlassung eine Schneeräumung weder pflichtwidrig unterlassen habe noch in diesem Zusammenhang verwarnt worden sei. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, die Unterlassung der Schneeräumung am 18.3.1985 beruhe auf einer Pflichtenverletzung, rechtfertige aber für sich allein schon mangels Vorliegens der Voraussetzung der Beharrlichkeit eine Entlassung nicht. In den letzten Jahren vor diesem Zeitpunkt habe jedoch der Kläger Pflichtenverletzungen im Zusammenhang mit der Schneeräumung nicht begangen. Die in den Jahren 1980 bis 1982 stattgefundenen Vorfälle lägen so weit zurück, daß sie nicht mehr berücksichtigt werden könnten. Die anderen Verfehlungen des Klägers, nämlich die Versuche, sich einer Überwachung zu entziehen, stünden mit der mangelhaften Schneeräumung nicht im Zusammenhang, sodaß sie "zur Ausfüllung eines Entlassungstatbestandes" nicht herangezogen werden könnten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei mit einem auf die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils abzielenden Aufhebungsantrag (richtig: Abänderungsantrag). Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Dem Berufungsgericht ist darin beizustimmen, daß der zur Entlassung des Klägers Anlaß gebende Vorfall vom 18.3.1985 zwar auf einer Pflichtenverletzung beruht, daß er aber für sich allein mangels Vorliegens des im § 82 lit f GewO 1859 enthaltenen Tatbestandsmerkmals der Beharrlichkeit die Entlassung nicht zu rechtfertigen vermag. Da das Berufungsgericht von den Feststellungen des Erstgerichts über mangelhafte Schneeräumungen in der Zeit zwischen 1982 und dem 18.3.1985 abgegangen ist, liegt somit im Bereich der Schneeräumung nur ein für die Beurteilung der Berechtigung der Entlassung maßgeblicher Vorfall vor. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes sind aber die mit der Schneeräumung nicht unmittelbar im Zusammenhang stehenden weiteren Pflichtenverletzungen, wie sie auch vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt wurden, zur Beurteilung der Beharrlichkeit der Pflichtenverletzungen heranzuziehen. Diese Pflichtwidrigkeiten, insbesondere die wiederholt abgemahnte Unterlassung der dem Kläger aufgetragenen Verwendung und Ablieferung der Tachographenblätter, reicht, wie auch aus den Parteiangaben des Klägers hervorgeht, bis zum Zeitpunkt der Entlassung. Diese fortgesetzte Unterlassung wird auch nicht etwa dadurch gerechtfertigt, daß der Kläger meinte, auf Grund der Tachographenblätter werde seine Arbeitszeit unrichtig festgesetzt. Darüber hinaus unterließ er auch gelegentlich die Meldung des Beginns und des Endes seiner Arbeitszeit sowie den Gebrauch der Stempelkarte, obwohl er auch wegen dieser Pflichtenverletzungen verwarnt und ihm die Entlassung angedroht wurde. Diese Pflichtenverletzungen des Klägers sind jedoch bei der Beurteilung der Beharrlichkeit heranzuziehen, weil er in allen Fällen - auch in dem zur Entlassung Anlaß gebenden Fall einer unterlassenen Schneeräumung - seine Dienstpflichten trotz wiederholter Ermahnungen und Verwarnungen verletzt hat. Daß es sich dabei um verschiedenartige Pflichten gehandelt hat, ist ohne Bedeutung, weil all diesen Fällen eine Verletzung der Dienstpflichten zugrunde lag und der Kläger im Hinblick auf die wiederholten Ermahnungen und Verwarnungen sowie auf die Androhung der Entlassung wissen mußte, daß er im Falle einer weiteren Pflichtenverletzung mit einer Entlassung zu rechnen habe.

Da die noch offenen Klagsforderungen eine ungerechtfertigte Entlassung voraussetzen, diese Voraussetzung aber nicht vorliegt, war das Klagebegehren in Abänderung der angefochtenen Entscheidung abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E10530

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:014OBA00033.87.0324.000

Dokumentnummer

JJT_19870324_OGH0002_014OBA00033_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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